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Die Zahlen aus der Literatur für latente Infektionen bei Geflüchteten sind sehr heterogen und reichen von 6,0% (29) bis 45% (28) je nach Herkunftsland und Screening-Methode. Zuver-lässige Zahlen zu LTBI-Raten in den jeweiligen Herkunftsregionen gibt es nur sporadisch, die WHO geht von ca. 25% weltweit aus (47).

Die Zahl von ca. 30% latent Infizierten unter den hier mittels QuantiFERON® untersuchten UM passt zu der Schätzung der WHO. Sie ist nicht zu vernachlässigen, da insbesondere durch die physischen Belastungen während und auch nach der Flucht allgemein mit einer vermehrten Progression zur aktiven Erkrankung gerechnet werden muss. Vor allem Kinder haben ein deutlich höheres Progressionsrisiko und erkranken oft schwerwiegender als Er-wachsene (97). Bei vergleichsweise geringem diagnostischem Aufwand ist ein Screening auf latente Tuberkulose bei unter 16-Jährigen daher als gerechtfertigt zu sehen. Zu bemerken ist allerdings, dass in der hier vorliegenden Studie nur ein LTBI-Patient leitliniengerecht antibiotisch therapiert wurde. Diese Handhabung im klinischen Alltag lässt sich durch

folgende Argumente erklären. Zum einen ist das Progressionsrisiko höher, je jünger die Pa-tienten sind. In der hier untersuchten Kohorte waren jedoch alle Infizierten bereits kurz vor der Volljährigkeit (oder möglicherweise bereits volljährig). Zum anderen ist eine präventive Chemotherapie besonders dann indiziert, wenn der Infektionszeitpunkt nicht lange vor The-rapiebeginn liegt. Dies war bei den hier infizierten Jugendlichen nicht zu überprüfen, mög-licherweise bestand die latente Infektion schon über einen längeren Zeitraum. Außerdem ist eine dreimonatige Kombinationstherapie mit Isoniazid und Rifampicin potentiell nebenwir-kungsreich (Hepatitis, Neurotoxizität) und bedarf eines regelmäßigen und gewissenhaften Monitorings. Durch die bevorstehende Verlegung der Infizierten sowie Kommunikations-barrieren ist dieses Monitoring jedoch nicht sicher zu gewährleisten. In der Zusammenschau dieser Punkte wurde zunächst von der leitliniengerechten Chemotherapie bei den allermeis-ten Infizierallermeis-ten abgesehen und diese auf einen späteren Zeitpunkt nach Verlegung verschoben (46, 49).

Hepatitis B

Mit 98,2% Gescreenten wurden auch bei der Hepatitis B hohe Screening-Raten erzielt.

7,8% konnten als infiziert diagnostiziert werden, eine Zahl, die sich mit den Ergebnissen von Buonfrate, Chernet, Marquardt, Kloning und Coppola et al. (28, 34, 35, 43, 98) deckt.

Verglichen mit einer Prävalenz von 0,3% in Deutschland sind 7,8% beträchtlich (53).

Insgesamt lag die Hepatitis B-Rate jedoch, wie die Tuberkulose, leicht unter der aus der jeweiligen Herkunftsregion erwarteten Rate (54, 55) (vgl. Tabelle 5 S.58). Eine abschlie-ßende Beurteilung der Häufigkeit nach Herkunftsland ist jedoch aufgrund der geringen Fall-zahlen nicht möglich.

Männliche aus West-Afrika stammende UM waren am häufigsten von einer Hepatitis B be-troffen. Daten der WHO (52) und des European Centre for Prevention and Disease Control bestätigen diese Tendenz (99). Im Hinblick darauf ist besonders hervorzuheben, dass sowohl Männer als auch West-Afrikaner für sich betrachtet ein höheres HCC Risiko haben; eine der lebensgefährlichen Komplikationen einer chronischen Hepatitis B (57). Eine Rate von 7,8%

Positiven unter den Getesteten ist daher alarmierend.

Mittels Lebersonographie und α-Fetoprotein-Bestimmung ist in der Regel eine Einschätzung des aktuellen HCC-Risikos möglich. Bei ca. der Hälfte der Infizierten wurde diese Untersu-chung im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin durchgeführt und erbrachte bei lediglich zwei UM einen leicht erhöhten α-Fetoprotein-Wert. Zwar ist vor dem 30. Lebensjahr in aller

Regel nicht mit einem hepatozellulären Karzinom zu rechnen, trotzdem sollten die Infizier-ten engmaschig kontrolliert werden.

