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Vor­ und Nachteile der Wehrpflicht

Im Dokument Sicherheit 2013 (Seite 170-176)

nehmung aussen- und sicherheitspolitischer Optionen

9 Akzeptanz der Armee

10.2 Vor­ und Nachteile der Wehrpflicht

In der Studie «Sicherheit 2011» wurden die Befragten gebeten, Vor- und Nachteile der allgemeinen Wehrpflicht zu nennen. Die Antworten auf diese offen gestellte Frage wurden anschliessend nach negativen und positiven Aspekten der allgemei-nen Wehrpflicht kategorisiert. In Verwendung dieser 2011 genannten Aspekte wird 2013 erstmalig die Einstellung der Schweizer Stimmbevölkerung zu verschiedenen positiven und negativen Aussagen über die Wehrpflicht in geschlossenen Fragen erhoben. Die Kategorien können nach individuellen, kollektiven und normativen Aspekten unterteilt werden. Diese drei unterschiedlichen Betrachtungsweisen der Wehrpflicht werden im Folgenden einzeln diskutiert.

Wehrpflicht

Individuelle Aspekte

Positive individuelle Argumente betonen den individuellen Nutzen der allgemeinen Wehrpflicht, negative die individuellen Kosten. Hinsichtlich individueller Argu-mente überwiegt in der Schweizer Stimmbevölkerung eine positive Haltung (siehe Abbildung 10.2, Balken auf rechter Seite). Insbesondere die Aneignung von sozialen Kompetenzen (Kameradschaft 84%, Disziplin 79%, Pflichtbewusstsein 73%, Durchhal-tewillen 72%, gegenseitiger Respekt 72%, und etwas weniger ausgeprägt Selbstständig-keit 63% sowie die FähigSelbstständig-keit, sich unterzuordnen 58%) findet Zustimmung. Ebenso sehen SchweizerInnen in der allgemeinen Wehrpflicht eine Möglichkeit, sich weitere Fähigkeiten wie geographische (72%) und sicherheitspolitische (64%) Kenntnisse sowie ein besseres Verständnis für den Staat und die Gesellschaft (61%) anzueignen.

Dabei zeigt sich bei diesen zehn Vorgaben, dass Personen ab 60 Jahren, Befragte mit einer selbstbekundeten politisch rechten Einstellung sowie SchweizerInnen mit einer tieferen Bildung allen überdurchschnittlich stark zustimmen. Tendenziell stimmen DeutschschweizerInnen den positiven individuellen Argumenten ebenfalls stärker zu. Nicht erstaunlich ist, dass BefürworterInnen der Wehrpflichtabschaf-fung und die Verfechter einer Berufsarmee alle positiven individuellen Aspekte wesentlich skeptischer beurteilen.

Nach den individuellen Kosten befragt, stimmen SchweizerInnen nur dem Argu-ment, dass die allgemeine Wehrpflicht «schlecht ist, weil sie zu sinnlosen Regeln und Übungen führt», knapp mehrheitlich zu (54%). Besonders stark bejaht wird dieses Argument von den politisch links Eingestellten (73%). Keine mehrheitliche Unterstützung findet diese Aussage in der Südschweiz (46%), bei den ab 60-Jäh-rigen (47%), den politisch sich rechts einstufenden Befragten und Personen mit tieferer Bildung (je 43%). 44% der SchweizerInnen teilen die Meinung, dass die allgemeine Wehrpflicht zu hohen persönlichen Kosten führt. Diese Vorlage wird aber sehr unterschiedlich beantwortet. Mehrheiten finden sich in der Westschweiz (55%), bei den 18 – 29-Jährigen (65%) und der politischen Linken (58%).

Betreffend der Selektion des Milizkaders und der Ausbildung der Soldaten wird den zwei negativen Vorgaben nicht zugestimmt. Der Aussage, dass die Wehrpflicht schlecht sei, weil nicht nur die Besten im Militär weitermachen, stimmen 42% der Befragten zu. 38% glauben, die Wehrpflicht führe zu «nicht wirklich gut ausgebil-deten Soldaten». Wiederum sind bei beiden Argumenten die sich politisch links einstufenden SchweizerInnen überdurchschnittlich stark dieser Meinung. Die beiden letzten Aussagen zu den individuellen Kosten werden klar abgelehnt und dies über alle soziodemographischen Merkmalsgruppen hinweg. So geben 25% an, dass die Wehrpflicht zu einem vermehrten Alkohol- und Drogenkonsum führe und 24% sehen darin ein erhöhtes Unfallrisiko.

