Mit dem Ziel, Alternativen f¨ur die Waferherstellung aus
Abbildung 2.2: Schematische Darstellung der EFG-Technologie [Hahn04].
blockgegossenem oder mit dem Czochralski-Verfahren ge-zogenem Silizium zu finden, wird schon seit mehr als vier Jahrzehnten [Hahn04] an Methoden geforscht, Sili-zium direkt aus der Schmelze in der planaren Form eines Wafers zu ziehen. So k¨onnen nicht nur Zeit und Ener-gie eingespart, sondern auch der Materialverlust beim Herauss¨agen der Wafer aus dem Siliziumblock vermie-den wervermie-den.
Seit einigen Jahren ist eine Methode zur Produktionsrei-fe gelangt, bei der achteckige Hohlzylinder aus der Silizi-umschmelze gezogen werden. Dieses Verfahren des kan-tendefinierten Filmwachstums bezeichnet man mit der
Abk¨urzung EFG (Edge-defined Film-fed Growth). Abb. 2.2 zeigt, wie das Silizium mit Hilfe von Formpl¨attchen, sogenannten shaping dies, in die oktaedrische Form gebracht wird. Ka-pillarkr¨afte treiben das fl¨ussige Silizium an das obere Ende der Pl¨attchen, von wo aus das Siliziumoktagon gezogen wird. Die Kantenl¨ange der bis zu 7 m hohen Siliziumrohre betr¨agt 10 cm oder 12.5 cm. Die Dicke der Siliziumplatten kann ¨uber die Formpl¨attchen, die Tempe-ratur und die Ziehgeschwindigkeit reguliert werden. Um ungef¨ahr 300µm dickes Material zu erhalten, ist eine maximale Ziehgeschwindigkeit von etwa 2 cm/min m¨oglich.
Da das Kristallwachstum von der Kristallstruktur des bereits kristallisierten Siliziums abh¨angt, entstehen lange Kristalle (K¨orner) in der vertikalen Ziehrichtung des Oktagons. In horizon-taler Richtung k¨onnen diese K¨orner von einigen Millimetern bis zu Zentimetern breit sein.
EFG-Wafer werden benachbart genannt, wenn sie sich mehrere K¨orner teilen. Senkrecht zu
2.1. EFG-Material 41
Abbildung 2.3: EFG – vom Oktagon zur Zelle [Hof01].
Abbildung 2.4: Ecke eines EFG-Wafers [Groe07]. Markierungen: blau – Korngrenze, rot – Richtung der Wellenstruktur, weiß – beim Laserschneiden entstandener Punkt.
den Korngrenzen k¨onnen wellenartige Dickevariationen verlaufen. Um Wafer aus dem Silizi-umhohlzylinder herauszuschneiden, wird dieser zun¨achst mit einem Laser in 10 cm (12.5 cm) hohe Oktagone zerlegt. Das Auftrennen der Kanten liefert, wie in Abb. 2.3 dargestellt, acht Wafer. Bei diesem Laserschneiden entstehen punktf¨ormige Sch¨aden an der innenseitigen Ober-fl¨ache des Oktagons. Diese drei charakteristischen Eigenschaften des EFG-Materials sind in Abb. 2.4 durch Markierungen hervorgehoben. Seit kurzer Zeit werden auch zw¨olfeckige Sili-ziumhohlzylinder hergestellt.
Die EFG-Technologie bietet aufgrund der großen Effektivit¨at der Rohstoffnutzung ein enormes Potential zur Senkung der photovoltaischen Elektrizit¨atskosten. Jedoch kann die Defektstruk-tur der EFG-Wafer die Materialqualit¨at und die Zelleffizienz limitieren. Im Folgenden sollen einige Eigenschaften des defektreichen Materials beschrieben werden. Eine ausf¨uhrliche Dar-stellung findet sich in [Hahn04].
Das fl¨ussige Silizium wird durch die aus Graphit bestehendenshaping dies in die oktaedrische Form gebracht. Dieser direkte Kontakt des Siliziums nahe der Kristallisationszone zu einem Graphitbauteil verursacht eine hohe Kohlenstoffkonzentration (1018cm−3) im EFG-Material.
Der Kohlenstoff bildet jedoch im Vergleich zu anderen multikristallinen Materialien viel we-niger Pr¨azipitate, was besonders bei solchen hohen Konzentrationen eigentlich zu erwarten w¨are. Die Pr¨azipitatbildung wird durch einen hohen Gehalt an interstitiellem (Zwischengit-terpl¨atze besetzendes) Silizium beg¨unstigt, das den Kohlenstoff ¨uber den sogenannten kick-out-Mechanismus (vgl. Kapitel 2.2) von den Gitterpl¨atzen des Siliziumkristalls verdr¨angt und so die Diffusivit¨at des Kohlenstoffs erh¨oht. Die Konzentration an interstitiellem Silizium ist in EFG-Material jedoch vergleichsweise klein. Das h¨angt auch mit dem geringen Sauerstoffge-halt zusammen. Die Pr¨azipitation von Sauerstoff erh¨oht die Konzentration von interstitiellem Silizium. In Form von homogen verteilten Fremdatomen hat der Kohlenstoff einen negativeren Einfluss auf die Materialqualit¨at als in Form von Pr¨azipitaten. So ist der gesamte Wafer von einer Verringerung der Minorit¨atsladungstr¨agerlebensdauer betroffen und nicht nur vereinzel-te Bereiche.
