• Keine Ergebnisse gefunden

5. Analysen und Diskussion der Ergebnisse

5.1 DEU: Konfliktdimensionen im Ministerrat .1 Hauptkomponentenanalyse .1 Hauptkomponentenanalyse

5.1.1.2 Kontrollanalysen und Sensitivitätstests

Kontrollanalysen für die Entscheidungsverfahren und Abstimmungsregeln sollten zu ähnlichen Ergebnissen führen wie für den gesamten Datensatz und eventuelle Unterschiede müssen theoretisch erklärbar sein. Da die Fallzahlen bei den Kontrollanalysen noch geringer sind als beim gesamten DEU, erfordert die Interpretation möglicher Abweichungen einige Vorsicht. Tabelle 5.1 enthält eine Übersicht über die Kontrollanalysen mit Fallzahlen, erklärter Varianz und der möglichen Anzahl der Hauptkomponenten; die graphischen Darstellungen finden sich unter A-8.

Tabelle 5.1 PCA: erklärte Varianz und Anzahl der Dimensionen für (Kontroll-)Analysen des DEU

erklärte Varianz in Prozent (kumuliert) Anzahl der Hauptkomponenten

Fall-zahlen

D1 D2 D3 D4 Kaisers

Kriterium

Scree-Test

DEU 143-170 39.78 59.85 66.51 72.31 2 3

DEU-imp 159 39.37 59.31 65.84 71.69 2 3

Anhörung* 88 43.56 65.98 72.57 76.82 2 3-4

Mitent-scheidung*

71 33.96 54.50 64.01 71.16 4 3

QMV* 109 35.55 58.26 65.92 72.76 4 3

Einstim-migkeit*

50 50.52 64.27 72.45 78.50 3 2-3

* für DEU-imp

Die Anzahl der Dimensionen ist für die Kontrollen des DEU-imp durch Kaisers Kriterium und Scree-Test nicht eindeutig festgelegt. Zudem gibt es leichte Unterschiede zu den Ergebnissen des DEU ohne Imputationen41. Ein „Südfaktor“ bleibt in allen Analysen erhalten. Die Präferenzprofile der nördlichen MS werden dagegen ausschließlich unter Anhörung auf nur einer Hauptkomponenten abgebildet. Unter Mitentscheidung lassen sich die skandinavischen MS plus Österreich und Deutschland von Großbritannien, Irland und den Niederlanden unterscheiden. Bei Entscheidungen mit QM stehen auf einer Dimension die Niederlande, Belgien und Luxemburg den anderen MS gegenüber.

Für einen ersten Erklärungsversuch drängen sich die bekannten Typisierungen der EU-MS auf (z.B. HOSLI 1996: 260f.): Es stehen die südlichen „Protektionisten“ gegen die Freihändler; die Skandinavier und die Deutschen nehmen gemeinsame Positionen in den Bereichen Sozialstaat, Umweltpolitik und Verbraucherschutz ein; die „supranationalen“ MS Belgien, Niederlande und Luxemburg stehen den europaskeptischen Skandinaviern und Briten gegenüber.

41 Im Text werden die Resultate der Analysen des DEU-imp dargestellt, da ohne Imputationen die Fallzahlen noch einmal deutlich geringer sind.

Unter Einstimmigkeit wird dieses Muster aufgebrochen. Die südlichen MS bilden keinen monolithischen Block mehr. Auf der dritten Dimension stehen Griechenland, Portugal und Irland hauptsächlich Deutschland gegenüber, während die übrigen MS eine Mittelposition einnehmen.

Diese Resultate bleiben auch nach der Elimination einzelner Variablen in einer Reihe von Sensitivitätsanalysen weitgehend stabil42. Um festzustellen, ob die dreidimensionalen Lösungen und die Unterschiede zwischen den nördlichen MS tatsächlich stabil sind, wurden die südlichen MS vollständig ausgeschlossen. Sowohl nach Kaisers Kriterium als auch nach dem Scree-Test werden DEU und DEU-imp in einer zweidimensionalen Lösung repräsentiert.

