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5.3 ZOIL-Prinzip 3: Modulare Informationsvisualisierung

5.3.3 Nested Information Visualization

Eine besondere Bedeutung kommt den Ziehen einerbounding box innerhalb einer Visua-lisierung zu. ¨Uber diesen Interaktionsmechanismus l¨asst sich eine neue Visualisierung innerhalb einer bestehenden Visualisierung ¨offnen, um eine geometrisch ausgew¨ahlte Teilmenge der Objekte aus der bestehenden Visualisierung als Eingabe f¨ur die neue

Visualisierung zu verwenden.

Diese rekursive geometrische Verschachtelung von Visualisierungen in Visualisierungen nach dem

”Babuschka-Prinzip“ (vgl. Abbildung 5.11) erlaubt es komplexe Ketten von analytischen und geometrischen Filtern ¨uber Visualisierungsgrenzen hinweg aneinan-derzureihen. Das Problem des immer kleiner werdenden Raums zur Darstellung der ver-schachtelten Visualisierung wird dabei durch die M¨oglichkeit zum semantischen Zooming ausgeglichen, die unabh¨angig von der Schachtelungstiefe immer eine bildschirmf¨ullende Darstellung der innersten Visualisierung gew¨ahrleisten kann.

Im Rahmen von ZOIL soll diese Art der Visualisierung als nested information visuali-zation bezeichnet werden. In [K¨onig 2006] wird deren N¨ahe zu dem Software-Pattern

”Pipe and Filter“ thematisiert, das zur sequentiellen Aneinanderreihung von Filterkrite-rien in der Datenaufbereitung verwendet wird. Bei ZOIL stellt die direkt-manipulative Formulierung von quantitativen oder textuellen Filterkriterien ¨uber dynamic queries und von geometrischen Filtern innerhalb von Visualisierungen ¨uberbounding boxes eine besonders ausdrucksm¨achtige und anschauliche Variante dieser Aufbereitung dar.

Abbildung 5.11: Das Prinzip der

”nested information visualization“ in ZOIL folgt dem Prinzip der russischen

”Babuschka“-Holzpuppen. Quelle: Wikipe-dia.com

Durch die nested information visualization k¨onnen aber nicht nur sequentielle Filter-ketten durch den Benutzer w¨ahrend der Benutzung definiert werden, sondern es wird auch eine neue Form der Programmierung von Visualisierungen m¨oglich. In Abbildung 4.6 wurde beispielsweise dargestellt, wie eine Treemap-Visualisierung als Einstiegspunkt in einen bestimmten Medientyp genutzt wird. Innerhalb des rechteckigen Bereichs f¨ur den Medientyp findet dann wiederum eine neue Darstellung in Form eines Streifendia-gramms statt. Die dargestellte Visualisierung stellt also eigentlich eine Kombination aus zwei einzelnen Visualisierungstypen dar, wobei jedem Rechteck-Objekt in der

Treemap-Visualisierung ein Streifendiagramm nachgeordnet ist.

Diese Platzierung von einer Vielzahl kleinerer Visualisierungen in einer ¨ubergeordneten Visualisierung muss dabei nicht notwendigerweise manuell vom Benutzer ¨uber bounding boxes vorgenommen werden, sondern kann auch automatisch in der Implementierung der Treemap-Visualisierung erfolgen. ¨Andert sich dann beispielsweise die Gr¨oße oder Anzahl von Rechteck-Objekten in der Treemap, werden die nachgeordneten Streifendiagramme dynamisch angelegt und eingebettet.

Der Vorteil einer automatischen Verschachtelung von Visualisierungen in Visualisierun-gen durch den Programmierer liegt in der einfachen Erstellung einer großen F¨ulle von hierarchischen Visualisierungskombinationen, die große Mehrwerte f¨ur den Benutzer bie-ten k¨onnen. So kann bereits w¨ahrend der Entwicklung eine hierarchische Darstellung mit unterschiedlichen Visualisierungen auf jeder Hierarchieebene f¨ur komplexe Probleme vor-definiert werden.