Neben der Gefährdung des individuellen Patienten durch die Infektion konnte in einem Fünf-tel der Fälle eine erhebliche Ansteckungsgefahr bei extremen Viruslasten festgesFünf-tellt wer-den. Dieses Ergebnis ist besonders brisant, da in mehreren früheren Studien mit afrikani-schen Geflüchteten (35, 43, 44) ein ebenfalls hoher Anteil an Hepatitis B-Naiven (Patienten, die nicht geimpft sind und auch noch keine Infektion durchgemacht haben) ermittelt werden konnte. Die hier diagnostizierten Jugendlichen wiesen teilweise extreme Viruslasten auf, bei denen schon Gelegenheitskontakte wie das Teilen einer Zahnbürste oder eines Handtuchs zu einer Infektion mit dem über mehrere Tage oberflächenstabilen Virus führen können. Eine Übertragung in beengten Wohnverhältnissen und innerhalb einer sexuell aktiven Alters-gruppe wird somit wahrscheinlicher. Bei einer negativen Testung im Rahmen des Screenings sollte daher unbedingt zeitnah eine Hepatitis B-Impfung erfolgen, um eine Ansteckung ef-fektiv zu verhindern. Die Durchführung dieser Impfung sollte im Zweifel gegenüber anderen Impfungen wie z.B. Influenza unbedingt vorgezogen werden.

In keinem der diagnostizierten Fälle erfolgte eine antivirale Therapie. Begründen lässt sich dieses klinische Vorgehen damit, dass bei einer ersten Screening-Untersuchung eine Chro-nizität nicht nachgewiesen werden kann. Bis der endgültige Beweis nach 6 Monaten HBsAg-Persistenz erbracht ist, ist eine Aufklärung über die Infektiosität sowie die Vermeidung he-patotoxischer Substanzen essentiell. Erst im Verlauf kann eine medikamentöse Therapie dis-kutiert werden und ist dann indiziert, wenn eine Transaminasen-Erhöhung eine Hepatitis bestätigt. Auch ein Verschieben der Therapie in das nahe Erwachsenenalter ist eine Option, da dann mehr Therapieoptionen bestehen.

HIV

Der Anteil an HIV Positiven war mit 0,4% sehr gering und deckt sich mit den Beobachtun-gen von Buonfrate, Kloning, Coppola und Redditt et al. (28, 43, 98, 100). Auch wenn die Prävalenz der HIV unter den UM insgesamt niedrig ist, sollte nicht auf ein Screening ver-zichtet werden, da mit sehr hohen Komplikationsraten sowie einer signifikanten Anste-ckungsgefahr zu rechnen ist. Zu dem selben Schluss kommen auch Bil et al. (37).

Parasitäre Erkrankungen Skabies

Mit 14,2% Betroffenen war die Skabies die häufigste Infektionskrankheit in der untersuchten Kohorte. Diese Zahl spiegelt das große Gesundheitsproblem der Skabies in Entwicklungs-ländern und den TransitEntwicklungs-ländern wider, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Ein enges Zusammenleben in Gemeinschaftsunterkünften spielt bei der Skabies eine entscheidende Rolle für die weitere Propagation der Erkrankung.

Während hohe Prävalenzen im Herkunftsland von 10% bis 85% (101) sowie in Erhebungen in Deutschland unter Geflüchteten von 27,9% (43) eine Unterschätzung der Krankheitslast in der untersuchten Kohorte suggerieren, gibt es auch Studien, die mit lediglich 3% Betroffe-nen dagegensprechen (35, 90). Diese Heterogenität aus vergleichbaren Veröffentlichungen könnte auf die rein klinische Diagnose zurückzuführen sein, die sehr von der Sorgfalt und der Erfahrung des Untersuchers abhängt. Neben der klinischen Untersuchung mit anschlie-ßender Therapie gibt es auch Ansätze, bei denen alle Geflüchteten eine präemptive Ivermec-tin-Therapie erhalten. Bei geringen Nebenwirkungen einer einmaligen Einnahme konnten in einer Studie aus den Niederlanden mit erwachsenen Geflüchteten gute Erfolgsquoten erzielt werden. Eine Implementierung dieses Verfahrens bei Minderjährigen mit Aufenthalt in Ge-meinschaftsunterkünften sollte in Zukunft diskutiert werden (102).

