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Um die Schwierigkeiten, die beim Auswerten der Messdaten auftreten k¨onnen, zu verdeut-lichen, wird hier die Auswertung mit fiktiven Messdaten n¨aher betrachtet. Die wichtigsten Gr¨oßen aus Kapitel 1.3 werden zun¨achst nochmals kurz genannt:

• ED: Bindungsenergie des Wasserstoffs an Defekten.

• ν: Schwingungsfrequenz der Defekt-Wasserstoff-Bindung.

• t: Dauer eines Temperaturschrittes mit kastenf¨ormigem Profil.

• N/N0: Anteil noch wasserstoffpassivierter Defekte.

• τi: Die Minorit¨atsladungstr¨agerlebensdauer direkt nach der Passivierung durch Eindif-fusion von Wasserstoff beispielsweise aus einer SiNx:H-Schicht.

• τf: Die Lebensdauer nach einem Temperaturschritt.

• τr: Die Lebensdauer nach Ausdiffusion des gesamten Wasserstoffes, bzw. vor der Was-serstoffpassivierung.

Aus Gl. (1.34) erh¨alt man mit ED = 2.55 eV, ν=1014Hz und t=1 s Werte f¨ur N/N0 in Abh¨angigkeit der Temperatur. Mit diesen Werten lassen sich unter Vorgabe vonτr und dem Wert vonτivor dem ersten Temperaturschritt mit Hilfe von Gl. (1.36) die Lebensdauerwerteτf nach den verschiedenen Temperaturschritten bestimmen. Ausgehend von diesen berechneten Lebensdauern wurden Lebensdauerwerte simuliert. Die simulierte Abweichung der einzelnen Werte von den urspr¨unglichen Werten ist in Tab. 3.1 dargestellt. Keiner dieser simulierten Le-bensdauerwerte unterscheidet sich um mehr als 10% von den urspr¨unglichen Werten. Abb. 3.1 zeigt, wie sich diese Abweichung der simulierten Lebensdauerwerte auf die Abweichung von der urspr¨unglichen Kurve f¨ur den Anteil der noch passivierten Defekte in Abh¨angigkeit der Temperatur auswirkt. Diese Unterschiede sind nochmals prozentual in Tab. 3.1 angegeben.

Auff¨allig ist, dass bei hohen Temperaturen, also kleinen Lebensdauern, bereits sehr kleine Ab-weichungen in der Lebensdauer riesige AbAb-weichungen f¨ur den Anteil noch passivierter Defekte hervorrufen. Die Ursache daf¨ur liegt in der Berechnung von N/N0 mit Hilfe von Gl. (1.36).

Hierbei gehen die nach den Temperaturschritten gemessene Lebensdauerwerte τf invers ein.

Bei sehr kleinen Lebensdauern ist die Steigung der Kurve 1/τf ¨uber τf betragsm¨aßig sehr groß und bereits kleine ¨Anderungen in τf f¨uhren zu großen ¨Anderungen in 1/τf und damit in N/N0. Kleine Lebensdauerwerte, die bei h¨oheren Temperaturen gemessen werden, sollten daher sehr genau bestimmt werden. Sie haben einen großen Einfluss auf den Fit durch die f¨ur

Abbildung 3.1: Aus fiktiven Lebensdauerwerten berechneter Anteil passivierter Defekte N/N0 im Vergleich zu den Werten einer mit Gl. (1.34) berechneten Kurve mit ED=2.55 eV, t=1 s und ν=1014Hz. Die Datenpunkte wurden auf verschiedene im Text beschiebene Arten mit den Aus-gleichsgeraden aus Abb. 3.2 gefittet.

N/N0 aus den Lebensdauern errechneten Punkte.

Um einen linearen Zusammenhang wie in Gl. (1.39) zu erhalten, werden die Datenpunkte aus Abb. 3.1 in Abb. 3.2 doppelt-logarithmisch ¨uber der inversen Temperatur aufgetragen.