Dazu hier ein fiktives Beispiel aus dem Bereich der Visualisierung von Businessdaten, das in vier Entwicklungsschritte gegliedert ist:

1. Das Management eines Konzerns besch¨aftigt sich mit der Visualisierung aller War-tungsauftr¨age, die innerhalb eines Gesch¨aftsjahres eingegangen sind. Diese werden anhand der Adresse des Wartungsortes auf einer geografischen Karte angezeigt und deren Details k¨onnen durch den semantischen Zoom in die

” Karteikarten“-Darstellung eingesehen werden.

2. Da diese Darstellung f¨ur die Fragestellung des Managements zu viele Datenpunk-te aufweist, wird eine Treemap-DarsDatenpunk-tellung zur Aggregation vorgeschalDatenpunk-tet, die die eingegangen Wartungsauftr¨age in zehn Kategorien je nach Auftragsvolumen auf-teilt. Die einzelnen geografischen Karten werden den Rechtecken in der Treemap-Darstellung nachgeordnet.

3. Innerhalb der Treemap-Darstellung sind bislang alle Wartungsauftr¨age aus al-len Unternehmensteial-len enthalten. Es soll jedoch eine individuelle Betrachtung f¨ur jeden individuellen Unternehmensteil erm¨oglicht werden, weshalb eine weitere Treemap-Darstellung mit den f¨unf Unternehmensteilen vorgeschaltet wird.

4. Zu einem sp¨ateren Zeitpunkt soll diese Sicht dann innerhalb einer Sitzung zum Thema

”Wartungsauftr¨age“ verwendet werden. Dabei spielt auch der zeitliche Ver-lauf des Auftragsvolumens durch Wartungsauftr¨age in den letzten Jahren eine Rol-le. Deshalb wird ein Punktdiagramm verwendet, dass dieses Auftragsvolumen pro Jahr gegen das Gesch¨aftsjahr auftr¨agt. Dabei werden als Datenpunkte nicht

kon-ventionelle Punkte verwendet, sondern den Punkten werden die obengenannten Visualisierungen ¨uber semantisches Zooming nachgeordnet.

Als Ergebnis dieser Programmierung erh¨alt der Benutzer aus dem Management zun¨achst den j¨ahrlichen Verlauf des Auftragsvolumens aus Wartungsauftr¨agen als ein Punkt-diagramm. Interessante Punkte (z.B. Ausreisser) k¨onnen dann durch Zooming in eine Treemap-Darstellung verwandelt werden, was dem Benutzer die Option er¨offnet, sich durch Zooming f¨ur die Betrachtung eines speziellen Unternehmensteils zu entscheiden.

Weiteres Zooming f¨uhrt ihn ¨uber die Treemap-Kategorie der Großauftr¨age schließlich zu der Darstellung der geografischen Verteilung aller Großauftr¨age aus dem Bereich War-tung auf einer Weltkarte, die aus einem bestimmten Gesch¨aftsjahr und einem bestimmten Unternehmsteil stammen.

Eine derartige hierarchische Kombination stellt dabei ein m¨achtiges Werkzeug dar, um existierende L¨osungsans¨atze in neuen Visualisierungen ohne großen Entwicklungsauf-wand zusammenzuf¨uhren. Dabei wird durch solche Hierarchien zwar im Vorfeld ein Vor-schlag f¨ur die Vorgehensweise des Benutzers gemacht, diese wird aber in ZOIL nicht festgeschrieben. Entspricht die hierarchische Abfolge der Visualisierungen nicht dem In-formationsbed¨urfnis des Benutzers, kann er jederzeit ¨uber die Wahl eines Ausschnitts mit derbounding box und dem Umschalten auf eine andere Darstellungsart eine manuelle Anpassung nach seinen Vorstellungen vornehmen.

Im Bereich der Informationsvisualisierung bietet eine ZOIL-Oberfl¨ache durch die nested information visualizationalso sowohl f¨ur den Benutzer als auch f¨ur den Entwickler einen großen Gestaltungsspielraum und gr¨oßte Flexibilit¨at beim Einsatz und der Umsetzung neuer Visualisierungen.