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Nutzung von Antibiotikakombinationen für die Abtötung von resistenten

In den In-vitro-Versuchen konnte gezeigt werden, dass es durch eine Antibiotikaexposition von E. coli-Isolaten zu einer Resistenzentstehung kommen kann. Mit der nachfolgenden Anwendung eines Aminoglykosids kann es durchaus möglich sein, resistente Bakterien abzutöten, denn die ermittelten MHK für Kanamycin lagen auch bei der Induktion einer Enrofloxacinresistenz noch im Bereich des Wildtyps. Daher sollte nun ermittelt werden, ob eine mikrobiologische und klinische Resistenzentwicklung, wie sie z.B. von MONIRI u. DASTEHGOLI (2005), MIRANDA et al. (2008), VAN DER HORST et al. (2013) und SCHERZ et al. (2014) bei einer therapeutischen Behandlung mit Enrofloxacin beschrieben wurde, durch Induktion von kollateralen Sensitivitätsentwicklungen bzw. dem gezielten Einsatz von Antibiotikakombinationen in vivo im Huhn reduziert bzw. vermieden werden kann.

Hierzu wurden Hühner bzw. Bruderhähne wiederholt mit dem Fluorchinolon Enrofloxacin im Vergleich zu einer Kombinationstherapie von Enrofloxacin mit Neomycin, einem beim Geflügel für die orale Anwendung zugelassenen Aminoglykosid, behandelt.

Da es bei der Induktion der Fluorchinolonresistenz zu einer kollateralen Resistenz gegenüber dem Aminopenicillin Ampicillin kam, schien es nicht sinnvoll zu sein dies nun mit Enrofloxacin in vivo zu kombinieren. Aufgrund des Wirkungsspektrums und der Wirkungsart kamen keine weiteren Kombinationsmöglichkeiten, bis auf das Polypeptid Colistin, mit anderen Antibiotikaklassen in Frage. IMAMOVIC u. SOMMER (2013) konnten zeigen, dass es durch die Entwicklung einer Fluorchinolonresistenz nicht zu Veränderungen der Colistinempfindlichkeit kommt. Colistin wurde in einem zweiten In-vivo-Versuch als Kombinationspartner für Enrofloxacin genutzt um auch

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hier zu klären, ob dadurch eine mikrobiologische und klinische Resistenzentwicklung in vivo im Huhn reduziert bzw. vermieden werden kann. Um eine Resistenzentwicklung von E. coli in Verbindung mit einer Enrofloxacintherapie zu verhindern, zogen sowohl LI et al. (2007) als auch DRLICA (2003) eine Kombinationstherapie von Antibiotika in Betracht. Nach DRLICA (2003) könnte dadurch die MPC überwunden werden und die Gefahr der Entwicklung von resistenten Mutanten wäre gering. Gegen die Kombination von Antibiotika sprechen jedoch Untersuchungen von PENA-MILLER et al. (2013), die bei synergistisch wirkenden Antibiotikakombinationen eine Abschwächung des synergistischen Effekts beobachteten, wenn resistente Bakterien nicht bereits zu Beginn der Therapie abgetötet wurden.

In den eigenen In-vivo-Versuchen wurden Hühner bzw. Hähne des Legetyps eingesetzt, da die E. coli im Darm der Tiere vor Versuchsbeginn klinisch resistenzfrei sein sollten, was bei Legelinien deutlich häufiger anzutreffen ist (BVL 2014). Wenn man davon ausgeht, dass der Einsatz von Antibiotika zu einer Resistenzselektion beiträgt, liegt die Begründung der geringeren Resistenzraten bei Legetypen vermutlich auch darin begründet, dass einige antibakterielle Wirkstoffe, wie z.B.

Fluorchinolone, für Tiere, deren Eier für den menschlichen Verzehr vorgesehen sind, nicht zugelassen sind (VETIDATA 2014) und folglich dort nicht eingesetzt werden dürfen.

Im Kombinationsversuch von Enrofloxacin und Neomycin bzw. der Enrofloxacin-Monotherapie lagen bereits vor Behandlungsbeginn vereinzelt E. coli mit MHK oberhalb des ECOFFs, also mikrobiologisch resistente Bakterien, vor. Vermutlich lag bei diesen Keimen bereits eine Einfachmutation der bakteriellen Topoisomerase in gyrA oder parC vor. Möglich wäre auch eine plasmidvermittelte Resistenz z.B. in Qnr oder eine Resistenz durch die Veränderung der AcrAB-Effluxpumpe. Diese Mutationen führten nur zu geringen Veränderungen der MHK, die immer noch unterhalb des cBps lagen (HEISIG u. TSCHORNY 1994; OETHINGER et al. 2000).

