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4. Innovation als Leitmotiv: Analyse eines Aids- Spezialpflegedienstes

4.7 Organisation der Arbeit und Kooperation

4.7.1 Interne Organisation der Arbeit

In diesem Abschnitt geht es um die Frage, wie der Dienst intern organisiert ist und nach welchen Mustern die Kooperation und die Abstimmung der Arbeit verläuft.

Teamwork

Leitend für die Mitarbeiter - das wurde bereits erwähnt - ist der Teamworkgedanke oder anders gesagt: das Selbstverständnis als "kollektives Projekt" (PA 12; 2/52). Gemeint ist damit, daß die Mitarbeiter nicht in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen, sondern sich als gleichrangig betrachten. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Ent-scheidungsstruktur, denn für den Verein und speziell die Organisation der pflegerelevan-ten Entscheidungen werden gemeinsam getroffen, also nicht auf der Leitungsebene ge-fällt und dann nach unten durchgesetzt, sondern in Absprache aller Mitarbeiter verein-bart. Ähnlich ist auch die Kooperation organisiert, für die ebenfalls Gleichrangigkeit der

12 Das bestätigt auch die Erfahrung des Modellprogramms "Supervision in der Aids-Arbeit". Häufige Supcrvi.soren-wechsel waren in vielen der Modellprojekte durchaus üblich, was entscheidend darauf zurückzuführen ist, daß viele der Supervisoren nur wenig Kontextwissen über das Arbeitsgebiet ihrer Supervisanden hatten (Filsinger u.a.

1992). Die Struktur des Krankenversorgungswesens, Probleme der ambulanten Fliege und speziell der Aids-Pfle-ge etc. waren ihnen nicht bekannt, und das beeinträchtigte die Supervision in erheblichem Ausmaß.

-76-Berufe konstitutiv ist. Am Beispiel der Haushaltshelfer war bereits zu sehen, daß status-schwache Helferberufe nicht minderbewertet werden, und statushöhere Berufe wie z.B.

die Psychologen kein größeres Gewicht haben. Gleichzeitig gibt es eine Art gegenseitiger Fachsupervision. Beispielsweise stehen sich Psychologen, Krankenpfleger und Sozialar-beiter gegenseitig für Rückfragen auf ihrem Gebiet zur Verfügung. Die Kooperation mit den Haushaltshelfern weist eine Abweichung auf. Zwar sind die Haushaltshelfer formal gleichrangig und arbeiten weitgehend autonom, jedoch in enger Rückkopplung mit den Pflegekräften, so daß quasi ein Mentorenmodell realisiert wurde.

Die Realisierung des Teamworkgedankens ist für das Team nicht immer einfach, aber mit weniger Schwierigkeiten behaftet als im Krankenhaus (Schaeffer/Moers 1992;

Schaeffet-4993). Das hat partiell strukturelle Gründe - die beteiligten Berufe gehören samt und sonders keiner der starken Professionen an (Freidson 1986) - und wird anderer-seits durch die Geschichte des Vereins und der Teammitglieder begünstigt. Dennoch sind Macht- und unterschwellige Hierarchiekämpfe der beteiligten Berufe auch diesem Pflege-dienst nicht fremd, ja lähmten zwischenzeitlich die Arbeit, z.B. wenn einzelne Mitarbei-ter bei inhaltlichen Kontroversen ihren weiMitarbei-teren Verbleib mit der Annahme ihrer Position verknüpfen. In der Regel wird dann entschieden, daß diese Mitarbeiter gehen müssen, da ultimative Forderungen - unabhängig von ihrem Inhalt - als Machtanspruch gedeutet werden, und das widerspricht dem basisdemokratischen Selbstverständnis.

In jedem Fall ist die Umsetzung des Teamworkgedankens zeitraubend. Mittlerweile zählt das Team zwanzig Personen und in einem so großen Kreis Entscheidungsfindungen herbeizuführen, ist ein oft zähes Unternehmen. Dennoch wird dezidiert an basisdemokra-tischen Vorstellungen festgehalten. Ähnliches gilt auch für die Organisation der Arbeit, die überwiegend im Rahmen des Pflegertreffens erfolgt.