Endoparasitosen

Bei insgesamt 2,8% der Untersuchten konnte eine Endoparasitose diagnostiziert werden, am häufigsten waren dabei Infektionen mit Schistosomiasis und Giardia lamblia. Nur 16,6%

der Betroffenen gaben Symptome wie Bauchschmerzen, Diarrhö oder Gewichtsverlust an.

Im Vergleich zu anderen aktuellen Erhebungen konnten in dieser Studie deutlich weniger Endoparasitose-Diagnosen gestellt werden. Von 7,1% bei Kloning et al. (43) bis 65% bei

Caruana et al. (103) differieren die Angaben in der Literatur sehr stark, liegen aber auch in zahlreichen weiteren Studien deutlich über den in unserer Kohorte diagnostizierten Fällen (28, 33–35). Die tatsächliche Krankheitslast scheint in dieser Arbeit daher erheblich unter-schätzt zu werden. Ein möglicher Grund könnte die Screening-Methode sein, bei der nur UM mit Eosinophilie über 500/µl eine Stuhldiagnostik durchliefen und bei niemandem eine gezielte Serologie erfolgte. Wie in früheren Erhebungen gezeigt werden konnte, gibt es eine nicht unerhebliche Anzahl an Erkrankten, bei denen trotz parasitärer Erkrankung keine Eo-sinophilie festgestellt werden kann (43, 82). Umgekehrt kann auch die Evidenz, dass Infi-zierte insgesamt häufiger eine Eosinophilie aufweisen als Gesunde (28), mit den hier gesam-melten Daten weder bestätigt noch widerlegt werden. Klar ist jedoch, dass die Sensitivität der Eosinophilie als Screening-Tool niedrig ist, wobei auch die Spezifität bei einer hohen Anzahl gesunder Patienten mit Eosinophilie eingeschränkt ist (vgl. Abbildung 16 S.65).

Auch ein Anheben der Eosinophilie-Grenze auf > 1000/µl würde die Diagnostik nicht ver-bessern. Bei nicht zu vernachlässigenden Komplikationsraten einer unentdeckten parasitären Erkrankung stellt sich die Frage nach einer besseren Diagnostik.

Ein rein symptombasiertes Vorgehen ist nicht zu empfehlen, da nur ein geringer Teil der Betroffenen über Symptome klagte und auch umgekehrt bei vielen UM ohne Endoparasitose unspezifische Beschwerden nachgewiesen werden konnten.

Ein denkbares Vorgehen könnte eine symptomunabhängige Stuhldiagnostik sein, die bei al-len Geflüchteten durchgeführt wird, wie bei Buonfrate, Ehlkes und Marquardt et al. gesche-hen (28, 32, 35). Auch asymptomatische Patienten sowie solche ohne Eosinophilie müssten dann drei Stuhlproben abgeben. Nachteil dieses Verfahrens ist allerdings der erhebliche Auf-wand. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen außerdem, dass der Rücklauf an vollständigen Stuhlproben unter Patienten mit Eosinophilie mit 48,5% bereits unbefriedigend war. Mit ho-her Wahrscheinlichkeit würde sich diese Quote bei der Aufforderung aller Patienten zur Stuhlprobenabgabe nicht verbessern.

Möglich wäre auch eine spezifische Serologie, zumindest für die häufig auftretende Schis-tosomiasis und Strongyloidiasis, wie Bernhard et al. vorschlagen (104). Sowohl die DGPI als auch Hinz et al. halten dieses Vorgehen bei Migranten aus endemischen Regionen jedoch für wenig sinnvoll, da Antikörper auch nach durchgeführter Therapie und Heilung persistie-ren und so, ohne dass eine aktive Erkrankung vorliegt, positiv ausfallen können (105, 46).

Für das Screening von Geflüchteten ist die Serologie daher weniger geeignet und sollte vor allem bei Touristen und Kurzexponierten in Betracht gezogen werden.

In scheinbarer Ermangelung eines geeigneten Screening Tools gibt es auch solche Stimmen, die sich für eine präemptive Mebendazol-Behandlung aller Geflüchteten bzw. solcher mit

Eosinophilie aussprechen (28, 106). Offensichtliche Nachteile dieses Vorgehens sind die wahrscheinlich hohe Rate an unnötig therapierten UM sowie die Tatsache, dass die Behand-lung einen weiteren Eingriff in die Autonomie der Jugendlichen darstellt. Zweifelhaft ist außerdem die Akzeptanz dieser Therapie, da sich viele Jugendliche gesund fühlen und es in Anbetracht der Sprach- und kulturellen Barriere schwierig werden könnte, das Vorgehen schlüssig zu erklären.