Da keine Genomanalysen der Bakterien vorlagen, konnte dies jedoch nicht eindeutig geklärt werden. Bei den Tieren erfolgte zunächst eine Monotherapie mit Enrofloxacin, die dazu führte, dass die Anzahl an E. coli-Kolonien durch die bakterizide Wirkung des Antibiotikums drastisch reduziert wurde. Dies konnten VAN DER HORST et al.

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(2013) ebenfalls feststellen. Die E. coli, die nach der dreitägigen Behandlung isoliert werden konnten, hatten MHK-Werte, die sich alle oberhalb des ECOFFs und zum Teil auch bereits oberhalb des cBps befanden. Die Bakterien, die bereits zu Beginn eine Einfachmutation trugen, wurden durch den antibiotischen Druck offenbar selektiert, während der Wildtyp abgetötet wurde. Die Antibiotikakonzentration lag in diesem Fall also in dem von DRLICA (2003) beschriebenen MSW, wobei die MPC unterschritten wurde, so dass es zu einer selektiven Anreicherung von Ein-Schritt-Mutanten kam, was Untersuchungen von VAN DER HORST et al. (2011) bestätigten.

In den E. coli, die bereits eine Mutation aufwiesen, könnte eine zweite Mutation zusätzlich in gyrA oder parC oder der AcrAB-Effluxpumpe erfolgt sein (HEISIG u.

TSCHORNY 1994; OETHINGER et al. 2000). Auch zusätzliche plasmidvermittelte Resistenzen kommen in Frage (MARTINEZ-MARTINEZ et al. 1998). Das heißt, selbst wenn die MPC erreicht worden wäre, lagen bereits Mutanten vor, die auch bei dieser Konzentration aufgrund ihrer genetischen Veränderungen wachsen konnten.

LI et al. (2007) zeigten, dass die MPC von E. coli mit doppelten Mutationen extrem hoch, nämlich bei >32 µg/ml, lag. Ob eine solche Konzentration bei einer oralen Enrofloxacindosis von 10 mg/kg in Darmabschnitten, in denen E. coli vorzufinden sind, nämlich Jejunum (SEIDAVI et al. 2010), Ileum und Caecum (LU et al. 2003), überhaupt erreicht werden kann ist aus unterschiedlichen Gründen fraglich. Zum einen hat Enrofloxacin eine hohe Absorptionsrate, da die orale Bioverfügbarkeit von Enrofloxacin beim Broiler ca. 90 % beträgt (KNOLL et al. 1999) und zum anderen wird das Antibiotikum bereits im Duodenum und Jejunum resorbiert.

Durch die Behandlung mit Enrofloxacin in einer Population, in der bereits antibiotikaresistente Mutanten vorhanden waren, hatten diese den größtmöglichen Selektionsvorteil. Der empfindliche Wildtyp wurde eliminiert und es lagen optimale Bedingungen für die Vermehrung von resistenten Keimen vor, die nun nicht mehr in Konkurrenz zum Wildtyp lebten.

Durch den bereits oben beschriebenen nachlassenden antibiotischen Druck nach Therapieende, waren wieder einige Kolonien nachweisbar, deren MHK dem Wildtyp entsprach. Der Wildtyp hatte nun wieder die Möglichkeit, die resistenten Keime zu überwuchern, deren Mutationen mit Fitnessverlusten einhergingen. KOMP LINDGREN et al. (2005) konnten gerade für Bakterien, die mehrfache Mutationen

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aufwiesen, die zu einer Resistenz gegenüber einem Fluorchinolon führten, eine deutlich verminderte Fitness im Vergleich zum Wildtyp feststellen.

