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4 Eine Fallstudie: Tourismus am Bodensee

4.2 Methodisches Vorgehen

4.2.3 Multiple Regression

Abschließend wurde im Sinne der Ausgangsthese aufgrund der Ausprägung einzelner alltäglicher Freizeitmerkmale die Vorhersagbarkeit für bestimmte Verhaltensmuster im Urlaub geprüft. Ziel dabei ist die Beantwortung der Frage, ob Milieu- und Lebensstilmodelle eine für die Analyse und Vorhersage touristischen Verhaltens ausgeprägtere Relevanz haben als soziodemographische Modelle bzw. Modelle der sozial-ökonomisch Lage (Weber).

Die Prüfung der Vorhersagbarkeit einer Variablen (Kriterium) aus anderen Variablen (Prädiktoren) erfolgt mit einer multiplen Regressionsanalyse. Bei der Regression handelt es sich um ein Verfahren, mit dem die Ausprägungen eines Merkmals (eine Variable) durch die Ausprägungen eines oder mehrerer anderer Merkmale erklärt oder vorhergesagt werden sollen. Das zu erklärende Merkmal wird als „abhängige Variable“ oder „Kriterium“ bezeichnet, das oder die erklärenden Merkmale als „unabhängige Variable“ oder „Prädiktor(en)“. Die Regression unterstellt, dass die abhängige Variable metrisch, also mindestens intervallskaliert ist. Die unabhängigen Variablen können metrisch oder nicht-metrisch sein, in letzterem Fall sind sie in so genannte Dummy-Variablen zu zerlegen.

Kann man aus den Werten der unabhängigen Variablen in jedem Einzelfall genau den beobachteten Wert der abhängigen Variablen vorhersagen, so liegt ein perfektes Modell vor (multiples R2=1,0; d.h. 100% der Varianz der abhängigen Variablen werden durch die Ausprägungen der Prädiktoren erklärt).

In der vorliegenden Arbeit wurden zwei unterschiedliche Regressionsanalysen durchgeführt und die daraus resultierenden Ergebnisse gegenübergestellt.

Abbildung 12: Darstellung der gewählten statistischen Mittel und Schritte

sechs Lebensstilcluster (nominalskaliert)

sechs ungleichheits-relevante Merkmale (intervallskaliert)

Multiple Regression Multiple Regression

Überprüfung von errechneten Signifikanzen zur Vorhersage

touristischen Verhaltens mittels

Lebensstilmodellen

Überprüfung von errechneten Signifikanzen zur Vorhersage

touristischen Verhaltens mittels

Soziodemographie

Annahme oder Ablehnung der Arbeitshypothese

Die erste multiple Regression berechnet die Daten für die ermittelten sechs Lebensstilcluster, die hier die unabhängige Variable bilden. Die Prädiktoren im Bereich Lebensstil sind hierbei binäre Variablen, d. h. jedes Cluster fungiert in der multiplen Regression als eine eigene nominalskalierte Variable mit den Ausprägungen 0 oder 1.

Die zweite multiple Regression berechnet die Werte für die ausgesuchten sechs Merkmale der Soziodemographie (Geschlecht, Wohnortgröße, Ausbildungsgrad, Altersgruppe, Urlaubsausgaben, Beruf), die ebenfalls die für die Regressionsrechnung notwendige unabhängige Variable bilden. Diese Prädiktoren sind intervallskaliert in die multiple Regression eingeflossen.

Als abhängige Variable sollten die Antwortmöglichkeiten zu konkretem touristischem Verhalten fungieren. Dieses waren im Einzelnen die Fragen nach

• den generellen Urlaubserwartungen

• den Urlaubsansprüchen sowie

• den Urlaubsformen.

Die Antwortkategorien im Fragebogen ließen hier insgesamt 35 Möglichkeiten zu, die die Befragten jeweils mit „sehr wichtig“, „wichtig“, „eher unwichtig“ bzw.

„unwichtig“ klassifizieren konnten. Für die detaillierte Analyse der beiden geplanten Multiplen Regressionen erschien die Anzahl von insgesamt 35 Antwortmöglichkeiten jedoch entschieden zu hoch bzw. zu unübersichtlich und hätte bei der Interpretation der Ergebnisse eine Vielzahl von Redundanzen hervorgebracht.

Deshalb wurden diese 35 Items mit Hilfe zweier weiterer Faktorenanalysen erster Ordnung gezielt reduziert. Die erste Faktorenanalyse verdichtet dabei die Antwortkategorien der Fragen 12 und 14 (Urlaubserwartungen und Urlaubsansprüche) zusammen auf noch verbleibende sieben Faktorwerte mit einer erklärten Gesamtvarianz von 60,21%.

