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2.3 Heterotope Ossifikation

2.3.3 Histologie

URIST et al. (1978) beschreiben die Entstehung der HO als eine Nachahmung der embryonalen Knochenentwicklung mit einer anfänglichen morphogenetischen Phase bis hin zu einer Phase der Zelldifferenzierung. Eine HO stellt eine nicht vom Knochen-gewebe ausgehende Knochenbildung im WeichteilKnochen-gewebe dar, die das Periost nicht mit einbeziehen, aber eine Verbindung zum Skelett aufweisen kann (VANDEN

BOS-SCHE u. VANDERSTRAETEN 2005). Sie entwickelt sich im Bindegewebe z.B. zwi-schen den Muskelfasern. In ihrer Struktur entspricht die HO orthotopem Knochen mit Spongiosastruktur, Gefäßen und Knochenmark. Sie besitzt alle morphologischen und metabolischen Eigenschaften orthotopen Knochens (URIST et al. 1998; VANDEN BOSSCHE u. VANDERSTRAETEN 2005). Trotz ihrer Lokalisation an den Gelenken gibt es keine Infiltration in die Gelenkkapsel (CHANTRAINE u. MINAIRE 1981). Es kommt zu einer Fibroisierung und Verkalkung des umgebenden Gewebes, was durch den Druck auf die Muskelfasern zu einer lokalen Muskelnekrose führen kann.

2.3.4 Formen und Klinik der neurogenen heterotopen Ossifikation

Bei einer neurogenen HO wird eine „gerichtete“ von einer „ungerichteten“ HO unter-schieden (GARLAND 1991a; ABEL et al. 2002). Die „gerichtete“ HO wird nach Rü-ckenmarktrauma und die „ungerichtete“ HO nach Schädel-Hirn-Trauma beschrie-ben(GARLAND 1991a; ABEL et al. 2002). Eine „gerichtete“ HO bezeichnet die Ausbil-dung der Verknöcherungen ventral am Hüftgelenk, zwischen der Spina iliaca anterior superior und dem Trochanter minor (GARLAND 1991a; ABEL et al. 2002). Am Ellbo-gen manifestiert sich die „gerichtete“ HO ebenfalls auf der ventralen Seite. Im GeEllbo-gen- Gegen-satz dazu treten die Knochenbildungen bei der „ungerichteten“ HO medial am Hüftge-lenk auf zwischen der Spina iliaca anterior superior und der proximal lateralen Seite des Femur (GARLAND 1988; STOCKHAMMER et al. 1992). Bei Patienten mit einer ASCI, die aufgrund des fehlenden Schmerzempfindens keine relevanten klinischen Symptome zeigen, wird die HO meist nur als Zufallsbefund erkannt (SHEHAB et al.

2002).

Aufgrund der Knochenbildungen im Bereich der großen Gelenke (Abb. 5) berichten die Patienten mit einer neuronalen heterotopen Ossifikation nach Schädel-Hirn Trauma von lokalen Schmerzen und einer Abnahme der Gelenkbeweglichkeit, bis hin zur voll-ständigen Versteifung der Gelenke (EULERT et al. 1997). Diese Ossifikationen können von kleinen klinisch unauffälligen Knocheninseln im Muskel- oder Bindegewebe bis zu einer vollständigen Versteifung von Gelenken reichen (BRAVO-PAYNO et al. 1992;

WITTENBERG et al. 1992). Außerdem stellen sich Patienten mit einer Schwellung, Rötung, Erwärmung und Schmerzen des periartikulären Weichteilgewebes vor (GAR-LAND et al. 1980; GAR(GAR-LAND 1991b; CITTA-PIETROLUNGO et al. 1992; GAUTSCHI et al. 2008), die sich in der überwiegenden Zahl der Fälle in den ersten drei Monaten nach dem Trauma manifestieren (GARLAND 1991a; BRAVO-PAYNO et al. 1992). Dif-ferentialdiagnostisch entspricht das Bild einer Entzündung, wobei im Anfangsstadium

auch eine Thrombophlebitis, Osteomyelitis und Tumore, bspw. ein Osteosarkom, aus-geschlossen werden müssen (GOLDBERG u. SCHUMACHER 1977; RAGONE et al.

