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5. Analysen und Diskussion der Ergebnisse

5.2 NDEU: Konfliktdimensionen der nationalen Vorverhandlungen

In den folgenden Abschnitten werden die Ergebnisse der Analysen des NDEU vorgestellt. Bei der Beschreibung der Daten im Forschungsdesign hatte ich bereits aufgezeigt, warum die Dimensionalität der Vorverhandlungen auf eine andere Art zu ermitteln ist als die Konfliktstruktur der Verhandlungen des Ministerrates. Die Präferenzpositionen der nationalen Akteure können jeweils nur für einen Kommissionsvorschlag statistisch untersucht werden.

Um die Konfliktstrukturen auf nationaler Ebene mit denen innerhalb des Ministerrates zu vergleichen, werden abschließend die Akteurs- und Interessenkonstellationen der einzelnen Vorschläge aus DEU und NDEU einander direkt gegenübergestellt.

Für die statistischen Analysen kommen hier nur CATPCA und MDS in Frage. Die CATPCA ist aufgrund der kleinen Fallzahlen das am besten geeignete Verfahren. Dagegen ist die Berechnung von MDS-Modellen für die einzelnen Kommissionsvorschläge nur eingeschränkt möglich. Da zur zuverlässigen Interpretation der Stress-Werte die Anzahl der Objekte (hier Akteursgruppen) mindestens vier mal größer sein muss als die Anzahl der Dimensionen, sind für eine eindimensionale Repräsentation mindestens fünf Akteure erforderlich. Um die Zahl der Akteure zu erhöhen, wurden die an den Verhandlungen beteiligten Ministerien einzeln aufgenommen. Dennoch lassen sich nur eindimensionale Modelle sinnvoll berechnen. Dies ist bei der Interpretation zu berücksichtigen. Die Auswertung beruht auf den Stress-Werten und der erklärten Varianz der Modelle der CATPCA. Auch die inhaltliche Interpretation erfolgt in einer Gesamtbetrachtung der Ergebnisse aus CATPCA und MDS.

Die CATPCA und MDS wurden für den NDEU mit den gleichen Optionen berechnet wie bei den Analysen des DEU beschrieben. Tabelle 5.9 zeigt den Anteil der durch die erste Hauptkomponente erklärten Varianz für die zweidimensionalen CATPCA-Modelle.

Tabelle 5.9 NDEU: erklärte Varianz (CATPCA), S-Stress(1), Stress1 und RSQ (MDS)

Kommissions-vorschlag

CATPCA, 2D-Modell erklärte Varianz Cronbachs (D1) in Prozent Alpha, D1

eindimensionale MDS S-Stress(1) Stress1 RSQ

Deutschland 98295 71.68 0.921 ** ** **

98546 61.63 0.875 0.1723 0.1842 0.8370

98586 78.75 0.946 0.1015 0.1092 0.9649

99348 89.41 0.976 0.0053 0.0083 0.9997

99577 100.00* 1.000* 0.0000 0.0000 1.0000

Niederlande 98461 95.37 0.990 ** ** **

98546 91.49 0.990 0.0017 0.0009 1.0000

99130 75.03 0.952 0.0511 0.0768 0.9791

99566 86.98 0.970 0.0043 0.0037 1.0000

99577 87.85 0.972 0.0133 0.0562 0.9886

Finnland 98546 83.30 0.960 ** ** **

99577 100.00* 1.000* 0.0000 0.0000 1.0000

Großbritannien 98295 85.16 0.981 ** ** **

Distanzmaß: Euklidische Distanz

S-Stress(1) nach TAKANE/YOUNG/DE LEEUW (1977); Stress1 nach KRUSKAL (1964)

* nur eindimensionale Repräsentation möglich

** MDS nicht sinnvoll

Setzt man den Grenzwert der insgesamt durch ein Modell zu erklärenden Varianz auf 80 Prozent (z.B. DUNTEMAN 1989: 23), so wird dieser (allerdings willkürliche) Wert in neun von 13 Fällen bereits mit der ersten Dimension erreicht. In zwei Fällen ließ sich mit der CATPCA nur ein eindimensionales Modell berechnen. Beim größten Teil der untersuchten Themen würde man somit einen eindimensionalen Verhandlungs- und Konfliktraum annehmen.

