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4.2 Ergebnisse in Europa

4.2.1 Nationale Aktionspläne

Obgleich die St. Vincent-Deklaration bereits im Jahr 1989 anlässlich eines europäischen Treffens von Vertreterinnen und Vertretern der WHO, von Gesundheitsministerien, Pati-entenorganisationen und DM-Expertinnen und -Experten beschlossen wurde, sind viele ihrer Forderungen nach wie vor nicht umgesetzt. Eine der zentralen Forderungen ist die Erarbeitung von Plänen zur Verhütung, Erkennung und Behandlung des Diabetes auf lo-kaler, staatlicher und europäisch-regionaler Ebene, insbesondere hinsichtlich der diabe-tesbedingten Komplikationen Erblindung, Nierenversagen, Gangrän und Amputation, schwere Herzkrankheiten und Schlaganfall (siehe Anhang 1). Mehrere Expertinnen/Ex-perten haben angeführt, dass die Ziele der St. Vincent-Deklaration in ihren Ländern zu nationalen Zielen erklärt wurden.

Betreffend die Entwicklung von nationalen Diabetesplänen wurde uns seitens der Exper-tinnen und Experten aus vierzehn Ländern gemeldet, dass nationale Aktionspläne oder Strategien existieren; es handelt sich dabei um Dänemark, Deutschland, Finnland, Frank-reich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Kroatien, Litauen, Malta, Rumänien, Schweden und die Türkei. Je nach Struktur des Gesundheitswesens in diesen Ländern wurden entweder einheitliche nationale Pläne oder nur Rahmenvorgaben entwickelt, die regional entsprechend weiterentwickelt und umgesetzt werden müssen.

In neun Ländern gibt es derzeit noch keine derartigen Pläne bzw. Strategien (Belgien, Estland, Luxemburg, Ungarn und Zypern), teilweise sind diese aber in Vorbereitung (Bul-garien, Polen, Slowenien und Tschechien). In Estland gibt es zwar kein nationales Diabe-tesprogramm, aber ein Programm zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das für den Zeitraum 2005 bis 2020 angelegt ist und eine Reihe von gesundheitsfördernden Maßnahmen beinhaltet, die auch für die Diabetesprävention von Relevanz sind. In Un-garn wurde im Zeitraum 2003/2004 vom Gesundheitsministerium ein Programm zur öf-fentlichen Gesundheit mit einer Laufzeit von zehn Jahren entwickelt, in dem u. a. die Di-abetesprävention thematisiert wird. Es wurde bereits mit Vorbereitungsarbeiten begon-nen, die Umsetzung ist aber noch nicht entsprechend vorangeschritten. In Zypern wurde seitens des Gesundheitsministeriums ein Plan zur Versorgung des symptomatisch gewor-denen Diabetes entwickelt. Es fehlen aber noch Strategien zur Diabetesprävention. Der-zeit werden Leitlinien zu dieser Thematik entwickelt.

In den übrigen fünf Ländern kommen die nationalen Expertinnen/Experten betreffend die Existenz einer nationalen Strategie zu unterschiedlichen Einschätzungen:

In Lettland existiert zwar ein allgemeiner Gesundheitsplan, der auch das Thema Typ 2-Diabetes beinhaltet, aber keine spezifisch für 2-Diabetes ausformulierte Strategie.

In den Niederlanden wurde eine Task Force eingesetzt, die sich mit der besseren Versor-gung bei Diabetes befasst hat. Die in diesem Rahmen erarbeiteten Empfehlungen wurden vom niederländischen Gesundheitsministerium großteils angenommen (geplant sind u. a.

die Umsetzung eines bereits entwickelten DMP, die Durchführung von Schulungspro-grammen und Informationskampagnen im Internet).

In Portugal wurden im Jahr 1995 die in der St. Vincent-Deklaration genannten Zielset-zungen zu nationalen Zielen erklärt. Es existiert auch ein nationales Programm zur Dia-beteskontrolle, dieses beinhaltet aber keine speziellen Strategien im Bereich Typ 2-Diabetes.

In der Slowakei gibt es ein allgemeines Programm für Patientinnen/Patienten mit Typ 1- oder Typ 2-Diabetes. Dieses wurde ursprünglich von der slowakischen Diabetesgesell-schaft entwickelt und zielt auf die Verbesserung der Patientenbetreuung durch Schulung von Patientinnen/Patienten und Fachleuten sowie eine bessere Ausstattung in einigen re-gionalen Diabeteszentren ab. Es dürfte sich aber um kein umfassendes bzw. staatlich an-erkanntes Programm handeln.