1986). In einem anschließenden Stadium sind Schwellungen und feste Gewebsmas-sen zu tasten, die im weiteren Verlauf zu Einschränkungen der Gelenkbeweglichkeit führen (EULERT et al. 1997). Distal dieser Schwellung entstehen durch venöse Stau-ungen Ödeme und begünstigen das Auftreten von Phlebitiden (GAUTSCHI et al.

2008).

Unabhängig von der Ätiologie kommt es in ca. 10% dieser Fälle schließlich zu einer Ankylose (RENFREE et al. 1994; WITTENBERG et al. 1992; EULERT et al. 1997). Für die Patienten bedeutet dies eine Einschränkung ihrer Selbstständigkeit und Mobilität, da eine Beugung der betroffenen Gelenke nicht mehr möglich ist. Als Folge der Bewe-gungseinschränkung präsentieren sich einige Patienten mit einer verstärkten Spastik der gelähmten Extremität (AKBAR et al. 2007).

Abb. 5: Röntgenaufnahme von Patienten mit stark ausgeprägter HO. A: am re. Hüftgelenk, a/p. B: HO Bildung am li. Hüftgelen (Quelle: www.learningradiology.com)

2.3.5 Diagnostik

Eine frühzeitige Diagnose der HO durch Anamnese, klinische Untersuchung und bild-gebende Verfahren (Röntgen, CT, MRT und Szintigraphie) ist für die Behandlung und die Vermeidung von Folgeerkrankungen (Dekubiti, Ankylosierung von Gelenken) sehr wichtig (PAPE ET AL. 2004).

2.3.5.1 Bildgebende Diagnostik

Eine HO ist in den ersten Wochen nur geringfügig mineralisiert und nicht röntgendicht.

In einem konventionellen Röntgenbild ist die HO daher zu diesem Zeitpunkt noch nicht

erkennbar und spezielle sensitivere bildgebende Untersuchungsmethoden wie CT o-der MRT sind notwendig (MAIER 2005). Erst in späteren Stadien nach Ausreifung o-der HO eignen sich Röntgenbilder zur Diagnostik und Verlaufsbeobachtung.

2.3.5.2 Szintigraphie

Eine sensitive Methode zur frühen Diagnostik der HO ist die Drei-Phasen-Skelett-Szin-tigraphie, bei der 99mTechnetium-Methylen-Diphosphat (99mTcMD) als Radioisotop ein-gesetzt wird (FREED et al. 1982; ORZEL u. RUDD 1985; CITTA-PIETROLUNGO et al. 1992). Mit dieser Methode ist es möglich eine HO bereits zwei bis vier Wochen nach einem neuronalen Trauma nachzuweisen (ORZEL u. RUDD 1985; SHEHAB et al.

2002).

2.3.5.3 Labordiagnostik

Die knochenspezifische Alkalische Phosphatase (Bone specific Alkaline Phosphatase, BAP, ein Isoenzym der Alkalischen Phosphatase), die unspezifische Alkalische Phos-phatase (AP) im Serum und Prostaglandin E2 (PGE2) (CELLA et al. 1988; SCHURCH et al. 1997) können im Urin gemessen werden. In der Frühphase der HO (bis zu sieben Wochen vor den ersten klinischen Symptomen) ist die AP im Serum von HO Patienten erhöht (ORZEL u. RUDD 1985; GARLAND 1991a; SHEHAB et al. 2002). Sie ist ein spezifischer Marker der Osteoblasten-Aktivität und steigt zwischen der vierten und zehnten Woche auf das dreieinhalbfache des Normalwertes an (ORZEL u. RUDD 1985). In der zwölften Woche kommt es meist zu einem Maximum der Konzentration, die bis zur 18. Woche nach einem Trauma wieder auf den Normalwert abfällt (ORZEL u. RUDD 1985). Die AP ist ein sensitiver aber wenig spezifischer Marker für die HO, da dieses Isoenzym auch bei anderen Knochenläsionen (z.B. Fraktur) erhöht ist und auch, in physiologisch intaktem Knochen, Leber, Niere, Darm und Plazenta vorkommt (ORZEL u. RUDD 1985). Damit eignet es sich nicht zur alleinigen Diagnostik, sondern vielmehr zur Verlaufskontrolle.