Das Pflegertreffen

Die Einführung einer Besprechungskultur in der ambulanten Pflege und Maßnahmen zur Qualitätssicherung werden auch auf gesundheitspolitischer Ebene mehr und mehr gefor-dert. Beim Pflegeverein gehörten sie von Beginn an zum Standard und werden vornehm-lich im Rahmen des Pflegetreffens reguliert. Die hier gesammelten Erfahrungen sind da-her für die ambulante Pflege sehr aufschlußreich.

Das Pflegertreffen dient der fallbezogenen Besprechung der Patientenproblematiken wie auch der Koordination der inhaltlichen Arbeit. Ebenso werden arbeitsorganisatori-sche Probleme, Dienstpläne, Urlaubsplanungen, Krankheitsvertretungen etc. hier erörtert und reguliert. Darüber hinaus ist es ein Reflexions- und Rückversicherungsforum, in dem kollegial Erfahrungen ausgetauscht und eigene berufliche Handlungsprobleme disku-tiert werden können und sollen. Aufgrund der Funktionsvielfalt gestaltet sich das Pfle-gertreffen recht aufwendig. Um es zu entlasten, sind viele Probleme im Laufe der Zeit in andere Gremien verlagert worden, so z.B. Fragen der Projektleitung und -Verwaltung und der Öffentlichkeitsarbeit.13 Dennoch dauern die Sitzungen sechs Stunden und mehr

13 Die Mitarbeiter des Augehörigenprojekts hingegen nehmen weiterhin am Pflegertreffen teil, da Patienten- und Angehörigenbetreuung nicht zu trennen sind.

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-und gehen teilweise sogar bis nach Mitternacht. Obschon sie enorme zeitliche Ressour-cen binden, wird der Abstand zwischen den wöchentlichen Treffen als zu groß empfun-den:

"... und das heißt, daß also in der Woche zwischen den •Pflegertreffen jeder sehr .auf sich alleine gestellt ist. Das ist ein wahnsinniger Verantwortungsdruck, den man für sich und seine Arbeit trägt, aber gleichzeitig fehlt auch so eine Kontrolle. Es ist halt nicht so, daß die Oberschwester hinterherguckt, ob alles richtig gemacht ist." (PA 14; 26/48-27/1)

Ambulante Pflege bleibt auch bei hohem Kominunikationsstand ein "einsamer Job", bei dem die Pflegekräfte in hohem Maße eigenverantwortlich und auf sich selbst gestellt ar-beiten, weil - anders als im Krankenhaus - stützende institutionelle Rahmenbedingungen und Rückversicherungsmöglichkeiten fehlen (Schaeffer 1992). Die Pflegertreffen haben daher eine wichtige Funktion für die Qualitätsentwicklung der Pflege, indem,sie zur Re-flexion der Geschehnisse, der eigenen Arbeit sowie zur Selbstvergewisserung beitragen.

Im Pflegertreffen kommen alle an der Betreuung der Patienten beteiligten Kräfte zu-sammen: Pfleger, Haushaltshelfer, Psychologen und Sozialarbeiter. Zunächst einmal wird die Situation jedes Patienten ausführlich besprochen. Bei diesen Fallbesprechungen werden Verlauf und Probleme der Pflege anhand des Krankheitsverlaufs, der Verände-rungen im Krankheitsbild und der entsprechenden medizinischen und pflegerischen Inter-ventionen diskutiert. Wichtig ist dem Team, daß "das nicht nur auf rein pflegerische oder medizinische Sachen reduziert" (PA 14; 24/29-30) wird. Die Aufmerksamkeit gilt ebenso den "psychischen Belangen" (PA 14; 24/28) und der sozialen Situation der Pati-enten sowie den Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltagslebens angesichts des Lebens mit einer äußerst beeinträchtigenden Krankheit. Krisen und DeStabilisierungen im Vorfeld zu erkennen und aufzufangen, ist ein wichtiger Zweck des Pflegertreffens.

