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Die Oberfl¨achenst¨orzust¨ande haben einen ¨außerst limitierenden Einfluss auf die Gesamtle-bensdauer der Minorit¨atsladungstr¨ager. Eine Passivierung dieser St¨orzust¨ande ist daher von großer Bedeutung. Verschiedene M¨oglichkeiten werden in Abschnitt 1.1.3 beschrieben.

1.1.3 Oberfl¨ achenpassivierung

Passivierte Defekte dienen nicht mehr als Rekombinationszentren, es finden dort also keine Rekombinationsaktivit¨aten statt. Die Passivierung der Oberfl¨achenst¨orzust¨ande ist besonders wichtig, da diese Defekte die Lebensdauer der Minorit¨atsladungstr¨ager drastisch vermindern.

Grunds¨atzlich stehen zur Passivierung zwei Methoden zur Verf¨ugung, die mit der Verringerung der Oberfl¨achenrekombinationsrate in Gl. (1.25) theoretisch begr¨undet werden:

i. Verringerung der St¨orstellenzustandsdichte Ns: Damit geht nach Gl. (1.26) ei-ne Reduzierung der Oberfl¨achenrekombinationsgeschwindigkeiten von Elektronen und L¨ochern in Gl. (1.25) einher. In der Folge sinkt die gesamte Rekombinationsrate.

Diese M¨oglichkeit wird ¨ublicherweise durch das Aufwachsen oder Abscheiden einer pas-sivierenden Schicht auf die Oberfl¨ache realisiert, da die meisten St¨orzust¨ande an der Oberfl¨ache eines Wafers von offenen Bindungen herr¨uhren und diese dadurch abges¨attigt werden k¨onnen. Einen klassischen Vertreter f¨ur diese Methode stellt das Aufwachsen ei-ner thermischen Oxidschicht dar. An der Grenzfl¨ache zwischen dem dabei entstehenden Siliziumdioxid und dem reinen Silizium kommt es aber auch zu einer Ladungstr¨ agerak-kumulation, so dass auch der unter Punkt (ii.) erkl¨arte Effekt zur Passivierung beitr¨agt.

Diese Methode sorgt f¨ur eine langzeitstabile Passivierung der Oberfl¨ache. Tempor¨ar lassen sich die offenen Bindungen aber auch durch die Behandlung der Oberfl¨ache mit Flusss¨aure oder einer Iod-Ethanol-L¨osung abs¨attigen, worauf in den Abschnitten 2.5.3.1 und 2.5.3.2 n¨aher eingegangen wird.

ii. Verringerung der Ladungstr¨agerkonzentrationen ns oder ps an der Wafero-berfl¨ache: Dadurch wird das Produkt aus den beiden Gr¨oßen kleiner und die Rekom-binationsrate sinkt. Physikalisch ist diese Methode so zu verstehen, dass f¨ur einen Re-kombinationsprozess sowohl ein Elektron als auch ein Loch notwendig sind. Fehlt einer der beiden Partner, findet deshalb keine Rekombination statt.

Zu einer Reduzierung der Ladungstr¨agerkonzentrationen stehen grunds¨atzlich zwei M¨ oglich-keiten zur Verf¨ugung:

• Akkumulation: Die Konzentration der Majorit¨atsladungstr¨ager an der Oberfl¨ache wird ¨uber das normale Niveau hinaus erh¨oht und die der Minorit¨atsladungstr¨ager gleichzeitg abgesenkt. Das geschieht z. B. durch Einbau eines sogenannten Al-BSF (Aluminium-Back Surface Field). Durch die Aluminiumschicht an der R¨ uck-seite ist der Kristall dort sehr stark p-dotiert. Diese Dotierung erzeugt ein Feld, gegen das die Elektronen aus dem Kristallinneren nur schwer anlaufen k¨onnen, in der Folge sinkt ihre Konzentration an der Oberfl¨ache.

• Inversion: Hierbei wird die Konzentration der Minorit¨atsladungstr¨ager an der Ober-fl¨ache erh¨oht. Dies geschieht beispielsweise bei einer Phosphordiffusion eines p-dotierten Wafers, die f¨ur eine beidseitige n-Schicht an der Oberfl¨ache sorgt. An dem unbelasteten pn- ¨Ubergang entsteht ein Konzentrationsgef¨alle und damit ein Feld, gegen das weitere Elektronen nur schwer zur Oberfl¨ache gelangen, solange die Elektronen in den n-Bereichen nicht abfließen k¨onnen. Ein weiterer Vertreter dieser Methode ist die Oberfl¨achenpassivierung durch eine SiNx-Beschichtung. Durch an der Oberfl¨ache fixierte Ladungen entstehen Felder, die die Elektronen aufgund der Coulomb-Abstoßung von der Oberfl¨ache fernhalten. Der Prozess der Nitridabschei-dung wird in Kapitel 2.3 genauer erl¨autert, da dabei auch andere Defekte durch den frei werdenden Wasserstoff passiviert werden k¨onnen.