Wie ein Vergleich mit den Gütemaßen der eindimensionalen MDS in der Tabelle zeigt, sind für jene Vorschläge, bei denen die erste Hauptkomponente mehr als 80 Prozent der Varianz erklärt, auch die Stress-Werte sehr niedrig. Allerdings können diese Werte zunächst nur als Anhaltspunkt dienen, da besonders bei sehr geringen Stress-Werten (0.01 oder weniger) die Gefahr einer degenerierten Lösung besteht.

Aus diesem Grund müssen auch die Shepard-Diagramme der MDS-Lösungen berücksichtigt werden. Sie illustrieren in den meisten Fällen eine recht gute Übertragung der Beobachtungen in Disparitäten und Distanzen. Die Diagramme zeigen keine treppenförmigen Stufen, weisen also nicht auf degenerierte Lösungen hin. Einzig für den Vorschlag D-98546 liegt eine äußerst mangelhafte Wiedergabe der Präferenzwerte im eindimensionalen Modell vor. Hier weist bereits der hohe Stress-Wert auf einen mehrdimensionalen Konfliktraum hin.

Die eindimensionale Repräsentation der Konfliktstrukturen der niederländischen

Verhandlungen enthält ebenfalls kleinere Schwächen; der größte Teil der MDS-Distanzen bildet jedoch die beobachteten Distanzen in einer monotonen Beziehung ab.

Die inhaltliche Interpretation der Dimensionen erfolgt für den NDEU eng entlang der konkreten Gesetzesvorschläge. Tabelle A-20 führt die untersuchten Kommissionsvorschläge und den Inhalt der einzelnen Themen für die vier MS auf, die graphischen Repräsentationen der Analysen finden sich unter A-21.

5.2.1 Deutschland

Zur Analyse der Vorverhandlungen in Deutschland konnten fünf Kommissionsvorschläge untersucht werden. Die Konfliktlinien bei der Besteuerung von Zinseinkommen (D-98295) lassen sich mit gut 70 Prozent auf einer Dimension abbilden.

Diese Dimension unterscheidet die extremen Präferenzen des Finanzministeriums und der privaten Akteure bezüglich einer staatlichen Kontrolle der Spareinkommen. Das Finanzministerium befürwortet die Einführung von Kontrollmitteilungen, die Vertreter der Banken und Steuerzahler sind dagegen, fordern weniger Regulierung.

Die Präferenzverteilung beim dritten Thema, der Priorität der verwaltungstechnischen Durchsetzbarkeit, lässt sich jedoch nicht auf der Regulierungsdimension abbilden. Der Staat (Finanzausschuss des Parlaments und staatliche Aufsichtsbehörde) hält die Frage für weniger wichtig als das Finanzministerium und die privaten Akteure. Dieser Konflikt ist möglicherweise auf die direkte Betroffenheit und die damit verbundenen administrativen Kosten für die Akteure zurückzuführen.

Von allen untersuchten Vorschlägen wird mit einer einzigen Dimension bei D-98546 der geringste Varianzanteil erklärt. Die „Verordnung zum Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen und konzertierter Praktiken“ war in Deutschland unter den beteiligten Akteuren sehr umstritten. Es zeichnet sich zum einen ein Konflikt ab zwischen der Öl- und Versicherungsindustrie sowie der Vertretung der Arbeitgeber auf der einen Seite und dem Berufsverband der Handelsvertreter auf der anderen Seite. Dabei geht es um die Verteilung wirtschaftlicher Risiken zwischen Vertragspartnern bei Franchising-Verträgen (z.B. zwischen Tankstellenbetreibern und Ölgesellschaften). Ein Regulierungskonflikt besteht dagegen zwischen dem Parlament und den übrigen Akteuren; Industrie und Berufsverbände fordern zusammen mit dem Wirtschaftsministerium eine stärkere Regulierung zur Vergrößerung der Rechtssicherheit, während das Parlament eine liberale Position einnimmt und die Entbürokratisierung favorisiert. Auch aufgrund der Ergebnisse des alternativen MDS-Verfahrens kann hier keine eindimensionale Konfliktstruktur vermutet werden. Für das

