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Herstellung der Durchgängigkeit gemäß Wasserrahmenrichtli-nie vs. Schutz von Stein- und Dohlenkrebs

Nordamerikanische Flusskrebsarten wie der Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus) und der Kamberkrebs (Faxonius limosus) verbreiten eine für einheimische Krebse immer tödlich ver-laufende Krankheit, die Krebspest (Aphanomyces astaci). Ein Zusammentreffen einzelner Exemplare beider Arten kann dabei zu epidemischen Massensterben führen, welche zusam-menhängende Bestände heimischer Flusskrebse innerhalb kurzer Zeit (Monate) auslöschen.

Der Signalkrebs wurde bereits in der Elz zwischen Kollmarsreute und Bleibach nachgewiesen und breitet sich aktuell weiter aus (Günter 2017). Über einen Elz-Glotter-Verbindungskanal, das „Lossele“, kann die Art aktuell ungehindert in die Glotter einwandern. Es ist sogar vorstell-bar, dass diese Besiedlung bereits stattgefunden hat. Um die Ausbreitung des Signalkrebses in Oberlaufgewässer zu unterbinden bleibt derzeit nur der Bau von Krebssperren, die für aus den Unterläufen aufsteigende Tiere unüberwindbar sein müssen (Günter & Pfeiffer 2018).

Auch bestehende Querbauwerke können als Krebssperren wirken. Krebssperren sind aller-dings für viele Fische, insbesondere für die schwimmschwache Groppe und das Bachneun-auge, bachaufwärts nicht passierbar. In diesem Zusammenhang sei auf den Krebspestaus-bruch im März 2019 an der Brugga hingewiesen (vgl. Kap. 3.4.4)

Im Rahmen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) werden aktuell zahlreiche Gewässer (wieder) für die Fische durchgängig gestaltet. Insofern steht das Belassen oder die Errichtung von Krebssperren den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie scheinbar entgegen. Tat-sächlich wird durch die Richtlinie allerdings eine Bewirtschaftungsform vorgeschrieben, mit welcher ein guter ökologischer und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht wer-den kann (WRRL 2000).

Sofern durch Krebssperren keine Beeinträchtigung des ökologischen Zustands, insbeson-dere der biologischen Qualitätskomponenten, erfolgt, besteht nicht notwendigerweise ein Wi-derspruch zur WRRL. Dies ist häufig dann der Fall, wenn es sich um Abgrenzungen einzel-ner (Neben-)Bäche der oberen Forellenregion handelt, was auf fast alle Krebsbäche im FFH-Gebiet zutrifft. Negative Auswirkungen auf die Fischfauna halten sich dort in Grenzen und können im Einzelfall zugunsten des Schutzes heimischer Krebsbestände vertreten werden.

Dennoch können sich Zielkonflikte ergeben (auch zur Entwicklung anderer FFH-Arten wie den Lachs), weshalb immer eine Einzelfallbetrachtung erforderlich ist – die FFH-RL und WRRL sind dabei als EU-Richtlinien gleichgestellt.

Prioritär ist zunächst die Entwicklung eines Maßnahmenkonzepts zum Schutz der landes- und deutschlandweit einzigartigen Dohlen- und Steinkrebsbestände im FFH-Gebiet unter Einbe-ziehung aller beteiligten Fachbehörden (Naturschutz, Fischerei und Wasserwirtschaft sowie Fischereiforschungsstelle). Aufgrund der herausragenden Bedeutung dieser Bestände sowie deren unmittelbare Gefährdung durch invasive Krebsarten und die Krebspest, wird vorerst auf eine Maßnahmenempfehlung zur Entfernung von Querbauwerken verzichtet.

Waldbewirtschaftung und Pflege von Offenland-Lebensraumty-pen im Überschneidungsbereich mit dem VSG Mittlerer

Schwarzwald

In den nordöstlichen Teilgebieten (Kandelgipfel, Kandelwald; Schindelbergwiesen) über-schneidet sich das FFH-Gebiet mit dem Vogelschutzgebiet „Mittlerer Schwarzwald“. Ein Ma-nagementplan für das Vogelschutzgebiet liegt noch nicht vor. Jedoch wurden in der Verord-nung des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum zur Festlegung von Europäischen Vogelschutzgebieten (VSG-VO) vom 5. Februar 2010 gebietsbezogene Erhaltungsziele für die vorkommenden Vogelarten festgelegt.

