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Fluorchinolone sind Antibiotika mit einem weiten Wirkspektrum (grampositiv, gramnegativ, Mykoplasmen, Anaerobier) und einer guten Bioverfügbarkeit. Sie erreichen rasch wirksame Serumkonzentrationen und haben ein großes Verteilungsvolumen (SCHEER 1987b; RIVIERE u. PAPICH 2013c). Chinolone wurden in den frühen 1960er Jahren entwickelt. Das erste Chinolon war Nalidixinsäure (LESHER et al. 1962). Das erste ausschließlich für die Veterinärmedizin entwickelte und dort eingesetzte Fluorchinolon war schließlich Enrofloxacin (SCHEER 1987a).

Das Grundgerüst der Fluorchinolone ist der Chinolinring mit einem Fluor-Substituenten an Position 6 und einer Carboxylgruppe an Position 3, sowie an Position 4 ein Keton. Es gibt zahlreiche Substituenten, die u.a. die Lipophilie, das Verteilungsvolumen und die Elimination, nicht jedoch das Spektrum der antimikrobiellen Wirkung deutlich verändern. So trägt das Vorhandensein von mehr als einem Fluor-Substituenten nicht zu einer verbesserten antibakteriellen Wirkung bei (ASUQUO u. PIDDOCK 1993).

Fluorchinolone gehören zur Gruppe der konzentrationsabhängig wirksamen Antibiotika, d.h. ihre bakterizide Wirkung nimmt mit steigender Konzentration zu (ANDERSSON u. MACGOWAN 2003). Außerdem haben sie einen postantibiotischen Effekt. Das bedeutet, dass die bakterizide Wirkung nach Ende der Antibiotikaexposition und Unterschreitung der MHK im Zielgewebe noch eine gewisse Zeit andauert, bevor das bakterielle Wachstum wieder beginnt (FILOCAMO et al. 2011). Der Grund dafür ist wahrscheinlich der intrazelluläre Wirkungsort bzw.

die Akkumulation von Fluorchinolonen im Bakterium, was zu einer verstärkten Schädigung führt (STRATTON 1996).

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Die bakterizide Wirkung der Fluorchinolone liegt in einer Hemmung der bakteriellen DNA-Replikation und -Translation begründet. Die bakterielle DNA Gyrase, die zu den bakteriellen Topoisomerasen Typ II gehört, besteht aus zwei A- und zwei B-Untereinheiten. Diese Gyrase bewirkt einen Doppelstrangbruch von ringförmig geschlossener DNA und verbindet diese anschließend wieder, wozu Adenosintriphosphat (ATP) nötig ist. Dadurch kommt es zu einer negativen Überspiralisierung (Supercoiling) der bakteriellen DNA-Doppelhelix. Durch das Aufdrehen der DNA wird die räumliche Struktur der bakteriellen DNA dichter. Dies ist für den Beginn der DNA-Replikation nötig und ermöglicht die Bindung von Initiatorproteinen. Die Aufgaben der Gyrase umfassen also die Aufrechterhaltung einer gewissen Überspiralisierung der DNA, aber sie unterstützt auch die Fortbewegung von Transkriptions- und Replikationskomplexen, sie kann DNA Verknüpfungen lösen und ist wichtig für die Faltung der DNA. Außerdem ist sie in der Lage, doppelsträngige ringförmige DNA miteinander zu verbinden und wieder voneinander zu lösen. Die Untereinheiten der DNA Gyrase werden von den Genen gyrA und gyrB kodiert. Meist binden Chinolone an gyrA und hemmen somit den Wiederverschluss der DNA nach erfolgtem Doppelstrangbruch (GELLERT et al.

1976; REECE u. MAXWELL 1991; DRLICA u. ZHAO 1997).

Ein weiterer Wirkungsort der Fluorchinolone ist die Topoisomerase IV der Bakterien mit ihren beiden Untereinheiten parC und parE (KATO et al. 1990). Diese spielt vor allem bei grampositiven Bakterien eine Rolle und ist im Gegensatz zur Gyrase während der Zellteilung wichtig für das Lösen der beiden Tochterchromosomen voneinander und für die Aufteilung der DNA in die Tochterzellen (FERRERO et al.

1995).

Das Fluorchinolon Enrofloxacin wird teilweise zu Ciprofloxacin deethyliert (KUNG et al. 1993). Die Ausscheidung erfolgt primär über die Nieren (SCHEER 1987b;

BREGANTE et al. 1999).

Da Flurochinolone bakterizid wirken, sollten sie, um z.B. das Wirkspektrum zu erweitern oder eine additive Wirkung hervorzurufen, nicht mit einem bakteriostatischen Antibiotikum kombiniert werden, da die Hemmung des Wachstums durch bakteriostatische Antibiotika die Wirkung von bakterizid wirkenden Antibiotika blockiert (UNGEMACH 1999).

