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2 Material und Methoden

2.5 Patch-Clamp-Technik

Abb. 6 Schaltbild eines Patch-Clamp-Verstärkers und Ersatzschaltbild der Ganzzellableitung (217)

Als spezielle Abwandlung der Voltage-Clamp-Technik ist die Patch-Clamp-Technik eine elektrophysiologische Messmethode, die es erlaubt, minimale Ionenströme (im pA-Bereich) durch spezielle Ionenkanäle in Zellen zu untersuchen. Erwin Neher und Bert Sakmann entwickelten diese Methode in den Jahren 1976-1981 und erhielten 1991 für diese Arbeit den Nobelpreis für Physiologie und Medizin (218) (219) (220).

Die Patch-Clamp-Technik wird auch als cSEVC (continous single-electrode voltage clamp)-Technik bezeichnet, da mit nur einer Elektrode die anliegende Spannung (das Membranpotential) kontinuierlich gemessen und gleichzeitig ein Kompensationsstrom in die Zelle induziert werden kann. Dieser Strom wirkt einer Änderung des Membranpotentials entgegen (Prinzip der Spannungsklemme=voltage

clamp). Der Kompensationsstrom wird aus dem Spannungsunterschied zwischen der vorgegebenen Sollspannung USoll und dem natürlich vorliegenden Membranpotential induziert, solange bis das Membranpotential dem Sollwert entspricht (Haltepotential).

Das Membranpotential kann durch den Ionenstrom durch Öffnung von Ionenkanälen verändert werden. Der Kompensationsstrom für eine festgelegte Spannung USoll ist dann dem Ionenstrom durch die Membran entgegengerichtet. Auf diese Weise kann der Ionenstrom durch die exprimierten Ionenkanäle im aktiven Zustand über die Ableiteelektrode in der Patch-Pipette ermittelt werden.

Hierzu ist eine eine dichte Verbindung („Seal“) zwischen der Glaswand der Pipette und der Membran erforderlich, die durch Aufsetzen der Glaspipette auf die Zellmembran innerhalb einer kleinen Membranfläche (Patch) und durch leichten Unterdruck erzielt werden kann (sogenannte „Cell-attached“ oder „On-Cell“-Konfiguration“). Nur die Ionenkanäle unter der Pipettenöffnung verbinden das Zellinnere mit der Elektrodenflüssigkeit der Pipette. Insgesamt sind vier Konfigurationen möglich, wobei entweder der Ionenfluss als Summenstrom durch alle offenen Kanäle einer ganzen Zelle („whole cell“-Konfiguration) oder aber durch einen einzelnen Ionenkanal als Einzelkanalmessung gemessen werden kann („cell-attached“ „outside-out“, „inside-out“-Konfiguration), siehe Abb. 7. (220) (1) (221) .

Abb. 7 Die Patch-Clamp-Konfigurationen (1)

Da die Interaktion mit Pharmaka die Aktivität von Ionenkanälen beeinflusst, ermöglicht die Patch-Clamp-Technik elektrophysiologische Untersuchungen zur Wirkung von Pharmaka an speziellen Rezeptoren. Das spezielle Patch-Clamp- System der schnellen Applikation von Testlösungen ist mit einem Lösungsaustausch von weniger als 100 µs (222) (223) durch eine hohe zeitliche Auflösung optimal für molekularpharmakologische Analysen an ligandenkontrollierten Ionenkanälen geeignet.

2.6 Versuchsablauf

Legende

1 Messkammer mit Öffnung für die Patch-Pipette 2 Patch-Elektrode in der Patch-Pipette

3 Bad-Elektrode, die in die P1- Lösung in der Petrischale eintaucht

4 Pipettenhalter 5 P1-Zulauf

6 Applikationsschlauch mit blauer Kontrolllösung 7 Ablauf

8 Deckglas mit Zellen über dem Objektiv des Mikroskops

Abb. 9 Die Messkammer

Zu Beginn werden die Pharmakalösungen angesetzt sowie Extra- und Intrazellularlösung bereitgestellt (siehe 9.6).