2.3.6 Modelle der neurogenen heterotopen Ossifikation

In der zugänglichen Literatur existiert bisher nur eine Studie (OTFINOWSKI 1993), die die Entstehung einer neurogenen HO untersucht ohne dabei ein Knochenheilungsmodell zu verwenden. Dabei verwendeten die Autoren ein in vivo Modell mit dekalzifiziertem, lyophylisiertem, kortikalen Rattenknochen, der in die Muskulatur von Ratten implantiert wurde. Es wurden vier Gruppen gebildet. Einer

Gruppe wurde zur Simulation eines SHT, vor dem Einsetzen des Implantates in die Hintergliedmaßenmuskulatur, Kainsäure intracranial injiziert. Einer weiteren Gruppe wurde das Rückenmark auf Höhe von Th10 durchtrennt (Implantat: dorsale Muskulatur cranial von Th10 und in die Hintergliedmaßenmuskulatur). Bei der dritten Gruppe fand eine Denervation aller peripheren Nerven einer Gliedmaße (Implantat:

Hintergliedmaßenmuskulatur und dorsale Muskulatur cranial von Th10) statt. Die vierte Gruppe diente als Kontrollgruppe, die lediglich den Rattenknochen in die Hintergliedmaßenmuskulatur implantiert bekam. Die Ergebnisse zeigten einen Unterschied in den Gruppen am 20. Tag nach dem Eingriff, der sich am 40. Tag nicht mehr feststellen lies. Dabei zeigten die Gruppen mit dem induzierten SHT und die mit peripherer Nervendurchtrennung, eine schnellere Einwanderung von MSC in die dekalzifizierten Knochenimplantate und eine beschleunigte Differenzierung zu Chondroblasten, als Zeichen einer enchondrale Ossifikation. Die Gruppe mit der Durchtrennung des Rückenmarks wies eine verminderte Osteoneogenese auf, mit einer schwächeren zellulären Reaktion in der Umgebung des implantierten Knochens und einer langsameren Differenzierung der MSC zu Chondroblasten.

Darüber hinaus gibt es verschiedene Modelle, mit denen die Entstehung der HO unabhängig von einem neurogenen Trauma induziert werden kann. Es kann ein Trauma des Weichteilgewebes geschaffen werden (MICHELSSON et al. 1980), durch eine Reizung des Gewebes durch Fremdmaterial eine HO Entstehung ausgelöst werden (SELYE et al. 1967; MÖRNDAL et al. 1987), oder aber bestimmte Zelltypen, welche die Fähigkeit zur Knochenbildung besitzen, transplantiert werden (AHO et al.

1988; JANICKI et al. 2010). Dabei geht es zwar auch um Knochenbildung an Stellen wo physiologisch kein Knochen entsteht, aber die Fragestellung thematisiert nicht die Entstehung von Knochen nach einem ZNS-Trauma. Die neueren Studien zur Erforschung der HO nach ZNS-Trauma verwenden Knochenheilungsmodelle.

3 Eigene Untersuchungen

3.1 Versuchstiere und Versuchstierhaltung

3.1.1 Herkunft

Alle Untersuchungen wurden durch das verantwortliche Regierungspräsidium Karls-ruhe unter dem Aktenzeichen 35-9185.81/G-149/07 genehmigt und fanden in der Or-thopädischen Universitätsklinik Heidelberg statt. Als Versuchstiere wurden weibliche Sprague Dawley Ratten (SDR) in einem Alter von drei bis sechs Monaten (200-400g KGW) verwendet. Sie stammten aus der Zucht von Charles River (Deutschland).

3.1.2 Haltung und Fütterung

Die Haltung der Ratten erfolgte in den Tierhaltungsräumen der Orthopädischen Uni-versitätsklinik Heidelberg, in Gruppengrößen mit bis zu fünf Tieren in Makrolon® -Käfi-gen Typ IV (Tecniplast, Deutschland), unter kontrollierten und standardisierten Um-weltbedingungen. Gefüttert wurde ein pelletiertes Haltungsfutter für Ratten ad libitum (Alleinfuttermittel, SSNIFF Spezialdiäten GmbH, Deutschland). Die Tiere hatten über Makrolon®-Nippel-Flaschen (Tecniplast, Deutschland) stets freien Zugang zu Trink-wasser. Es wurde Standardweichholzgranulat für Labortiere (Lignocel, J. Rettemaier

& Söhne GmbH & Co.KG, Deutschland) als Käfigeinstreu verwendet. Die Raumtem-peratur betrug während der gesamten Haltungsdauer 22±2°C bei einer Luftfeuchtigkeit von 55±5%. Die Beleuchtung erfolgte ausschließlich durch Kunstlicht bei <250 Lux im Raum und <60 Lux im Käfigbereich in einem kontinuierlichen zwölf Stunden Tag-Nachtzyklus. Die Versuchstiere wurden einmal wöchentlich in saubere Käfige mit fri-scher Einstreu umgesetzt. Alle Tiere wurden frühestens nach einer Eingewöhnungs-zeit von zwei Wochen operiert. Postoperativ erfolgte die Haltung für eine Dauer von maximal sieben Tagen einzeln in Makrolon®-Käfigen Typ III (Tecniplast, Deutschland).

