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Die freie Luftverteilung in der Wohnung ist kostengünstig

Anlagenbeispiel 3.3: Erneuerung Mehrfamilienhaus – Einzelraumlüftung

4.1 Natürliche Lüftung

Die natürliche Lüftung funktioniert mit Druckdifferenzen, die aus Temperaturun-terschieden und Wind entstehen. Im Schweizer Mittelland sind die natürlichen Druckdifferenzen klein (meist unter 10 Pa) und zeitlich sehr variabel. Hier gibt es keine einfachen Rezepte, wie mit einer na-türlichen Lüftung eine ausreichende Luft-zufuhr erreicht werden kann. An windex-ponierten Lagen hingegen lassen sich Konzepte mit natürlicher Lüftung planen.

Natürliche Lüftungen bieten im Vergleich zu mechanischen Lüftungen einen kleine-ren Nutzen:

]

] Bei geöffneten Lüftungselementen ist das Dämmmass gegen Aussenlärm gerin-ger.

]

] Die Zulufttemperatur entspricht im Win-ter der Aussenlufttemperatur und kann den thermischen Komfort beeinträchtigen.

]

] An besonnten Fassaden kann die Zuluft-temperatur im Sommer deutlich über der Aussenlufttemperatur liegen und zusätzli-che Wärmelasten verursazusätzli-chen.

]

] Die Ersatzluft kann nicht gefiltert wer-den, deshalb gelangen Schadstoffe und Feinstaub direkt in die Räume.

]

] Die Lufterneuerung hängt stark von Wind und Aussentemperatur ab.

]

] Es ist keine Wärmerückgewinnung mög-lich.

]

] Eine Lüftungseinrichtung, die gut funk-tionieren soll, muss gewartet werden. Dies gilt auch für Systeme mit natürlicher Lüf-tung.

Einsatzgrenzen

Gemäss SIA 382/1:2014 wird eine natürli-che Lüftung unter folgenden Bedingun-gen als ungeeignet eigestuft:

]

] Bei zu hoher Aussenlärmbelastung. Dies trifft dann zu, wenn der Beurteilungspegel gemäss der Lärmschutzverordnung (LSV) am Tag über 55 dB(A) und nachts über 45 dB(A) liegt.

]]Wenn die Aussenluft stark mit Stick-oxiden (NOx) und Feinstaub (PM2.5 und

PM10) belastet ist. Dies ist dann der Fall, wenn einer der Immissionsgrenzwerte der Eidgenössischen Luftreinhalte-Verordnung (LRV) für NO2 oder PM10 um mehr als 50 % überschritten ist (s. Kapitel 1.4)

]

] Wenn innenliegende Bäder, Duschen, WCs und andere Räume mit regelmässiger Nutzung oder Feuchteanfall mechanisch entlüftet werden müssen.

Manuelle Fensterlüftung

Bei der manuellen Fensterlüftung wird un-terschieden zwischen der einseitigen Lüf-tung und der QuerlüfLüf-tung. Bei der Quer-lüftung ist meist der Wind die massge-bende Antriebskraft. Die einseitige Lüf-tung funktioniert aufgrund der Tempera-turdifferenz zwischen innen und aus sen.

Vorteile ]

] Geringe Investitionen ]

] Tiefe Unterhaltskosten ]

] Durch die grossen öffenbaren Flächen entsteht selbst bei geringsten Druckdiffe-renzen ein hoher Luftaustausch.

]

] Es besteht ein geringes Risiko für eine Verschmutzung der luftberührenden Teile.

Nachteile

Gleiche Nachteile wie die natürliche Lüf-tung im Allgemeinen hat, plus zusätzlich:

]

] Der Einbruchschutz ist bei offenen Fens-tern geschwächt.

]

] Der Witterungsschutz ist bei offenen Fenstern beeinträchtigt.

]

] Das Benutzerverhalten ist entscheidend für Raumluftqualität und -feuchte, den Feuchteschutz sowie die Lüftungswärme-verluste.

]

] Der übliche Intervallbetrieb führt zu zeit-lich ungleichmässiger Raumluftqualität.

Automatische Fensterlüftung

Fensterflügel, insbesondere Kippfenster, können mit elektrischen Antrieben ausge-rüstet werden. Sie lassen sich nach Zeit, Temperatur und Luftqualität steuern. Bei automatisiertem Betrieb mit

Witterungs-Lüftungssysteme

Kapitel 4

Lüftungssysteme

überwachung eignen sich Fensterantriebe gut für die Nachtauskühlung.

