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Die Novellierung von 1994

Im Dokument - Darstellung und Kritik des neuen (Seite 50-55)

TEIL II: DAS KONTROLLREGIME DER KOMMISSION FÜR STAATLICHE

5 Die Novellierung von 1994

5 D i e N o v e l l i e r u n g v o n 1 9 9 4D i e N o v e l l i e r u n g v o n 1 9 9 4

Der erste Gemeinschaftsrahmen von 1974 ist später verlängert worden, zunächst 1980 bis Ende des Jahres 1986, und dann erneut bis Ende 1992. Während die erste Verlän-gerung mit einer generellen Förderungsbeschränkung auf 15 % des Nettosubventions-äquivalentes verbunden war, fand 1986 keine weitere Einschränkung statt.

Obwohl der nachfolgende Gemeinschaftsrahmen bereits im September 1992 als 1.

Entwurf vorlag, konnte er erst Ende 1993 endgültig „erlassen“ werden. Er wurde am 10. März 1994 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.30 Erst mit der Veröffentlichung des neuen Gemeinschaftsrahmens am 3. Februar 2001 ist er ab-gelöst worden.31

Da die Entwicklung von 1974 bis 1994 zusammen mit einer ökonomischen und rechtli-chen Würdigung bereits ausführlich in einem Gutachten des ifo-Instituts für Wirtschafts-forschung München in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Öffentliches Recht der Universität Münster32 dargestellt wurde, soll hier nicht näher darauf eingegangen wer-den. Es soll lediglich der Stand des Gemeinschaftsrahmens kurz referiert werden, wie er der Beihilfekontrolle der Kommission bis Ende 2000 zugrunde gelegen hat und soweit er für die weiteren Überlegungen zum Beihilferahmen 2001 von Bedeutung ist.

Die Kommission nahm die Novelle des Beihilferahmens 1994 vor allem zum Anlass, um Grundpositionen erneut zu bestätigen. Sie bekräftigte insbesondere die Notwendigkeit, das Verursacherprinzip schrittweise zu verwirklichen und stufte Beihilfen als „Ausweichlö-sung“ ein. Sie konnten nach der Kommissionsphilosophie dann zum Tragen kommen, wenn „das Verursacherprinzip – nach dem alle Umweltkosten „internalisiert“ werden bzw. in die Produktionskosten des Unternehmens einfließen müssen – noch nicht uneingeschränkt angewandt wird.“33

Hier zeigen sich erneut die bereits angesprochenen Ungereimtheiten: Wo das Verursa-cherprinzip nicht vollständig angewendet wird, ist im ökonomischen Sinne automatisch der Beihilfetatbestand erfüllt; die Subvention ist insoweit keine Lösung, sondern Teil des Problems.

30 UBR-94, ABl. C 72 v. 10.3.94.

31 ABl. C 37 v. 3.2.2001.

32 Hier zitiert als Sprenger u.a. (1995).

33 UBR-94, Ziffer 1.4.

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Die Formulierung zum Verursacherprinzip – „nach dem alle Umweltkosten „internali-siert“ werden bzw. in die Produktionskosten der Unternehmen einfließen müssen“ – ist zumindest im Hinblick auf die sonst von der Kommission vertretene Auffassung, dass lediglich die Vermeidungskosten anzulasten sind, missverständlich.

Unklar sind auch die weiteren in Ziffer 1.4 enthaltenen Aussagen über die Begünsti-gungs- und Wettbewerbseffekte von Subventionen bzw. Beihilfen. So betont die Kom-mission, dass Subventionen „insbesondere in stark umweltverschmutzenden Bereichen der Landwirtschaft und Industrie den Wettbewerb verfälschen“ können und dass staatli-che Beihilfen „bestimmte Unternehmen gegenüber Wettbewerbern in anderen Mitglied-staaten begünstigen (können), wenn sie die gleichen Umweltauflagen einhalten müssen, aber keine Beihilfen erhalten“. Mit keinem Wort wird erwähnt, dass dieselben Begünsti-gungseffekte und Verzerrungen auch dann auftreten können, wenn keine Beihilfen im Sinne des EGV gewährt werden.