eindimensionale MDS-Modell nimmt Stress sehr hohe Werte an, die Shepard-Diagramme bestätigen die schlechte Anpassung.

Auch die „Richtlinie zur Regelung des elektronischen Handels in der EU“ (D-98586) war in Deutschland sehr umstritten. Die Ergebnisse von CATPCA und MDS sind in Hinblick auf die Dimensionalität nicht eindeutig. Nach Betrachtung der zugrunde liegenden Präferenzdaten und wegen des annehmbaren Stress1-Wertes der MDS erscheint jedoch eine eindimensionale Repräsentation akzeptabel. Demnach liegen den Konflikten wieder unterschiedliche Positionen auf einer Regulierungsdimension zugrunde. Die Arbeitnehmervertretung (IG Medien) nimmt die liberale Extremposition ein (Anwendung des Rechts des Herkunftslandes für Dienstleister, Haftung der Urheber statt der Internetprovider, weiter Anwendungsbereich der Richtlinie).

Mit dem Herkunftslandprinzip werden die Internetdienstleister im Binnenmarkt geschützt, weshalb die Position weitgehend auch von den Berufsverbänden der Banken sowie Zeitungs- und Zeitschriftenverlegen vertreten wird. Innerhalb der Akteursgruppe der Berufsverbände bestehen allerdings auch starke Regulierungspräferenzen (v.a. des Verbands der Freien Berufe und beim Thema Ausnahmen für einzelne Branchen), so dass die liberale Position der Akteursgruppe in der Abbildung die Präferenzen nicht adäquat wiedergibt. Die Ministerien, besonders das Bundesgesundheitsministerium, befürworten insgesamt eine starke Regulierung; die Arbeitgeber nehmen eine Mittelposition ein, da sie in Haftungsfragen (Thema 2) ebenfalls zu einer stärkeren Regulierung tendieren.

Ähnliche Themen wurden anlässlich der Überarbeitung der „Brüssel/Lugano-Konvention zur Zusammenarbeit der MS in der Zivil- und Handelsgerichtsbarkeit“ (D-99348) diskutiert. Mit der eindimensionalen Repräsentation der CATPCA werden fast 90 Prozent der Varianz erklärt, auch das MDS-Modell besitzt einen sehr guten Fit. Die Konfliktlinie verläuft bei diesem Vorschlag v.a. zwischen den Vertretern von Verbraucherschutzinteressen (Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände) und den Vertretern der Arbeitgeber bzw. der Freien und Medienberufe.

Die Verbraucherschützer fordern eine Festlegung auf das Herkunftslandprinzip für die Gerichtszuständigkeit und die Haftung der Anbieter von Dienstleistungen im Internet. Die Positionen der federführenden Ministerien unterscheiden sich: das Wirtschaftsministerium liegt nahe an Arbeitgebern und Berufsverbänden, das Justizministerium nimmt eine mittlere Position ein.

Die Verhandlungspositionen zum Vorschlag D-99577 (Richtlinie zum Verbot von gefährlichen Substanzen in Kinderspielzeug) können mit der CATPCA nur eindimensional

abgebildet werden, da die Akteure zu jedem Thema jeweils die gleichen Positionen auf der Skala vertreten. Die MDS-Repräsentation dazu ist praktisch identisch. Die Herstellerverbände (Industrie) nehmen die liberale Extremposition ein. Demnach sollen nur wenige der giftigen Phthalate verboten werden. Die Hersteller sind außerdem gegen ein Verbot von Spielzeugen, die Phthalate enthalten, sowohl wenn sie dazu bestimmt sind von Kindern in den Mund genommen zu werden als auch wenn sie dazu nicht bestimmt sind, aber trotzdem in den Mund genommen werden könnten. Die Handelsverbände (Arbeitgeber) besetzen die Mittelposition, während die übrigen Akteure (Verbraucher- und Umweltverbände, die beteiligten Ministerien sowie Parlament und Bundesländer) sehr restriktive Präferenzen haben.

