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93,6% der Geflüchteten stammten aus Afrika, davon 33,5% aus Ost-Afrika und 52,7% aus West-Afrika, wobei je ein Fünftel aus Gambia und Guinea einreisten.

Vom Grundsatz her stimmen diese Zahlen mit der bundesweiten Tendenz überein, nach der afrikanische minderjährige Flüchtlinge in großer Zahl nach Deutschland kommen und nicht, wie noch vor einigen Jahren, aus der Balkanregion oder dem vorderen Orient (86). Ein we-sentlicher und sehr bemerkenswerter Unterschied ist allerdings der prozentual sehr hohe An-teil an Gambiern in der hier untersuchten Kohorte. Im Gegensatz dazu zählen zu den am häufigsten vertretenen afrikanischen Herkunftsländern auf Bundesebene Eritrea, Somalia und Guinea. Gambier machen mit unter 4% einen weitaus kleineren Anteil aus (86). Diese deutliche Divergenz entsteht laut Deutscher Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit durch die administrativ begründete Praktik, gambische Flüchtlinge primär nach Baden-Württemberg zu verteilen (87). Die so entstandene gambische Community könnte so ihrer-seits zu einer vermehrten Einreise von Gambiern nach Süddeutschland führen.

Ein weiteres Ergebnis, welches sich von den bundesweiten Zahlen unterscheidet, ist die ge-ringe Anzahl an UM aus asiatischen Ländern. Afghanische, syrische und irakische Flücht-linge machten unter den in Freiburg Gescreenten insgesamt lediglich 6% aus, wobei in der gesamten Bundesrepublik 2017 25% aus Afghanistan und je 5% aus dem Irak und Syrien stammten (10). In Freiburg sind diese Herkunftsländer damit im Vergleich deutlich unterre-präsentiert. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte die geografische Lage bieten, durch die westdeutsche Regionen nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu der durch asiatische UM vermehrt genutzten Balkanroute liegen. Kloning et al. stützen diese These mit einem Anteil von 20% Afghanen in einer Kohorte von in München gescreenten UM (43).

Insgesamt sind die Ergebnisse dieser Arbeit unter bestimmten Voraussetzungen auch auf UM in anderen Bundesländern übertragbar. Es muss jedoch stets mit einer Varianz der

Prävalenzen bestimmter Infektionserkrankungen gerechnet werden, da diese mitunter stark von der Herkunftsregion abhängen.

VII.2 Body-Mass-Index

82,9% der Untersuchten waren normalgewichtig, 14,4% übergewichtig bzw. adipös und nur 2,8% untergewichtig. Verglichen mit deutschen Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren gab es deutlich weniger Gewichtsextreme (88). Auch unter den von Marquart und Kollegen untersuchten UM zeigte sich eine Normalverteilung der BMI-Werte, allerdings gab es mit 5,9% etwas mehr Untergewichtige (35). Die Ernährungssituation in dieser Kohorte war so-mit besser, als nach einer entbehrungsreichen monatelangen Flucht zu erwarten wäre.

Interessanterweise konnte ein signifikant geringerer BMI bei Ost-Afrikanern im Vergleich zu West-Afrikanern nachgewiesen werden, wobei jeweils Mittelwerte im normalgewichti-gen Bereich festgestellt wurden (19,8 kg/m2 vs. 21,7 kg/m2). Da Mädchen und Jungen hin-gegen im Schnitt fast gleiche Werte aufwiesen, könnte diese Diskrepanz gegebenenfalls auf eine schlechtere sozioökonomische Situation von ost-afrikanischen Jugendlichen hindeuten.

Der BMI wurde in dieser Studie als Annäherung an den Ernährungsstatus gewählt. Hierzu eignet er sich jedoch nur bedingt, da auch übergewichtige Jugendliche mangelernährt sein können. Im Hinblick auf das erklärte Ziel des Screenings, akut behandlungsbedürftige und infektiöse Erkrankungen aufzudecken, ist der BMI jedoch eine leicht anzuwendende Me-thode, um einen Eindruck über die grobe Versorgungssituation zu erlangen. Auf weitere geeignete labordiagnostische Werte wie Albumin, Transferrin oder Präalbumin wurde in un-serer Kohorte verzichtet (89). Sie würden den Umfang des orientierenden Screenings bei Einreise sprengen. Zudem ist im Rahmen des Aufenthalts in Deutschland mit einer verbes-serten Ernährungssituation zu rechnen, sodass eine weiterführende Diagnostik wenig Kon-sequenzen hätte.

VII.3 Akute und chronische Gesundheitsprobleme

Gesundheitsprobleme nach Organsystemen

Akute und chronische Gesundheitsprobleme waren mit 92,1% insgesamt sehr häufig.

Dieses Ergebnis deckt sich mit den Beobachtungen von Kloning et al. und unterscheidet sich von denen von Theuring et al., wo Raten bis 44% erzielt wurden (43, 45). Diese Diskrepanz könnte daran liegen, dass in der vorliegenden Arbeit alle Auffälligkeiten in der körperlichen Untersuchung als Gesundheitsprobleme gewertet wurden, unabhängig davon, ob sich die Patienten wirklich dadurch beeinträchtig gefühlt haben oder nicht. Außerdem wurden hier auch nicht-infektiöse Erkrankunge aufgeführt, auch wenn der Fokus insgesamt auf den In-fektionskrankheiten lag.