Automatische Fensterlüftungen brauchen zwingend Szenarien für den Stromausfall:

Was passiert beispielsweise bei einem Ge-witter? Je nach Antriebs- und Verriege-lungsprinzip kann zudem eine hohe Schliesskraft entstehen. Es muss dafür ge-sorgt werden, dass dadurch keine Verlet-zungsgefahr entsteht.

In Wohn- und Schlafzimmern wird die au-tomatische Fensterlüftung nur selten ein-gesetzt. Ein Grund sind die Geräusche, die selbst bei langsam laufenden und ge-räuscharmen Antrieben hörbar sind. Zu-dem können beim Öffnen Knackgeräu-sche entstehen. Weiter verändert sich beim Öffnen und Schliessen sofort die Schalldämmung gegen aussen.

Fensterlüfter

Unter Fensterlüftern werden separate Lüf-tungselemente verstanden, die konstruk-tiv im Bereich von Fenstern angeordnet

sind. Ihre Lüftungsfunktion hängt also nicht von der Stellung des Fensters ab.

Eine Untersuchung der FHNW [1] kommt zum Schluss, dass Fensterlüfter in Schwachwindgebieten wie dem schweize-rischen Mittelland, den hygienisch erfor-derlichen Luftwechsel nicht garantieren können. Selbst der für den Feuchteschutz minimal erforderliche Luftwechsel lässt sich mit Fensterlüftern alleine in stark überbauten Gebieten und/oder Wohnun-gen in Bodennähe (Erdgeschoss bis ca.

2. OG) oft nicht erreichen. Wenn gleich-zeitig Abluftventilatoren in Bad und Küche vorhanden sind, ist eine ausreichende Feuchteschutzlüftung hingegen möglich.

Die Fensterlüfter übernehmen dabei die Funktion von Aussenluft-Durchlässen für die Abluftventilatoren.

Für die Planung und Dimensionierung von Fensterlüftern sollen spezialisierte Fach-personen hinzugezogen werden. Die fol-genden Punkte sind als konzeptionelle Hinweise zu verstehen, sie ersetzen aber keine fachgerechte Planung.

]

] Eine Querlüftung muss möglich sein.

]]Zwischen den Zimmern und dem Korri-dor müssen Überströmöffnungen vorhan-den sein (vgl. Kapitel 3.8). Tagsüber müs-sen die Zimmertüren offenstehen.

]]Pro Raum ist mindestens ein Fensterlüf-ter erforderlich.

]]Fensterlüfter schwächen den Schall-schutz gegen aussen.

]]Fensterlüfter werden mit Staub von Aus-sen- und Innenluft belastet. Deshalb sollen sie ein- bis zweimal jährlich inspiziert und bei Bedarf gereinigt werden. Die meisten Produkte eignen sich aber nicht für eine Reinigung durch Laien. Daher muss bereits in der Konzeptphase definiert werden, wie die Instandhaltung organisiert sein soll.

]]Produkte mit offenporigen Auskleidun-gen (für die Schalldämmung) sollen aus Hygienegründen nicht eingesetzt werden.

Bild 4.1: Beispiel für eine automatische Fensterlüftung. Die Flügel werden

mit-hilfe von elektri-schen Antrieben öffnet und ge-schlossen. (Quelle:

Geze GmbH)

43 Wohnungslüftung

Bild 4.2: Abluftan-lage mit Aussen- bauteil-Luftdurch-lässen.

4.2 Abluftanlage

Funktion der Abluftanlage

Bei Abluftanlagen wird nur die Abluft me-chanisch gefördert. Die Aussenluft strömt durch den entstehenden Unterdruck nach.

Damit solche Anlagen korrekt funktionie-ren, sind definierte Nachströmeinrichtun-gen erforderlich. Bei AbluftanlaNachströmeinrichtun-gen, die für Dauerbetrieb konzipiert sind, werden Aussenbauteil-Luftdurchlässe (ALD) einge-setzt. Bei kurzen Betriebszeiten und Ein/

Aus-Betrieb (z. B. bei der WC-Abluft), kommen auch andere Lösungen infrage.

Denkbar sind automatisierte oder über-wachte Lüftungsöffnungen, beispiels-weise ein automatischer Fensterantrieb.

