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Nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete Aktiengesellschaft

Tochter-SE Gesellschaft/

A. Nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete Aktiengesellschaft

I. Beschränkung auf Aktiengesellschaften

Als Gründerinnen sind nur Aktiengesellschaften zugelassen505. Anhang I zur SE-Verordnung zählt die Aktiengesellschaften im Sinne der SE-SE-Verordnung abschließend auf. Die Aktiengesellschaften müssen „nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet“

worden sein, d.h. die in einem der Mitgliedstaaten normierten Gründungsvoraussetzungen erfüllen und das dort vorgeschriebene Gründungsverfahren durchlaufen haben.

Gesellschaften mit beschränkter Haftung können sich an der Gründung einer SE durch Verschmelzung nicht beteiligen. Zum Teil wird dies damit begründet, die Regelungen über die SE seien wegen der parallelen Anwendung von SE-Verordnung und nationalem Recht zu kompliziert und die Rechtsform damit zu teuer für kleine und mittlere Unternehmen506. Da für die SE der Grundsatz der Satzungsstrenge507 gelte, fehle der

500 Hommelhoff AG 2001, 279 (281) und Thoma/ Leuering NJW 2002, 1449 (1451) sprechen vom „numerus clausus der Gründungsformen“.

501 Dazu näher unter A.

502 Dazu näher unter B.

503 Zur Zahl der Gründer näher unter C.

504 Dazu näher unter D.

505 Anders ist es gemäß Art. 2 Abs. 2 und 3 SE-VO bei der Gründung einer Holding- oder Tochter-SE.

506 Merkt BB 1992, 652 (655); ders. in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1991, S. 168 (174); Pfister, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 75. Das Argument, die umfangreichen Vorschriften zum Schutz der Kapitalanleger in der SE-Verordnung seien auf börsennotierte Gesellschaften zugeschnitten, greift nach Streichung dieser Vorschriften nicht mehr.

507 Die Satzung darf gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. b SE-VO von der SE-Verordnung nur abweichen, soweit die SE-Verordnung dies ausdrücklich zulässt. Soweit nationales Aktienrecht gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c Ziff. ii SE-VO oder aufgrund einer Spezialverweisung Anwendung findet, bestimmt gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c Ziff. iii SE-VO dieses den Umfang der Satzungsautonomie. Siehe dazu 5. Kap. B I 5 h bb (2).

Rechtsform die für kleine und mittlere Unternehmen nötige Flexibilität508. Andererseits sollen nach dem Willen des Gesetzgebers auch kleine und mittlere Unternehmen Zugang zur SE haben, soweit sie das erforderliche Mindestkapital aufbringen509. Der Grund der Zugangsbeschränkung liegt möglicherweise in der Furcht der Mitgliedstaaten, die europäische Rechtsform könne die nationalen Gesellschaftsformen weitgehend verdrängen. Sie sind daher bestrebt, den Zugang zur SE möglichst überschaubar zu halten510. Vielfach wurde gefordert, die für GmbHs bestehende Zugangsbeschränkung aufzuheben511. Indem die SE-Verordnung allein auf die Rechtsform abstellt, vernachlässigt sie die unterschiedliche funktionale Bedeutung der GmbH in den Mitgliedstaaten512. Der société anonyme, die im französischen Wirtschaftsleben eine der deutschen GmbH entsprechende funktionale Stellung einnimmt, steht die Gründungsform offen. Will sich eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung an der Gründung einer SE durch Verschmelzung beteiligen, bleibt ihr nur die – mit Aufwand und Kosten verbundene - Möglichkeit, sich zunächst in eine nationale Aktiengesellschaft umzuwandeln513.

Eine Gesellschaft, die nicht Aktiengesellschaft ist, kann sich gemäß Art. 2 Abs. 1 SE-VO selbst dann nicht an der Verschmelzung beteiligen, wenn daneben zwei Aktiengesellschaften beteiligt sind.

Art. 2 Abs. 1 SE-VO steht der Beteiligung einer GmbH, sonstigen Gesellschaft oder natürlichen Person an der gegründeten SE nicht entgegen514. Die Gründungsvorschrift umschreibt nicht gleichzeitig die Mitgliedsfähigkeit515. Anteilseigner der SE werden nicht die sich verschmelzenden Aktiengesellschaften, sondern deren Aktionäre, die regelmäßig

508 Merkt BB 1992, 652 (655); ders. in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1991, S. 168 (174); Teichmann ZGR 2002, 383 (388); vgl. Hommelhoff in: Symposium, S. 57 (80)

509 13. Erwägungsgrund zur SE-Verordnung, dazu Hommelhoff, AG 2001, 279 (280)

510 Hommelhoff AG 2001, 279 (281); ders. in: Symposium, S. 57 (64 f)

511 Wenz, SE, S. 67; Rasner, ZGR 1992, 314 (320); Wehlau DWiR 1992, 78 (79);

Buchheim, Europäische Aktiengesellschaft, S. 174; Trojan-Limmer RIW 1991, 1010 (1013); Pagel/ Gless, Verschmelzung, S. 28; Hommelhoff in: Symposium, S. 57 (64)

