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3. Ausgesuchte Murbrücken in der Steiermark

3.4 Brücken als Grenze oder in unmittelbarer Grenznähe

3.4.3 Murbrücke in Bad Radkersburg

Am Ende des Ersten Weltkrieges besetzten Truppen des damaligen SHS Staates die Stadt Radkersburg und deren umliegende Gemeinden am linken Murufer und räumten diese Gebiete erst wieder im Juli 1920 im Tausch gegen das Becken von Abstall. Wobei allerdings zu sagen bleibt, dass der Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye Radkersburg zu einer

Art geteilten Stadt machte, da die Mur nun die Grenze zum SHS Staat bildete. Eine Grenze, wo es niemals eine Grenze gab, eine Grenze, die Menschen, Familien und Nachbarn, eine Stadt und eine ganze Region trennte. Radkersburg verlor über 50 Prozent seines

Gemeindegebiets und 12 Prozent seiner Einwohner. Die Stadt war nun nicht mehr wirtschaftliches Zentrum einer Region, die weit in die ehemalige Untersteiermark

hineinreichte. Auch der Bezirk reichte natürlich nur mehr bis zur Staatsgrenze. Radkersburg hatte mit denselben Problemen wie Restösterreich zu kämpfen, sie wurden aber auf Grund der Grenzlage verstärkt.

Im April 1941 wurde Radkersburg für kurze Zeit zum Kriegsschauplatz, als Großdeutschland Jugoslawien überfiel. Danach kam es für längere Zeit zu keinen kriegerischen Handlungen mehr. Am 15. April 1945 marschierten sowjetische Soldaten in Radkersburg ein. Die deutschen Truppen zogen sich in der Folge nach Oberradkersburg/Gornja Radgona zurück.

Beim Rückzug sprengten sie die Eisenbahn- sowie die Straßenbrücke über die Mur.

Radkersburg wurde nun von den deutschen Truppen unter Artilleriebeschuss genommen. Als Resultat der nun folgenden heftigen Kämpfe blieben nur vier Häuser der insgesamt 321 unbeschädigt (Homepage der Stadtgemeinde Bad Radkersburg, 2009).

Im Jahr 1952 wurde mit Unterstützung der britischen Besatzung eine Behelfsbrücke über die Mur errichtet. Radkersburg und Gornja Radgona waren nun wieder miteinander verbunden.

So konnte sich, zwar zunächst nur in bescheidenem Ausmaß, ein Kontakt zwischen den Menschen beiderseits der Mur entfalten. Mit der Zeit aber entwickelten sich sowohl die Beziehungen zwischen den Staaten Österreich und Jugoslawien als auch zwischen den Städten Radkersburg und Gornja Radgona kontinuierlich. Die Behelfsbrücke war nach 15 Jahren dem anwachsenden Verkehr nicht mehr gewachsen, deshalb musste eine neue Brücke über die Mur gebaut werden (Homepage der Stadtgemeinde Bad Radkersburg, 2009).

Die feierliche Wiedereröffnung der Murbrücke am 12. Oktober 1969 durch die Präsidenten der Republik Österreich Dr. h.c. Franz Jonas und der Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien Josip Broz Tito markierte einen Neubeginn in der Beziehung der beiden Staaten und für die Region Radkersburg. Die Brücke ist Symbol für die Bestrebungen, die alten Konflikte zu begraben und gutnachbarschaftliche Beziehungen aufzubauen.

Da die Geschichte von der Unabhängigkeit Sloweniens bis zum EU Beitritt des Landes bereits beim Kapitel 3.4.2. erwähnt wurde, beschreibt dieses Kapitel nun die Rolle der Brücke ab dem 1.Mai 2004:

Am 30. April 2004 wurde es auf der Murbrücke beinahe zu eng. Tausende Menschen schoben sich in der lauen Nacht auf den 1. Mai hin und her, ein paar hundert Meter zwischen der Radkersburger Altstadt in Österreich und der Burg Oberradkersburg in Slowenien waren eine einzige Festmeile. Freudenfeuer brannten, Raketen wurden in den Himmel gefeuert, um Mitternacht spielten Marschkappellen den letzten Satz der 9. Symphonie von Ludwig van Beethoven, welche als Europahymne gilt.

„In den fünf Jahren seit Slowenien der EU beigetreten ist, sei es ganz selbstverständlich geworden, dass die Menschen bei uns die Grenze überschreiten“

sagen unisono der Bürgermeister von Bad Radkersburg und sein slowenischer Amtskollege von Gornja Radgona und die beiden fügen an, dass „die symbolträchtige, aber desolate Brücke demnächst saniert werden soll und die Grenzgebäude geschleift werden müssen“

(Kleine Zeitung, 1. Mai 2009).

