• Keine Ergebnisse gefunden

Wie die Ergebnisse der eigenen Untersuchungen zeigen, konnte unter den gegebenen Bedingungen weder durch die Induktion von kollateralen Sensitivitäten noch durch den Gebrauch von Antibiotikakombinationen die Entstehung einer klinischen Resistenz kommensaler E. coli verhindert werden. Deshalb wurden alternative antibakteriell wirksame Stoffe in vitro auf ihre wachstumshemmende Wirkung bei enrofloxacinresistenten bzw. -sensiblen kommensalen E. coli geprüft,

90

um diese bei positiven Ergebnis möglicherweise anschließend mit Enrofloxacin zu kombinieren.

Als Beispiele für AMP wurden Cecropin P1 und Magainin II verwendet. Obwohl Untersuchungen eine antimikrobielle Wirkung von Cecropin P1 und Magainin II in vitro gegen E. coli im Konzentrationsbereich von 0,12 - 1 µg/ml ermittelten (GIACOMETTI et al. 1998; GIACOMETTI et al. 1999), konnte bei den hier verwendeten E. coli-Isolaten trotz gleichen Versuchsaufbaus, unabhängig von einer bestehenden Enrofloxacinresistenz, keine Wachstumshemmung bei Konzentrationen von bis zu 32 µg/ml hervorgerufen werden. Da es sich bei den beiden Peptiden um natürlich vorkommende Stoffe handelt, sind Schwankungen in der Qualität und Wirkungspotenz sicherlich nicht auszuschließen. Offenbar waren die eingesetzten E. coli-Isolate vom Huhn unempfindlich gegen die eingesetzten Peptide. PERRON et al. (2006) konnten mit Pexiganan, einem Analogon von Magainin, in vitro eine Resistenz von E. coli auslösen. BELL u. GOUYON (2003) warnten jedoch davor, dass eine Resistenzentwicklung, wie sie bei Antibiotika stattfindet, auch bei antimikrobiellen Peptiden möglich wäre und dadurch körpereigene Peptide, die vor Infektionen schützen, unwirksam werden könnten, was zu unabsehbaren Konsequenzen für die natürliche Krankheitsabwehr von Mensch und Tier führen könnte (BELL u. GOUYON 2003). Daher stellt sich die Frage, ob antimikrobielle Peptide auf lange Sicht wirklich eine Alternative für Antibiotika sein können und es durch den vermehrten Einsatz von diesen Stoffen nicht zu schlimmeren Folgen kommen kann als durch antibiotikaresistente Keime. Ob die hier verwendeten E. coli-Isolate durch Einwirkung der Peptide resistent geworden sind oder ob die Unwirksamkeit schon vorher bestanden hat, kann nicht geklärt werden. In jedem Fall konnten weder Magainin II noch Cecropin P1 die genutzten Bakterien abtöten.

Bei einer Verwendung von Ibuprofen und Paracetamol zeigte sich bei den enrofloxacinresistenten E. coli-Isolaten ein leichter Trend zu höheren MHK-Werten.

Wie von YIN et al. (2014) nachgewiesen werden konnte, liegt die antibakterielle Wirkung, der von ihnen untersuchten NSAID, in einer Hemmung der Replikation begründet. Auch Fluorchinolone hemmen die bakterielle DNA-Replikation (REECE u.

MAXWELL 1991). Möglicherweise bestehen Interaktionen zwischen den Wirkungsorten der Fluorchinolone und der NSAID. Die hier ermittelten MHK von

91

Ibuprofen und Paracetamol lagen mit Konzentrationen von 5 - 20 mg/ml deutlich höher als die in der Literatur ermittelten Konzentrationen von 1 mg/ml für Ibuprofen (MÅRDH u. CEDERLUND 1993) und 2,5 mg/ml für Ibuprofen und Paracetamol (AL-JANABI 2010). Zu beachten ist jedoch, dass AL-(AL-JANABI (2010) zur Lösung der beiden Stoffe ausschließlich Methanol nutzte. Dies allein kann schon einen Einfluss auf das Wachstum der Bakterien haben. Außerdem wurde bei der Studie von AL-JANABI (2010) die MHK von lediglich einem E. coli-Isolat bestimmt. Da Paracetamol und Ibuprofen nach oraler Applikation nahezu vollständig aus dem Dünndarm resorbiert werden (SCHERKL u. FREY 1987; DEGRAVES et al. 1993; BREUHAUS et al. 1999; EMEA 1999) und bei Überdosierung mit Nebenwirkungen wie Hepatotoxizität, Nephrotoxiziät (EMEA 1999) und gastrointestinalen Läsionen (SCHERKL u. FREY 1987) gerechnet werden muss, scheint es nahezu unmöglich, ausreichend hohe Konzentrationen in den Darmabschnitten zu erreichen, in denen E. coli vorkommen. Allerdings konnten RODER et al. (1996) bei Broilern nach oraler Gabe von Ibuprofen eine Bioverfügbarkeit von ca. 24 % nachweisen, d.h. ein großer Teil des verabreichten NSAIDs wurde nicht aufgenommen, befand sich somit im Darm und könnte dort möglicherweise E. coli abtöten. Allerdings ist Ibuprofen nicht in der Verordnung (EU) Nr. 37/2010 genannt und darf deshalb derzeit nicht bei lebensmittelliefernden Tieren eingesetzt werden. Eventuell wäre Ketoprofen, ein bei anderen lebensmittelliefernden Tieren zugelassenes Propionsäurederivat, eine mögliche Alternative (VETIDATA 2014).