512 Trojan-Limmer RIW 1991, 1010 (1013)

513 Hommelhoff AG 2001, 279 (281); Buchheim, Europäische Aktiengesellschaft, S. 174;

Pagel/Gless, Verschmelzung, S. 28

514 Hommelhoff AG 2001, 279 (280); ders. in: Symposium, S. 57 (62); Rasner ZGR 1992, 320; Aicher FS Frotz S. 161 (167)

515 In Bezug auf die Gründungsvorschriften des EUV-VOV wird dies vertreten, siehe Wagner, Europäische Verein, S. 137 m.w.N. und Vollmer ZHR 1993, 373. Die Gründungsvorschriften der EUGEN-VOV (insb. Art. 9 EUGEN-VOV) befassen sich nicht mit der Mitgliedsfähigkeit, siehe Kessel EuZW 1992, 475 (476); Aicher in: FS Frotz S. 161 (167). Art. 4 EWIV-VO regelt die Mitgliedsfähigkeit ausdrücklich.

keine Aktiengesellschaften sind516. Der Gesetzgeber hat den Kreis der möglichen Anteilseigner folglich nicht auf Aktiengesellschaften beschränkt. Die spätere Möglichkeit, sich an der SE zu beteiligen, stellt den Sinn der strengen Gründungsvorschriften in Frage517 und erleichtert deren Umgehung.

Nach Ansicht von Hirte518 kann eine SE nicht durch Verschmelzung zweier Aktiengesellschaften gegründet werden, wenn eine der Gesellschaften von der anderen abhängig ist. Hirte begründet seine Ansicht damit, dass andernfalls Art. 2 Abs. 4 SE-VO unterlaufen werden könnte. Nach dieser Vorschrift kann sich eine Aktiengesellschaft nur dann in eine SE umwandeln, wenn ihre Tochtergesellschaft mindestens zwei Jahre existiert. Art. 31 Abs. 1 SE-VO stellt jedoch klar, dass eine Tochter- auf ihre Muttergesellschaft zu einer SE verschmolzen werden kann. Der Verordnungsgeber hat bewusst in Kauf genommen, dass der numerus clausus der Gründungsformen mit seinen unterschiedlichen Voraussetzungen umgangen werden kann.519. Die formale Beachtung der Gründungsvoraussetzungen reicht demnach aus520.

Nach der SE-Verordnung kann eine nationale Aktiengesellschaft keine 100%ige Tochter-SE ausgründen521. Diese Zugangsbeschränkung kann umgangen werden, indem die nationale Aktiengesellschaft in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten Tochter-Aktiengesellschaften nationalen Rechts gründet und diese anschließend nach Art. 2 Abs.

1 SE-VO zu einer SE verschmelzen522.

II. SE als Gründungsgesellschaft

Eine SE kann gemäß Art. 3 Abs. 1 SE-VO Gründungsgesellschaft sein. Sie kann mit nationalen oder europäischen Aktiengesellschaften zu einer SE verschmelzen.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 SE-VO sind Europäische Aktiengesellschaften „zum Zwecke der Anwendung des Art. 2“ Abs. 1 SE-VO wie nationale Aktiengesellschaften zu behandeln,

516 Art. 29 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. b SE-VO

517 Vgl. Wagner, Europäische Verein, S. 137

518 Hirte NZG 2002, 1 (3)

519 Die Europäische Kommission stellt in ihrer Begründung zu Art. 2 SE-VOV 1989 (Bundesratsdrucksache 488/89 vom 13.09.1989) fest: „Falls Gesellschaften mit beschränkter Haftung eine SE gründen wollen, müssen sie sich zuvor in Aktiengesellschaften nach dem Recht ihres Mitgliedstaates umwandeln“. Außerdem hat die Literatur vor Umgehungsmöglichkeiten vielfach gewarnt, siehe Barz/ Lutter in:

Lutter, Europäische Aktiengesellschaft, S. 17 (19); Abeltshauser EWS 1991, 58 (61);

Hommelhoff AG 1990, 422 (423); Kallmeyer AG 1990, 103 (106); Merkt BB 1992, 652 (655); Trojan-Limmer RIW 1991, 1010 (1013); Wenz, SE, S. 65.

520 Ebenso Teichmann ZGR 2002, 383 (412)

521 Art. 3 Abs. 2 SE-VO

522 Hommelhoff AG 1990, 422 (424); Wenz, SE, S. 66; Hirte NZG 2002, 1 (4)

die dem Recht des Staates unterliegen, in dem sie ihren Sitz haben. Entgegen seinem Wortlaut ist Art. 3 Abs. 1 SE-VO auch außerhalb des Art. 2 SE-VO maßgeblich. Zum Beispiel verweist Art. 18 SE-VO auf die Vorschriften des Mitgliedstaates, dessen Recht die Gründungsgesellschaft unterliegt. Die SE unterliegt primär europäischem, nicht nationalem Recht. Deshalb ist an dieser Stelle auf Art. 3 Abs. 1 SE-VO zurückzugreifen523. Das Gleiche gilt bei sonstigen Verweisungen auf das Recht, dem die Gründungsgesellschaft unterliegt