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Als Parasitose wird eine Infektion des Menschen mit Einzellern (Protozoen) oder Mehrzel-lern wie Helminthen (Würmer) oder Gliedertieren bezeichnet. Die Besiedlung kann hierbei im Innern des Wirtes (durch Endoparasiten z. B. im Darm oder in bestimmten Zellen) oder auf der Oberfläche des Wirtes erfolgen (z.B. durch Läuse oder Zecken). Relevant für diese Arbeit sind lediglich die Skabies sowie einige andere Endoparasitosen.

Skabies

Die Skabies wird durch eine oberflächliche Infektion mit Krätze-Milben hervorgerufen und führt zu einer insbesondere nachts stark juckenden Dermatose. Prädilektionsstellen sind In-terdigitalfalten sowie die Axillarregion. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch findet bei direktem intensivem Körperkontakt statt und wird durch schlechte hygienische Bedingungen und räumliche Enge begünstigt. Die Diagnose erfolgt in der Regel klinisch (46).

Endoparasitosen

Die im Folgenden aufgeführten Endoparasitosen gehen häufig mit einer Blut-Eosinophilie (Eosinophile > 500/µl) einher und führen in den meisten Fällen zu einer intestinalen Besied-lung. Nachweisen lassen sie sich daher über eine Mikroskopie und eine Antigentestung des Stuhls sowie bei extraintestinaler Manifestation über die Serologie. Je nach Subentität be-steht ein endemisches Vorkommen in tropischen und subtropischen Regionen, in Deutsch-land sind die meisten Subgruppen selten.

Amöbiasis und Giardiasis

Sowohl die Amöbiasis als auch die Giardiasis werden fäkal-oral über kontaminiertes Trink-wasser oder Lebensmittel übertragen. Während asymptomatische Verläufe in beiden Fällen häufig sind, kann es gelegentlich zu Durchfällen mit Gewichtsverlust und Mangelerschei-nung kommen. Die Amöbiasis kann sich zudem in einem lebensgefährlichen Leberabszess manifestieren sowie durch unbehandelte blutige Durchfälle zu einer nekrotisierenden Kolitis mit Perforation führen (46).

Weltweit gesehen ist die Giardiasis die häufigste Protozoen-Infektion des Darms mit Prä-valenzen in Industrienationen von 2-8% und bis 33% in Entwicklungsländern (61). Auch die Amöbiasis ist weltweit verbreitet und tritt insbesondere in den Entwicklungsländern der Tro-pen mit schlechten hygienischen Bedingungen auf. Pro Jahr versterben weltweit 55.000

Patienten an den Folgen der Amöbiasis, auf Industrienationen entfallen dabei nur sehr ge-ringe Zahlen (z. B. USA mit 5 Todesfällen pro Jahr) (62).

Helminthen-Infektionen

Als Helminthen werden den Mensch befallende Würmer bezeichnet. Es werden die drei im Folgenden genannten Subgruppen unterschieden (63).

Zu der Gruppe der Zestoden zählen der Schweine- und Rinderbandwurm (Taenia saginata bzw. solium) sowie der Hunde- und Fuchsbandwurm (Echinococcus granulosus bzw. multilocularis). Während Schweine- und Rinderbandwurm über ungenügend erhitztes Fleisch übertragen werden und meistens zu einer asymptomatischen Besiedlung des Darms führen, kommt es beim Hunde- und Fuchsbandwurm durch Aufnahme von kontaminierter Erde zu einer Echinokokkose mit zystischem Befall der Leber oder der Lunge (46). Die genannten Entitäten sind weltweit verbreitet. Während der Rinderbandwurm ca. 60 Millio-nen Menschen insbesondere in Subsahara Afrika infiziert hat, tritt die Echinokokkose auch vermehrt in Südeuropa und Nordafrika auf. Der Schweinebandwurm findet sich insbeson-dere in ländlichen Regionen und gehört zu den häufigsten Todesursachen von über Nah-rungsmittel übertragenen Infektionen (64).

Die Gruppe der Darm-Nematoden umfasst den Spulwurm (Ascaris lumbricoides), den Madenwurm (Enterobius vermicularis), den Peitschenwurm (Trichuris tirchiura) sowie den Haken- und Zwergfadenwurm (Ancylostoma duodenale bzw. Strongyloides stercoralis).

Allen Infektionen ist gemeinsam, dass sie meistens asymptomatisch verlaufen und nur bei hoher Erregerlast zu abdominellen Beschwerden und Anämie führen (46). Rundwürmer ge-hören mit 1,5 Milliarden Infizierten weltweit zu den häufigsten Infektionskrankheiten über-haupt und betreffen vor allem Länder und Regionen wie Indien, Subsahara-Afrika und In-donesien (65).

Zur Gruppe der Trematoden zählt die Schistosomiasis. Eine Infektion mit dem Erre-ger über die Haut erfolgt bei Kontakt mit verunreinigtem Süßwasser in Endemiegebieten.