Mit Abluftwärmepumpen (Abluft-WP) kann die in der Abluft enthaltene Wärme zum Bereiten des Warmwassers genutzt werden, teilweise auch zur Heizungsunter-stützung. Die Vollzughilfe EN 105 [3] der MuKEn 2014 verlangt eine Abwärmenut-zung (AWN), wenn der Abluftvolumen-strom grösser als 1000 m3/h ist und die Betriebsdauer mehr als 500 h/a erreicht.

Dabei gelten mehrere getrennte Abluftan-lagen im selben Gebäude als eine Anlage.

Wenn eine Abluftanlage mit wohnungs-weiser oder raumwohnungs-weiser Bedarfsregelung anhand der CO2-Konzentration oder der Feuchte ausgestattet ist, kann auf die AWN verzichtet werden. Bei grossen MFH (ab ca. 10 Wohnungen) mit Abluftanlagen im Dauerbetrieb ist also in der Regel eine Abluft-WP erforderlich.

Die Dimensionierung von Abluftanlagen wird in Kapitel 7 behandelt. Bild 4.2 zeigt das Prinzip von Abluftanlagen. Die Bedeu-tung der Symbole finden Sie in Anhang 13.2.

Prinzipien der Luftführung

Bei Abluftanlagen steht das Kaskadenprin-zip im Vordergrund. Weil die ALD dabei in den Zimmern platziert werden, kann da-mit die ganze Wohnung durchströmt wer-den.

Das Verbundprinzip ist theoretisch mög-lich. Würde aber in einer Wohnung nur ein einziger grosser ALD (z. B. für 100 m3/h) eingesetzt, liessen sich im Raum, in dem

der ALD platziert ist, die Anforderungen an die thermische Behaglichkeit kaum mehr einhalten.

Das Einzelraumprinzip ist theoretisch ebenfalls möglich. Es ist aber in Wohnun-gen ökonomisch wenig sinnvoll, da jedes Zimmer sowohl mit einem ALD als auch einem Abluftventilator ausgerüstet wer-den müsste.

Vorteile ]

] Der Platzbedarf für die Lüftungsinstalla-tionen ist klein. Dies macht das System für Erneuerungen attraktiv.

]

] Die Investitionen sind tiefer als bei an-deren mechanischen Lüftungen – die Be-triebskosten aber nicht.

]

] Der Energieverbrauch für die Luftförde-rung ist kleiner als bei einfachen Lüftungs-anlagen.

]

] In den Ablufträumen werden Feuchte und Gerüche zuverlässig abtransportiert.

]

] Verglichen mit einer natürlichen Lüftung wird eine gleichmässigere und in der Re-gel bessere Raumluftqualität erreicht. Bei Befragungen im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten war die Zufrie-denheit mit der Raumluftqualität meistens gut.

Nachteile ]

] Der Unterdruck führt selbst bei sehr dich-ten Gebäuden dazu, dass Luft nicht nur via den ALD, sondern auch durch Ritzen und Fugen von aussen, durch undichte Instal-lationszonen oder vom Treppenhaus in die

thermische Gebäudehülle

Lüftungssysteme

Wohnung gelangt. Diese Volumenströme erhöhen den Energieverbrauch, ohne dass eine Verbesserung der Raumluftqualität resultiert. Zudem können sie Gerüche zwi-schen Wohnungen übertragen.

]

] Die Bewohner müssen informiert und in-struiert werden, dass das System bei offe-nen Fenstern nicht mehr funktioniert. Dann strömt die Aussenluft nach dem Prinzip des geringsten Widerstandes vorwiegend über das offene Fenster nach. Bei kurzen Öffnungszeiten ist dies unproblematisch.

Wenn aber in einem Zimmer mit offenem Fenster geschlafen wird, werden all jene Zimmer nicht mit frischer Luft versorgt, bei denen die Fenster geschlossen bleiben.

]

] Kontrolle und Wartung der ALD müssen sichergestellt werden. Die Untersuchung [2] hat gezeigt, dass die Filter in jedem Zim-mer zwei- bis viermal jährlich ersetzt wer-den müssen, damit die geplante Luftzufuhr gewährleistet ist. Zudem müssen mindes-tens einmal jährlich die für Verschmutzung empfindlichen Teile wie Aussenluft- und Fliegenschutzgitter gereinigt werden. Dies gilt es besonders bei Mietwohnungen be-reits bei der Projektierung zu berücksichti-gen (Zugang, Kosten). Auf jeden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Wartungsarbeiten von den Mietern erledigt werden.

]

] Es ist keine Wärmerückgewinnung mög-lich.