Das Herstellen der Borosilikat-Glaskapillaren, im Folgenden auch als Patch-Pipetten bezeichnet (AD 1,5 mm, ID 1,17 mm), erfolgt mit Hilfe eines Pipettenziehgeräts (Puller) innerhalb von zwei Schritten: Einem ersten Schritt, bei dem die jeweilige Glaskapillare auseinander gezogen wird und einem zweiten Schritt, dem Polieren der Kapillarenspitzen. Die hitzepolierten Ränder der Patch-Pipetten begünstigen eine elektrische Abdichtung und damit die Bildung des Seals. Sie werden möglichst zu jedem Experiment neu hergestellt, um Verunreinigungen und daraus resultierende Schwierigkeiten bei der Sealbildung zu vermeiden. In Abhängigkeit vom benutzten Heizdraht werden hierzu spezielle Parameter programmiert, welche beispielsweise die Steilheit der Pipettenspitzenflanken sowie die Größe der Pipettenöffnung und damit ihren Widerstand definiert. Für die whole-cell Experimente werden

Glaskapillaren mit einer 1 µM großen Öffnung und Pipettenwiderständen von 5-8 M

verwendet.

Die Patch-Pipette wird hierzu mit Hilfe einer dünn ausgezogenen Kanüle (siehe 9.6) mit der Intrazellularlösung befüllt. Eine Petrischale wird mit der Extrazellularlösung (P1), auch Badlösung genannt, befüllt.

Intrazellularlösung [mM] 140 KCl, 2 MgCl2, 11 EGTA, 10 HEPES, 11 Glucose, 1 CaCl2, pH 7,3.

Extrazellularlösung [mM] 162 NaCl, 5,3 KCl, 0,85 NaHPO4, 0,22 KH2PO4, 15 HEPES, 6,1 Glucose, pH 7,4.

Ein 12 mm Deckglas mit kultivierten, transfizierten Zellen wird in eine mit P1 gefüllte Petrischale überführt und diese dann über einem 40-fach verstärkten Objektiv wie in Abb. 9 eingesetzt. Mit Hilfe des Grob-und Feintriebs des Mikroskops wird die Zellebene scharf gestellt. Eine mit EGFP (enhanced green fluorescent protein) co-transfizierte grün leuchtende Zelle wird durch UV-Licht detektiert und in das Sichtfeld des Mikroskops gebracht (siehe Abb. 10).

Abb. 10 Anpatchen einer fluoreszierenden Zelle Fluoreszenskontrolle (links)

Annähern einer Pipettenspitze an die ausgewählte Zelle (rechts)

Für die Untersuchungen geeignet sind möglichst runde, mittelgroße Zellen, die am Boden haften. Im nächsten Schritt wird das Mikroskop mittels Blende abgedunkelt und der Schatten der Pipette mit Hilfe des Mikromanipulators und eines, in der horizontalen Achse verstellbaren, Grobtriebs in das Bild des Objektivs gebracht und

fokussiert. Die Pipette wird auf die Zellebene gebracht und mittig über der ausgewählten Zelle positioniert. Sobald die Spitze die Zelle berührt, verändert sich ihr Widerstand. Etwa bei 10-12 M (abhängig von den Membraneigenschaften und der Sensibilität der Zellen) wird mit einer Spritze durch Ansaugen ein Unterdruck angelegt, so dass die Pipette und die Zellmembran einen dichten Kontakt haben (cell-attached Konfiguration). Auf dem Monitor liegt der Strom auf der Nulllinie, da der Widerstand inzwischen deutlich angestiegen ist (50-200 M). Durch erneutes Ansaugen und Anlegen eines Spannungspulses von -10 bis -30 mV (Haltepotential) wird die whole-cell-Konfiguration, möglichst mit einem Giga-Seal, erreicht (siehe 2.5), was durch eine Vergrößerung der Fläche der kapazitiven Ströme am PC deutlich wird. Eigene Messungen zeigten, dass in etwa 100-200 mbar (n=5) benötigt werden, um die whole cell-Konfiguration zu erreichen. Bei >400 mbar wird der Seal zwischen Zelle und Pipette zerstört. Die Pipettenspitze mit der gepatchten Zelle wird anschließend vom Boden gelöst und in die Messkammer mit dem Messstrahl gefahren. Die Spitze wird hierzu mit dem Mikromanipulator so nah wie möglich an die Messkammer gefahren, dann wird das Applikationssystem mit Zu- und Ablauf eingestellt (kontinuierlichen P1-Fließgeschwindigkeit von 3,4 ml/min (4% der maximalen Pumpfließrate)), die Messkammer in die Badlösung eingetaucht und die Pipettenspitze mittels Lupe per Auge kontrolliert in den Messstrahl gefahren.