Die Krankenbeobachtungen aller an einem Fall beteiligten Mitarbeiter werden ausge-tauscht und auf ihre Konsequenzen hin bewertet. Auch Veränderungen des Bedarfs und der Pflegestrategien werden hier erörtert. Diese Diskussion ist nicht auf die Pflegekräfte beschränkt, vielmehr sind auch die Haushaltshelfer einbezogen:

"... sie stellen ihren Patienten vor und teilen dann recht sensibel mit, was passiert ist, zum Bei-spiel: 'Der hat jetzt öfter mal Kopfschmerzen'; oder: 'Der hat plötzlich Durchfall'." (PA 4; 50/

54-58)

Das mag erstaunen, da Haushaltshelfer keine formale medizinisch-pflegerische Vorbil-dung haben. Diesen Mangel haben die Haushaltshelfer des Pflegedienstes jedoch kom-pensiert, und zwar durch Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen und an den Pflegertref-fen, die aus ihrer Sicht ebenfalls Fortbildungscharakter haben. Das bedeutet, wie ein Mitarbeiter nicht ohne Stolz sagt, "daß wir Kräfte haben, die weit über den Wischeimer hinausgucken" (PA 4; 50/38-40).

Grundsätzlich wird im Pflegeteam hoher Wert auf Qualifizierung gelegt und so neh-men Fachdiskussionen zur Weiterentwicklung von aidsspezifischem Fachwissen auch auf dem Pflegertreffen breiten Raum ein. In den ersten Jahren expandierte das Wissen über Aids stürmisch, die opportunistischen Infektionen wurden zunehmend behandelbar und Krankheitsbild sowie Therapien veränderten sich rasch. Daher gehört es zum Standard des Teams, der Wissensentwicklung auf der Spur zu bleiben und sich zu informieren:

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-"Also, wir haben auch noch einen Fortbildungsdruck, ... es kommt ständig etwas neues an Me-dikamenten auf den Markt. Also, wir müssen auch für den Patienten unglaublich kompetent sein, weil die ja selber hochmotiviert sind, da was ... gegen ihre Krankheit zu tun. Man kann da nicht mit irgendwelchen Heile-Heile-Gänschen-Sprüchen ankommen." (PA 14; 28/25-31)

Die Informiertheit der Patienten zwingt das Team, die eigene Aids-Expertise stabil zu halten, um gegenüber den skeptischen Patienten glaubwürdig zu bleiben und ebenso, um auf dem aktuellen Wissensstand zu operieren.

Außerdem dient das Pflegertreffen der Organisation und Koordination der Arbeit:

der Festlegung der Vorgehensweise von Pflegekräften, Haushaltshelfern, Sozialarbeit und Psychologen bei den einzelnen Patienten, der Verteilung der einzelnen Aufgaben, der dazu notwendigen Abstimmungen etc. Die Einsatzpläne werden kontinuierlich an die Situation und den Pflegebedarf des Patienten angepaßt. Die Aufgabenverteilungen zwi-schen Haushaltshilfe und Krankenpflege oder die Hinzuziehung der Angehörigenberater werden jeweils neu beraten und koordiniert.

Auch die Kooperation mit externen Diensten wird hier nach Maßgabe der Situation des Patienten beraten. Das geht von der Regelung der Arzttermine über Transportfragen bis hin zur Kommunikation mit den Krankenhäusern und zur Organisation der Besuche von stationär aufgenommenen Patienten.