Die Tiere wurden durch das Aufmalen von Ringen, Punkten und Kreuzen in rot, grün und schwarz auf dem Schwanz individuell gekennzeichnet um eine eindeutige Zuord-nung zu ermöglichen.

3.2 Verwendete Materialien und Geräte für die Durchführung des Tierversuchs

Für die experimentelle Durchführung (Anästhesie, Operation, postoperativer Beobach-tungszeitraum und Euthanasie) wurden die im Anhang vollständig aufgeführten Medi-kamente, Geräte und Materialien verwendet.

3.2.1 Spezielle Instrumente

Für die Durchführung der Rückenmarkkontusion (Abb. 6, 7, 8), sowie für die Ostekto-mien und Osteosynthesen an Femur (Abb. 9, 10) und Humerus (Abb. 10, 11) wurden spezielle Instrumente verwendet, die im Anhang aufgelistet sind.

Die Instrumente und Materialien für die Ostektomien und Osteosynthesen (Abb.9 bis 11) wurden im Development Institute der AO in Davos, Schweiz für die Anwendung an der Ratte entwickelt.

3.2.1.1 Instrumente für die Rückenmarkkontusion

Um die Rückenmarkkontusion zu schaffen wurde ein Verfahren nach VANICKI et al.

(2001) verwendet. Dazu wurde durch Zuhilfenahme verschiedener Instrumente (Abb.

6) eine Laminektomie von Th10 bis Th11 geschaffen und ein 2french Fogarthy Kathe-ter (Abb. 8) in den Spinalkanal eingebracht und über eine daran angeschlossene 1ml Spritze (Abb. 7, B) mit 20µl NaCl gefüllt (Abb. 8). Damit das Volumen von 20µl über einen Zeitraum von 20 Min. aufrechterhalten werden kann, wurde eine Halterung aus Metall gebaut, in die die Spritze eingelegt wird und mit Hilfe einer Stellschraube (Abb.

7, A) das Füllvolumen des Ballons des Katheters eingestellt werden kann (Abb. 7).

Zuerst wird die Spritze mit NaCl gefüllt dann an den Katheter angeschlossen, anschlie-ßend in die Halterung eingelegt und der Stempel der Spritze über die Stellschraube (Abb. 7, A) so eingestellt das 20µl in den Ballonkatheter gefüllt werden. Durch die Schraube ist es möglich den Flüssigkeitsdruck über 20 Min. konstant zu halten.

Abb. 6: A: Friedmann Pearson Micro-Rongeur, B: Raspatorien, C: Wundspreizer

Abb. 7: Halterung für die Spritze (B) die mit dem Ballonkatheter verbunden ist (li. im Bild) und über die mit Hilfe der Stellschraube (A) das Volumen der Flüssigkeit im Katheter eingestellt und

aufrechterhal-ten wird.

Abb. 8: 2french Fogarthy Ballonkatheter mit 20µl NaCl gefüllt

3.2.1.2 Instrumente für die Osteosynthese und Ostektomie am Femur

Für die Ostektomie und -osteosynthese des Femur wurde das Rat Fix System einge-setzt welches für den Einsatz an der Ratte entwickelt wurde (siehe Anhang). Dies be-inhaltet eine Bohr- /Sägelehre (Abb. 9), Bohraufsätze, Schraubendreher, Vierkant-schlüssel, ein (siehe Anhang) Bohrfutter für die Verwendung eines Dremels® als Boh-rer, Gigli Sägedraht, PEEK Platten (Abb. 10, obere Platte) und Titanschrauben.