]

] Die Abwärmenutzung über eine Abluft-WP hat ein schlechteres Verhältnis von zu-rückgewonnener Wärme zu Elektrizitäts-verbrauch als eine Wärmerückgewinnung.

]

] Es ist keine Feuchterückgewinnung möglich.

]

] Die Lage der ALD ist kaum wählbar. Das bedeutet, dass die Aussenluft eventuell auf einer Strassenseite angesaugt wird. Bei ALD an besonnten Fassaden kann im Som-mer stark erwärmte Luft in die Wohnung gelangen.

Einsatzgrenzen ]

] Es darf kein Risiko für eine erhöhte Ra-donkonzentration bestehen, wenn im Ge-bäude ein Unterdruck erzeugt wird (wei-tere Hinweise Kapitel 1.4).

]]Das geforderte Schalldämmmass gegen aussen darf durch ALD nicht geschwächt werden.

]

] Bei hoher Staubbelastung der Aussen-luft ist die Filterklasse ISO ePM1 50 % er-forderlich (vgl. Kapitel 9.1). Die SIA 382/5 verlangt auch sonst mindestens ISO ePM10 50 %. Viele auf dem Markt angebotene ALD haben keine Filter oder nur einfache Grobfilter (Klasse Coarse).

]]Das Gebäude muss eine hohe Luftdicht-heit aufweisen. Wenn der Zielwert der SIA 180 nicht erreicht wird, ist eine Abluftan-lage sowohl von der Funktion als auch vom Energieverbrauch her fragwürdig (vgl. Ka-pitel 2.10)

]]Es sollen nicht mehr als zwei Geschosse luftseitig miteinander verbunden sein. Bei mehr Geschossen sind luftdichte Trenntü-ren zwischen den Geschossen erforderlich.

]

] Die Kombinationen mit Feuerstätten in der Wohnung (z. B. Cheminée) ist heikel (s.

Kapitel 10.2).

]

] Starker Wind kann die Funktion der An-lage stören. Deshalb sollen AbluftanAn-lagen nicht an stark windexponierten Orten ein-gesetzt werden.

]

] Die Überströmdurchlässe (s. Kapitel 3.8) dürfen max. 1 Pa Druckabfall verursachen.

Dadurch wird es anspruchsvoll, eine hohes Schalldämmmass zwischen den Räumen zu erreichen. Das heisst: Hohe Ansprüche an den wohnungsinternen Schallschutz lassen sich damit nur schwer erfüllen.

Der thermische Komfort hängt stark von der Konstruktion und Position des ALD ab.

Werden qualitativ hochwertige Produkte eingesetzt und die Lieferantenvorgaben eingehalten, können die in Normen gefor-derten Komfortanforderungen aber einge-halten werden. Tendenziell gibt es bei Ab-luftanlagen mit ALD trotzdem mehr Rekla-mationen wegen Zugluft als bei Komfort-lüftungen.

Die tiefe Lufteintrittstemperatur von Ab-luftanlagen wirkt sich auf die Dimensionie-rung der Raumheizung aus. Werden ei-nem Zimmer beispielsweise 30 m3/h Luft von aussen zugeführt, sind bei –10 °C Aus-sentemperatur alleine für die Erwärmung der Zuluft 290 W Heizleistung

erforder-45 Wohnungslüftung

Bild 4.3: Einfache Lüftungsanlage res-pektive Komfortlüf-tung.

lich. Bei einer Komfortlüftung sind es un-ter denselben Bedingungen dank der Wär-merückgewinnung nur rund 70 W.

Für ein Zimmer mit 15 m2 heisst das: Mit einer Abluftanlage muss die Fussboden-heizung eine um 5 W/m2 grössere spezifi-sche Leistung liefern als bei einer Komfort-lüftung. Soll die Vorlauftemperatur gleich-bleiben, muss der Rohrabstand verkleinert werden. Soll der Rohrabstand gleichblei-ben, muss die Vorlauftemperatur um etwa 5 K erhöht werden. Letzteres führt bei Wärmepumpenheizungen zu einer rund 15 % tieferen Arbeitszahl. Bei Eckräumen und/oder einem hohen Fensterflächenan-teil lässt sich mit einer Abluftanlage even-tuell die gesetzlich geforderte Vorlauftem-peratur der Fussbodenheizung von max.

35 °C nicht mehr einhalten.

In der Projektierung und im Betrieb sind Abluftanlagen oft anspruchsvoller als