Hier liegt wiederum die bereits bekannte Regulierungsdimension vor, die durch Verbraucherschutzmotive und wirtschaftliche Interessen bestimmt wird. Dabei nehmen auch das Wirtschafts- und Arbeitsministerium verbraucherfreundliche Positionen ein und vertreten nicht die wirtschaftlichen Interessen ihrer Klientel.

5.2.2 Niederlande

Zur Analyse der nationalen Vorverhandlungen in den Niederlanden kommen ebenfalls fünf Kommissionsvorschläge in Frage. NL-98461 zur Überwachung von elektronischen Geldinstituten gehörte dabei in den Niederlanden zu den weniger wichtigen und kaum umstrittenen Gesetzesvorhaben der Kommission. So waren daran auch nur drei Akteursgruppen beteiligt: Staat (Zentralbank), Ministerien (Finanz- und Wirtschaftsministerium) und Berufsverbände (niederländische und europäische Banken).

Die erste Dimension der CATPCA erklärt mehr als 95 Prozent der Varianz in den Positionen und trennt klar zwischen den protektionistischen Forderungen der Bankenvertreter und der liberalen Position der Ministerien. Deren liberale Haltung verlangt, auch anderen Institutionen als Banken die Ausgabe von E-Money (z.B. Chipkarten) zu erlauben, den Anwendungsbereich der Richtlinie insgesamt zu beschränken und auch die Anwendung der zweiten Bankenrichtlinie zu begrenzen. Die Zentralbank besetzt mit Präferenzen eher in Nähe der Ministerien eine mittlere Position.

Auch in den Niederlanden war die „Verordnung zum Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen und konzertierter Praktiken“ (NL-98546) unter den beteiligten Akteuren umstritten. Den Verhandlungen in Deutschland lag mehr als eine Dimension zugrunde, in den Niederlanden gelingt die Erklärung von über 90 Prozent der Varianz mit einer einzigen Konfliktlinie. Im Wesentlichen stehen sich dabei die staatliche Wettbewerbsbehörde und das Wirtschaftsministerium auf der einen sowie Industrie und

Arbeitgeber auf der anderen Seite gegenüber. Die Akteure der Wirtschaft befürworten einen hohen Schwellenwert, unter dem Absprachen nicht von der Kommission geprüft werden sollen, sie verlangen eine Reihe von Ausnahmeregelungen, eine lange Übergangsfrist sowie die Beibehaltung bereits genehmigter Ausnahmen (block exemptions).

Insgesamt besteht wieder ein Konflikt zwischen einer sehr liberalen und einer interventionistischen, wirtschaftslenkenden Position. Im Gegensatz zur E-Money-Richtlinie (NL-98461) wird hier jedoch die liberale Haltung von der Wirtschaft eingenommen. Eine Ausnahme stellen die kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) dar. Deren Präferenzen liegen denen der staatlichen Akteure dann näher, wenn eine marktbeschränkende Regelung ihren protektionistischen Interessen entspricht, wie z.B. ein geringer Schwellenwert beim Marktanteil. Anders als in Deutschland besteht in den Niederlanden keine Übereinstimmung der Präferenzpositionen von Industrie und Wirtschaftsministerium.

Für die niederländischen Vorverhandlungen um eine „Verordnung über Grenzwerte für Rückstände von Tiermedikamenten in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs“ (NL-99130) erscheint eine eindimensionale Abbildung der Konflikte wenig angemessen. Die erste Dimension der CATPCA erklärt rund 75 Prozent der Varianz, die Shepard-Diagramme der eindimensionalen MDS weisen trotz geringer Stress-Werte auf eine schlechte Repräsentation der mittleren Distanzwerte hin.

