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Der Ausgangspunkt: Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfen 197

Im Dokument - Darstellung und Kritik des neuen (Seite 47-50)

TEIL II: DAS KONTROLLREGIME DER KOMMISSION FÜR STAATLICHE

4 Der Ausgangspunkt: Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfen 197

dings ohne – dann auch nicht notwendige – Ausnahmeregelungen, so ist dies für die Beihilfekontrolle irrelevant. Zwar schreibt die Kommission, dass dadurch, insbesondere durch „die sich daraus ergebenden, stark voneinander abweichenden einzelstaatlichen Anforderungen an die Verursacher, Verzerrungen (entstehen), die den innergemein-schaftlichen Wettbewerb und Warenverkehr stark beeinträchtigen“;25 doch bleibt dies für die Mitgliedstaaten und die Unternehmen folgenlos, wie auch die Kommission in ihrem Beihilferahmen darin keinen Anlass sieht, ihr generelles Vorgehen zu ändern.

Dies ist – wie bereits erwähnt –von dem Denken geprägt, die von jedem Mitgliedstaat gesetzten rechtlichen Ausgangsbedingungen und die darin implizierten Normbelastun-gen als Referenzmodell für das VorlieNormbelastun-gen von Beihilfetatbeständen zu wählen. Etwas anders formuliert: Die Kommission schickt sich zwar an, die innerstaatliche Norman-wendung auf Gleichmäßigkeit zu prüfen; internationales Normdumping ahndet sie da-gegen nicht.

Die Probleme und Konsequenzen für den Umweltschutz liegen auf der Hand:

Wettbewerbsverzerrungen durch Unterlassen internalisierender staatlicher Umweltpoli-tik26 können nicht verhindert und sanktioniert werden, oder mit anderen Worten: Inter-nalisierungsdumping bleibt beihilferechtlich irrelevant. Wird ein Mitgliedstaat dagegen trotz des Dumpings anderer Länder im Umweltschutz aktiv, allerdings mit nachteilsver-meidenden differenzierenden Regelungen, so unterliegt er dem Beihilferegime der Kommission; umweltpolitisches Tätigwerden wird insoweit erschwert.

Dadurch fehlt es zugleich an einem dynamischen Anreiz für die Mitgliedstaaten, ihre Umweltschutzbemühungen – vor allem soweit sie (vielleicht sogar überwiegend) im ge-meinschaftlichen und globalen Interesse liegen – über das in den Gemeinschaftsinstitu-tionen politisch festgelegte Niveau hinaus zu intensivieren; sie können nämlich von der Kommission daran gehindert werden, dabei auftretende, einseitige wirtschaftliche Nachteile auszugleichen oder abzufedern.

Auch dem Wettbewerbsschutz wird damit keineswegs gedient: Der Beihilfekontrolle unterliegen Regelungen, die für einen fairen Wettbewerb auf dem gemeinsamen Markt unerheblich sind: Ein Mitgliedstaat, der z.B. als Einziger zusätzlich zu gemeinschaftsweit festgelegten ordnungsrechtlichen Einheitsnormen „freiwillig und im Alleingang“ noch eine Ökosteuer oder Umweltabgabe einführt, begünstigt seine Unternehmen in einer bestimmten Branche im Vergleich zu den europäischen Konkurrenten auch dann nicht, wenn er ihnen den Abgabesatz auf die Hälfte oder gar auf 10 % reduziert. Die Wettbe-werbssituation ist insgesamt keineswegs verschlechtert; verschlechtert hat sich lediglich die Position derer, die im nationalen Konsens eine Zusatzbelastung tragen.

25 UBR-74, S. 4.

26 Von der Möglichkeit, dass aufgrund geringerer Umweltpräferenzen von höheren Belastungen Abstand genommen wird, sei hier abgesehen.

Ein anderes Problem kann über diesen Ansatz ohnehin nicht auf der Ebene der europäi-schen Beihilfekontrolle gelöst werden: Ob nur die Anwendung des Regelsatzes der zu-sätzlich eingeführten Steuer eine verzerrungsfreie Internalisierung bedeutet oder ob die Steuereinführung im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten, die auf die Einführung verzich-ten, eine Verzerrung darstellt, kann von der Kommission angesichts der bereits genann-ten Schwierigkeigenann-ten mit ggf. unterschiedlichen Präferenzen und Rahmenbedingungen nicht festgestellt werden. Insofern gibt es überhaupt keinen fundierten Maßstab zur Kon-trolle der Wettbewerbskonstellation vor der zusätzlichen Steuereinführung und nachher.

Um mit diesen Problemen besser umgehen zu können, hat die Kommission 1974 auf die Zeit gesetzt. Sie wollte bestimmte Umweltbeihilfen für eine Übergangszeit genehmi-gen, und zwar für Anpassungsinvestitionen, durch die sich Unternehmen den jeweils neu auf sie zukommenden Verpflichtungen anpassen können. In einer Zeit, in der das Um-weltrecht z.T. erst entstand oder in mehreren Schüben weiter entwickelt und verschärft wurde, war dies verständlich. Unternehmen sollten durch die neuen Anforderungen nicht überfordert, d.h. vor allem in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Unter-nehmen in Drittländern, nicht benachteiligt werden. Entsprechend schrieb die Kommis-sion: „Nach Auffassung der Kommission können während einer Übergangszeit staatli-che Beihilfen, die dazu bestimmt sind, den bestehenden Unternehmen die Anpassung an Vorschriften oder Regelungen zu ermöglichen, die ihnen erhebliche zusätzliche Las-ten auf dem Gebiet des Umweltschutzes auferlegen, als Beihilfen zur Förderung wichti-ger Vorhaben von gemeinsamen europäischem Interesse die Ausnahmevorschrift des Artikels 92 Absatz 3 b) EWGV für sich in Anspruch nehmen.“27