Abb. 9: Bohr- und Sägelehre Femur. A: Seitenansicht, B: Aufsicht

Für die Anwendung am Humerus wurde die eigentlich für die Verwendung am Femur entwickelte PEEK-Platte von den Mitarbeitern des AO Development Institute (Davos, Schweiz) an die speziellen Gegebenheiten des Humerus der Ratte adaptiert. Die Plat-ten wurden entsprechend des im Vergleich zum Femur kleineren Humerus verkürzt, um 3mm verschmälert und mit sechs anstatt acht Löchern für die Schrauben versehen (Abb. 10). Entsprechend mussten auch die Schrauben von 5,9mm auf 5,7mm verkürzt werden.

Abb. 10: PEEK Platten, Aufsicht, obere Platte Femur, untere Platte Humerus

Des Weiteren wurde ein Prototyp der Bohr-, Sägelehre für die Verwendung am Hume-rus (Abb. 11) entwickelt, die es ermöglicht den N.radialis im Sägebereich zu schonen.

Sie besaß drei Metallstifte auf jeder Seite als Führung für den Sägedraht. Der proxi-male Stift auf der caudalen Seite der Lehre war um 3mm kürzer als die anderen Stiffte (Abb. 11, B: linke Sägelehre). Dies sollte der Schonung des N.radialis dienen. Es zeigte sich jedoch, dass der Nerv bei einer gleichen Länge aller Stifte besser geschont wurde (Abb. 11, B, rechte Sägelehre). Außerdem stellte die Höhe der Sägelehre ein Problem dar. Es war nur schwer möglich den M.brachialis darunter zu positionieren, ohne eine mittelgradige Kontusion des Muskels hervorzurufen. Diese beiden Punkte wurden in Form einer überarbeiteten Sägelehre behoben (Abb. 11 A, B jeweils rechte Sägelehre).

Abb. 11: Sägelehren Humerus, jeweils li. Prototyp, re. optimiertes Modell. A: Ansicht von oben. B: Sei-tenansicht

3.3 Methoden

3.3.1 Versuchsaufbau und Gruppeneinteilung

Die Ratten wurden vor den Operationen randomisiert in sieben Gruppen (Tab. 2) ein-geteilt. Es wurden jeweils zehn Tiere pro Gruppe operiert, wobei die Gruppen ohne Rückenmarkschädigung als Kontrollgruppen fungierten. Die Gruppe mit N.ischiadicus Durchtrennung diente dazu, die Auswirkungen einer lokalen Nervenschädigung als Kontrolle gegen eine zentrale Nervenschädigung zu untersuchen. Der postoperative Beobachtungszeitraum betrug 14 (Gruppe I-V) und 28 Tage (Gruppe VI und VII).

Tab. 2: Studiendesign

Gruppe Verfahren Zeitpunkt Tierzahl

I Rückenmarkkontusion + Femurostektomie rechts mit Plattenosteosynthese

14 Tage 10

II Rückenmarkkontusion + Humerusostektomie links mit Plattenosteosynthese

14 Tage 10

III Kontrolle, Femurostektomie rechts mit Plattenosteosynthese 14 Tage 10 IV Kontrolle Humerusostektomie, links mit Plattenosteosynthese 14 Tage 10 V Kontrolle, Femurostektomie rechts und N. ischiadicus

Durchtrennung rechts, mit Plattenosteosynthese

14 Tage 10

VI Rückenmarkkontusion +Femurostektomie rechts mit Plattenosteosynthese

28 Tage 10

VII Kontrolle, Femurostektomie rechts, mit Plattenosteosynthese 28 Tage 10

3.3.2 Experimentelle Durchführung

3.3.2.1 Operationsvorbereitung

Für die Einleitung der Narkose wurden die Tiere in einen Narkosekäfig verbracht und dieser mit 3-5Vol% Isofluran + O2 (5L/min) gefüllt. Nach Erreichen des operationsfähi-gen Narkosestadiums wurde Bepanthen® Augensalbe zum Schutz der Kornea vor Austrocknung konjunktival appliziert. Für den Erhalt der Narkose wurde eine Narkose-maske aufgesetzt. Bei allen Tieren wurde mit dem Komesaroff Mark 5 Narkosegerät eine Inhalationsnarkose durchgeführt. Für die Narkoseerhaltung wurde eine Isofluran-konzentration von 1,5-2 Vol% mit O2 (1L/min) verwendet. Zur intraoperativen Analge-sie wurde Buprenorphin (0,01mg/kg KGW, Temgesic®, Essex) 30Min. vor der Opera-tion i.m. verabreicht. Die Narkosetiefe wurde während des gesamten Eingriffs durch Überprüfung der Reflexe anhand des Zwischenzehenreflexes und des Lidreflexes überwacht. Naloxon® oder Doxapram®wurden bei Narkosezwischenfällen in Form ei-nes Atemstillstandes angewendet.