Die Kommission bekräftigte auch ihre grundlegend ablehnende Haltung gegenüber Betriebsbeihilfen. Sie genehmigte sie nur im Einzelfall für Maßnahmen der Abfallentsor-gung; darüber hinaus war sie bereit, vorübergehende und degressive Befreiungen von neuen Umweltabgaben zu genehmigen, wenn dadurch die Verluste an internationaler Wettbewerbsfähigkeit kompensiert wurden. Sie berücksichtigte in ihren Entscheidungen auch die sozusagen als „Gegenleistung“ für die Begünstigung von den Unternehmen durchgeführten Maßnahmen zur Verringerung der Umweltverschmutzung. Hinsichtlich der Höhe der Begünstigung wurde den Mitgliedstaaten Ermessensfreiheit eingeräumt.

Der Gemeinschaftsrahmen 1994 enthielt zudem besondere Vorschriften für Energiebeihilfen: Energiesparmaßnahmen wurden als Umweltschutzbeihilfen behandelt, sofern mit ihnen spürbare Verbesserungen der Umweltqualität erzielt wurden und die Beihilfe unter Kostengesichtspunkten erforderlich war. Beihilfen für erneuerbare Energien, „deren Förderung auf der Prioritätenliste der Gemeinschaft an oberster Stelle steht“,34 konnten ebenfalls als Investitionshilfe gegeben werden; als Betriebsbeihilfen unterlagen sie einer Einzelfallprüfung.

In den Ziffern 3.3 und 3.5 werden Beihilfen für Tätigkeiten in der Information, Ausbil-dung und Beratung für den Umweltschutz (horizontale Maßnahmen) und für den Erwerb umweltfreundlicher Produkte geregelt. Die Ausführungen sind insoweit interessant, als die Kommission hier die bereits angesprochene Trennung zwischen öffentlichem und privatem Interesse auch explizit vornimmt. So sind beispielsweise nach Einschätzung der Kommission Maßnahmen, die Endverbraucher zum Kauf umweltfreundlicher Produkte veranlassen, mit dem gemeinsamen Markt vereinbar, wenn „sie keine spürbaren finan-ziellen Vorteile für bestimmte Unternehmen mit sich bringen.“ Auch wenn sie grundsätz-lich mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar sein sollten, können sie genehmigt wer-den, wenn sie u.a. „100 % der umweltbezogenen Mehrkosten nicht überschreiten.“ Eine

34 UBR-94, Ziffer 2.3.

ähnliche Regelung findet sich für Investitionen zur Sanierung verschmutzter Industrie-standorte (Ziffer 3.2.2.), soweit die Verursacher der Verschmutzung nicht ermittelt oder nicht zur Rechenschaft gezogen werden können. Sie werden ganz von der Anwendung des Beihilfetatbestandes nach Art. 87 Abs. 1 EGV ausgenommen, wenn bestimmten Unternehmen oder Branchen kein unmittelbarer finanzieller Vorteil entsteht.

Hier wurden also das öffentliche Interesse an und die Anreizfunktion von Beihilfen kon-sequent zu Ende gedacht: Wo kein privates Interesse an der Maßnahmendurchführung ausfindig zu machen ist, wo auch kein unmittelbarer privat zurechenbarer Nutzen ent-steht, da ist es auch unter Wettbewerbsaspekten unproblematisch, die gesamten Mehr-kosten zu erstatten. Leider hat sich die Kommission nicht damit auseinandergesetzt, wa-rum es sich in solchen Fällen der Finanzierung öffentlicher Leistungen bzw. von aus-schließlich im Interesse der Allgemeinheit liegenden Leistungen überhaupt um Beihilfen handeln sollte. Wo es ausschließlich um Maßnahmen im Interesse der Allgemeinheit geht, werden Entgelte gezahlt und keine Beihilfen gewährt.

Investitionsbeihilfen wurden von der Kommission nach unterschiedlichen Funktionen und Ausgangskonstellationen differenziert. Sie unterscheidet Beihilfen, die gewährt wer-den, um Unternehmen mit bestehenden (mindestens seit zwei Jahren betriebenen) Anla-gen die Anpassung an neue verbindliche Umweltnormen zu erleichtern, von solchen Beihilfen, die in Unternehmen dazu dienen, die geltenden Umweltnormen zu übertreffen bzw. freiwillig (soweit Normen fehlen) einen nicht verbindlich vorgeschriebenen Umwelt-schutzbeitrag zu leisten. Gegenüber den Anpassungsbeihilfen, die mit bis zu 15 % der beihilfefähigen Kosten gefördert werden dürfen, erhöht sich für die „Anreizbeihilfen“ der Förderhöchstsatz auf 30 %. Für kleine und mittlere Unternehmen gibt es jeweils eine Zusatzförderung.