Abb. 11 Positionieren der Pipettenspitze mit Zelle im Messstrahl

Der Messtrahl ist ein laminar fließender Flüssigkeitsstrahl der zu applizierenden Testlösung und fließt vom Applikationssystem über einen Applikationsschlauch (ID 0,25 mm) durch eine dünne Glaskapillare (ID 0,15 mm) innerhalb der Messkammer und wird mit einem Lebensmittelfarbstoff (E142) zur erleichterten Positionierung blau eingefärbt sichtbar (siehe Abb. 11). Für den Applikationsschlauch sollte der angelegte Druck 0,1 bar betragen, da ansonsten Verunreinigungen vorliegen und die Fließgeschwindigkeit verlangsamt ist. Für das Ausrichten der Zelle im Messstrahl gilt es, die Pipette kurz vor der Applikationskapillare zu positionieren. Sobald die Spitze mit der Zelle in den Strahl eintaucht, ist eine Ablenkung des Signals auf dem PC nach unten wahrzunehmen. Die Pipette wird umgehend wieder aus dem Messstrahl gefahren und knapp darüber (zwischen Flüssigkeitsfilament und der kontinuierlich fließenden Hintergrundlösung) positioniert. Die richtige Position der Zelle wird an Hand der Stromamplitude einer maximalen Glycin-Kontrolllösung (z.B.

1 mM Glycin (58)) mittels eines Piezokristall-gesteuerten Tickers eingestellt. Die Kontrolle der stabilisierten Ströme erfolgt durch die Aufnahme zweier einander folgender identischer Stromspuren. Standard whole-cell Experimente (218) erfolgen mit Hilfe des Systems der schnellen Applikation von Testlösungen bei Substanzapplikation mit einer definierten Pulsdauer von 2 s mit einem Zeitintervall von 20 s. Nach der Kontrolllösung wird für die Co-Applikation zunächst die EC20

gemessen, bevor die Applikation der lipophilen Testsubstanzen per Glasspritze erfolgt. Die Testsubstanz und die Kontrolllösung (sättigende Glycinlösung) werden über dasselbe Glas-Polytetrafluoroethylen-Applikationssystem, aber zwei unterschiedliche Applikationskammern, appliziert. Während die Substanz aus der einen Kammer zur Messkammer läuft, kann die zweite Kammer entleert beziehungsweise befüllt werden. Die Testsubstanz wird entweder allein (Direkt-Aktivierung) oder mit einer submaximalen Glycinkonzentration (Co-(Direkt-Aktivierung) appliziert. Für eine komplette Messung wird die Testsubstanz in den zu untersuchenden Konzentrationen an jeweils ein und derselben Zelle appliziert. Die Messreihe beginnt mit der geringst konzentrierten Lösung, im Anschluss wird die Kontrolllösung appliziert, gefolgt von der nächst höheren Testkonzentration. Vor und nach der Substanzapplikation wird die Kontrolllösung appliziert, um die Stabilität des Seals und der gemessenen Stromamplitude zu gewährleisten. Der Lösungsaustausch durch die piezokristall-gesteuerte Kapillare in Form eines laminaren Filaments erfolgt in weniger als 100 µs (222) (223). Die Zeit für den

Austausch der Hintergrundlösungen liegt bei 10 s, welcher nach 20 s komplett abgeschlossen ist (224). Um einen abgeschlossenen Lösungsaustausch zu garantieren, wird daher das Pulsintervall auf 20 s festgelegt. Eine Nachkorrektur von Positionsveränderungen, durch Messstrahl-bedingte Auftriebsbewegung der Zelle während einer Messung kann mittels Mikromanipulator durchgeführt werden. Nach jeder vollständigen Messreihe wird die Glasspritze mehrmals, sowie auch die Schläuche nach einem abgeschlossenen Messtag für mindestens 20 min, mit destilliertem Wasser gespült und gereinigt. Die Extra- und Intrazellularlösung werden bei 4°C gelagert.