Die Übergangszeit sollte seinerzeit 6 Jahre betragen. Sie ist dann zwar später verlängert worden; die Perspektive wurde indessen beibehalten. Auch aus dieser „Übergangsphilo-sophie“ ist ein Dauerproblem für die Beihilfekontrolle und für die Umweltpolitik entstan-den. Dahinter verbirgt sich nämlich die Vorstellung, dass Unternehmen, die mit schärfe-ren Anforderungen konfrontiert werden, einmalige Anpassungsaufwendungen tätigen müssen und dazu, um regionale sowie sektorale Probleme, also negative Aggregatfol-gen zu vermeiden, auch ausnahmsweise, einmalig und in enAggregatfol-gen Grenzen gefördert werden dürfen. Für den gemeinsamen Markt und für einen störungsfreien Wettbewerb ist dies keine Lösung. Wenn ein Unternehmen in einem Mitgliedstaat schärferen Anfor-derungen oder höheren Umweltabgaben ausgesetzt ist als Unternehmen in einem an-deren Mitgliedstaat oder einem Drittland, kann es auch nach Durchführung seiner An-passungsmaßnahme mit höheren Kosten belastet sein, und zwar prinzipiell so lange, wie die Anforderungen oder Abgaben höher sind als für Unternehmen in anderen Län-dern. Anpassungen an Umweltabgaben erfolgen z.B. bei ökonomisch rationalem Ver-halten, um die zusätzlichen Abgabekosten zu mindern. Die zu ihrer Verminderung über-nommenen „Anpassungskosten“ bzw. die Vermeidungskosten sowie die zwar

27 UBR-74, S. 6, Ziffer III 1.1.

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ten, aber gleichwohl verbleibenden Abgabekosten fallen im Verhältnis zu Unternehmen, die von solchen Anpassungszwängen frei bleiben, auf Dauer höher aus, nicht nur für eine Übergangszeit.

Auch das häufig verwendete Argument, dass infolge der durch höhere Anforderungen verbesserten Umweltqualität die Unternehmen nicht nur höhere Kosten zu tragen, son-dern auch Nutzen zu verbuchen hätten, stimmt natürlich zumindest bei Maßnahmen zur Verbesserung des globalen Umweltschutzes nicht, jedenfalls lässt sich eine feste Relation nicht ermitteln.

In engem Zusammenhang mit der zeitlichen Befristung steht die Degressivitätsforderung der Kommission: Die Beihilfeintensität soll im Zeitablauf abschmelzen. Die Kommission argumentiert wie folgt: „Diese Degressivität ist nach Auffassung der Kommission gebo-ten, um die Mitgliedstaaten zu veranlassen, so rasch wie möglich Maßnahmen zu tref-fen, die geeignet sind, die Verursacher mit den Kosten ihrer Verschmutzungen und Be-lastungen zu belasten, und um Druck auf die Unternehmen auszuüben, die erforderli-chen Investitionen zur Beseitigung der Umweltverschmutzungen und –belastungen vor-zunehmen“.28 Die Entwicklung seit 1974 hat die Argumentation weitgehend widerlegt.

Vor allem aus politökonomischen Gründen erscheint es auch nicht gerade plausibel, dass Mitgliedstaaten die Wettbewerbssituation ihrer Unternehmen verschlechtern und auf Beihilfen verzichten sollen, wo ihnen – vor allem bei globalen Umweltgütern – die Möglichkeit offen steht, auf die Verschärfung von Anforderungen zu verzichten und so eine andere Form von Beihilfe zu praktizieren.

Eine andere Regelung des Gemeinschaftsrahmens, die die Voraussetzungen für die Bei-hilfegewährung konkretisierte, war hingegen für das Jahr 1974 durchaus verständlich:

Die Beihilfen durften nur für zusätzliche Investitionen gewährt werden, die Unternehmen in ihren bestehenden Produktionsanlagen vornehmen mussten, um neuen und bedeu-tenden Verpflichtungen im Umweltschutz nachkommen zu können.

Im Mittelpunkt standen damals End-of-Pipe-Anlagen, die den bestehenden Produktions-anlagen nachgeschaltet wurden. Da sie additiv waren, konnte als Bemessungsgrundla-ge relativ unproblematisch auf die Gesamtinvestitionsausgaben der zusätzlichen Anla-gen zurückgegriffen werden; dass sie ausschließlich dem Umweltschutz dienten, war leicht festzustellen.

Der Gemeinschaftsrahmen enthielt aber auch schon eine Regelung „für die Einführung neuer Produktionsverfahren, die dieselbe Wirkung haben“, also für die heute so ge-nannten prozessintegrierten Anlagen, die alte Anlagen ablösen. Dafür galt als Beson-derheit lediglich, dass „der für eine etwaige Ausweitung der vorhandenen Produktions-kapazitäten in Betracht kommende Investitionsanteil nicht in den Genuss der vorgese-henen Beihilfe gelangen“ durfte.29 Dazu musste der Nachweis geführt werden, dass die

28 UBR-74, S. 8.

29 UBR-74, S. 8.

neue Anlage die neuen Umweltanforderungen erfüllt, und es musste die Kapazitätser-höhung quantifiziert werden. Die danach beihilfefähigen Investitionssummen durften dann bis zu bestimmten Höchstsätzen gefördert werden; diese sanken von 45 % in den Jahren 1975 und 1976 auf 15 % in den Jahren 1979 und 1980 ab.

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