Drei Tage nach Ende der Enrofloxacinmonotherapie war keine E. coli-Kolonie mehr detektierbar, deren MHK über dem cBp lag. Jedoch konnte durch das Verfahren der Anreicherung nachgewiesen werden, dass nun die kommensalen E. coli bei vier der sechs Tiere klinisch resistent waren. Bei der nicht selektiven Anreicherung wurden zunächst alle sich in der Wachstumsbouillon befindlichen Keime vermehrt. Da die Anreicherungsbouillon auf einem Endoagar, der eine Enrofloxacinkonzentration von 2 µg/ml (cBp) enthielt, ausgestrichen wurde, konnten nur noch klinisch resistenten Keime wachsen und wurden so selektiert. Offensichtlich bestand an diesem Tag eine Diskrepanz zwischen dem mittels Direktausstrich selektierten und für die MHK-Bestimmung ausgewählten 10 Kolonien pro Tier und dem Anreicherungsverfahren.

Der Direktausstrich repräsentiert sicherlich nur einen Teil der Darmflora, denn mit einem Tupfer können die Darmbakterien nicht vollständig entnommen werden und auch das Ausstreichen auf einem Agar kann nur die Bakterien darstellen, die sich vom Tupfer lösen. Beim Anreicherungsverfahren entfiel die Selektion durch das Ausstreichen, da der gesamte Tupfer in die Bouillon überführt wurde. Das Problem, dass bei Tupferproben nur ein bestimmter Anteil der Darmbakterien entnommen wird, blieb hingegen bestehen.

Vor Beginn der Folgebehandlung waren in beiden Gruppen neben klinisch resistenten- auch Wildtyp-E. coli zu finden. Durch die erneute Monotherapie mit Enrofloxacin wurden nach Behandlungsende ausschließlich klinisch resistente Bakterien isoliert. Die zweite Behandlung hatte also vermutlich dazu geführt, dass nur noch Keime mit Doppelmutationen vorlagen und der Rest abgetötet wurde. Die Bakterien könnten untereinander Plasmide mit einer Resistenzdeterminante über horizontalen Gentransfer ausgetauscht haben, so dass mehrere Stämme mit dem gleichem Resistenzmechanismus vorlagen oder es handelte sich um einen einzigen resistenten Stamm, der sich nun gegenüber allen anderen Mutanten mit Einfachmutation und dem Wildtyp durchgesetzt hatte. Die Monotherapie mit Enrofloxacin führte also zur Entwicklung von klinisch resistenten E. coli, was verschiedene Untersuchungen bestätigten (VAN DER HORST et al. 2013; SCHERZ et al. 2014).

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Um zu prüfen, ob mit einer Kombinationstherapie aus Enrofloxacin und Neomycin die Abtötung der resistenten Keime erreicht werden kann, wurde eine Kombination aus diesen beiden bakterizid wirkenden Antibiotika eingesetzt. Direkt nach Behandlungsende hatte im Gegensatz zur Monotherapiegruppe eine deutliche Reduktion der Anzahl von E. coli-Kolonien stattgefunden, denn es war lediglich eine Kolonie mittels Direktausstrich isolierbar. Vermutlich lag diese Reduktion im postantibiotischen Effekt, den beide Antibiotika vermittelten, begründet. Einige Tage später wiesen jedoch alle 55 isolierten E. coli eine klinische Resistenz gegen Enrofloxacin auf. Während der ersten Behandlung mit Enrofloxacin waren klinisch resistente E. coli entstanden, die nicht anhaltend durch eine kombinierte Antibiotikatherapie aus Enrofloxacin und Neomycin abgetötet werden konnten. Im Gegenteil wurden Mutanten mit doppelter Mutation und hohen MHK-Werten von

≥ 32 µg/ml Enrofloxacin herausselektiert. Ein Grund für das Ausbleiben der Abtötung der resistenten E. coli-Keime könnte in einer zusätzlichen Resistenz gegenüber Neomycin liegen. Vor Beginn der Kombinationstherapie wurde jedoch pro Tier ein Kloakentupfer in Bouillon angereichert und auf Endoagar ausgestrichen, der die Konzentration des ECOFF für Neomycin laut EUCAST, nämlich 8 µg/ml, enthielt.

Hierbei wuchsen bei zwei von sechs Tieren Kolonien auf diesem Agar, d.h. bei zwei Tieren lagen bereits mikrobiologisch resistente E. coli bezüglich Neomycin vor.

Aminoglykosid-Resistenzen beruhen auf von Enrofloxacin-Resistenzen unterschiedlichen Mechanismen, wie Veränderungen der ribosomalen Zielstruktur oder Aminoglykosid-modifizierenden Enzymen (SHAW et al. 1993; RICE et al. 2003).