Daneben dient das Treffen dem Austausch über Probleme der Pflegesituationen:

"Und der zweite Punkt eben, daß man halt auch selber sagt, 'Ich komme mit dem einen nicht mehr klar' oder 'Er kotzt mich an' oder 'Ich kann's nicht mehr sehen' oder 'Es geht ihm schlechter, ich mag ihn, mir geht es dadurch auch schlechter'." (PA 14; 24/30-34)

Die Belastungen der Arbeit mit den schwerkranken Patienten nehmen breiten Raum ein, ebenso die Pflege erschwerende Bedingungen wie z.B. ablehnendes oder gar aggressives Verhalten von Patienten. Im Pflegertreffen wird versucht, diese Probleme nicht nur zu erörtern, sondern gemeinsam nach Strategien zu suchen, wie sie handhabbar gemacht werden können. Ähnliches gilt für einen anderen Problemkomplex. Aus Angst vor Stig-matisierung und Diskriminierung verschweigen manche Patienten die Diagnose "Aids"

vor ihren Angehörigen und verbieten den Helfern, mit den Angehörigen über die Art der Erkrankung oder auch über ihr Schwulsein zu sprechen. Die Pflegekräfte sind dann ge-zwungen, unter einem "Deckmäntelchen (zu arbeiten), das Wort Aids zu vermeiden, von

'der Krankheit' zu sprechen" (PA 14; 22/20-23), was sie als belastend empfinden, da da-durch die Pflegesituation enorm kompliziert wird. Auch solche Probleme werden im Team mit dem Ziel besprochen, für Patienten und Pflegende eine gleichermaßen tragbare Pflegesituation herzustellen.

Eine weitere Funktion des Pflegertreffens besteht darin, geeignete Formen der Ar-beitsorganisation zu erörtern und festzulegen - eine Aufgabe, die vor allem in der An-fangsphase breiten Raum einnahm. Nach dem anfänglichen "alle machen alles" mußten sinnvolle Arbeitsbedingungen und -teilungen entwickelt werden: Wer schreibt den Dienstplan, wie wird das Büro besetzt, wie wird für Notfälle vorgesorgt, wer ist für die Organisation der Fortbildungen verantwortlich, wer für die Öffentlichkeitsarbeit, wer für die Abrechnung mit den Krankenkassen usw. usf. Viele dieser Fragen werden im

Rah-

-79-men des Pflegertreffens geklärt. Für weitreichende oder kontroverse Entscheidungen werden Beschlüsse der Mitgliederversammlungen und des Vereinsvorstands vorbereitet.

Grundsätzlich hat sich das Pflegertreffen als unverzichtbar erwiesen, um patienten-orientiert arbeiten, d.h. eine kontinuierliche Versorgung der Patienten sicherstellen und die dazu notwendige Konzept- und Organisationsarbeit leisten zu können, und damit trägt es zur Qualitätsentwicklung der Pflege bei. Darüber hinaus dient es dazu, die in der am-bulanten Pflege schwierige Situation der Helferberufe auszubalancieren, Belastungen der Mitarbeiter aufzufangen und Rückhalt zu bieten. Allerdings ist das Pflegeftreffen schwerfällig und zeitaufwendig. Hinzu kommt, daß die emotional hochbesetzten Inhalte dazu beitragen können, daß das Treffen unversehends mehr be- als entlastenden Charak-ter erhält, wie ein MitarbeiCharak-ter anschaulich darstellt;

"Sämtliche Krankheiten und Medikamente zur Behandlung der Patienten, alles wird da aufge-zählt und berichtet, die schrecklichsten Sachen ... und mir war schlecht vor lauter Bakterien und Toxoplasmose." (zit. n. D.A.H. Aktuell/Juli 1991, S. 28)

Die Diskussion und Reflexion der Patientensituation ist stets mit einer Gratwanderung verbunden. Einerseits ist es notwendig und erwünscht, fachliche Fragen detailliert zu be-sprechen und sich über Probleme und Erfahrungen auszutauschen. Andererseits besteht angesichts des geballten Leidens der etwa siebzehn Patienten die Gefahr der Informa-tions- und auch Reizüberflutung. Diese wirkt sich insbesondere auf die Befindlichkeit der Mitarbeiter aus, die selbst betroffen oder potentiell betroffen sind. Insgesamt überwiegen aus der Sicht des Teams jedoch die positiven Aspekte, zumal Pionierarbeit, wie der von uns untersuchte Aids-Spezialpflegedienst sie geleistet hat, stets mit hohem Kommunika-tionsaufwand verbunden ist, ehe geeignete Pflegekonzepte bzw. -Strategien und angemes-sene Strukturen zur Organisation der Arbeit entwickelt sind.