Durch diese Werte werden auf verschiedene Arten Ausgleichsgeraden gelegt. Zun¨achst wer-den hierbei alle Datenpunkte ber¨ucksichtigt. Die Abweichung von der uspr¨unglichen Kurve ist betr¨achtlich, wie sowohl in Abb. 3.1 als auch in Abb. 3.2 zu erkennen ist. Aus dieser Regressionsgeraden erh¨alt man mit Gl. (1.40) und (1.41), also aus der Steigung und dem Ordinatenabschnitt der Geraden, eine Bindungsenergie von ED=1.46 eV und eine Frequenz von ν = 2.90·107Hz. Dies bedeutet eine Abweichungen von ungef¨ahr 42% f¨ur die Aktivie-rungsenergie. Die Frequenz weicht um mehr als sieben Gr¨oßenordnungen vom urspr¨unglichen Wert ab. Ausgehend von einer Ver¨anderung der urspr¨unglichen Messdaten um weniger als 10% verdeutlicht dieses Ergebnis, wie sensibel bei der Auswertung der Daten vorgegangen werden muss.

Um eine geringere Abweichung der Bindungsenergie und der Frequenz zu erreichen, wird im Folgenden diskutiert, wie eine Auswertung unter Ausschluss der Messdaten, die eine sehr große Messgenauigkeit erfordern, vorgenommen werden kann. Zu diesen z¨ahlen

Lebensdauer-3.1. Auswertung der Messdaten 81

Tabelle 3.1: Prozentuale Abweichung der fik-tiven Lebensdauerwerte und der Werte f¨ur die Anteile passivierter Defekte von den berechne-ten exakberechne-ten Werberechne-ten. Die exakberechne-ten Werte wurden mit Gl. (1.36) und Gl. (1.34) unter Vorgabe fol-gender Daten berechnet:ED=2.55 eV,t=1 s und ν=1014Hz. F¨ur große Temperaturen, also kleine Werte von N/N0, wirken sich kleine Abweichun-gen der Lebensdauermesswerte stark auf die Ab-weichungen der Werte f¨ur N/N0 von den berech-neten Werten aus.

werte, die auf Werte von N/N0 nahe Null und nahe Eins f¨uhren.

Die kleinen Lebensdauermesswerte haben, wie bereits erw¨ahnt, einen großen Einfluss auf die Regressionsgerade, da die Berechnung der Werte f¨urN/N0 bei sehr kleinen Lebensdauern sehr empfindlich gegen¨uber kleinen Ver¨anderungen in der Lebensdauer ist. Hinzu kommt, dass die aus diesen kleinen Messwerten berechneten Anteile noch passivierter Defekte N/N0 sehr ge-ring sind und nahe bei Null liegen. Um eine Ausgleichsgerade durch die Messdaten legen zu k¨onnen, m¨ussen sie in die Form von Gl. (1.39) gebracht werden. Es ist also n¨otig, den nega-tiven nat¨urlichen Logarithmus des Anteils noch passivierter Defekte N/N0 zu berechnen. Die Steigung des negativen nat¨urlichen Logarithmus eines Wertes nahe bei Null ist betragsm¨aßig sehr groß. Kleine Unterschiede in N/N0 f¨uhren zu großen Differenzen in −ln (N/N0). Tab.

3.2 zeigt einige Werte f¨ur die Steigung des negativen nat¨urlichen Logarithmus zwischen Null und Eins. Die Werte f¨ur die Steigungen des negativen nat¨urlichen Logarithmus von 0.01 und 1 unterscheiden sich bereits um zwei Gr¨oßenordnungen. F¨ur noch kleinere Werte von N/N0 ist der Betrag der Steigung noch viel gr¨oßer.

Die meisten X-H-Bindungen werden offensichtlich in dem Temperaturbereich aufgebrochen, in dem die gr¨oßte ¨Anderung vonN/N0 in Abh¨angigkeit der Temperatur stattfindet (vgl. Abb.

1.8). Deshalb ist dieser Temperaturbereich f¨ur die Ermittlung der Wasserstoffbindungsenergie

N/N0 −ln (N/N0) Steigung −N/N1

Tabelle 3.2: Einige Steigungswerte des negativen nat¨urlichen Logarithmus zwischen Null und Eins.