Ein abschließendes Urteil, welche der genannten Vorgehensweisen zur Erfassung parasitärer Erkrankungen am besten geeignet ist, ist derzeit nicht möglich. Die klinische Anwendbarkeit sollte entweder innerhalb der Fachgesellschaften neu diskutiert werden, um ein generelles Vorgehen vorzuschlagen oder muss mit den verantwortlichen Ärzten für Screening-Pro-gramme vor Ort diskutiert und entschieden werden.

VII.5 Limitationen

Alle persönlichen Angaben der Geflüchteten erfolgten ohne Überprüfung eines Ausweisdo-kumentes, da dieses bei Einreise nach Deutschland fast nie vorgelegt wird. Die Angaben zum Alter müssen daher mit Vorsicht interpretiert werden. Eine persönliche Nachfrage im Jugendamt Freiburg ergab, dass bis zu ein Drittel der als UM Einreisenden im Verlauf als volljährig klassifiziert werden.

Aufgrund der gewählten Screening-Modalität könnte die Rate einiger Erkrankungen unter- bzw. überschätzt werden. So ist der Anteil an UM mit parasitären Erkrankungen in der Re-alität wahrscheinlich höher, da in unserer Kohorte nur solche mit Eosinophilie weiter ge-screent wurden und keine Serologien erfolgten. Außerdem ist keine abschließende Aussage über die LTBI-Prävalenz möglich, da sich das Tuberkulose-Screening zwischen den ver-schiedenen Altersgruppen unterschied. Eine weitere Schwäche dieser Arbeit ist das Durch-führen des Screenings von bis zu 14 verschiedenen Pädiatern ohne besondere Ausbildung im psychiatrischen Bereich. Der Anteil an psychisch auffälligen Kindern und solchen mit PTBS liegt daher wahrscheinlich höher.

Bezüglich der Hepatitis B-Infizierten ist keine abschließende Aussage darüber möglich, ob eine akute oder eine chronische Infektion vorlag. Eine Nachverfolgung der HBsAg-Positi-ven im Einzelnen war nicht möglich.

In der angewandten Screening-Methode werden einige Erkrankungen vernachlässigt, wie beispielsweise sexuell übertragbare Erkrankungen wie Syphilis oder Hepatitis C aber auch Malaria. In anderen Erhebungen mit hauptsächlich afrikanischen Flüchtlingen konnten in 3% eine Hepatitis C sowie in 6% eine Syphilis diagnostiziert werden (34). Auch Malaria-Infektionen sind bei Flüchtlingen – mit kurzer Fluchtanamnese – eine der häufigsten tropi-schen Infektionen (90).

Am wichtigsten ist jedoch, dass die Ergebnisse dieser Studie nur unter bestimmten Voraus-setzungen auf die Gesamtheit der UM in Deutschland extrapoliert werden können, da sich Ethnie und Herkunft im Schnitt deutlich unterscheiden.

VII.6 Fazit

In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass minderjährige Geflüchtete mit einer großen Bandbreite an gesundheitlichen Problemen nach Deutschland einreisen.

Aufgrund ihrer Herkunft sind Infektionskrankheiten ein wichtiger Faktor, allerdings ist die Sorge der einheimischen Bevölkerung vor ansteckenden tropischen Erkrankungen unbe-gründet und stigmatisierend. Schwerwiegende Infektionen mit Tuberkulose, HIV und Hepa-titis sind, verglichen mit banalen Erkältungen oder gastrointestinalen Symptomen, relativ selten. Ein Screening auf diese und weitere Erkrankungen ist aber weiterhin indiziert, da möglichst alle dieser seltenen Fälle detektiert und kontrolliert werden sollten. Einerseits kön-nen so gravierende Komplikatiokön-nen für den Infizierten verhindert werden, andererseits wird so das Risiko einer Ausbreitung in den Flüchtlingsunterkünften reduziert. Hinzu kommt, dass nur die wenigsten der infizierten UM typische Beschwerden angaben, wodurch ein sys-tematisches, nicht-symptomorientiertes Screening umso wichtiger ist.