2.7 Datenauswertung

Die Daten werden mit Hilfe des digital kontrollierten Verstärkers EPC9 bzw. EPC10 USB und Pulse/Pulse Fit bzw. Patchmaster/Fitmaster Software (HEKA Electronics) erhoben, bei 10 kHz digitalisiert, einer Filterbandbreite von 2 kHz gefiltert und ausgewertet. Die Maximalstromamplitude Imax des Agonisten ist Rezeptor-spezifisch und wird als anfängliche maximal induzierte Glycin-Stromantwort für die jeweilige Zelle in pA ausgedrückt. CImax [mM] wird als diejenige Glycin-Konzentration, die den aktivierten Maximalstrom Imax induziert, angegeben. Die durch eine submaximale Glycin-Lösung (EC20) induzierte Stromantwort gilt als Grundlage für die Co-Aktivierungsexperimente. Für die Auswertung werden die absolut gemessenen Stromamplituden auf den Mittelwert der Stromamplituden einer maximalen Glycinlösung ohne Testsubstanz (IKontrolle) vor und nach der Applikation der Testlösung relativiert. Die relativen Stromantworten werden mittels eines nicht-linearen Marquardt-Levenberg Algorithmuses der minimalsten Fehlerquadrate gefittet. Durch Anpassung der Hill-Funktion (225) mit Inorm=[1+(EC50/[C])nH ]–1 (45) (226) (44) wird Inorm gegen die jeweilige applizierte Konzentration [C] in Form einer Konzentrations-Wirkungskurve aufgetragen. Inorm entspricht der Stromantwort, entweder induziert durch die direkte Aktivierung des Agonisten (I) oder durch die Co-Aktivierung (I-I0) einer submaximalen Glycin-Lösung (EC20=I0), normalisiert auf den maximal aktivierenden (Imax) beziehungsweise den co-aktivierenden Strom (Imax-Io).

Hieraus ergeben sich die EC50 und der nH- Wert für die jeweilige Testsubstanz am spezifischen Rezeptor. Die EC50 gibt die Konzentration des Agonisten an, bei der die halbmaximale Aktivierung des Rezeptors eintritt, und nH ist der Hill-Koeffizient. Die durch den Agonisten induzierte absolute Stromamplitude wird bezogen auf den

Mittelwert der Kontrollstromamplituden (IKontrolle) als prozentuale Aktivierung[%]=100*[I/ IKontrolle] angegeben. Die maximale Potenzierung der Co-Aktivierung einer submaximalen Glycinlösung wird als maximaler Effekt mit Emax[%]=100*[(Imax-I0)/I0] berechnet. Für die letztgenannte Formel werden die relativen Stromamplituden eingesetzt, wobei Imax in diesem Fall für die maximale Stromamplitude der Testsubstanz bei Co-Applikation mit der submaximalen Glycinlösung I0 steht. Die Ergebnisse werden als Mittelwert±Standardabweichung angegeben. Die Anstiegszeit (ms) der Stromantworten (10-90% der Maximalstromamplitude) werden mittels eines monoexponentiellen Fits (Fitmaster, HEKA) bestimmt (58) (222). Die der Anstiegsphase folgende Desensitisierung (Stromabfall bei verlängerter Anwesenheit des Transmitters (227)) wird deskriptiv ausgewertet.

3 Ergebnisse

3.1 Probenkollektiv

Insgesamt werden 160 Zellen in diese Studie einbezogen.

3.2 Aktivierung durch Glycin am Wildtyp und den Mutanten