Es kommen jedoch auch Resistenzen in Folge verminderter Anhäufung des Antibiotikums im Bakterium und plasmidvermittelte Resistenzen in Frage. Wobei die beiden letzteren auch die Wirkung anderer Antibiotikaklassen, wie z.B. die der Fluorchinolone beeinflussen könnten, was bei diesem Versuch eine Rolle gespielt haben könnte. Die eigenen Ergebnisse decken sich mit Angaben von PENA-MILLER et al. (2013), die postulierten, wenn resistente Bakterien nicht bereits in der ersten Behandlungsphase einer kombinierten Antibiotikatherapie abgetötet werden, die synergistische Wirkung nachlässt und nachfolgend ein großer Selektionsvorteil für diese Keime besteht. In den Untersuchungen von PENA-MILLER et al. (2013) lag den Resistenzen u.a. eine veränderte Expression der AcrAB-Effluxpumpe zu Grunde, die auch in den eigenen Versuchen vorgelegen haben könnte. Ein weiterer möglicher

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Grund für das Entstehen der klinischen Resistenzen im eigenen Versuch könnte eine Unterdosierung der Antibiotika sein. Dieses Problem besteht immer bei einer oralen Medikation über das Trinkwasser, da für die Berechnung der Antibiotikamenge das Durchschnittsgewicht und der durchschnittliche Wasserkonsum der gesamten Tiergruppe verwendet werden. Das einzelne Tier kann hierbei jedoch vom Durchschnitt abweichen und so kann es zu einer Unter- bzw. Überdosierungen kommen. Um die Gefahr von Fehldosierungen zu minimieren, wurden das Gewicht und die Trinkwassermenge der Tiere während der Behandlung allerdings täglich gemessen. Außerdem zeigte sich bei der Betrachtung der MHK-Werte der Einzeltiere kein abweichendes Bild zur Gesamtgruppe, so dass die Entstehung einer Resistenz aufgrund von Unterdosierung weitgehend ausgeschlossen werden kann.

Wie unter Kapitel 2.6 erwähnt, ist für den Transport von Aminoglykosiden aus dem periplasmatischen Raum in das Bakterium, wo es dann an den Ribosomen binden kann, ein sauerstoffabhängiger Transportprozess nötig. Jedoch herrschen gerade im Darm mikroaerophile bzw. anaerobe Bedingungen, die diesen Transport und somit die Wirkung von Neomycin einschränken könnten (RICHTER et al. 2009). Eine weitere Ursache für das Ausbleiben der Abtötung der resistenten E. coli könnte darin bestehen, dass die MHK nicht lange genug und in ausreichender Konzentration überschritten wurde. RICHTER et al. (2009) schlagen zur Vermeidung von Rezidiven und zur Verminderung einer Resistenzselektion eine Behandlung von fünf bis sieben Tagen vor. Jedoch wurde im eigenen Versuch die vom jeweiligen Hersteller angegebene Behandlungsdauer von drei Tagen sowohl für Enrofloxacin als auch für Neomycin angewendet (VETIDATA 2014). Außerdem orientierte sich die Dauer der Behandlung im Versuch an der üblichen Anwendungsdauer von Antibiotika bei Masthühnern. Diese beträgt laut dem Bericht über den Antibiotikaeinsatz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in Niedersachsen vom November 2011 in den meisten Betrieben 3 Tage (NMELVL/ LAVES 2011). Eine längere und höher dosierte Therapie mit Neomycin hätte womöglich zu einer effektiveren Elimination der resistenten Keime geführt. OLOFSSON et al. (2007) kamen zu dem Schluss, dass alle klinisch eingesetzten Dosierungsschemata von drei getesteten Fluorchinolonen schon in vitro nicht zur Abtötung von bereits vorhandenen Einfach- und Doppelmutanten führten. Auch im vorliegenden Versuch könnte ein nicht optimales Behandlungsschema von Enrofloxacin zur Resistenzselektion beigetragen haben.