3.3.2.2 Operative Eingriffe 3.3.2.2.1 Rückenmarkkontusion

Die Kompression des Rückenmarks zur Schaffung einer ASCI erfolgte mittels Ballonkatheter (VANICKÝ et al. 2001).

Das narkotisierte Tier wurde dafür mit einem sterilen Einweg-Operations-Abdecktuch bedeckt. Der letzte thorakale Brustwirbel (Th13) wurde ertastet und ein etwa 2cm lan-ger Hautschnitt über die Prozessi spinosi des ersten Lendenwirbels (L1), bis zum zehnten Brustwirbel (Th10) durchgeführt. Die Muskulatur (M.longissimus thoracis) in diesem Bereich wurde seitlich an den Processi spinosi eingeschnitten und mit einem Raspatorium stumpf von den Knochen gelöst. Nun wurde ein Alm Retraktor eingesetzt und die gelöste Muskulatur von der proximalen Seite der Wirbelkörper abgespreizt. Im Folgenden wurden die Processi spinosi, sowie der Arcus vertebrae von Th10 und Th11 mit dem Rongeur entfernt. Sobald eine Öffnung des Arcus vertebrae erreicht wurde und die Dura Mater des Rückenmarkes zu sehen war, wurde unter sehr flacher Füh-rung der Rongeur dorsal in den Wirbelkanal eingeführt und ein Spalt mit etwa 5mm Durchmesser geschaffen. Es wurde darauf geachtet, die Gefäße auf der dorsalen Seite des Rückenmarks nicht zu verletzen. Nun wurde der Thrombolektomie Katheter (Abb. 8) vorbereitet, indem eine 1,0ml Spritze mit steriler NaCl Lösung bis auf 500µl gefüllt und an den Katheter angeschlossen wurde. Dieser wurde mit 20µl gefüllt und

die Unversehrtheit des Katheterballons geprüft. Die korrekte Füllmenge wurde auf der Spritze markiert. Dann wurde die Flüssigkeit wieder aus dem Ballon des Katheters entfernt und dieser in den freigelegten Rückenmarkkanal eingeführt, bis der Ballon in der Mitte von Th9 zu liegen kam (Abb.12, 13). Die korrekte Position wurde auf dem Katheterschlauch markiert. Dann wurde der Ballon mit 20µl gefüllt, wobei der Druck über 20 Minuten konstant gehalten wurde, indem die Spritze in eine eigens dafür ge-baute Halterung (Abb.7) eingeklemmt wurde, mit der es möglich ist den Stempel der Spritze in einer konstanten Position zu halten.

Abb. 12: OP Situs. Eröffneter Spinalkanal mit positioniertem Thrombolektomie-Katheter

Abb. 13: Schema. Position des Thrombolektomie-Katheters im Spinalkanal (aus VANICKÝ et al. 2001)

Anschließend wurde die Flüssigkeit aus dem Ballon entfernt und der Katheter vorsich-tig aus dem Spinalkanal herausgezogen. Es wurde kontrolliert, dass sich keine Blutun-gen im Rückenmarkkanal gebildet hatten, da diese - sofern sie nicht lokalisiert und gestillt werden konnten - ein Ausschlusskriterium waren und die Tiere nicht für den Versuch verwendet werden konnten. Die Wunde wurde schichtweise mit resorbierba-rem Nahtmaterial (5-0 Vicryl®) vernäht und die Haut mit nicht resorbierbarem Faden (5-0 Prolene®) und Hautklammern (Auto Suture) verschlossen.

Für die Rückenmarkkontusion wurde bei allen Tieren die gleiche Zeitspanne von 20 Min. eingehalten und immer das gleiche Volumen von 20µl verwendet werden. Das Volumen musste bei drei Tieren um etwa ein bis zwei µL vermindert werden, da es bei 20µl zu einem Atemstillstand kam.