4.7.2 Externe Kooperation

Dem Aufbau gut funktionierender Kooperationsstrukturen kommt in der ambulanten Pflege besondere Bedeutung zu: Enge und ineinandergreifende Zusammenarbeit mit nie-dergelassenen Ärzten, Krankenhäusern (Sozialdienst, Pflegedienst, Ärzten), sozialen Diensten, Apotheken, Fachgeschäften für Pflegebedarf, AidS-Hilfe-Beratungsstelfen usw.

ist notwendig, damit ambulante Pflege ermöglicht und eine integrierte und lückenlose Versorgung der Patienten geschaffen werden kann. Bei Aids gilt das um so mehr,, weil die Patienten - wie alle chronisch Kranken - einen sehr komplexen' und dabei wechselhaf-ten Versorgungsbedarf aufweisen, der,, soll ihm. ambulant begegnet werden, einr enge Vernetzung ambulanter Dienste erfordert (Geiger 1992'; Schaeffer/Moers 1*992, 1994).

Zum Aufbau der dazu notwendigen Kooperationsstrukturen und zur Einbindung, des neuen Pflegedienstes in das Netz der versorgenden Instanzen,, wurden zu Beginn der Pro-jektarbeit zahlreiche Aktivitäten unternommen:,

"In der Anfangsphase haben wir unser Projekt überall vorgestellt. Als wir so1 im Aufbau waren, sind wir halt eben durch die ganzen Kliniken gegangen, haben uns vorgestellt: 'Es-, gibt uns, wir machen dies und jenes." (PA 4; 4720-24)

-

80-Öffentlichkeitsarbeit und Information über das eigene Angebot bei potentiellen Koopera-tionspartnern (und Klienten) gehören bei Innovationsvorhaben zu den Hauptaufgaben in der Etablierungsphase. Allerdings sind sie mit erheblichem Energieaufwand verbunden, und deshalb scheuen viele Projekte diese Aufgabe, zumal sie nicht immer von Erfolg ge-krönt ist. Auch der Aids-Spezialpflegedienst stieß nicht einzig auf positive Resonanz:

"Und wir sind auch von einer Station runtergeflogen. Die Stationsschwester hat mit uns nicht ge-redet, die Ärzte hatten angeblich keine Zeit,..." (PA 4; 4/24-27)

Das Team blieb jedoch bei seiner Strategie und war damit in der Mehrzahl der Fälle er-folgreich. Von vielen mit Aids befaßten Einrichtungen wurde die Einrichtung eines Spe-zialpflegedienstes sehr begrüßt. Das gilt insbesondere für die Mediziner, die sich auf die Behandlung von Aids spezialisiert haben, so z.B. für die Aids-Schwerpunkt- und Integra-tionspraxen (zur Terminologie siehe Moers/Schaeffer 1992).

In einem nachfolgenden Schritt erfolgte die Suche nach festen Kooperationspartnern und die Schaffung von Kooperationsmodalitäten, die mit dem Pflegekonzept des Teams vereinbar waren. Vorwiegend wurden dabei Einrichtungen ins Auge gefaßt, die zum

"Schöneberger Modell" bzw. dem aids-spezifischen Versorgungspfad gehören. Doch we-niger die Zugehörigkeit zu diesem Versorgungsverbund als vielmehr konzeptionelle Ge-meinsamkeiten ermöglichten die Ausbildung ineinandergreifender Kooperationsstruktu-ren:

"Wobei das schon ganz gut ist, eben diesen Verbund vom Schöneberger Modell zu haben, weil Klinik, Hausarzt und Hauskrankenpflegestation - ich sag' mal - mit einem ähnlichen Menschen-bild, oder mit einem ähnlichen Begriff von Pflegen und Versorgung an die Sache rangehen."