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PENA-MILLER et al. (2013) schlugen zur sicheren Vermeidung von Resistenzen während einer Behandlung eine ausreichend lange Behandlung mit Antibiotikadosen, die weit oberhalb der MHK liegen, vor. Laut AMBROSE et al. (2000) sollte für einen Therapieerfolg die MHK um das zwei- bis vierfache überschritten werden. Bei E. coli mit einer MHK von ≥ 32 µg/ml, wie sie nach der ersten Behandlung bereits vorlagen, ist dies aus unterschiedlichen Gründen kaum möglich, denn hier besteht nicht nur die Gefahr von je nach Antibiotikum unterschiedlich stark ausgeprägten Nebenwirkungen, sondern gerade bei lebensmittelliefernden Tieren auch das Auftreten von Rückständen im Lebensmittel bzw. Probleme beim Einhalten der Wartezeit (KIETZMANN et al. 2004). Des Weiteren könnte das Ausbleiben der Abtötung der resistenten Keime auch darin begründet sein, dass einzelne Bakterien im Darm persistieren, ohne über einen spezifischen Resistenzmechanismus gegenüber Antibiotika zu verfügen. Diese Persister werden nicht erst durch eine Antibiotikabehandlung induziert, sondern sind schon vorher vorhanden. Sie befinden sich in einer Art Ruhezustand und werden durch das Antibiotikum nicht abgetötet, vermehren sich aber auch nicht (KEREN et al. 2004).

Offen bleibt die Frage, ob die resistenten Keime, die nach der Kombinationstherapie isoliert werden konnten, noch in den Tieren vorhanden waren und sich dann vermehrt haben oder ob die Tiere diese Keime aus der Umwelt aufgenommen haben. Wahrscheinlich kommen beide Möglichkeiten in Betracht. Da, wie bereits ausgeführt, trotz des Wachstums von nur einer E. coli-Kolonie im Anreicherungsverfahren die E. coli bei vier der sechs Tiere klinisch resistent waren, haben sich diese Bakterien höchstwahrscheinlich vermehrt und waren folglich auch im Direktausstrich sichtbar. Bei den übrigen zwei Tieren, die zunächst noch klinisch resisistenzfreie E. coli hatten, kam eine Aufnahme von resistenten Bakterien in Frage. Diese wurden über die Ausscheidungen der resistenten Tiere in die Umwelt freigesetzt und durch den getrockneten Kot und nachfolgendes Scharren der Tiere in der Stallluft verwirbelt. Durch die Aufnahme der resistenten Keime könnte anschließend eine Kolonisierung des Darms erfolgt sein.

Bei den eigenen Experimenten wurden kommensale E. coli untersucht. Nach der kombinierten Antibiotikatherapie kam es zu einer deutlichen Reduktion der E. coli.

Würde es sich hierbei um pathogene Keime handeln, hätte das Immunsystem

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womöglich eher die Gelegenheit, die deutlich geringere Anzahl an Keimen wirksam abzutöten. Da es sich trotz der entstandenen Resistenz immer noch um einen kommensalen E. coli handelte, wurde dieser jedoch nicht vom Immunsystem abgetötet.

Elf Tage nach Ende der Antibiotikabehandlung kam es zum Auftreten von Kolonien mit MHK-Werten unterhalb des cBp, aber in keiner der Gruppen waren Wildtypbakterien nachweisbar. Zu einem späteren Zeitpunkt wären, wie von SCHERZ et al. (2014) bereits gezeigt, wahrscheinlich auch wieder Kolonien mit deutlich niedrigeren MHK-Werten aufgetaucht. Dass die Resistenz jedoch persistiert, konnte ebenfalls von SCHERZ et al. (2014) in vivo, aber auch von VAN DER HORST et al. (2011) in vitro gezeigt werden.

Im Kombinationsversuch von Enrofloxacin und Colistin bzw. der Enrofloxacin-Monotherapie wurden durch die orale Behandlung der Tiere mit Enrofloxacin die kommensalen E. coli im Darm einer Antibiotikakonzentration ausgesetzt, die die empfindlichen Wildtyp-Bakterien komplett abtötete. Da es sich bei Enrofloxacin um ein Antibiotikum mit postantibiotischem Effekt handelt (FILOCAMO et al. 2011), hielt die abtötende Wirkung an, auch als die MHK nicht mehr erreicht wurde. Die resistenten Bakterien, die bereits vor der Behandlung vorhanden waren, hatten durch den Selektionsdruck, den das Antibiotikum ausübte, nun einen Wachstumsvorteil und konnten sich ungehindert vermehren. Nach Beendigung der Behandlung nahm dieser Vorteil allmählich ab, so dass anschließend wieder einzelne Bakterien mit MHK-Werten, die dem Wildtyp entsprachen, nachweisbar waren. Durch die wiederholte Behandlung mit Enrofloxacin bzw. einer Kombination aus den beiden bakteriziden Antibiotika Enrofloxacin und Colistin fand erneut eine Selektion resistenter Bakterien mit MHK-Werten, die jedoch unterhalb des cBps lagen, statt.