Die Steigung wird betragsm¨aßig gegen Eins immer kleiner.

besonders wichtig. Bei h¨oheren Temperaturen diffundiert vergleichsweise wenig Wasserstoff aus der Probe aus. Mit dieser Begr¨undung k¨onnen die Messergebnisse kleiner Lebensdauern aus den Punkten, durch die eine Ausgleichsgeraden gelegt wird, ausgeschlossen werden. Mit Blick auf Tab. 3.2 werden bei der weiteren Berechnung der Ausgleichsgeraden nur Lebensdau-erwerte ber¨ucksichtigt, die Werte vonN/N0 liefern, die gr¨oßer als 0.1 sind. Mit einer Steigung des negativen nat¨urlichen Logarithmus von maximal 10 sind geringere Messfehler bei diesen Meßdaten nicht so schwerwiegend wie bei Lebensdauerwerten, die auf kleinere Werte f¨urN/N0 f¨uhren.

Werte von N/N0 nahe Eins stellen ein weiteres Problem dar. Um die f¨ur die Berechnung der Regressionsgeraden n¨otige Form zu erhalten, muss laut Gl. (1.39) der nat¨urliche Loga-rithmus von (−ln (N/N0)) gebildet werden. Der negative Logarithmus von N/N0 liefert f¨ur Werte von N/N0 nahe Eins Werte nahe Null. Wird von diesen kleinen Werten ein weiteres Mal der nat¨urliche Logarithmus gebildet, tritt dasselbe Problem wie bei den kleinen Werten von N/N0 auf: kleine Differenzen in −ln (N/N0) f¨uhren zu großen in ln [−ln (N/N0)]. Des-halb sind auch die großen Lebensdauern bei kleineren Temperaturen mit großer Exaktheit zu bestimmen. Mit derselben Argumentation wie bereits bei den kleinen Messwerten k¨onnen aber auch diese Werte von N/N0 nahe Eins aus den Punkten, durch die die Ausgleichsgera-de gelegt wird, ausgeschlossen werAusgleichsgera-den: Die wesentliche Wasserstoffausdiffusion, die mit Ausgleichsgera-dem Aufbrechen der meisten X-H-Bindungen zusammenh¨angt, findet im Temperaturbereich mit der gr¨oßten Steigung von N/N0(T) statt. Deshalb wird eine weitere Ausgleichsgerade ledig-lich durch Datenpunkte gelegt, die die Bedingung 0.1 < N/N0 < 0.95 erf¨ullen. Eigentlich w¨are als Obergrenze 0.9 sinnvoller, denn der negative nat¨urliche Logarithmus von 0.9 ergibt ungef¨ahr 0.1. Eine weitere Bildung des Logarithmus von Werten gr¨oßer als 0.1 f¨uhrt wie in Tab. 3.2 veranschaulicht auf betragsm¨aßige Steigungen des Logarithmus kleiner als 10. Um aber mindestens vier Datenpunkte zu erhalten, durch die eine lineare Regressionsgeraden ge-legt werden kann, wird als Obergrenze 0.95 verwendet. Hierzu k¨onnte auch die untere Grenze verschoben werden, aber bei diesen Punkten ist bereits die Berechnung von N/N0 aus den Lebensdauerwerten sehr empfindlich gegen kleine Messfehler, da die kleinen Lebensdauern invers in diese Rechnung eingehen.

In Abb. 3.2 wurde eine Ausgleichsgerade durch die Datenpunkte gelegt, deren Werte f¨ur die

3.1. Auswertung der Messdaten 83

Abbildung 3.2: Lineare Darstellung des Anteils passivierter Defekte in Abh¨angigkeit der inversen Temperatur f¨ur fiktive Daten. Der lineare Fit durch alle fiktiven Messpunkte weicht deutlich von der urspr¨unglichen Kurve ab, wohingegen der Fit durch ausgew¨ahlte Punkte aus einem bestimmten Wertebereich und der mit vorgegebenen Ordinatenabschnitt der urspr¨unglichen Geraden sehr ¨ahnlich sind.