Wie gut die Beziehungen zwischen den beiden Städten ist, die durch die Brücke über die Mur verbunden sind, zeigt unter anderem ein bilateraler Gestaltungswettbewerb zum Thema

„Räumliche Konzepte für die beiden Grenzstädte Bad Radkersburg (A) und Gornja Radgona (SLO):“

Als eine, zumindest planerisch, wiedervereinte Stadt soll Bad Radkersburg / Gornja Radgona Beispiel dafür sein, wie ein neues, kreatives und multikulturelles Europa aussieht, wenn es sich über Grenzen hinwegsetzt.

Durch den Wettbewerb erhoffen sie sich beide Gemeinden Impulse für ihre Stadt- und Freiraumentwicklung, eine neue Qualität der Zusammenarbeit, eine Stärkung des gemeinsamen Standortes (A. Mayer, 2007).

Die Mur mit ihren Auwäldern prägte die Umgebung der beiden Städte und beeinflusste die städtebauliche Entwicklung: Einst umfloss sie die Stadt, heute erinnert noch der Stadtgraben an diese „Stadtinsel“. Die Altstadtzentren links und rechts der Mur sowie der Burgberg sind architektonische Kleinode.

Bad Radkersburg hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts seinen Stadtkern revitalisiert und sich in Richtung Thermen-Tourismus entwickelt.

Gornja Radgona dagegen dehnte sich räumlich dispers aus und intensivierte den gewerblich-industriellen Sektor. Diese Entwicklungen haben sowohl die Stadtzentren als auch vor allem die Peripherien beider Städte geprägt (K. Hörner, 2007).

Als gemeinsame Schwerpunkte des Wettbewerbs wurden festgelegt:

Die Trennung der beiden Städte soll aufgehoben werden, indem das Murufer attraktiv

gestaltet wird. Neue Verbindungen über die Mur sollen im urbanen Raum und im Naturraum (auf Höhe der Therme und auf Höhe der Sportstadien) entstehen.

Zeichensetzungen für die Verbindung der beiden Städte sollen entwickelt werden.

Überlegungen zum Fußgänger- und Fahrradverkehr sind gefordert. Bad Radkersburg legt einen weiteren Schwerpunkt auf die Planung des Freiraums. Gornja Radgona hingegen will einen starken stadtplanerisch-architektonischen Akzent setzen.

Die Finanzierung der Wettbewerbsdurchführung erfolgt durch EU-Fördermittel (Interreg), Mittel aus dem slowenischen Ministerium für Umwelt und Raum und Eigenmittel der beiden Stadtgemeinden (A. Mayer, 2007).

Im Mai 2007 wurden auf Initiative der Stadt Bad Radkersburg Interviews zum Thema Bad Radkersburg mit folgenden Interessensvertretern durchgeführt:

Dr. Franz Gmeindl, GR Sissi Busetto, Vertreterin Innenstadthandel, GR Armin Christandl, Vertreter Stadtwirte, Birgit Stumberger und Eva-Maria Zarth, LOGO Jugendbüro

Christian Contola, Tourismusverband Radkersburg, Dr. Arthur Oberascher, ehem.

Geschäftsführer der Österreich-Werbung, Mag. Beatrix Vreca, Museum im Alten Zeughaus, Laszlo Hentschel, Evangelischer Pfarrer, Josef Jausowez, Hotelier Hotel im Park, Mag.

Rudolf Weber, Leiter Kurzentrum, Prim. Dr. Grieshofer, Hotelier Gruppe Mare und Dechant Karl Niederl, Katholische Pfarre.

Unter anderem beschäftigte sich auch eine Frage mit dem Thema Grenzbrücke, wobei das Ergebnis der Befragung wie folgt ausschaut:

Die Brücke ist in den Augen der Befragten ein Symbol für die jahrzehntelange Trennung der beiden Gemeinden, verfügt aber über hohes Potenzial für zukünftige Verbindungen, da derzeit noch wenig Austausch über die Mur stattfindet, weshalb vor allem der Fuß- und Radweg erweitert werden soll. Der Tenor war auch, dass die Murbrücke attraktiver zu gestalten sei.

Unter den eingereichten Ideen war die Gestaltung der Murbrücke zu einem Eingangsbereich in die jeweilige Stadt, der Ausbau des öffentlichen Verkehrs über die Grenze hinaus, das Anbieten von grenzüberschreitenden Stadtführungen sowie die Errichtung weiterer, barrierefreier Brücken (Stadtgemeinde Bad Radkersburg, 2007).

Es wird zu beobachten bleiben, ob der eine oder andere dieser Vorschläge und Anregungen in die Realität umgesetzt wird.

Abb.55 Murbrücke in Bad Radkersburg, Standort österreichisches Ufer, Blickrichtung Slowenien, eigene Aufnahme, 5.März 2009

Abb.56 Murbrücke in Bad Radkersburg, ehemaliger, österreichischer Grenzposten, Blickrichtung Österreich, eigene Aufnahme, 5.März 2009