Tabelle 10: Ergebnisse der Faktorenanalyse zu Urlaubserwartungen und Urlaubsansprüchen

Items im Fragebogen Extrahierte Faktoren

Urlaubserwartungen 1. Ruhe und Erholung 2. Raus aus dem Alltag 3. Klimawechsel

4. Sonne und schönes Wetter 5. Natur erleben

6. Neue Kontakte knüpfen 7. aktiv Sport treiben

8. Zeit für Freunde und Familie 9. gutes Essen

11. Garantie für gutes Wetter

Sport treiben und Sportmöglichkeiten (Sportmöglichkeiten (0,86); aktiv Sport treiben (0,85)) Erklärte Varianz 10,19%

Gute Gastronomie und Komfort (komfortable Unterkünfte (0,70); gute Gastronomie (0,75); gutes Essen (0,70) Erklärte Varianz 9,65%

Kulturelle Veranstaltungen und Sehenswürdigkeiten (kulturelle Veran-staltungen (0,79); kulturelle Sehens-würdigkeiten (0,82))

Erklärte Varianz 9,48%

Günstige Preise (preisgünstige An-gebote (0,85); preisgünstige Unterkünfte (0,85)) Erklärte Varianz 8,65%

Sonne und Baden (Bademöglichkeiten (0,62); Garantie für gutes Wetter (0,71); (0,76); Zeit für Freunde und Familie (0,69)) Erklärte Varianz 7,08%

Die zweite Faktorenanalyse reduziert die ursprünglich 13 Antwortkategorien der Frage nach den Urlaubsformen auf insgesamt vier Faktoren mit einer erklärten Gesamtvarianz von 52,26%.

Tabelle 11: Ergebnisse der Faktorenanalyse zu Urlaubsformen

Items im Fragebogen Extrahierte Faktoren

Urlaubsformen

8. Sporturlaub (Bersteigen, Tauchen, Surfen etc.)

9. Urlaub auf dem Bauernhof 10. Badeurlaub

11. Fahrradurlaub 12. Abenteuerurlaub 13. Ferntourismus

Abenteuerurlaub und Camping (Abenteuerurlaub (0,81); Campingurlaub (0,62)) Erklärte Varianz 13,99%

Kultur- und Städteurlaub (Kultururlaub (0,74); Städtetourismus (0,79))

Erklärte Varianz 13,39%

Club-, Bade- und Skiurlaub (Cluburlaub (0,77); Skiurlaub (0.68), Badeurlaub (0,61)) Erklärte Varianz 12,67%

Wandern und Urlaub auf dem Bauernhof (Wanderurlaub (0,71); Urlaub auf dem Bauernhof (0,59)) Erklärte Varianz 12,21%

Tabelle 10 fasst die Reduktion der Gesamtzahl der Antwortkategorien nochmals zusammen:

Tabelle 12: Grundlagen für weiteren Faktorenanalysen

Vorhersagekriterien aus Items in Fragebogen Reduzierte Faktoren nach Faktorenanalyse

a) den generellen Urlaubserwartungen (Frage Nr. 12) 9 Items b) den Urlaubsansprüchen (Frage Nr. 14) 13 Items

a+b = 7 Faktorwerte

c) den in den letzten 12 Monaten gebuchten Urlaubsformen (Frage Nr. 24)

13 Items 4 Faktorwerte

Gesamt 35 Items 11 Faktorwerte

Die gewonnenen Ausprägungen der Befragten auf den identifizierten Faktoren bei der Faktorenanalysen fungierten in den anschließend gerechneten zwei multiplen Regressionen jeweils als Kriteriums-Variable.

Mit Hilfe der multiplen Regression lässt sich anhand der gewonnenen signifikanten Werte die Vorhersagekraft beider Modelle differenziert vergleichen. An dieser Stelle sei nochmals ausdrücklich betont, dass die sechs soziodemographischen Merkmale (Geschlecht, Alter, Wohnortgröße, Bildungsabschluss, Beruf, Urlaubsausgaben) und die sechs ermittelten Lebensstilcluster in einer jeweils eigenen Regressionsanalyse berechnet und zur Überprüfung der Arbeitshypothese einander gegenübergestellt wurden.

Das nachfolgend aufgeführte multiple R der Regression misst den Zusammenhang zwischen vorhergesagter und tatsächlicher Ausprägung des vorherzusagenden Merkmals. Je größer das multiple R2 ist, desto größer ist der Zusammenhang zwischen den Prädiktoren und dem Kriterium, d.h. desto besser ist die Vorhersagbarkeit des Urlaubsverhaltens aus dem Freizeitverhalten. Die Größe p misst das Signifikanzniveau. Je kleiner das p, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer irrtümlichen Zurückweisung der Null-Hypothese eines fehlenden Zusammenhangs zwischen Freizeit- und Urlaubsverhalten.

Als signifikant in diesem Sinne gilt das Ergebnis eines Hypothesentests, wenn ein theoretisch angenommener und in den Daten vorgefundener Zusammenhang zwischen Merkmalen oder ein Unterschied zwischen Gruppen nicht alleine durch die Unschärfe erklärt werden kann, die mit der Stichprobenziehung verbunden ist.

Die Berechtigung dieser Annahme kann nie mit Sicherheit erwiesen werden, sondern nur mit einer gewissen, vorab festzulegenden Wahrscheinlichkeit. Diese bezeichnet man als Signifikanzniveau. In den Sozialwissenschaften übliche Signifikanzniveaus sind 0,05, 0,01 und 0,001. Werte zwischen 0,05 und 0,01 gelten dabei als „signifikant“. Werte kleiner als 0,01 gelten dabei als „sehr signifikant“. Werte kleiner 0,001 gelten als „hoch signifikant“.

4.3 Untersuchungsergebnisse

In den nun folgenden Abschnitten werden im ersten Schritt tourismusanalytische Basisdaten der Stichprobe erläutert. Daran schließt sich eine Deskription der Ergebnisse der soziodemographischen Fragen. Im Zuge der weiteren Argumentationsführung werden abschließend in diesem Kapitel die Ergebnisse der entwickelten Lebensstiltypologie vorgestellt.