Der große Temperaturgradient in der Kristallisationszone ist verantworlich f¨ur den sogenann-ten built-in stress (mechanische Spannungen im Material) im kristallisierten Silizium. Diese
Spannung kann zur Ausbildung von Gebieten mit hoher Versetzungsdichte f¨uhren. Besonders mit Verunreinigungen dekorierte Versetzungen verursachen eine signifikante Reduktion der Minorit¨atsladungstr¨agerlebensdauer.
EFG-Wafer enthalten ¨Ubergangsmetalle, von denen einige effektive Rekombinationszentren in Form von Punktdefekten oder Pr¨azipitaten darstellen und die Ausgangsmaterialqualit¨at beeinflussen. Besonders die Paarung von Eisen oder Chrom mit Bor kann die Lebensdauer-werte verringern. Diese beiden Elemente lassen sich jedoch aufgrund ihrer hohen Diffusivit¨at relativ leicht gettern, beispielsweise mit dem in Kapitel 2.2 beschriebenen Prozess.
Diese große Anzahl an Defekten macht das EFG-Material f¨ur Untersuchungen der Wasser-stoffpassivierung besonders interessant. Wasserstoff kann, wie in Kapitel 1.2 beschrieben, die elektrischen Aktivit¨aten zahlreicher Defekte verringern oder vollst¨andig deaktivieren und zu einer Verbesserung der Materialqualit¨at f¨uhren. Hierzu dient beispielsweise das in Kapitel 2.3 beschriebene PECVD-Verfahren mit anschließendem Feuern der Probe. Eine besondere Herausforderung beim Verst¨andnis des Passivierungsmechanismus von Wasserstoff in EFG-Material stellt die dort vermehrt vorhandene Wechselwirkung zwischen verschiedenen Defek-ten, wie Verunreinigungen und strukturellen Defekten dar.
2.2 P-Gettern
Multikristallines Silizium, besonders EFG-Material, hat
Abbildung 2.5: Schematische Darstellung der POCl3-Diffusion [Goe97].
im Vergleich zu monokristallinem Silizium eine viel h¨ ohe-re Verunohe-reinigungskonzentration. Diese Verunohe-reinigun- Verunreinigun-genen verringern durch die erh¨ohte Shockley-Read-Hall-Rekombination (s. Abschnitt 1.1.2.2) die Lebensdauer der Minorit¨atsladungstr¨ager. Das sogenannte P (Phos-phor)-Gettern bietet die M¨oglichkeit, einen Teil der Frem-datome w¨ahrend einer POCl3 (Phosphoroxychlorid)-Dif-fusion aus dem Kristallinnern an die Oberfl¨ache des Wa-fers zu bef¨ordern. Dort bildet sich Phosphorsilikatglas, das anschließend zusammen mit den Verunreinigungen abge¨atzt werden kann.
Phosphoroxychlorid liegt bei Raumtemperatur als Fl¨ ussig-keit vor. Es wird ¨uber ein Tr¨agergas, normalerweise
Stick-stoff (N2), aus dem sogenannten bubbler in ein Quarzglasrohr geleitet, in dem sich die zu dotierenden Proben befinden (Abb. 2.5). Bei Temperaturen von 800◦C bis 900◦C reagiert das Dotiergas mit der Oberfl¨ache der Siliziumwafer, wenn Sauerstoff (O2) hinzugef¨ugt wird. So bildet sich einerseits eine Siliziumdioxid-Schicht (SiO2), andererseits reagiert das Phosphor-oxychlorid mit dem Sauerstoff zu Phosphorpentoxid (P2O5). Dieses Phosphorpentoxid bildet zusammen mit der Siliziumdioxid-Schicht ein fl¨ussiges Phosphorsilikatglas, das dann zur Dif-fusionsquelle f¨ur Phosphor und interstitielles Silizium Sii wird.
F¨ur den Getterprozess m¨ussen zun¨achst die Fremdatome aus ihrem vorliegenden Bindungszu-stand freigesetzt werden. Dies geschieht beim P-Gettern ¨uber den sogenannten kick-out -Me-chanismus [Schr91]. Dabei werden substitutionelle, in das Kristallgitter integrierte, metallische Verunreinigungen Ms durch urspr¨unglich interstitielle Siliziumatome Sii ersetzt und auf