Insbesondere von Auerhuhn (Tetrao urogallus) und Ringdrossel (Turdus torquatus) sind be-deutende Vorkommen im Überschneidungsbereich beider Natura 2000-Gebiete bekannt. Be-troffener Wald-Lebensraumtyp ist im Wesentlichen der Hainsimsen-Buchenwald [9110]. Die hier vorgesehene Naturnahe Waldwirtschaft (Kapitel 6.2.1) erfüllt die Lebensraumansprüche dieser beiden Arten des Vogelschutzgebiets nur teilweise, da sie zwar verhältnismäßig struk-turreiche Waldbestände schafft, größere Auflichtungen aber fehlen. Die Bestände der genann-ten Argenann-ten befinden sich landesweit in starkem Rückgang. So kann es erforderlich sein, zusätz-liche Anforderungen bei der Maßnahmenumsetzung zu beachten, um zum Beispiel größere Auflichtungen oder strukturreiche Wald(innen)ränder zu schaffen (s. Hinweise im Kapitel 6.2.1). Der LRT Hainsimsen-Buchenwälder wird aber hierdurch in seinem Erhaltungszustand nicht beeinträchtigt, da die angestrebten Waldbestände Stadien einer natürlichen Bestandsdy-namik des LRT entsprechen (können) und eine Verschiebung zu einer LRT-untypischen Ar-tenzusammensetzung nicht zu erwarten ist.

Ebenfalls im Überschneidungsbereich befinden sich Teile der Lebensstätte des Grünen Ko-boldmooses. Dieses bevorzugt luftfeuchte Standorte an Nordhängen oder im Bereich von Quellen und Fließgewässern. Eine größere Auflichtung dieser Bereiche würde die Standort-bedingungen für das Moos ungünstig verändern. Die Bereiche der Lebensstätte des Grünen Koboldmooses sind daher zu schonen. Da Höhenrücken und gegebenenfalls südexponierte Hanglagen für die Optimierung von Habitatstrukturen des Auerhuhns und der Ringdrossel oh-nehin besser geeignet erscheinen (da hier aufgrund der stärkeren Belichtung geeignete Struk-turen in der Kraut- und Strauchschicht begünstigt werden), soll der Zielkonflikt bei der Umset-zung der Maßnahmen durch entsprechende Flächenwahl aufgelöst werden.

Ob und welche weiteren Arten des Vogelschutzgebiets im Überschneidungsbereich vorkom-men, ist nicht bekannt. Die in der VSG-VO festgelegten gebietsbezogenen und artspezifischen Erhaltungsziele lassen aber keinen grundsätzlichen Widerspruch zu den im FFH-Gebiet vor-kommenden Lebensraumtypen und Lebensstätten erwarten2. Im Einzelfall können für den Schutz der Vogelarten zusätzliche Maßnahmen erforderlich werden, wie z.B. die Erhaltung von Altholzinseln und Totholzstrukturen, die über das im Rahmen der Naturnahen Waldwirt-schaft festgelegte Maß hinausgehen.

Der Überschneidungsbereich umfasst neben Wald auch die Offenlandflächen um den Kandel-gipfel, die ganz überwiegend als Lebensraumtypen geschützt sind. Hier wurden durch I. Harry 2018 unter anderem zahlreiche Exemplare der Ringdrossel sowie ein unverpaarter Reviervo-gel der Heidelerche nachgewiesen. HARRY (2019) schlägt verschiedene Maßnahmen vor, die sich primär auf den Baumpieper, jedoch auch auf die Ringdrossel fokussieren. Sie beinhalten u.a. den Aufbau gestufter Waldränder, die Entfernung von Gehölzgruppen/Sukzession sowie Empfehlungen zum Beweidungsregime. Diese Maßnahmen können im Einzelfall eine Anpas-sung in der Bewirtschaftung verlangen, stehen jedoch nicht im grundsätzlichen Widerspruch zur Erhaltung der Lebensraumtypen.

Gehölzbestände vs. mageres Grünland

Mit steigender Gehölzbeschattung ergeben sich für einige Lebensraumtypen nachteilige Aus-wirkungen auf die Habitatqualität. So ist eine Verschlechterung der Habitatqualität zu erwarten (teilweise auch aktuell zu beobachten) bei [4030] Trockenen Heiden, [5130] Wacholderheiden, [6210] Kalk-Magerrasen, [*6230] Artenreichen Borstgrasrasen, [6510] Mageren Flachland-Mähwiesen, [6520] Berg-Flachland-Mähwiesen, [8150] Silikatschutthalden und [8220] Silikatfelsen mit Felsspaltenvegetation. Als nachteilige Auswirkung einer Beschattung kann sich bei diesen Le-bensraumtypen eine sukzessive Änderung des Artenbestands ergeben. Auf der anderen Seite