Eine Achse wird durch Schweden, Dänemark, Großbritannien und die Niederlande dominiert, die andere durch Österreich, Deutschland und Luxemburg. Diese Ergebnisse weisen auf bedeutsame Unterschiede zwischen den nördlichen MS hin, besonders zwischen den beiden

„Großen“ Deutschland und GB.

Die Stabilität einer vierten Dimension ist dagegen zweifelhaft. Zwar wurde die Varianz der Niederlande in den dreidimensionalen Modellen eher schlecht erfasst (niedrige Kommunalität), auf der anderen Seite steht jedoch die Frage der generellen Interpretierbarkeit einer Dimension und das Postulat der Sparsamkeit. Besonders bei der Interpretation der Kontrollanalysen müssen auch die geringen Fallzahlen berücksichtigt werden. Nach Abwägung erscheint eine dreidimensionale Lösung insgesamt sinnvoll, gestützt durch die Scree-Tests43.

5.1.1.3 Diskussion

Der folgende Abschnitt versucht eine inhaltliche Interpretation der Resultate und den Rückbezug auf die aufgestellten Hypothesen. Zunächst einmal scheinen Abstimmungsregeln und Entscheidungsverfahren einen Unterschied für die Konfliktstrukturen im Ministerrat zu machen. Unter Mitentscheidung und QM brechen zusätzliche Konfliktlinien zwischen den nördlichen MS auf, die unter Anhörung oder Einstimmigkeit nicht oder nur schwächer vorhanden sind. Diese Konfliktlinien liegen besonders zwischen Großbritannien und den Niederlanden auf der einen sowie Deutschland und Österreich auf der anderen Seite. Auch die durch die Achsen erklärte Varianz ist geringer als unter Anhörung und Einstimmigkeit.

42 Es wurden jeweils etwa jene 10 bis 20 Prozent der MS aus den Analysen ausgeschlossen, deren Varianz durch die extrahierten Hauptachsen besonders gut erklärt wurde.

43 Bei der PCA unterschätzt Kaisers Kriterium häufig die Anzahl der Hauptkomponenten (SCHNELL 1994:

165).

Die Analyse der Präferenzen unter Einstimmigkeit trennt klar zwischen den größten Nettoempfängern und Nettozahlern der EU. Für die Präferenzstrukturen unter Einstimmigkeit gilt der Zusammenhang aus H3. Der Zusammenhang zeigt sich hier besonders deutlich, weil die Gesetzgebung unter Einstimmigkeit meist mit hohen Kosten verbunden ist (CARRUBBA/VOLDEN 2001).

Daneben befinden sich Deutschland und Großbritannien in einer isolierten Position.

Die empirische Evidenz deutet darauf hin, dass diese beiden großen MS häufig gegen die Mehrheit abstimmen (allerdings so gut wie nie gemeinsam) und bei Abstimmungen mit QM eher überstimmt werden (MATTILA/LANE 2001: 45).

Im Gegensatz dazu wird Luxemburg, das als kleinster MS mit nur zwei Stimmen bei Abstimmungen mit QM nie entscheidend sein kann, nur dann eine Gegenposition einnehmen, wenn ein Thema für Luxemburg sehr wichtig ist und/oder einstimmig zu entscheiden ist. So werden die Mittelpositionen auf beinahe allen Hauptkomponenten und die hohe Anzahl fehlender Werte für Luxemburg im DEU verständlich.

Die Resultate der PCA weisen insgesamt einige deutliche Übereinstimmungen mit H3 auf. Die „Südachse“ wird von jenen MS gebildet, die Nettoempfänger von Subventionen aus Agrarfonds und/oder Strukturfonds sind oder nur einen relativ geringen Beitrag leisten.

Hierzu zählen Irland, Spanien, Griechenland, Portugal, Frankreich, Italien und auch Dänemark. Hohe Beiträge leisten dagegen Großbritannien, Deutschland, Luxemburg, Österreich, Belgien, Schweden und die Niederlande. Diese zweite Gruppe zeigt sich in den Analyseergebnissen allerdings weit weniger kohärent als die erste.