Anteile noch passivierter Defekte zwischen 0.95 und 0.1 liegen. Daraus ergeben sich eine Bin-dungsenergie vonED = 2.553 eV und eine Frequenz vonν= 1.29·1014Hz, was Abweichungen von ungef¨ahr -0.1% f¨ur die Energie und -28.9% f¨ur die Frequenz von den ursr¨unglichen Werten ED = 2.55 eV undν = 1.0·1014Hz entspricht. Diese sehr geringe Abweichung ist in den Abb.

3.2 und 3.1 gut zu erkennen.

Eine weitere Auswertungsm¨oglichkeit bietet Gl. (1.34), die sich zu ED =−kBT ·ln

− 1 tν ln N

N0

(3.1) umformen l¨asst. Hierbei muss allerdings die Frequenz fest vorgegeben werden. Diese Methode wurde bislang in der Literatur verwendet. Dabei wurden mit 1013Hz und 1014Hz meistens zwei Frequenzen angenommen, die aus dem typischen Frequenzbereich f¨ur phononische Ak-tivit¨aten einer Defekt-Wasserstoff-Bindung stammen. Mit dieser Vorgehensweise lassen sich aus den mit Gl. (1.34) erhaltenen Werten f¨ur N/N0 jeweils die Bindungsenergie f¨ur jede Temperatur einzeln bestimmen. F¨ur ν = 1014Hz ergibt sich hiermit im Mittel ein Wert von

ED=2.504 eV, was einer Abweichung von 1.8% entspricht. Aus dieser Energie erh¨alt man mit Gl. (1.40) eine Steigung. Die zugeh¨orige Gerade mit dem Ordinatenabschnitt aus Gl. (1.41) ist in Abb. 3.2 abgebildet.

Das Auswertungsprogramm berechnet f¨ur jeden Messpunkt auf dem Wafer die Bindungs-energie nach den erl¨auterten Methoden, wobei die letzte Methode mit zwei verschiedenen Frequenzen verwendet wird. So erh¨alt man am Ende vier Lebensdauermaps aus folgenden Berechnungsmethoden f¨ur die Bindungsenergien:

i. Berechnung der Bindungsenergie aus Gl. (1.40). Die ben¨otigte Ausgleichsgerade wird unter Ber¨ucksichtigung aller Datenpunkte ermittelt.

ii. Berechnung der Bindungsenergie aus Gl. (1.40). Die ben¨otigte Ausgleichsgerade wird unter Ber¨ucksichtigung lediglich derjenigen Datenpunkte ermittelt, die die Bedingung 0.1 < N/N0 < 0.95 erf¨ullen.

iii. Berechnung der Bindungsenergie aus Gl. (3.1), wobei eine Frequenz von ν = 1014Hz vorgegeben wird.

iv. Berechnung der Bindungsenergie aus Gl. (3.1), wobei eine Frequenz von ν = 1013Hz vorgegeben wird.

F¨ur das Experiment kann basierend auf diesen ¨Uberlegungen gefolgert werden, dass in dem Temperaturbereich in dem die Lebensdauerwerte dramatisch abfallen, besonders viele Mess-werte genommen werden sollten. So sind f¨ur die Berechnung der Bindungsenergien nach der zweiten, erfolgsversprechendsten Methode gen¨ugend Datenpunkte vorhanden. Deshalb ist es auch von Bedeutung, die Dauer der Peaktemperatur m¨oglichst kurz zu halten, damit so we-nig Wasserstoff wie m¨oglich w¨ahrend eines Temperaturschrittes ausdiffundiert. Dadurch wird die Kurve breiter und man erh¨alt mehr Datenpunkte aus dem Bereich des steilen Abfalls.

Der Einfluss der Peakbreite wird in Abschnitt 2.4.4 genauer diskutiert. Weiterhin ist es wich-tig, die kleinen Lebensdauerwerte, die bei hohen Temperaturen zu erwarten sind, sehr exakt zu bestimmen. Die Lebensdauerwerte zu Beginn des Experiment, bei kleinen Temperaturen, haben bei der ersten Auswertungsmethode einen großen Einfluss auf die Berechung der Bin-dungsenergie.