Sicherheit 2013

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Abbildung 10.2

Wehrpflicht: Individuelle Aspekte

«Über die positiven und negativen Seiten der allgemeinen Wehrpflicht kann diskutiert werden. Ich nenne Ihnen verschiedene positive und negative Aussagen zur allgemeinen Wehrpflicht. Sagen Sie mir bitte zu jeder Aussage, wie sehr Sie dieser zustimmen.»

(«sehr» und «eher» einverstanden in Prozent)

Disziplin

Verständnis für Staat und Gesellschaft Fähigkeit sich unterzuordnen

Individueller Nutzen Individuelle Kosten Si/1077_01/13

Kameradschaft 84

Die 2011 erstellten Kategorien zum kollektiven Nutzen der allgemeinen Wehrpflicht werden 2013 im Allgemeinen von einer Mehrheit geteilt. Besonders stark wird die Wehrpflicht damit verbunden, dass sie alle gesellschaftlichen Schichten der Schwei-zer Bevölkerung zusammenbringt (82%; siehe Abbildung 10.3). 70% der Befragten stimmen der Aussage zu, dass die Wehrpflicht gut ist, weil sie die Verantwortung des Soldaten für die Gesellschaft fördere. Argumente, welche in der Wehrpflicht eine Triebfeder des sozialen und regionalen Zusammenhaltes sehen, werden von zwei

Wehrpflicht

Dritteln der Schweizer Stimmbevölkerung unterstützt (je 66%). Zudem sprechen die SchweizerInnen der allgemeinen Wehrpflicht eine Sicherheitsfunktion zu. Sie stimmen der Aussage, die allgemeine Wehrpflicht sei gut, weil sie «uns Sicherheit gibt», mit 67% zu. Mit dem zweiten kollektiven Sicherheitsargument, die allge-meine Wehrpflicht sei gut, «weil sie die Schweizer Bevölkerung vor Bedrohungen schützt», zeigen sich 63% einverstanden. Die sich politisch links Positionierenden stehen den positiven Aspekten am kritischsten gegenüber. Den Sicherheitsargu-menten stimmt nur eine Minderheit von ihnen zu (Sicherheit geben: 41%, vor Bedrohungen schützen: 37%). Und auch die Aussagen, dass die Wehrpflicht den sozialen Zusammenhalt fördere (44%) und die gesellschaftliche Verantwortung stärke (49%), finden keine Mehrheit bei ihnen.

Die Schweizer Bevölkerung ist in der Meinung gespalten, ob die allgemeine Wehrpflicht schlecht sei, da sie «zu hohen Kosten für die Wirtschaft führt» (45%

Zustimmung, 50% Ablehnung). Jede/Jeder Dritte teilt die Ansicht, dass eine Wehr-pflichtarmee zu höheren Kosten führe als eine Freiwilligenarmee (33%). Dabei fällt beim Kostenargument auf, dass knapp ein Fünftel der Befragten sich dazu keine Meinung bilden konnte (18%). Dies ist besonders in der französischsprachigen Schweiz (26%) und bei den Frauen (24%) der Fall. Die kollektiven Kosten werden überdurchschnittlich stark von den 18 – 29-Jährigen – der Kohorte der Stellungs- und Wehrpflichtigen – bejaht (65% bzw. 54%).

Sicherheit 2013

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Abbildung 10.3

Wehrpflicht: Kollektive Aspekte

«Über die positiven und negativen Seiten der allgemeinen Wehrpflicht kann diskutiert werden. Ich nenne Ihnen verschiedene positive und negative Aussagen zur allgemeinen Wehrpflicht. Sagen Sie mir bitte zu jeder Aussage, wie sehr Sie dieser zustimmen.»

(«sehr» und «eher» einverstanden in Prozent)

Gesellschaftsschichten überwindend Verantwortung für die Gesellschaft Sicherheit

Sozialer Zusammenhalt Regionaler Zusammenhalt Bevölkerungsschutz

Kosten für Wirtschaft Teurer als Freiwilligenarmee

Kollektiver Nutzen Kollektive Kosten Si/1077_02/13

82 70 67 66 66 63 45

33

Normative Aspekte

Normative Argumente für oder gegen die Wehrpflicht behandeln vor allem Gerech-tigkeits- bzw. Ungerechtigkeitsaspekte einer allgemeinen und damit für alle männ-lichen Bürger geltenden Verpflichtung gegenüber dem Staat. Mehrheitlich wird die nur für Männer geltende allgemeine Wehrpflicht von der Schweizer Stimmbe-völkerung als gerecht wahrgenommen (siehe Abbildung 10.4). Der Aussage, dass die allgemeine Wehrpflicht gut sei, da sie «für alle jungen Männer gilt und deshalb gerecht ist», stimmen knapp zwei von drei Befragten zu (64%). Ebenso viele betrach-ten die allgemeine Wehrpflicht als positiv, da sie «eine staatsbürgerliche Pflicht ist».