Neben dem Zahnstatus waren insbesondere die Psyche sowie die Haut und der Respirations-trakt betroffen. Ansteckende Leiden waren häufig, bewegten sich jedoch meistens im Spekt-rum der in Deutschland vertrauten Erkrankungen wie Erkältungen oder Gastroenteritis. In-fektionen wie Skabies, die aufgrund mangelnder Hygiene und beengten Wohnverhältnissen übertragen werden, kamen häufig vor, während tropische Erkrankungen selten waren. Diese Ergebnisse stimmen mit zahlreichen weiteren Studien überein (22, 35, 43, 90–92).

Psychische Auffälligkeiten ließen sich in 24,6% diagnostizieren, bei 1,7% bestand der Ver-dacht auf eine PTBS. Es konnten keine geschlechtsspezifischen oder regionalen Unter-schiede nachgewiesen werden.

In der Literatur finden sich Studien mit ähnlichen Ergebnissen (35), aber auch solche, in denen die Rate an Verdachtsfällen für PTBS weit höher liegt und bis 25% reicht (43). Ein möglicher Grund für diesen Unterschied könnte darin liegen, dass in unserer Kohorte nicht systematisch auf psychische Erkrankungen gescreent wurde, sondern lediglich anhand von Albträumen und Schlafstörungen auf eine mögliche psychische Beeinträchtigung geschlos-sen wurde. Von einem gezielten Screening, welches potentiell mehr Fälle identifiziert hätte, wurde bewusst abgesehen. Einerseits sind detaillierte Anamnesen von untersuchenden Ärz-ten umstritÄrz-ten aufgrund ihres PoÄrz-tenzials, eine psychische Dekompensation auszulösen. An-dererseits wäre bei bestehender Indikation eine Therapie aufgrund der erheblichen Sprach-barriere und limitierter Ressourcen an Therapeuten häufig nicht umsetzbar gewesen (56).

Es muss daher von einer deutlichen Unterschätzung der tatsächlichen Krankheitslast psychi-scher Erkrankungen ausgegangen werden.

Anämie

Mit 9,5% war die Anämie eine häufige Diagnose in der untersuchten Kohorte. Die Rate fällt allerdings im Vergleich zu anderen Erhebungen gering aus. Marquart, Kloning und Pohl et al. konnten in ihren Kohorten deutlich höhere Anämie-Raten zwischen 17% und 40,6%

nachweisen (35, 43, 90). Eine Erklärung für diese Abweichung könnte in der Verwendung unterschiedlicher Grenzwerte liegen. Kloning und Kollegen sind beispielsweise bei Hb-Werten unter 13,5 g/dl von einer Anämie ausgegangen, während in der vorliegenden Erhe-bung mit 13,0 g/dl gearbeitet wurde (43).

Mit 22,2% betroffenen Mädchen und nur 9,3% anämischen Jungen ließ sich zudem ein star-ker Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer Anämie und dem Geschlecht nachwei-sen. Als besonders gefährdet konnte die Gruppe der Schwangeren identifiziert werden, in der 100% der Betroffenen anämisch waren. Diese Ergebnisse stimmen mit einer aktuellen Studie überein, nach der ein Drittel der Weltbevölkerung von einer Anämie betroffen ist, mit Frauen, Schwangeren und Kindern als besondere Risikogruppen (93).

Der höhere Anteil anämischer UM aus Ost-Afrika lässt sich auf die Tatsache zurückführen, dass die meisten untersuchten Mädchen aus dieser Region stammten.

Bezüglich der unterschiedlichen Anämie-Formen lassen sich Übereinstimmungen mit ande-ren Publikationen finden. Am häufigsten wurde in der hier untersuchten Kohorte die normochrome, normozytäre (48,2%) sowie die hypochrome, mikrozytäre Form (41,0%) festgestellt. Auch bei Pohl et al war die normochrome Anämie die häufigste, gefolgt von der hypochromen Form (90).

Beide Formen könnten zum Beispiel auf Eisenmangel, insbesondere bei Frauen durch die Menstruation und Mangelernährung zurückzuführen sein. Auch Erkrankungen wie Malaria, gastrointestinale parasitäre Infektionen und chronische Entzündungen können generell zu mikrozytärer oder normozytärer Anämie führen (93). Überraschenderweise zeigte sich in dieser Kohorte jedoch kein Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer Anämie und an-deren Infektionserkrankungen; insbesondere gastrointestinale Endoparasitosen traten unab-hängig von Anämien auf. Zu bemerken ist, dass eine Malaria-Infektion formal nicht ausge-schlossen wurde, diese aber aufgrund der langen Fluchtdauer und der fehlenden malariaspe-zifischen Symptome eher nicht als Anämie-Ursache in Frage kommt.

Hyperchrome und makrozytäre Anämien, meist verursacht durch Vitamin-B12- und Folsäu-remangel, wurden deutlich seltener detektiert (93).

VII.4 Spezielle Infektionskrankheiten

Tuberkulose

Die durchgeführte Screening-Rate für Tuberkulose war mit 98,2% der vorgestellten Jugend-lichen sehr hoch. Bei insgesamt 6% wurde eine Tuberkulose nachgewiesen, 1,7% waren aktiv erkrankt und 4,3% der insgesamt Gescreenten latent infiziert. Betrachtet man nur die mittels QuantiFERON® Gescreenten ergibt sich eine LTBI-Rate von 30,9%.