In Spanien wurde 1995 ein zentraler Gesundheitsplan mit 14 unterschiedlichen Hand-lungsfeldern, darunter Diabetes mellitus (DM), beschlossen. Auf dieser Basis wurde in Andalusien für den Zeitraum 2003 bis 2007 ein regionaler Diabetesplan entwickelt, der

"Plan Integral de Diabetes de Andalucía", der hinsichtlich des Detailgrades allerdings be-reits in Richtung Versorgungsprogramme geht (siehe auch Punkt 4.2.3). Dieser soll die Koordination der Pflegeleistungen und Ressourcen verbessern und Lösungsvorschläge für die Prävention im Bereich DM bereitstellen. Nach Angaben eines Experten fehlt aber eine nationale, speziell auf DM zugeschnittene Strategie sowie die übergreifende Koordinie-rung unterschiedlicher regionaler Modelle.

Auffällig ist auch, dass das Fehlen einer nationalen Strategie bzw. die Art der Umsetzung von Expertinnen/Experten in insgesamt zwölf Ländern als eines der Hauptdefizite der na-tionalen Situation genannt wurde bzw. sich Empfehlungen für zukünftige Verbesserungen auf diese Thematik beziehen. Kritisiert wird u. a. die mangelnde Abstimmung lokaler Ini-tiativen sowie das Fehlen einheitlicher und qualitätsgesicherter Rahmenbedingungen. Von mehreren Expertinnen/Experten wird gefordert, dass nationale Pläne verstärkt auf die Themen Primärprävention, Früherkennung und Erstbehandlung eingehen. Die Entwick-lung von Rahmenvorgaben für nationale Diabetespläne bzw. die Schaffung von internati-onalen Vorgaben wird auch als eines der Handlungsfelder für Gemeinschaftsaktivitäten der Europäischen Union angesehen.

Exemplarisch sollen im Folgenden das Entwicklungsprogramm für Diabetesprävention und -behandlung 2000-2010 in Finnland und das darauf aufbauende Programm zur Prä-vention des Typ 2-Diabetes dargestellt werden, die von mehreren Expertinnen/Experten aus verschiedenen Ländern als vorbildlich genannt wurden.

4.2.1.1 Das Entwicklungsprogramm für Diabetesprävention und -behandlung 2000-2010 (DEHKO) und Programm zur Prävention des Typ 2-Diabetes in Finnland

Die Entwicklung von DEHKO fand unter der Koordination der Finnischen Diabetesvereini-gung statt. An den vorbereitenden Arbeiten waren Forscherinnen/Forscher, Expertin-nen/Experten aus der Ärzteschaft, Pflege und aus anderen professionellen Bereichen so-wie betroffene Patientinnen/Patienten beteiligt. Das Programm ist als Entwicklungspro-gramm gedacht, das die allgemeinen Prinzipien für die Patientenversorgung in der Praxis vorgibt. Hauptziel ist die Prävention des Typ 2-Diabetes, obgleich die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung auch Typ 1-Diabetes betreffen. Ein weite-res gewichtiges Ziel besteht in der Akkordierung von Maßnahmen zur Reduktion der kar-diovaskulären Folgeerkrankungen. Das Monitoring von DEHKO obliegt dem im Jahr 1998 vom Ministerium für soziale Angelegenheiten und Gesundheit eingerichteten Unteraus-schuss für kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes, der für die Umsetzung der St.

Vincent-Deklaration in Finnland verantwortlich ist.