Für die Berechnung zulässiger Investitionsbeihilfen geht die Kommission von den beihil-fefähigen Kosten aus. Das sind nach der Logik des Reglements Kosten von Maßnah-men, die ausschließlich dem Umweltschutz dienen. Es heißt dazu in Ziffer 3.2.1.: „Bei-hilfefähig sind ausschließlich die zur Verwirklichung der Umweltziele erforderlichen Mehrkosten. Allgemeine Investitionskosten, die nicht dem Umweltschutz zugerechnet werden können, sind auszuschließen. Daher sind Investitionsgrundkosten für Neu- oder Ersatzanlagen nicht beihilfefähig, wenn sie ausschließlich der Schaffung oder Ersetzung von Produktionskapazitäten dienen, ohne den Umweltschutz zu verbessern. Ebenso müssen die beihilfefähigen Kosten bei Investitionen in bestehende Anlagen, die sowohl zur Kapazitätserhöhung als auch zur Verbesserung des Umweltschutzes führen, in einem angemessenen Verhältnis zur ursprünglichen Kapazität der betreffenden Anlage stehen.“

Für End-of-Pipe-Maßnahmen in bestehenden Anlagen ist das Mehrkostenprinzip also recht einfach handhabbar. Bei prozessintegrierten Anlagen, die vorhandene Produkti-onsanlagen ersetzen oder erweitern, muss aber der Kapazitätseffekt herausgerechnet

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werden; die beihilfefähigen Kostenanteile an der Gesamtinvestition entsprechen dann dem Anteil der ursprünglichen Kapazität an der neuen Gesamtkapazität.

Obwohl der Gemeinschaftsrahmen des Jahres 1994 einige deutliche Unterschiede zu den Vorgängerregelungen aufwies, wurden schon zum Zeitpunkt seiner Einführung grö-ßere Änderungen in der Kontrollpraxis der Kommission nicht erwartet. „Mit dem neuen Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfen findet damit eine weitgehende Fortset-zung der bisher schon praktizierten Beihilfekontrolle statt“, so lautete auch die Schluss-folgerung im bereits mehrfach zitierten ifo-Gutachten aus dem Jahr 1995.35 Gleichzeitig sind aber die z.T. bereits skizzierten Grundprobleme noch verschärft worden.36

Mit fortschreitender Entwicklung der Umweltpolitik und ihrer Standards wird es immer deutlicher, dass ein umfassender Beihilfebegriff fehlt, der auch nicht-internalisierte Um-weltkosten erfasst. Dadurch erlangen Unternehmen, die in Staaten mit relativ geringeren Umweltanforderungen und Umweltabgabenbelastungen arbeiten, einen Wettbewerbs-vorteil, um den sich die Kommission trotz ihrer Wettbewerbsschutzaufgabe nicht küm-mert.

Die Differenzierung der Förderbedingungen nach dem Kriterium „Anpassung an ver-bindliche Normen“ bzw. „freiwilliger Umweltschutz über die Normen hinaus“ ist in der konkreten Handhabung unsystematisch und verstärkt die wettbewerbsverzerrenden Effekte der Beihilfekontrollpolitik noch. Im ifo-Gutachten wird dies anhand des folgenden Beispiels37 verdeutlicht:

„Die Mitgliedstaaten der EU setzen eine Umweltrichtlinie in nationales Recht um, wobei ein Land strengere Normen verhängt, während ein anderes Land genau die Richtlinie umsetzt. Ein Unternehmen aus dem Land, in dem die geringeren Umweltstandards fest-gelegt wurden, will freiwillig die höhere Norm des anderen Mitgliedstaates anwenden und seine Anlagen entsprechend anpassen. Damit sind die Voraussetzungen für eine Beihilfe in Höhe von 30 % der beihilfefähigen Kosten erfüllt. Ein Unternehmen aus dem Land, das höhere Standards festlegt, passt seine Anlagen an die entsprechende Norm im eigenen Land an, erhält jedoch für die gleiche Umweltschutzleistung lediglich 15 % der beihilfefähigen Kosten. Um 30 % zu erhalten, müsste dieses Unternehmen noch über die ohnehin strengeren Normen im eigenen Land hinausgehen.“