(PA 4; 9/54-60)

Die zu diesem Versorgungsverbund gehörenden Einrichtungen folgen weitgehend den gleichen Zielen und Handlungsmaximen (Schaeffer/Moers 1992; 1993, S. 65). So stre-ben sie unter anderem alle eine weitgehend extramurale Versorgung von Aids-Patienten an und akzeptieren verbunden damit die eigenständige Bedeutung der ambulanten Pflege bei der Schwerstkrankenpflege, der Sterbebegleitung und der Versorgungsgestaltung - al-lesamt Aufgaben, für die der ambulanten Pflege in der Regelversorgung gemeinhin keine Kompetenz zugestanden wird. Sie begrüßen außerdem die "aids-spezialisierte Pflegebe-treuung" (AK 4; 27/25) und sind zugleich bereit, ihre Arbeitsweise auf die seitens der Pflege an sie gestellten Anforderungen auszurichten. Diese beiderseitige Aufeinanderzu-bewegung ist eine Voraussetzung der Kooperation, wenn die Maxime "ambulant vor sta-tionär" realisiert werden soll.

Niedergelassene Ärzte

Eine so weitgehende ambulante Betreuung von schwerstpflegebedürftigen Patienten, wie das Konzept des Pflegeteams sie vorsieht, ist nur bei enger Kooperation zwischen nieder-gelassenen Ärzten und Pflegedienst möglich. Daher kommt der Zusammenarbeit mit den Hausärzten zentrale Bedeutung für die ambulante Pflege zu. Der größte Teil der Patien-ten des Pflegedienstes wird von Aids-Schwerpunkt- und Integrationspraxen behandelt

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-(Moers/Schaeffer 1992b). Mit diesen Ärzten, die im "Arbeitskreis Aids der niedergelas-senen Ärzte" zusammengeschlossen sind, wurde eine Reihe neuer Kooperationsmodalitä-ten implementiert:

- So wurde die Kommunikation gegenüber den üblichen Gepflogenheiten intensiviert. Die Ärzte stehen dem Pflegedienst für Rücksprachen zur Verfügung, und auch Anrufe der Pflegekräfte enden nicht bei der Sprechstundenhilfe. So können Fragen der Medikation oder Veränderun-gen im Krankheitsbild direkt besprochen und Therapiemaßnahmen rasch eingeleitet werden.

- Die niedergelassenen Ärzte, vor allem die Schwerpunktpraxen, bieten Fortbildungen für am-bulante Pflegekräfte an und informieren laufend über den Stand der medizinischen Entwick-lung, z.B. über Wirkungen und Nebenwirkungen neuer Medikamente, neue Infusionstechno-logien usw.

- Delegation ärztlicher Tätigkeiten wird im gegenseitigen Einvernehmen geregelt. Der Pflege-dienst übernimmt zahlreiche medizinische Leistungen, wie etwa Infusionsüberwachungen und

erspart dadurch den Patienten unnötige Wege oder gar Krankenhausaufenthalte. Damit entla-stet er die Ärzte, und im Gegenzug sind diese trotz vorhandener Kapazitätsprobleme bereit, jederzeit, wenn der Pflegedienst es für notwendig hält, Hausbesuche zu machen und die Pa-tientensituation vor Ort mit den Pflegekräften zu besprechen. Weil sie von deren Expertise überzeugt sind, billigen sie dem Pflegedienst in der Kooperation weitere Handlungsspielräu-me und Kompetenzen zu als geHandlungsspielräu-meinhin üblich.