Erstens stimmen die Dänen in ihrer Präferenzstruktur nicht mit den Empfängerstaaten überein, obwohl sie hohe Subventionszahlungen erhalten und nur wenig in den EU-Haushalt einzahlen. Ihre Zustimmung zu vielen Gesetzesvorschlägen muss erkauft werden. Dennoch zeigen sie nur eine geringe Bereitschaft zu einer stärkeren Ausweitung von Ausgaben, präferieren ähnliche Politiken wie die anderen skandinavischen Staaten sowie Großbritannien und die Niederlande.

Zweitens ähnelt das Präferenzmuster der Finnen dem der Dänen, obwohl sie in der Reihe der Subventionsempfänger eine Mittelposition einnehmen. Für dieses Puzzle wurde das Argument der „kulturellen Verbundenheit“44 bestimmter Gruppen von MS angeführt (BEYERS/DIERICKX 1998; ELGSTRÖM et al. 2001). Das Verhalten der Finnen lässt sich

44 gemeinsame Sprache, Tradition der Kooperation, geographische Lage

in diesem Fall auch mit ihrem Ansinnen erklären, „gute Europäer“ zu sein und möglichst keine Extrempositionen einzunehmen45.

Drittens deutet gerade diese Argumentation auf einen Interessenkonflikt der Iren hin:

auf der einen Seite steht die finanzielle Verbundenheit Irlands mit den südlichen Subventionsempfängern, auf der anderen seine angelsächsische Kultur und seine konstitutionellen, rechtlichen und staatlichen Traditionen.

Zwar erlauben die Ergebnisse der PCA in dieser Form keinen direkten Hypothesentest, sie zeigen aber dennoch eingeschränkte Evidenz für H1, die einen Einfluss der Links/Rechts-Position der Regierungen der MS auf ihre Präferenzkonstellationen postuliert. Die „Südachse“

wird weitgehend von jenen MS dominiert, die Regierungen mit den stärksten Linkspositionen hatten. Ausreißer stellen hier die italienische Regierung dar, deren Position eher rechts war sowie die Regierung von Luxemburg, die auf der Links/Rechts-Skala am weitesten links einzuordnen war46.

Leitet man die Präferenzen der Regierungen der MS aus ihren Links/Rechts-Positionen ab, so kann die Achse mit hohen Ladungen für die südlichen MS in allen Analysen als Regulierungsdimension interpretiert werden, wobei linke Regierungen mehr Regulierung auf EU-Ebene präferieren. Am anderen Ende der Achse liegen keine MS mit rechten Regierungen, schon deshalb weil für den Untersuchungszeitraum nur in Österreich die Regierung (ab Februar 2000) als deutlich rechts einzustufen war. Diese Variable differenziert also nicht stark genug zwischen den MS.

Insgesamt ergibt die PCA recht robuste Ergebnisse mit einer deutlichen Nord/Süd-Spaltung. Abweichende Resultate der Kontrollanalysen können nur unter Vorbehalt angenommen werden, da die Fallzahlen für eine PCA als sehr gering einzustufen sind. Der Vergleich mit den von SELCK/STEUNENBERG (2003) am DEU durchgeführten PCAs zeigt nur leichte Unterschiede. SELCK/STEUNENBERG haben für fehlende Werte jeweils die Kommissionsposition angenommen und die Positionen von Kommission und EP mit einbezogen. Für beide Entscheidungsverfahren finden sie jeweils drei Hauptkomponenten; die Konfliktstruktur unter den MS ist der hier beschriebenen sehr ähnlich.

Ein Nachteil der PCA ist das Fehlen eines externen Kriteriums, mit dem die Lösung getestet werden kann (TABACHNICK/FIDELL 1996: 636). Da außerdem nicht erkennbar ist, auf welchen Themen (Fällen) und Präferenzkonstellationen die relevanten Dimensionen

45 Quelle: Bericht zum DEU, Report on Commission proposal COM (1999)617 / COD 1999/0252

46 Da aber die Regierung Luxemburgs von einer großen Koalition aus Christdemokraten und Sozialisten gebildet wird, kann damit die mittlere Position Luxemburgs bei Regulierungsthemen gerechtfertigt werden.

beruhen, kann eine inhaltliche Interpretation der Dimensionen aus den Analyseergebnissen selbst erst im folgenden Kapitel anhand der CATPCA erfolgen.

5.1.2 Kategoriale Hauptkomponentenanalyse