Wiederum kann konstatiert werden, dass politisch rechts Eingestellte den beiden positiv formulierten normativen Argumenten besonders stark zustimmen (76%

bzw. 75%), hingegen links Orientierte diesen nicht zustimmen (45% bzw. 41%).

Die Wehrpflicht wird in der öffentlichen Diskussion oft wegen ihres Zwangs-charakters und der einseitigen Belastung der Schweizer Männer kritisiert. Dass die allgemeine Wehrpflicht ungerecht sei, da sie «auf Zwang beruht», wird in dieser Umfrage nur von einer Minderheit gesehen. 39% der SchweizerInnen teilen diese Auffassung. Ebenfalls erachten es nur 34% der Befragten als ungerecht, dass Frauen nicht Militärdienst leisten müssen. Nicht erstaunlich ist, dass die 18 – 29-Jährigen den

Wehrpflicht

Zwangscharakter der Wehrpflicht eher sehen (51%) als die anderen Altersgruppen.

Die Sinnhaftigkeit der Wehrpflicht wird von 37% der Befragten bezweifelt, wobei auch hier die politische Linke (60%) und die 18 – 29-Jährigen (51%) diese Vorgabe überdurchschnittlich bejahen. Am geringsten wird das Argument unterstützt, dass das militärische Denken mit dem zivilen unvereinbar sei. Ein Drittel der Schweize-rInnen (33%) sieht dabei eine Inkompatibilität zwischen Militär und Gesellschaft.

Abbildung 10.4

Wehrpflicht: Normative Aspekte

«Über die positiven und negativen Seiten der allgemeinen Wehrpflicht kann diskutiert werden. Ich nenne Ihnen verschiedene positive und negative Aussagen zur allgemeinen Wehrpflicht. Sagen Sie mir bitte zu jeder Aussage, wie sehr Sie dieser zustimmen.»

(«sehr» und «eher» einverstanden in Prozent)

Gerecht da alle Männer verpflichtend Bürgerpflicht

Ungerecht da Zwang Mangelnder Sinn Wehrpflichtarmee Ungerecht da nur Männer verpflichtend Unvereinbarkeit militärisches

und ziviles Denken

Positiv normativ Negativ normativ Si/1077_03/13

64 64 39

37 34 33

Fazit: Den positiv formulierten Aussagen zur allgemeinen Wehrpflicht stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung mehrheitlich zu, die negativen werden bis auf eine Vorgabe abgelehnt. Dabei zeigen sich nach soziodemographischen Merkmalen signifikante Unterschiede. So stehen vor allem ältere Personen, politisch sich rechts Positionierende sowie die Deutschschweiz generell stärker hinter der allgemeinen Wehrpflicht und bewerten ihre positiven Aspekte deutlich höher, die negativen Aspekte klar tiefer als Junge, WestschweizerInnen und politisch links eingestellte Befragte. Bei der Einschätzung der positiven und negativen Aspekte der allgemei-nen Wehrpflicht fällt besonders stark die Links-rechts-Polarisierung in der Bevöl-kerung auf. Weiter gilt, dass das Vertrauen in die und die Zufriedenheit mit der Armee, der Wunsch nach einer gut ausgebildeten und ausgerüsteten Armee und die Wichtigkeit, eine starke Armee zu haben, mit der Befürwortung der allgemeinen Wehrpflicht positiv korrelieren. Ebenfalls stimmen Personen, welche die Armee als zentral betrachten und hinter der Milizarmee stehen, den positiven Argumenten stärker und den negativen Aussagen schwächer zu. Ein wichtiger Faktor bei der

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Einschätzung der Vor- und Nachteile der Wehrpflicht ist das eigene sicherheitspoli-tische Interesse. Mit Ausnahme einer einzigen Vorgabe («Wehrpflicht ist ungerecht, weil die Frauen nicht Militärdienst leisten müssen») bejahen sicherheitspolitisch interessierte Befragte alle positiven Argumente signifikant stärker und lehnen alle negativen Vorgaben überdurchschnittlich stark ab.

Im Dokument Sicherheit 2013 (Seite 170-176)