2 Lediglich für das Haselhuhn wären auch abweichende Waldtypen (junge Sukzessionsstadien, Niederwaldbewirt-schaftung) bereitzustellen. Für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass diese in Baden-Württemberg nahezu aus-gestorbene Art (die Rote Liste BW 2016 führt 0-2 Brutpaare auf) hier nachgewiesen wird, wären Maßnahmen zu ihrem Schutz vorrangig.

stellen Gehölzbestände – z.B. in Form von Auwaldstreifen, Baumreihen und Feldhecken – bedeutende Habitatstrukturelemente dar, so als Leitstrukturen für die Fledermausarten des FFH-Gebiets ([1321] Wimperfledermaus, [1323] Bechsteinfledermaus, [1324] Großes Maus-ohr), oder indem sie die erforderliche Beschattung der Habitate von [1092] Dohlenkrebs, [*1093] Steinkrebs, [1163] Groppe und [1096] Bachneunauge gewährleisten. Einzelbäume stellen außerdem wichtige Trägergehölze für [1387] Rogers Goldhaarmoos dar.

Daraus ergibt sich:

• Auwaldstreifen, Feldhecken und Feldgehölze sollten auf der Südseite von an-grenzenden Kalk-Magerrasen und von hochwertigen (Erhaltungszustand A und B) Flachland- und Berg-Mähwiesen nicht zusätzlich entwickelt bzw. im Einzelfall (bei festgestellter Verschlechterung aufgrund der Beschattung) in der Höhe be-grenzt werden. Insbesondere um das Wasserwerk in Freiburg-Ebnet ist hier im Einzelfall eine sorgfältige Abwägung erforderlich, um das Vorkommen von Ro-gers Goldhaarmoos nicht zu beeinträchtigen und zugleich die Qualität der LRT zu erhalten.

• Magere Flachland-Mähwiesen sind als Unterwuchsvegetation von Streuobstwie-sen nur eingeschränkt geeignet. Bestände mit Altbäumen weiStreuobstwie-sen in der Regel eine Vielzahl von Habitatstrukturen auf und sollten deshalb erhalten werden.

Neupflanzungen auf Standorten mit Beständen von Mageren Flachland-Mähwie-sen sollten dagegen unterbleiben.

• In Beständen von Artenreichen Borstgrasrasen (im Verbund mit Silikatschutthal-den und Silikatfelsen) können vereinzelt stehende Bäume oder Gebüschgruppen (insbesondere Gebüsche trocken-warmer Standorte) zugelassen, spontaner Ge-hölzaufwuchs aber regelmäßig bekämpft werden. Gleiches gilt für Trockene Hei-den und WacholderheiHei-den (in letzteren ist selbstverständlich der LRT-typische Wacholder zu erhalten). Am Albrechtsweidberg in Stegen-Attental ist besondere Rücksicht auf Trägergehölze von Rogers Goldhaarmoos zu nehmen.

Erhaltung von Artenreichen Borstgrasrasen vs. artenschutz-fachliche Belange

Am Albrechtsweidberg in Stegen-Attental kommt mit der späten Ziest-Schlürfbiene (Rophites quinquespinosus) eine in Baden-Württemberg stark gefährdete Wildbienenart vor, die im Rah-men des Artenschutzprogramms Baden-Württemberg in diesem Bereich durch artspezifisch angepasste Pflegemaßnahmen geschützt wird. Die Maßnahmen umfassen u.a. eine „Bewei-dung im Zeitraum vor Anfang Juni bzw. ab Anfang August“. Im Hinblick auf eine Förderung der LRT-typischen Artenzusammensetzung der hier vorhandenen Artenreichen Borstgrasrasen ist der recht frühe Zeitpunkt des ersten Beweidungsdurchgangs nicht optimal. Da die Beweidung im vorliegenden Fall insgesamt verhältnismäßig extensiv erfolgt, muss dies aber nicht unbe-dingt zu einer Verschlechterung oder zum Verlust des LRT führen (hierfür ist die Weidenach-pflege von viel größerer Bedeutung). Sollten für eine Verschlechterung jedoch Anzeichen be-stehen, muss im Einzelfall sorgfältig analysiert werden, wie die Habitatansprüche der Biene und der Schutz der Artenreichen Borstgrasrasen in Einklang gebracht werden können. Ein Ansatz könnte z.B. ein jährlicher Wechsel von frühen und späten Nutzungsterminen sein.