DEHKO beinhaltet acht Zielsetzungen betreffend die Organisation der Patientenbetreuung für den Zeitraum 2000 bis 2010:

1. Qualitätssicherung in jeder Versorgungseinheit mit regelmäßigem und umfassendem Training

2. Integration von Maßnahmen zur Prävention von Typ 2-Diabetes als dauerhafter Be-standteil der primären Gesundheitsversorgung

3. Schaffung eines Diabetesregisters auf EDV-Basis in jeder Versorgungseinheit und in jedem Krankenhausbezirk sowie eines nationalen Registers

4. Schnittstellenmanagement mit gemeinsamen Verantwortlichkeiten und flexiblen Kon-sultationsmodi

5. Sicherstellung des Zugangs zu individueller, hoch qualitativer Selbstkontrolle bei Typ 1-Diabetes

6. Ausreichende Schulungsangebote für Typ 2-Diabetikerinnen/Diabetiker zur Selbstkon-trolle, integrierte Versorgung sämtlicher kardiovaskulären Risikofaktoren

7. Schaffung der notwendigen Voraussetzungen, damit alle Diabetikerinnen/Diabetiker die erforderlichen Fähigkeiten im Umgang mit ihrer Erkrankung erwerben können und eine hohe Zufriedenheit mit der Behandlung ihrer Krankheit aufweisen

8. Dauerhafte Zusammenarbeit zwischen den relevanten Stellen des Gesundheitssystems und den Diabetesverbänden zur Förderung der Selbstkontrolle von Diabetikerin-nen/Diabetikern.

Mit Hilfe dieser Maßnahmen soll sichergestellt werden, dass mit 2010 bei 50 Prozent der Typ 1- und Typ 2-Diabetikerinnen/Diabetiker eine optimale Blutzuckerkontrolle gegeben ist und die Inzidenz von kardiovaskulären Folgeerkrankungen zumindest um ein Drittel zurückgeht. Betreffend die Reduktion der anderen Folgeerkrankungen wurden die Ziele der St. Vincent-Deklaration übernommen.

Das Programm beinhaltet ausführliche Abhandlungen zu den relevanten Teilbereichen (Organisation der Versorgung, Diagnose und Behandlung differenziert nach Typ 1-, Typ 2-und Schwangerschaftsdiabetes, Lebensstilmodifikationen, Schulungen, Prävention des

Typ 2-Diabetes, Reduktion von Komplikationen, Qualitätssicherung und Diabetesregister, Kosten) und klare Empfehlungen für die nächsten Schritte. In den Anhängen sind etliche Teilbereiche, z. B. Anforderungsprofile an Fachgremien und Fachpersonal, Qualitätskrite-rien für Patientenschulungen, Inhalte eines Diabetesregisters und Ablaufschemen bereits ausgearbeitet.

Da das finnische Gesundheitswesen in 21 Krankenhausbezirke unterteilt und dezentral organisiert ist, obliegt die Umsetzung den einzelnen Krankenhausbezirken, sodass der Umsetzungsgrad und die konkrete Ausformung von Maßnahmen regionale Unterschiede aufweisen kann. Um allzu große Abweichungen zu verhindern, wurden fünf Demonstrati-onsprogramme mit Monitoring und Auswertung gestartet, die als "best-practice-Modelle"

der Orientierung dienen (siehe auch Punkt 4.2.5.1).

Grundsätzlich ist vorgesehen, dass in jedem Krankenhausbezirk eine Diabetesarbeits-gruppe eingerichtet wird, wobei sowohl betroffene Patientinnen/Patienten als auch Vertreterinnen/Vertreter der relevanten Disziplinen in diesen Gruppen mitarbeiten sollen.

Aufgabe der Arbeitsgruppe ist es, die regionale Patientenbetreuung zu koordinieren und weiterzuentwickeln bzw. Schulungsmaßnahmen anzubieten. Die konkrete Patientenver-sorgung soll von Diabetes-Teams gewährleistet werden, in denen zumindest eine verant-wortliche Ärztin/ein verantverant-wortlicher Arzt, spezialisiertes Pflegepersonal ("diabetes nur-se"), eine Ernährungsberaterin/ein Ernährungsberater und eine Fußpflegerin/ein Fußpfle-ger vertreten sind sowie bei Bedarf psychologisches und physiotherapeutisches Fachper-sonal bzw. eine Bewegungsberaterin/ein Bewegungsberater. Bei einigen Disziplinen sind genaue Richtwerte für die Anzahl an notwendigen Fachkräften vorgesehen: ein vollzeit-beschäftigte "diabetes nurse" pro 300 bis 400 Diabetespatientinnen/Diabetespatienten und eine Ernährungsberaterin/ein Ernährungsberater pro 30.000 Einwohnerinnen/Ein-wohner.