Weitere Passivierungsmethoden und genauere Erl¨auterungen zu den bisher erw¨ahnten fin-den sich in [Pet05]. Auf zwei Oberfl¨achenpassivierungstechniken soll jedoch in Kapitel 2.5 n¨aher eingegangen werden, da sie im Experiment in dieser Form verwendet werden: Die HF-Passivierung und die HF-Passivierung mit einer Iod-Ethanol-L¨osung. Sie dienen zur tempor¨aren Oberfl¨achenpassivierung eines noch nicht prozessierten Wafers und sind zur Messung der Lebensdauer der Ladungstr¨ager im Kristallinneren, dem sogenannten Bulk, mit der im sel-ben Kapitel beschriesel-benen Methode sehr wichtig. Der Betrag dieser Bulklesel-bensdauer ist der Lebensdauer der Minorit¨atsladungstr¨ager in der fertig prozessierten Solarzelle, bei der die Oberfl¨achenst¨orzust¨ande ebenfalls passiviert sind, sehr ¨ahnlich. In Gl. (1.11), die die gesamte St¨orstellenlebensdauer beschreibt, verschwindet dann der letzte Term.

1.2. Wasserstoffpassivierung 19

1.2 Wasserstoffpassivierung

Die in Abschnitt 1.1.2.2 beschriebenen Defekte bewirken eine erh¨ohte Rekombinationsrate und verringern damit die Minorit¨atsladungstr¨agerlebensdauer. Deshalb wird schon bei der Produk-tion der Wafer versucht, solche Defekte zu vermeiden. Auch wenn sie beim Kristallwachstum bereits entstanden sind, gibt es verschiedene M¨oglichkeiten, die Defektdichte im Siliziumkris-tall nachtr¨aglich zu verringern. Hierzu z¨ahlt beispielsweise die sogenannte Floatzone-Methode, bei der eine Schmelzzone mehrmals durch den Ingot gezogen wird. Da metallische Verunrei-nigungen im fl¨ussigen Silizium eine erh¨ohte L¨oslichkeit besitzen als in kristallisiertem, werden viele von ihnen mit der Schmelzzone aus dem Kristall heraus an ein Ende des Ingots getrieben.

Gleichzeitig k¨onnen Gitterdefekte bei der Neubildung der Kristallstruktur korrigiert werden.

Bei der Anwendung kosteng¨unstigerer Verfahren zur Siliziumproduktion werden die Wafer immer defektreicher. Bei manchen Methoden, wie zum Beispiel dem direkten Ziehen von Si-liziumfolien aus der Schmelze, ist ein anschließendes Gettern in dieser Form nicht m¨oglich.

Neben dem in Kapitel 2.2 vorgestellten Phosphorgettern stellt die Wasserstoffpassivierung eine weitere M¨oglichkeit zur Materialverbesserung dar, die sich in diesem Fall besonders an-bietet.

Schon seit den f¨unfziger Jahren [Est03] ist bekannt, dass die elektrischen Aktivit¨aten die-ser Defekte durch das Einbringen von Wasdie-serstoff in den Siliziumkristall passiviert werden k¨onnen. Die m¨ogliche Bedeutung der Wasserstoffpassivierung f¨ur die Verbesserung von mul-tikristallinem Siliziummaterial und die Folgen f¨ur die Solarzellenprozessierung wurden als erstes von der Gruppe der Sandia National Laboratories um C. Seager erkannt. In der ers-ten Ver¨offentlichung [Sea79] verwendete man dort ein Wasserstoffplasma zum Einbringen des Wasserstoffs. Heute hat sich als Plasmaverfahren das MIRHP(Microwave Induced Remote Hydrogen Plasma)-Verfahren, das beispielsweise in [Die02] n¨aher beschrieben wird, in der For-schung etabliert. Eine weitere Methode besteht darin, die Probe einem Wasserstoffionenstrahl auszusetzen, der jedoch an der Oberfl¨ache des Wafers neue Defekte verursacht [Pea92]. Im vorliegenden Experiment wird der Wasserstoff beim Abscheiden und Feuern einer wasserstoff-reichen SiNx:H-Schicht eingebracht. Dieser Vorgang wird in Kapitel 2.3 n¨aher beschrieben.

Nachdem Sah et al. Anfang der achtziger Jahre festgestellt hatten, dass Wasserstoff den Widerstand von Bor-dotiertem Silizium um zwei Gr¨oßenordnungen erh¨ohen kann [Sah83], wurde mit der systematischen Untersuchung der passivierenden Wirkung von Wasserstoff in multikristallinem Silizium begonnen. Wasserstoff gilt als sogenannter all-purpose passivant (Allzweck-Passivierstoff). Er kann in vielen verschiedenen Halbleitern sowohl flache als auch tiefe St¨orstellen, die von Defekten oder Verunreinigungen herr¨uhren, passivieren. Wasserstoff ist in Silizium amphoterisch, besitzt also einen Donator- und einen Akzeptorzustand in der Bandl¨ucke. Deshalb kann er sowohl die St¨orniveaus von Donator- als auch von Akzeptora-tomen passivieren. Das ist eigentlich unerw¨unscht, da damit eine Aufhebung der Dotierung verbunden ist, die f¨ur eine Solarzelle unerl¨asslich ist. Die Passivierung dieser flachen Donator-und Akzeptorst¨orzust¨ande ist jedoch thermisch nicht sehr stabil. Beispielsweise l¨ost sich der Wasserstoff von einem passivierten Bor-Atom bereits bei ungef¨ahr 220C [Sta88]. Eine Solar-zelle wird bei ihrer Fertigung nach dem Nitridabscheiden, bei dem der Wasserstoff eingebracht wird, im Normalfall weit h¨oheren Temperaturen ausgesetzt.

W¨unschenswert ist die Passivierung tiefer St¨orstellen, die von Kristalldefekten oder

Verunrei-nigungen herr¨uhren. Deren Passivierung ist in Abschnitt 1.2.2 beschrieben.