Neben der akuten Form ist in der Flüchtlingsmedizin insbesondere die chronische Bilharzi-ose von Bedeutung. Hier sind je nach Erreger die Blase (urogenitale Schistosomiasis durch Schistosoma haematobium) oder der Darm (intestinale Schistosomiasis v.a. durch Schisto-soma mansoni) betroffen, wo es durch eine granulomatöse Entzündung zu Blut im Urin bzw.

Stuhl kommen kann. Asymptomatische Verläufe sind häufig. Selten kann es jedoch zu einer hepatolienalen Schistosomiasis mit Leberfibrose und portaler Hypertension kommen. Diag-nostisch kommt neben der Stuhl- und Urinuntersuchung auf Schistosomen-Eier vor allem bei Kurzexponierten ein serologischer Nachweis in Frage (46). Schätzungen zufolge sind

weltweit ca. 250 Millionen Menschen infiziert, davon der größte Teil in Subsahara-Afrika (66). Bis zu 200.000 Todesfälle werden jedes Jahr der Schistosomiasis zugerechnet (67).

IV.5 Gesundheitliche Screening-Ansätze

Aus den vorangegangenen Abschnitten ist deutlich geworden, dass unter den Geflüchteten eine höhere Prävalenz an Infektionskrankheiten zu erwarten ist. Viele dieser Erkrankungen verlaufen asymptomatisch, gehen aber zum Teil mit hohen Komplikationsraten und einem hohen Ansteckungspotenzial einher. Es ist daher wichtig, für diese Erkrankungen symptom-unabhängig zu screenen, um gegebenenfalls zu behandeln und/oder über die Infektiosität aufklären zu können. Für sexuell übertragbare Erkrankungen wie Hepatitis B und HIV ist Aufklärung besonders in der Altersgruppe der unbegleiteten Minderjährigen von Relevanz.

Anders als in Ländern wie den USA, Kanada oder Australien (68–70) gibt es in der Europä-ischen Union aktuell keine evidenz-basierten Richtlinien zum Screening von Geflüchteten.

Die dortigen Richtlinien sind aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung der Flücht-lingspopulation nicht direkt auf die EU übertragbar. Die einzigen Vorgaben vom Gesetzge-ber sind in Deutschland, laut §36 Absatz 4 Infektionsschutzgesetz, der Ausschluss einer ak-tiven Tuberkulose mittels Röntgen-Thorax bei allen Personen nach Vollendung des 15. Le-bensjahres, die in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden sollen (71). Es gibt keine genaueren Hinweise, wie mit unbegleiteten Minderjährigen, Kindern unter 16 Jahren und Schwangeren verfahren werden soll, die nicht geröngt werden. §62 des Asylgesetzes gibt neben dieser Röntgenuntersuchung zusätzlich vor, dass eine ärztliche Untersuchung auf an-steckende Erkrankungen geduldet werden muss, wobei Umfang und Art der Untersuchung durch die oberste Landesgesundheitsbehörde geregelt werden soll (8). Dementsprechend gibt es in jedem Bundesland eine eigene Vorgabe zur Gesundheitsuntersuchung, die sich zwischen den Ländern zum Teil erheblich unterscheidet. Eine körperliche Untersuchung ist in 12 Bundesländern vorgesehen, in 5 Ländern ist ein Screening auf Hepatitis B obligatorisch und in 4 eine Stuhluntersuchung. Neben der obligatorischen Röntgen-Thorax-Untersuchung bei über 16-Jährigen gibt es in 6 Bundesländern Richtlinien zur Durchführung eines TBC-Screenings bei Kindern mit IGRA, THT oder sogar Sputum-Diagnostik (72).

In Ermangelung an genaueren und einheitlichen Vorgaben durch den Gesetzgeber gibt ein 2015 vom Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte, der Deutschen Gesellschaft für Pä-diatrische Infektiologie und der Gesellschaft für Tropenpädiatrie und Internationale Kin-dergesundheit veröffentlichtes Konsensus-Dokument Empfehlungen zum konkreten Um-gang mit Kindern und Jugendlichen (56). Die in dieser Arbeit untersuchte Kohorte wurde nach diesen Empfehlungen gescreent.

IV.6 Fragestellung und Ziele

Grundsätzlich soll mit den Daten aus der Screening-Untersuchung von in Freiburg unter-suchten UM ein umfassendes Bild bezüglich Gesundheitsstatus bzw. Krankheitslast und so-ziodemographischen Daten erfasst werden. Im Gegensatz zu bisherigen Erhebungen soll durch die zu erwartende höhere Patientenzahl eine bessere Aussagekraft für UM in Deutsch-land erzielt werden. Es soll so ein Beitrag dazu geleistet werden, wie die gesundheitliche Situation der besonders schutzbedürftigen Gruppe der UM verbessert werden kann, ohne sie zu stigmatisieren. In diesem Zuge soll auch die hier angewandte Screening-Methode an sich evaluiert werden.

Gesundheitsstatus, Krankheitslast und