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Derzeit sind zwei verschiedene Fluorchinolone (Difloxacin, Enrofloxacin) für die orale Anwendung bei Geflügel zugelassen (VETIDATA 2014).

2.5.1 Resistenz gegen Fluorchinolone

Der Hauptmechanismus der Resistenz gegenüber Fluorchinolonen besteht in der Veränderung sowie dem Schutz der Zielstruktur für das Antibiotikum, wodurch dessen Bindung vermindert wird. Veränderungen der Zielstruktur entstehen durch Mutationen in den Genen, die für die Untereinheiten der Gyrase, zumeist gyrA oder in den Genen, die für die Untereinheiten der Topoisomerase IV, meistens parC, kodieren. Mutationen der Gyrase spielen vor allem bei gramnegativen Bakterien, Mutationen der Topoisomerase IV vor allem bei grampositiven Bakterien eine Rolle bezüglich einer Resistenzentstehung. Bei Untersuchungen an fluorchinolonresistenten E. coli wurden einzelne Austausche von Aminosäuren an den Positionen 67 bis 106 der Untereinheit A festgestellt. Diese wird auch als Quinolon-resistance-determining-region (QRDR) bezeichnet. In E. coli wurde vor allem der Austausch der Aminosäure Serin an Position 83 zu Leucin oder Tryptophan und an Position 87 von Asparaginsäure zu Asparagin gefunden (ORAM u. FISHER 1991).

Außerdem führen Mutationen an Position 426 (Austausch von Asparaginsäure gegen Asparagin) und 447 (Austausch von Lysin gegen Glutaminsäure) der GyrB zu Veränderungen der Empfindlichkeit gegenüber Fluorchinolonen, die jedoch weniger starke Resistenzen hervorrufen als Mutationen in GyrA (YOSHIDA et al. 1991).

Es ist fraglich, ob einzelne Mutationen am Wirkungsort von Fluorchinolonen ausreichen, um hochresistente Bakterien zu erzeugen, denn hierfür sind mehrere Mutationen in gyrA oder eine zusätzliche Mutation in parC nötig (HEISIG u.

TSCHORNY 1994). EVERETT et al. (1996) führten Untersuchungen an E. coli-Isolaten mit unterschiedlichen Antibiotikaempfindlichkeiten durch und konnten dabei feststellen, dass hochresistente Isolate Mutationen in Bereichen aufwiesen, denen mehrere unterschiedliche Resistenzmechanismen zu Grunde lagen. Einfache Mutationen der bakteriellen Topoisomerasen, dazu gehören die DNA Gyrase und die Topoisomerase IV, reichen bei E. coli nicht aus, um klinische Resistenzen zu erreichen. Dafür ist das zusätzliche Vorhandensein von anderen Mutationen, wie in der AcrAB-Effluxpumpe nötig (OETHINGER et al. 2000).

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Auch die von DRLICA (2003) beschriebene Mutant selection window (MSW)-Hypothese beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Mutationen von E. coli in Verbindung mit Fluorchinolonresistenzen. Demnach gibt es einen Konzentrationsbereich von Fluorchinolonen, in dem die selektive Anreicherung von Mutanten mit einer Mutation (Ein-Schritt-Mutanten) z.B. in gyrA zum Nachteil vom empfindlichen Wildtyp stattfindet, da die Mutanten im Gegensatz zum Wildtyp trotz Antibiotikum wachsen können. Diesen Bereich nennt man Mutant selection window.

Er wird von der sogenannten Mutant prevention concentration (MPC), d.h. die Konzentration, die das Wachstum der Mutanten mit einer Mutation verhindert, und der MHK des Wildtyps gebildet. Die MPC entspricht also der MHK der Ein-Schritt-Mutanten. Um oberhalb der MPC wachsen zu können, sind mindestens zwei Mutationen im Bakterium erforderlich z.B. zusätzliche Mutationen in gyrA und parC.

Die untere Grenze des MSW wird von der MHK des Wildtyps gebildet, d.h. die Konzentration, die das Wachstum der meisten sensiblen Bakterien verhindert. Dieser Konzentrationsbereich ist für jede Antibiotika-Bakterium-Kombination individuell. Um die Anreicherung von Ein-Schritt-Mutanten zu verringern, muss die Antibiotikakonzentration hoch genug sein, um den Bereich des MSW zu überwinden.