DEHKO beinhaltet auch konkrete Empfehlungen für die Umsetzung des Diabetesplans, darunter zehn Schlüssel-Maßnahmen und fünfzehn Empfehlungen betreffend die inhaltliche Ausgestaltung von Maßnahmen in diversen Bereiinhaltlichen der Diabetesprävention und -versorgung (für Details siehe Kapitel 15 in DEHKO unter http://www.diabetes.fi). Num-mer eins der Schlüssel-Maßnahmen lautet, dass ein nationaler Plan zur Prävention des Typ 2-Diabetes entwickelt werden muss, die erforderlichen Mittel für die darin enthalte-nen Maßnahmen gewidmet werden müssen, um eine breite Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung in Gang zu setzen. Das "Programme for the Prevention of Type 2 Diabetes"

liegt mittlerweile vor und ist nach Aussagen der finnischen Gesundheitsministerin Eva Bi-audet das erste nationale Programm dieser Art weltweit. Es basiert auf Evidenz, die aus der Finnischen Diabetespräventionsstudie (DPS)5 abgeleitet werden konnte.

Das Präventionsprogramm beinhaltet drei Strategien, die auf unterschiedliche Zielgrup-pen und Problemebenen gerichtet sind: eine Populationsstrategie, die darauf abzielt, durch gesundheitsfördernde Aktivitäten im Bereich Ernährung und Bewegung Risikofakto-ren in allen Altersgruppen abzubauen; eine Hochrisikostrategie, die Personen mit hohem Risiko für DM systematischen Screening-, Schulungs- und Monitoring-Aktivitäten zuführt und eine Früherkennungs- und -behandlungsstrategie, die darauf ausgerichtet ist, Patien-tinnen/Patienten mit neu diagnostiziertem DM einer systematische Behandlung mit Fokus

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auf Lebensstilinterventionen zuzuführen, um Diabeteskomplikationen zu vermeiden oder zu reduzieren. Im Punkt 4.2.5.1 wird ausführlicher auf die Hochrisikostrategie eingegan-gen.

4.2.2 Leitlinien und Qualitätsstandards

Die Situation betreffend Leitlinien und Qualitätsstandards in Europa ist ausgesprochen in-homogen. Einzelne Länder sind in der Entwicklung und Implementierung bereits weit vo-rangeschritten, in anderen Ländern konnten keine diesbezüglichen Dokumente recher-chiert werden. Die uns vorliegenden Leitlinien und Qualitätsstandards sind teilweise durch öffentliche Stellen erlassen, teilweise durch nationale Interessengemeinschaften wie ärztliche Fachgesellschaften oder Patientenvereinigungen zugänglich gemacht (z. B.

durch Übersetzung und Veröffentlichung internationaler Empfehlungen). Der Überblick wird dadurch erschwert, dass in einigen Ländern zwar Leitlinien und Qualitätsstandards vorliegen, sich aber nicht explizit mit Diabetes „im Ganzen“ (im Sinne aller Punkte der St.

Vincent-Deklaration, siehe Anhang 1) beschäftigen, sehr wohl jedoch mit Teilaspekten wie dem diabetischen Fuß oder der Schulung von Patientinnen/Patienten bzw. Angehöri-gen von Gesundheitsberufen.

Betreffend das Vorhandensein von Leitlinien und Qualitätsstandards wurde uns seitens der Expertinnen/Experten aus elf Ländern übereinstimmend gemeldet, dass derartige Dokumente existieren; es handelt sich dabei um Deutschland, Frankreich, Großbritan-nien, Kroatien, Lettland, Litauen, Niederlande, RumäGroßbritan-nien, Schweden, Tschechien und die Türkei. Die Expertinnen/Experten aus Dänemark, Finnland, Italien, Portugal, Irland, Lu-xemburg, Malta, Spanien und Ungarn haben sich uneinheitlich zu dieser Frage geäußert.

Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Leitlinien zwar vorhanden, aber nicht bzw. aus Sicht der Expertinnen/Experten nicht ausreichend implementiert sind und jene, die mit

"Nein" geantwortet haben, dieser Situation Ausdruck verleihen wollten bzw. Dokumente hinsichtlich ihrer Bedeutung unterschiedlich gewichtet werden. Ausschließlich aus Bel-gien, Griechenland, Slowenien und Zypern liegen einheitlich negative Rückmeldungen vor.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass in Zusammenschau der Ergebnisse der Fragebogen-erhebung und der weiteren Recherchen in 20 der untersuchten Länder nationale Anstren-gungen auf unterschiedlichem Niveau unternommen werden, sich einer standardisierten und ganzheitlichen Versorgung von Diabetikerinnen/Diabetikern zu nähern. Ein nicht un-wesentlicher Anteil plant entsprechende Maßnahmen jedoch erst in naher Zukunft.