Auffällig war außerdem die hohe Rate an psychischen Erkrankungen, die die Rolle von in-fektiösen Erkrankungen im weiteren Verlauf des Aufenthaltes in Deutschland in den Schat-ten stellen könnte. Es handelt sich bei den geflüchteSchat-ten UM überwiegend um traumatisierte Kinder und Jugendliche, die Schreckliches erlebt und gesehen haben und nicht auf die sozi-ale Unterstützung ihrer Eltern bzw. ihrer Familie hoffen können. Ein stabiles Umfeld und eine enge medizinische und psychologische Betreuung sind somit mindestens so wichtig, wie ein umfassendes Screening auf Infektionskrankheiten.

Insgesamt hat sich die angewandte Screening-Methode als angemessen und im klinischen Alltag praktikabel erwiesen. In der Erkennung von parasitären Darmerkrankungen sollte sie jedoch gegebenfalls angepasst werden, um eine höhere Sensitivität zu erzielen.

Um eine bestmögliche medizinische Versorgung der Geflüchteten zu garantieren, sind ein-heitliche Screening-Vorgaben auf Bundesebene und bestenfalls europaweit wünschenswert.

Besonders die Tatsache, dass viele Geflüchtete bereits mehrfach in Kontakt mit europäi-schen Gesundheitswesen getreten sind, unterstreicht die Notwendigkeit einer länderüber-greifenden Kommunikation. Ohne Zweifel könnte so die Anzahl an unnötigen und mehrfach durchgeführten Untersuchungen (z. B. Röntgen-Thorax) und Eingriffen (z. B. Impfungen) reduziert werden.

Zusammenfassung

Hintergrund: Bei steigenden Flüchtlingszahlen seit 2015 soll diese Arbeit einen Überblick über relevante Infektionserkrankungen bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in der Region Freiburg geben. Die angewandte Screening-Methode soll auf ihre klinische Anwend-barkeit und Effektivität geprüft werden.

Methodik: Zwischen Januar 2016 und Dezember 2017 wurden 890 unbegleitete Minderjäh-rige kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland in einer pädiatrischen Praxis in Freiburg im Breisgau entsprechend fachgesellschaftlicher Vorgaben gescreent. Neben Anamnese und körperlicher Untersuchung wurden ein Differentialblutbild sowie ein Tuberkulose-, HIV-, Hepatitis B- und Parasitose-Screening durchgeführt.

Ergebnisse: Bei der großen Mehrheit handelte es sich um afrikanische Jungen (93,6%) mit einem Durchschnittsalter von 16,2 Jahren. Nur 7,8% durchliefen das Screening ohne Diag-nose oder auffälligen Befund. Die häufigsten gesundheitlichen Probleme wurden im Bereich der Zähne (65,9%), der Haut (27,9%) und der Psyche (24,6%) diagnostiziert. Eine Anämie konnte bei 9,5% festgestellt werden, mit gehäuftem Vorkommen bei Mädchen und Schwan-geren. Unter den Infektionskrankheiten war die Skabies mit 14,2% der Betroffenen am häu-figsten. Eine aktive Tuberkulose-Infektion wurde bei 1,6% festgestellt, in 20% war diese offen und damit infektiös. Nur bei einem Patienten konnte eine Isoniazid-Resistenz diagnos-tiziert werden. Latente Tuberkulose-Infektionen waren mit 30,9% häufig. 7,8% der Gescre-enten waren Hepatitis B positiv, wobei insbesondere westafrikanische Jungen (80,0%) be-troffen waren. Bei einem Fünftel der Erkrankten ergab sich eine sehr hohe Infektiosität bei extremen Viruslasten. HIV-Infektionen waren mit 0,4% selten. Bei 2,8% konnte außerdem eine endoparasitäre Erkrankung, darunter vor allem Schistosomiasis und Giardiasis, diag-nostiziert werden.

Diskussion: Insgesamt konnte die Annahme bestätigt werden, dass Geflüchtete häufig unter Infektionserkrankungen leiden. Der weitaus größte Teil entfiel dabei aber auf Krankheiten, die auch bei der einheimischen Bevölkerung häufig sind. Ein größeres Problem scheint die hohe Rate an psychischen Problemen zu sein. Die angewandte Screening-Methode erweist sich im Nachhinein als sinnvoll und wirksam, sollte jedoch in der Erkennung von parasitären Darmerkrankungen und psychischen Erkrankungen reevaluiert werden.

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