Liegt die Konzentration oberhalb der MPC, entwickeln sich Resistenzen nur selten (Abb. 3) (ZHAO u. DRLICA 2001; DRLICA 2003). Ist es nicht möglich derart hohe Konzentrationen im betroffenen Gewebe zu erreichen, z.B. wegen dem verstärkten Auftreten von unerwünschten Wirkungen bei steigender Antibiotikakonzentration oder Rückständen im Lebensmittel, sollte laut DRLICA (2003) eine Kombination von mehreren Antibiotika in Betracht gezogen werden.

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Abb. 3: Zusammenhang zwischen Mutant selection window (MSW), Mutant prevention concentration (MPC) und Minimum inhibitory concentration (MIC), modifiziert nach DRLICA (2003)

Auch LI et al. (2007) beschäftigten sich mit der MPC bei Enrofloxacin von E. coli-Isolaten aus dem Huhn und konnten zeigen, dass Isolate, die über eine einfache Mutation in gyrA verfügten, eine niedrigere MPC (0,5 - 16µg/ml) aufwiesen als Bakterien mit doppelten Mutationen in gyrA und einer Einfachmutation in parC mit einer hohen MPC (> 32 µg/ml). LI et al. (2007) kamen zu dem Schluss, dass für die letztgenannten Bakterien eine Kombinationstherapie in Betracht gezogen werden müsse, da die MPC die maximal erreichbare Plasmakonzentration von Enrofloxacin überstieg.

Da der Wirkungsort von Fluorchinolonen im Zytoplasma liegt, müssen diese zunächst die Zellwand und Zytoplasmamembran und bei E. coli als gramnegativer Keim auch die äußere Membran überwinden. Ein weiterer Resistenzmechanismus besteht in einer erhöhten Aktivität oder vermehrten Produktion membranständiger Effluxpumpen, die das Antibiotikum wieder aus dem Bakterieninneren befördern, so dass es seine Wirkung nicht mehr entfalten kann. Die wichtigste Effluxpumpe bei E. coli stellt die AcrAB-Membran-Effluxpumpe dar. Mutationen in acrR (Repressor von acrAB) führen zu einer erhöhten Aktivität dieser Pumpe (WANG et al. 2001).

Im Gegensatz zu anderen Antibiotika-Efflux-Systemen, besitzt diese Multidrug-Effluxpumpe ein sehr breites Substratspektrum und transportiert strukturell sehr unterschiedliche Antibiotika. Diese Veränderung der Effluxpumpe allein führen

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jedoch nur zu schwachen Veränderungen der bakteriellen Empfindlichkeit (HOOPER 1999; POOLE 2000).

Auch Veränderungen der Porine von Bakterien stehen mit einer Antibiotikaresistenz in Verbindung. In E. coli-Mutanten mit multiplen Resistenzen (multiply antibiotic-resistant = Mar-Mutanten) findet man Mutationen im marRAB-Regulon. Als Folge kommt es zur Hemmung von MarR (Repressor von MarA), wodurch vermehrt MarA exprimiert wird. MarA wiederum führt u.a. zu einer verstärkten Expression von u.a.

AcrAB und micF, was schließlich zu der oben beschriebenen erhöhten Aktivität der AcrAB-Effluxpumpe und einer verminderten Produktion von OmpF führt. OmpF stellt ein wichtiges Porin bei E. coli dar. Wird es weniger stark exprimiert, kommt es zu einer langsameren Diffusion von Fluorchinolonen in das Bakterium (ANDERSEN et al. 1987; COHEN et al. 1988; ARIZA et al. 1994; ALEKSHUN u. LEVY 1997).

Außerdem können Resistenzen gegen Chinolone plasmidvermittelt sein. Dafür kommen verschiedene bisher beschriebene plasmidlokalisierte Gene wie qnr (MARTINEZ-MARTINEZ et al. 1998), aac (eine Genvariante, die für die Aminoglykosid-Acetyltransferase kodiert und z.B. Ciprofloxacin inaktivieren kann) (ROBICSEK et al. 2006) sowie qepA (kodiert für eine Effluxpumpe) (YAMANE et al.

2008) in Frage. Qnr hemmt die Bindung von Fluorchinolonen an die bakterielle Gyrase und Topoisomerase IV. Außerdem hemmt es die durch Fluorchinolone verursachte Hemmung der negativen Überspiralisierung (Supercoiling) der bakteriellen DNA, so dass diese wieder ungestört stattfinden kann (TRAN u.

JACOBY 2002; TRAN et al. 2005). Durch die Übertragung eines Plasmids, das ein qnr-Gen trägt, können Multiresistenzen entstehen, da Plasmide, die qnr-Gene tragen, oft auch Resistenzengene gegen Aminoglykoside, β-Laktame, Chloramphenicol und Sulfonamide beherbergen (NORDMANN u. POIREL 2005).