Sieben der 20 Länder zeichnen sich dadurch aus, dass sie bereits sehr umfassende Leitli-nien und Qualitätsstandards zur Versorgung von Diabetikerinnen/Diabetikern entwickelt und teilweise auch implementiert haben. Gemeinsames Merkmal dieser Länder ist das Vorhandensein einer nationalen Strategie, die den Rahmen für die Implementierung lie-fert und die Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Berufsgruppen, Finanziers und Patientinnen/Patienten erleichtert.

Die Leitlinien und Qualitätsstandards selbst, soweit dies recherchiert werden konnte, äh-neln einander, da ihnen ein sehr hoher Grad an „evidence-based medicine“ (EBM) zu Grunde liegt. Nach den vorliegenden Recherchen kann als Fallbeispiel für Leitlinienerstel-lung in dezentral organisierten Gesundheitssystemen (mit kleinen Verwaltungseinheiten) das finnische Modell, in großen, zentral gesteuerten Gesundheitssystemen das britische

Modell und in kleineren Ländern mit zentral gesteuerten Gesundheitssystemen das litaui-sche Modell angeführt werden. Letzteres soll im Folgenden näher dargestellt werden, wo-bei anhand des litauischen Modells auch mögliche Implementationsprobleme verdeutlicht werden können.

4.2.2.1 Leitlinien und Qualitätsstandards in Litauen

Das litauische Modell verfolgt das Ziel, sich durch die Einführung von EBM-Leitlinien den Zielen der St. Vincent-Deklaration zu nähern. Zu diesem Zweck gibt das litauische Ge-sundheitsministerium Leitlinien heraus, die durch einen eigenen Beraterstab regelmäßig überarbeitet werden. Basis dieser Vorgangsweise ist ein 2002 beschlossenes nationales Diabetesprogramm, dessen Umsetzung jedoch aktuell nur teilweise gelungen ist. Im We-sentlichen liegen die Probleme der Umsetzung in der litauischen Besonderheit, dass Dia-betikerinnen/Diabetiker einen Bargeldzuschuss erhalten haben, der dazu gedacht war, die Ernährungssituation der Patientinnen/Patienten zu verbessern. Da es jedoch keine eindeutige Evidenz dafür gab, dass diese Mittel zielgerichtet eingesetzt wurden, wird ge-genwärtig versucht, sie einzusparen bzw. umzuwidmen. Die dadurch entstandenen Wi-derstände verzögern die Umsetzung des Programms und so auch die Implementierung der Leitlinien und Qualitätsstandards.

Inhalte der Leitlinien sind Standards für die Diagnose und die Betreuung von Patientinnen und Patienten mit dem Ziel, international erprobte und EBM-basierte Strategien umzuset-zen. Die Leitlinien richten sich sowohl an die Primär- als auch die Sekundärversorgungs-ebene. Teilaspekte der Komorbidität des DM sind in kardiologischen Präventions- und Be-handlungsprogrammen enthalten, die von Hausärztinnen/Hausärzten durchgeführt wer-den.

Hinsichtlich der Behandlung der Diabetikerinnen/Diabetiker ist vorgesehen, dass diese nur dann kostenfrei gestellt wird, wenn sie den Leitlinien und Qualitätsstandards ent-spricht. Geregelt werden neben Kriterien der Diagnostik, Anzahl der Untersuchungen pro Person und Jahr u.Ä. auch die Kompetenz der Leistungsanbieter. Besonderes kontrover-siell wird die Umstellung der Betreuung der Diabetikerinnen/Diabetiker von einer Fach-ärztin/einem Facharzt für Endokrinologie auf die Hausärztin/den Hausarzt diskutiert. Die-se Schwierigkeiten dürften damit zusammenhängen, dass zur UmDie-setzung der Leitlinien und Qualitätsstandards in der Primärversorgungsebene aktuell zu wenig entsprechend ausgebildetes Personal vorhanden ist. Daher werden flankierend entsprechende Ausbil-dungsprogramme angeboten.