Vier der strittigen Themen können sehr gut auf einer Dimension abgebildet werden.

Dabei geht es um Verantwortung und Verpflichtungen der Pharmaindustrie und Veterinäre betreffend den Mangel an speziellen Tiermedikamenten, die Prävention von Medikamentenmissbrauch und die Bereitstellung von Daten über die Sicherheit von Tiermedikamenten. Die nicht-staatlichen Forschungsinstitute sehen die Verantwortung bei Industrie und Tierärzten, die Positionen des Landwirtschafts- und Gesundheitsministeriums sowie der staatlichen Agenturen sind ihnen nahe.

Mit dem fünften Thema zieht sich jedoch eine weitere Konfliktlinie durch die Präferenzen der nationalen Akteursgruppen: Die Forschungsinstitute und die beiden Ministerien sind in ihrer Auffassung über die Notwendigkeit einer Überprüfung von Nahrungsmitteln auf Rückstände aus Tiermedikamenten gespalten, staatliche und Wirtschaftsakteure nehmen eine mittlere Position ein. Bei diesem Kommissionsvorschlag verhalten sich die niederländischen Ministerien durchgehend als gesellschaftliche Regulierer, die eine verbraucherfreundliche Position vertreten.

Der Kommissionsvorschlag zur Bekämpfung von Diskriminierung am Arbeitsplatz (NL-99566) führte in den Niederlanden nicht zu kontroversen Diskussionen, da die

Interessengruppen bereits vor dem Entwurf durch die EU-Kommission konsultiert worden waren. Bei den diskutierten Themen geht es lediglich darum, ob einzelne Diskriminierungstatbestände in den Text der Richtlinie aufgenommen werden sollen. Diese Konfliktlinie lässt sich eindimensional angemessen abbilden.

Eine Extremposition wird von den Arbeitgebervertretern, die andere von den Arbeitnehmervertretern besetzt. Gewerkschaften, Frauenvereinigung und der Verband älterer Menschen befürworten jeweils die besondere Erwähnung ihrer Anliegen (Behinderungen, Frauenrechte und Alter), der Arbeitgeberverband lehnt dies ab. Die staatlichen Gremien gegen Diskriminierung unterstützen die Position der Arbeitnehmer. Ebenso Sozial-, Bildungs-, Innen- und Justizministerium, die sich lediglich gegen die Aufnahme der Frauenrechte in die Richtlinie aussprechen. Somit lässt sich auch die Frage einer staatlichen Regulierung von Arbeitsverhältnissen weitgehend auf der traditionellen Links/Rechts-Dimension abbilden.

Die Konfliktstruktur der Verhandlungen zum Vorschlag einer „Richtlinie zum Verbot von gefährlichen Substanzen in Kinderspielzeug“ (NL-99577) kann auch in den Niederlanden als eindimensional betrachtet werden; die erste Dimension erklärt beinahe 90 Prozent der Varianz. Der Stress1-Wert der eindimensionalen MDS-Repräsentation deutet auf eine gute Anpassung hin, in den Shepard-Diagrammen zeigt sich lediglich ein Ausreißer bei der Umsetzung von Beobachtungen in Disparitäten und Distanzen.

Der ökologisch motivierten extremen Regulierungsposition des Umweltakteurs Greenpeace stehen das niederländische Parlament und das Umweltministerium am nächsten.

Die entgegengesetzte Extremposition wird von Industrie (PVC- und Spielzeugindustrie) sowie Gesundheitsministerium besetzt. Diese Akteure erachten weder die Datenlage als ausreichend für ein Verbot, noch befürworten sie die Untersuchung von Phthalatemissionen. Die Position der Verbraucherverbände liegt zwischen den übrigen Akteuren. Über alle Vorschläge erscheint insgesamt ein eindimensionaler, durch die Links/Rechts-Dimension strukturierter Konfliktraum, als angemessen für die niederländischen Vorverhandlungen zur Rechtsetzung durch die EU.