Die beiden Hauptkomponenten des ätherischen Öls von Oregano und Thymian, Carvacrol und Thymol, hemmten die genutzten E. coli-Isolate unabhängig von ihrer MHK für Enrofloxacin im Wachstum. Die bereits mehrfach erläuterten Resistenzmechanismen, die bei E. coli zu einer Enrofloxacin-Resistenz führen, beeinflussten die Wirkung der beiden Naturstoffe wahrscheinlich nicht. Ihre Wirkung ist in einer Destabilisierung der Zytoplasmamembran (HELANDER et al. 1998) und dem Verlust des Membranpotenzials (ULTEE et al. 2002) begründet; also Angriffspunkten, die sich von den Zielstrukturen der Fluorchinolone unterscheiden.

Geht man davon aus, dass sich aus 100 g Oregano-Pflanzenmaterial ca. 2,5 g ätherischen Öls gewinnen lassen und davon ca. 80% (2 g) Carvacrol sind (ALTINTAS et al. 2013), müsste ein Broiler mit einer Chymusmasse von ca. 60 g im

92

Darm ungefähr 0,64 g Oregano zu sich nehmen, um die in den eigenen Untersuchungen ermittelte MHK von Carvacrol von 256 µg/ml in der Chymusmasse zu erreichen. Im Handel sind verschiedene Präparate, die Oreganoöl enthalten, wie z.B. Procura 10% Granulat, erhältlich (STEIN 2014). Hiervon müsste ein Broiler der oben beschriebenen Rechnung nach ca. 0,128 g aufnehmen um die MHK von 256 µg/ml in der Chymusmasse zu erreichen. Zu beachten ist jedoch, dass Pflanzenextrakte, wie auch Carvacrol, nach oraler Gabe fast komplett im Magen und proximalen Dünndarm absorbiert werden und anschließend in dahinter gelegenen Darmabschnitten, in denen E. coli vorkommen, nicht mehr zur Verfügung stehen (LU et al. 2003; MICHIELS et al. 2008; SEIDAVI et al. 2010). Um die frühe Absorption zu verhindern und die Wirkung zu verbessern, müssten Produkte eingesetzt werden, in denen das Pflanzenextrakt in mikroverkapselter und säureresistenter Form vorliegt (WANG et al. 2009).

Da Carvacrol und Thymol gegen enrofloxacinresistente und -sensible E. coli wirksam waren, könnten sie zur Behandlung von anderen antibiotikaresistenten E. coli geeignet sein. Eventuell kann Carvacrol bzw. Thymol in Kombination mit Enrofloxacin eingesetzt werden, um die Dosis von Enrofloxacin zu reduzieren und eine Resistenzentstehung unter einer Therapie mit diesem Fluorchinolon zu vermeiden.

5.4.1 Carvacrol und Thymol in Kombination mit Enrofloxacin

Da Carvacrol und Thymol eine wachstumshemmende Wirkung auf E. coli ausübten, wurde geprüft, ob die Konzentration von Enrofloxacin, die zur Abtötung von E. coli nötig ist, gesenkt werden kann, wenn es mit einem der Pflanzenextrakte in vitro kombiniert wird. Während SI et al. (2008) in vitro synergistische Effekte bei der Kombination von dem ätherischen Öl aus Oregano und Fluorchinolonen (Sarafloxacin und Levofloxacin) nachweisen konnten, blieb die MHK für Enrofloxacin der E. coli-Isolate bei den in dieser Arbeit durchgeführten Kombinationsversuchen unverändert. Der Unterschied zwischen dem von SI et al. (2008) durchgeführten Versuch und dem eigenen Versuch besteht darin, dass SI et al. (2008) das komplette ätherische Öl verwendete, dagegen wurden in der vorliegenden Arbeit die Hauptkomponenten des ätherischen Öls von Oregano genutzt. Im ätherischen Öl von Oregano sind noch weitere Komponenten enthalten (ALTINTAS et al. 2013), die möglicherweise nur in ihrer Gesamtheit die Konzentration eines gleichzeitig

93

verabreichten Antibiotikums senken können. Die von SI et al. (2008) verwendeten E. coli trugen resistenzvermittelnde Plasmide, während für die in der zugrunde liegenden Arbeit verwendeten Bakterien dies nicht eindeutig geklärt werden kann.

Auch in einer von YAP et al. (2013) durchgeführten Studie wurden synergistische Effekte der Kombination aus ätherischem Öl und Antibiotikum an E. coli, die über eine Plasmid lokalisierte Resistenz verfügten, nachgewiesen. Eine Wirkung verschiedener ätherischer Öle konnte gegen plasmidtragende E. coli bereits nachgewiesen werden (SCHELZ et al. 2006). Bei den hier untersuchten E. coli-Isolaten lagen vermutlich chromosomale Mutationen der GyrA und möglicherweise bei einigen Isolaten zusätzlich auch eine zweite Mutation in gyrA oder parC vor.

Wahrscheinlich kann bei E. coli, bei denen chromosomale Mutationen die Resistenz vermitteln, die MHK für Enrofloxacin durch eine Kombination mit Carvacrol oder Thymol nicht gesenkt werden. Daher war unter den gegebenen Bedingungen weder Carvacrol noch Thymol dazu geeignet, in Kombination mit Enrofloxacin eine Reduktion der MHK von kommensalen E. coli hervorzurufen. Eine Kombination dieser Pflanzenextrakte mit Enrofloxacin scheint daher nicht sinnvoll zu sein.