3.3.2.2.2 Femurostektomie und -osteosynthese

Zur Abdeckung des Operationsgebietes wurde ein steriles Operations-Einwegabdeck-tuch (Raucodrape) über die Ratten gelegt und über der Hintergliedmaße eine Öffnung geschnitten, durch die der Zugang zur Gliedmaße möglich wurde. Mit einem 10er Skal-pell erfolgte eine laterale Hautinzision vom Trochanter major femoris bis zum Kniege-lenk (Abb.14, A) und der Femur wurde lateral frei präpariert. (Abb.14,B) (SCHEBITZ u. ALEF 1999).

Auf der lateralen Seite des Femur wurde die PEEK-Platte so ausgerichtet, dass sie plan auf dem Knochen zu liegen kam. Nun wurde mit der Bohrmaschine und dem Bohrer (0,65x7,5 mm), erst das am weitesten proximal gelegene Loch bikortikal vor-gebohrt und mit Hilfe des speziellen Schraubendrehers, die darin eingespannte Titan-schraube in den Knochen eingedreht. Im Anschluss wurde die Platte distal ausgerich-tet und sechs Schrauben bikortikal in den Femur eingebracht (Abb.14, E). Danach wurde die medial gelegene Muskulatur auf Höhe der Mitte der Femurdiaphyse mit Hilfe eines Raspatoriums abgelöst und somit ein Spalt unter dem Knochen gebildet (Abb.14, B). Zur Schaffung des Knochendefektes wurde die Sägelehre auf die PEEK-Platte auf-gesetzt und der Gigli-Sägedraht durch die Aussparung in der Muskulatur medial unter dem Knochen durchgeführt, in der proximalen Sägeführung positioniert und der Kno-chen durchsägt. Anschließend wurde der Sägedraht in der distalen Sägeführung unter dem Knochen positioniert, parallel zur ersten Sägeführung hindurchgeführt und durch-gesägt, so dass ein 2,0mm breiter Osteoktomiespalt entstand. Das ausgesägte Kno-chenstück wurde mit einer Pinzette entfernt. Der Wundbereich wurde zur Entfernung von Knochen- und Bohrmehl mit steriler NaCl-Lösung gespült und anschließend mit resorbierbarem Nahtmaterial (5-0 Vicryl®) schichtweise verschlossen. Die Haut wurde mit 5-0 Prolene® vernäht und zusätzlich mit Hautklammern gesichert. Zum Schutz der Wunde wurde abschließend Aluminiumspray aufgetragen.

Abb. 14: Ostektomie Femur. A: Hautinzision re. Femur. Laterale Aufsicht. B: Präparation Femur. C:

Sitz der PEEK-Platte auf dem Femur mit Titanschrauben. D: Sägen des Ostektomiespaltes mit der Sägelehre und dem Gigli-Sägedraht. E: 2mm langes Knochenstück aus dem Ostektomiespalt

Die reine Operationsdauer von Femurostektomie und Femurosteosynthese betrug etwa 40 Minuten pro Tier. Sofern vorher eine Rückenmarkkontusion durchgeführt wurde verlängerte sich die Operationsdauer auf eineinhalb Stunden.

3.3.2.2.3 Humerusostektomie und -osteosynthese

In Gruppe IV wurde eine Humerusostektomie und -synthese angewendet. Dies ge-schah im Anschluss an die Rückenmarkkontusion auch in Gruppe II. Nach Abdeckung des Operationsfeldes mit einem sterilen Einwegtuch wurde ein Loch in das Tuch ge-schnitten und die Vordergliedmaße darüber vorgelagert. Der Zugang erfolgte auch hier von craniolateral. Der Hautschnitt erfolgte craniolateral vom Schulter- bis um Ellbogen-gelenk (SCHEBITZ u. ALEF 1999). Cranioproximal vom M.trapezius wurde vom M.

deltoideus die Pars acromialis von der Pars scapularis und dem M.triceps brachii stumpf abgelöst, unter Schonung der Aufzweigung der V.axillobrachialis. Anschlie-ßend wurde die Pars acromialis des M. deltoideus von der Tuberositas deltoidea ab-gelöst und von cranial über medial der M.biceps brachii vom Humerus unter Schonung

deltoideus die Pars acromialis von der Pars scapularis und dem M.triceps brachii stumpf abgelöst, unter Schonung der Aufzweigung der V.axillobrachialis. Anschlie-ßend wurde die Pars acromialis des M. deltoideus von der Tuberositas deltoidea ab-gelöst und von cranial über medial der M.biceps brachii vom Humerus unter Schonung