5.2.3 Finnland

Bei den untersuchten Vorschlägen der Vorverhandlungen in Finnland lassen sich die Konflikte ebenfalls auf der klassischen Regulierungsdimension darstellen. In der Diskussion um das Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen und konzertierter Praktiken (Art. 81 Abs. 3 EGV; FIN-98546) erklärt sie den größten Teil der Varianz. Industrie und Arbeitgeber stehen dabei den staatlichen Regulierungsbehörden gegenüber, das Wirtschaftsministerium

nimmt traditionell in Finnland eine industrienahe und vermittelnde Position ein. Die Industrievertreter befürworten schwache Beschränkungen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit und eine Reihe von Ausnahmeregelungen.

Die Konfliktlinie in der Diskussion um Phthalate in Spielzeugen (FIN-99577) kann auf dieser einen Dimension perfekt abgebildet werden. Die sehr gute Modellanpassung beruht auf der geringen Umstrittenheit des Vorschlags in Finnland. Alle Interessengruppen und staatlichen Akteure waren sich darin einig „to keep things as they were“ (WELTIN o.J.: 20).

Die abweichende Position des Umweltverbandes (Greenpeace Brüssel) beruht auf der Forderung eines weitgehenderen Verbotes von Phthalaten und damit einer stärkeren und weitgehenderen staatlichen Intervention und Regulierung im ökologischen Bereich, mit Auswirkungen auf die wirtschaftliche Betätigung der Kunststoff- und Chemieindustrie sowie der Spielzeugimporteure (Arbeitnehmer und Industrie).

5.2.4 Großbritannien

Der Vorschlag zur Besteuerung von Zinseinkommen (GB-98295) wurde in Großbritannien in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Alle Interessenvertreter aus Parteien, parlamentarischen Ausschüssen, Behörden, Industrie und Berufsverbänden waren sich jedoch einig in ihrer Ablehnung einer Zinsbesteuerung für Ausländer. Die Gegenposition wurde in den nationalen Verhandlungen durch die EU-Kommission vertreten. Die Kommission befürwortete eine große Reichweite der Regelung (für bestimmte Anlageformen und bereits vorhandene Wertpapiere) sowie ein System von Kontrollmitteilungen mit gleichzeitiger Erhebung der Quellensteuer. Im Gegensatz zu den übrigen Akteuren lehnte sie Abkommen mit Drittstaaten (Steueroasen wie die britischen Kanalinseln) als Voraussetzung für eine Verabschiedung der Richtlinie ab. Alle nationalen Interessenvertreter nehmen eine protektionistische Position ein, die EU-Kommission möchte dagegen die Öffnung und Liberalisierung auch der Finanzmärkte durchsetzen. Diese Konfliktlinie erklärt rund 85 Prozent der Varianz.

Nur auf der zweiten, schwächeren Konfliktdimension unterscheiden sich auch die britischen Präferenzpositionen voneinander. Es geht um die Frage, ob es der Regierung gelingen würde, in Brüssel eine Lösung auszuhandeln, die für den Finanzstandort London tragbar wäre. Dieser Konflikt verläuft zwischen der Regierung (Labour und liberaldemokratische Partei, parlamentarische Ausschüsse, Behörden) auf der einen sowie der konservativen Partei und den Berufsverbänden und Arbeitgebern auf der anderen Seite. Damit spiegelt er möglicherweise die grundsätzliche Haltung von Regierung bzw. Opposition und

Finanzwirtschaft gegenüber einer Integration im Bereich des Steuerrechts wider. Die Gegner verlangten von der Regierung das öffentliche Versprechen, die Richtlinie zu blockieren, während sich die Regierung in Brüssel um die Aushandlung eines möglichst vorteilhaften Kompromisses bemühte.