Sieht man einmal von den politisch bewusst herbeigeführten Verzerrungen zugunsten kleiner und mittlere Unternehmen und zugunsten von Förderregionen ab, so implizieren Regelungen und Praxis der Beihilfekontrolle weitere, nicht beabsichtigte Wettbewerbs-beeinflussungen: zwischen kapitalintensiven und eher arbeitsintensiven Anpassungen an moderne Umweltanforderungen, zwischen älteren (zwei Jahre betriebenen Anlagen) und

35 Sprenger u.a. (1995), S. 131.

36 Siehe auch dazu Sprenger u.a. (1995), S. 148 ff.

37 Sprenger u.a. (1995), S. 149.

neueren Anlagen und schließlich auch – worauf vor allem bei der Diskussion des neuen Gemeinschaftsrahmens 2001 zurückzukommen ist – zwischen unterschiedlichen um-welttechnischen Anpassungsformen, nämlich zwischen End-of-Pipe-Strategien, prozess-integrierten Maßnahmen und Standortverlagerungen.

Schließlich zeigt die gesamte Struktur des Gemeinschaftsrahmens von 1994 weiterhin die Vorprägung durch das Instrumentarium des Ordnungsrechts. Das Referenzsystem ist die rechtliche Umweltanforderung, vor allem in Form der Emissionsbegrenzung. Daraus resultiert auch die Kasuistik der Beihilfen zur Anpassung an verpflichtende Normen und für „freiwillige“, nämlich nicht durch ordnungsrechtliche Normen zwingend vorgegebe-ne Maßnahmen. Damit ist von vornherein ein Ungleichgewicht im Hinblick auf die um-weltinstrumentellen Typen vorhanden. Alle auch im neuen Gemeinschaftsrahmen wieder enthaltenen Ausführungen und Bekenntnisse zum Einsatz ökonomischer bzw. flexibler Instrumente verpuffen, wenn ihr Einsatz durch die Beihilfebestimmungen erschwert wird.

Dies ist beispielsweise dadurch der Fall, dass Vergünstigungen im Rahmen von Umwelt-abgaben in die von der Kommission grundlegend diskreditierte Form der Betriebsbeihil-fe eingeordnet werden.

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6 D e r n e u e G e m e i n s c h a f t s r a h m e n 2 0 0 1 D e r n e u e G e m e i n s c h a f t s r a h m e n 2 0 0 1 –– d e r P r o z e s s d e r P r o z e s s

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Die Kommission hatte seit längerer Zeit erkannt, dass die bisherige Beihilfekontrollpraxis auf eine neue Grundlage gestellt werden muss. In ihrem ersten Entwurf für einen neuen Gemeinschaftsrahmen vom 27. Januar 2000 versuchte sie, die Weichen für ein neues zukunftsfähiges Kriterien- und Prüfraster zu stellen, das sie ihrer eigenen Praxis zugrunde legen kann und das zugleich den Mitgliedstaaten und Unternehmen Rechtssicherheit im Hinblick auf die Zulässigkeit von Fördermaßnahmen und Begünstigung schaffen soll.

Die Kommission berief sich dabei vor allem auf ihre Erfahrungen mit den früheren Leit-linien und auf die Änderungen in der Umweltschutzpolitik.

Schon im ersten Entwurf hat die Kommission den Beihilferahmen auch in formaler Hin-sicht neu gestaltet. Sie hat vor allem nach einer Einleitung einen eigenen Definitionsteil vorangestellt, in dem z.B. die Internalisierung, das Verursacherprinzip und das Prinzip der Preiswahrheit und –klarheit umrissen werden; auch wenn die Kommission diese De-finitionen bereits in anderen Zusammenhängen verwendet hat – besondere Klarheit und Präzision zeichnen sie nicht aus.

Im Teil C über die Kontrolle der staatlichen Umweltschutzbeihilfen findet sich eine aus-führlichere Darstellung der „Philosophie“ der Kommission im Hinblick auf Umweltbeihil-fen. Beihilfen werden dabei – dies ist nicht neu – an den instrumentellen Rand gedrängt.

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