Beide Antibiotika waren also nicht in der Lage, die Bakterien mit einer bereits erfolgten Einfachmutation abzutöten. Zwei Wochen nach Ende der zweiten Behandlung hatte die Wildtyppopulation wieder zugenommen. Die resistenten Bakterien hatten keinen Wachstumsvorteil mehr und wurden kontinuierlich überwuchert. In einer gemischten Population aus Wildtypbakterien und resistenten Keimen hat der Wildtyp einen Wachstumsvorteil, da Mutationen, die mit einer gesteigerten Resistenz verbunden sind, oft mit einem Fitnessverlust einhergehen

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(LEE u. EDLIN 1985; LENSKI u. BOUMA 1987). Die Konzentration des Antibiotikums war offensichtlich ausreichend hoch, um die Mutation von Bakterien mit der folgenden Entstehung von klinisch resistenten Keimen zu verhindern. Diese Ergebnisse stimmen mit den Beobachtungen von VAN BOVEN et al. (2003) überein, die bei einer 10-tägigen Behandlung mit Enrofloxacin bei Hühnern ebenfalls keine klinische Resistenzentwicklung beobachten konnten.

Durch die erste Behandlung mit Enrofloxacin entstanden also mikrobiologisch resistente E. coli, die nicht durch eine kombinierte Antibiotikatherapie aus Enrofloxacin und Colistin abgetötet werden konnten.

Die beiden In-vivo-Versuche unterscheiden sich darin, dass bei der Kombinationsbehandlung aus Enrofloxacin und Colistin keine klinisch resistenten E. coli aufgetreten waren. Dies ist nicht durch die unterschiedlichen Antibiotikakombinationen zu erklären, da weder bei der Kombinationstherapie noch bei der Monotherapie klinisch resistente Keime detektierbar waren. Die Tiere, die in diesem Versuch verwendet wurden, wurden unmittelbar nach dem Schlupf in den Ställen der Klinik für Geflügel untergebracht. Die Ställe wurden, wie auch im Kombinationsversuch aus Enrofloxacin und Neomycin, vor Einstallung der Tiere gereinigt, desinfiziert und auf Abwesenheit von resistenten E. coli hin überprüft. Die Junghennen hingegen waren elf Wochen lang in Ställen eines Geflügelzuchtbetriebs untergebracht. Auch wenn in beiden Gruppen zu Behandlungsbeginn keine klinisch resistenten kommensalen E. coli nachweisbar waren, haben die Tiere dennoch eine voneinander unterschiedliche Vorbelastung, durch den Aufenthalt in verschiedenen Umgebungen vor Versuchsbeginn, erfahren.

Ob es bei männlichen und weiblichen Tieren Unterschiede bezüglich des Mikrobioms und der Kinetik der eingesetzten Antibiotika gibt, ist nicht ausreichend bekannt.

SCHEER (1987) stellte fest, dass es bezüglich Tieren des Legetyps, also weiblichen Tieren und Tieren des Masttyps, hier wurden ausschließlich männliche Tiere eingesetzt, keine Unterschiede in der Kinetik von Enrofloxacin gab. Untersuchungen über die Zusammensetzung des Mikrobioms bei Broilern unterschiedlichen Alters, ergaben, dass es im Laufe des Wachstums zu einer zunehmenden Komplexität der Population kam (LU et al. 2003). Das Immunsystem der Tiere entwickelt sich erst mit zunehmendem Alter gänzlich (SCHAT et al. 2012). Diese beiden Tatsachen könnten

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auch bei den vorliegenden Untersuchungen mit Legelinien einen noch nicht genauer spezifizierbaren Einfluss auf das Mikrobiom im Darm gehabt haben. Darüber hinaus könnten genetische Unterschiede eine Rolle spielen, denn die eingesetzten Tiere stammten aus unterschiedlichen Herkünften. Dass die Genetik Einflüsse auf eine Resistenz gegenüber verschiedensten Krankheiten haben kann, ist Gegenstand verschiedener Forschungsarbeiten (HINZ et al. 2005; REINER 2014). Welchen Einfluss dies womöglich auch in Hinblick auf eine bakterielle Resistenzentwicklung haben könnte, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden.

5.3 Auswirkungen einer Antibiotikatherapie auf unbehandelte