- Auch wenn es um Fragen des Versorgungsmanagements geht, wird eng kooperiert. So beglei-tet die Sozialarbeiterin bisweilen Patienten zum Arzt, um "mit der Praxis Kontakt zu halten"

(PA 4; 52/37). Fragen der Kostenühernahme, der Berentung, des Schwerbehindertenauswei-ses usw. können so geklärt und die notwendigen Anträge und Gutachten unbürokratisch auf den Weg gebracht werden. Aber auch die Ärzte gehen auf den Pflegedienst zu und bespre-chen mit den Mitarbeitern die Versorgungssituation der Patienten. Das ist allein deshalb be-merkenswert, weil Ärzte Versorgungsfragen oft als professionsfremd oder "dirty work" anse-hen, der sie sich zu entziehen versucanse-hen, Wenn z.B. Patienten länger Pflege benötigen als die regulär von den Kassen gewährten vier Wochen, so kümmern sich die Ärzte unbürokratisch um die Versorgungsbelange der Patienten und ermöglichen dem Pflegedienst damit eigenstän-diges Arbeiten.

- Die Kooperationsmodalitäten werden ständig modifiziert und angepaßt. In unregelmäßigen Abständen werden dazu auch Treffen zwischen dem Arbeitskreis Aids der niedergelassenen

Ärzte und dem Pflegedienst durchgeführt.

Nur ein kleiner Teil der Patienten des Pflegedienstes wird von Normalpraxen betreut, je-doch machen diese Ärzte einen nicht unbedeutenden Teil der Kooperationspartner aus:

Da sie meist nur wenige Aids-Patienten betreuen, hat der Pflegedienst also bei Patienten, die sich auf einem nicht aids-spezialisierten Versorgungspfad bewegen, mit jeweils ande-ren Hausärzten zu tun. Die soeben beschriebenen ausdiffeande-renzierten Kooperationsmodi sind bei den Normalpraxen in der Regel nicht gegeben. Hier finden sich, all die Proble-me, die in der ambulanten Pflege generell beklagt werden; mangelnde Kommunikation, schlechte Erreichbarkeit der niedergelassenen Ärzte, geringe Motivation zu Hausbesu-chen etc. Hinzu kommen nicht eben selten Probleme, die aus der unzureiHausbesu-chenden Aids-Expertise dieser Ärzte erwachsen. Selbst wenn ein aids-spezialisierter Arzt hinzugezogen wird, enden die Kooperationsprobleme für den Pflegedienst nicht:

"Ja, es ist ganz grandios, wenn du mit zwei Hausärzten zusammenarbeitest, die dann ihre ver-schiedenen Therapieauffassungen und: 'Ich bin schließlich der Arzt' auf deinem Rücken austra-gen. Das ist eine ganz furchtbare Situation." (PA 4; 69/5-9)

Falls Ärzte zu starr auf ihrem Status und ihrem Entscheidungsmonopol beharren, reagiert der Pflegedienst eindeutig:

-

82-"Die müssen das dann lernen oder wir kooperieren mit ihnen mehr oder weniger nicht mehr."

(PA 4; 53/16-17)

Gerade die Grenzen der Kooperation mit niedergelassenen Ärzten zeigen die schwierige Situation des Pflegedienstes. Die Pflegekräfte versuchen, den Ärzten soweit wie möglich entgegenzukommen, ohne ihr Konzept zu gefährden. Bleibt der Patient bei einem Haus-arzt, mit dem die Zusammenarbeit nicht reibungslos ist, weil beide von unterschiedlichen Prämissen ausgehen, so ist der Pflegedienst in letzter Konsequenz gezwungen, die Pflege

Gerade die Grenzen der Kooperation mit niedergelassenen Ärzten zeigen die schwierige Situation des Pflegedienstes. Die Pflegekräfte versuchen, den Ärzten soweit wie möglich entgegenzukommen, ohne ihr Konzept zu gefährden. Bleibt der Patient bei einem Haus-arzt, mit dem die Zusammenarbeit nicht reibungslos ist, weil beide von unterschiedlichen Prämissen ausgehen, so ist der Pflegedienst in letzter Konsequenz gezwungen, die Pflege