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Auf Basis der Multilokus-Enzym-Elektrophorese (MLEE) (SELANDER et al. 1986) wurde 1998 die MLST mit dem Vorteil entwickelt, verlässliche, reproduzierbare und transportable Daten zu produzieren. Die Methode basiert auf der Analyse von Nucleotidsequenzen bestimmter Gene eines Bakteriums, der sogenannten Housekeeping-Gene (MAIDEN et al.

1998). Housekeeping-Gene sind chromosomale Gene, die hochkonserviert sind, da sie für Proteine codieren, die von der Zelle lebensnotwendig sind, nicht jedoch für Funktionen der Wirtsadaptation (MAIDEN et al. 1998; DINGLE et al. 2001a). Die Ergebnisse der MLST können via Internet weltweit zugänglich gemacht werden (http://www.mlst.net) (CHAN et al.

2001; JOLLEY et al. 2004) und entsprechende Hilfsprogramme ermöglichen die Anfertigung von Clusteranalysen (FEIL et al. 1999; JOLLEY et al. 2001; FEIL et al. 2004; DIDELOT u.

FALUSH 2007).

Für C. jejuni und C. coli wurden sieben Housekeeping-Gene festgelegt (DINGLE et al.

2001a; DINGLE et al. 2005): aspartase A (aspA), glutamine synthetase (glnA), citrate

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synthase (gltA), serine hydroxymethyltransferase (glyA), phosphoglucomutase (pgm), transketolase (tkt) und ATP synthase alpha subunit (uncA).

Für jedes Allel, d.h. für jede Ausprägung des Genabschnitts des jeweiligen Lokus, wurde in der Reihenfolge ihrer Entdeckung eine Allelnummer vergeben. Die daraus zusammengesetzte siebenstellige Nummer ergibt ein Allelprofil, welches einem Sequenztypen (ST) zugeordnet werden kann. Ein ST erhält zur Beschreibung und Vergleichbarkeit ebenfalls eine individuelle Nummer.

STs können in weitere Gruppen eingeteilt werden, die sogenannten klonalen Komplexe (CCs). Nach DINGLE et. al (2001) werden STs mit vier identischen Loki zu einem Komplex gezählt. Sie werden nach dem zuerst entdeckten ST der CC-Gruppe benannt, gefolgt von dem Wort „complex“.

Die Vergabe der Allelnummern, STs und CCs erfolgt über die Onlinedatenbank pubMLST.

Daten der MLST-Methode zeigen trotz der hohen genetischen Vielfalt zuverlässig die Verwandtschaft verschiedener Stämme an, da sie sich auf konservierte Gene beschränkt. Auf der Internetseite (http://pubmlst.org/campylobacter/) können STs und CCs gesucht und neu typisierte eingegeben werden. Die jeweiligen Isolate sind mit Angaben über ihre Bezeichnung (id), Isolatname und eventuelle Alternativbezeichnungen versehen. Des Weiteren enthält die Datenbank Angaben über das Land und das Jahr, in dem der Stamm isoliert wurde, sowie assoziierte Erkrankungen, Herkunft bzw. Material, aus dem der Stamm gewonnen wurde, und epidemiologische Daten. Zusätzlich können Angaben zu Veröffentlichungen gemacht werden, in denen die Isolate beschrieben wurden, womit studienübergreifende Analysen bestimmter Isolate ermöglicht werden.

In Studien konnte bereits eine Adaptation von CCs an bestimmte Wirte und Nischen (DINGLE et al. 2002; MILLER et al. 2006; THAKUR et al. 2006) belegt werden. Außerdem konnten bestimmte CCs mit dem Guillain-Barré-Syndrom, dem Miller-Fisher-Syndrom (DINGLE et al. 2001b) und mit dem Alter des Menschen bei Ersterkrankung assoziiert werden (DINGLE et al. 2005; KARENLAMPI et al. 2007), was die Bedeutung der MLST für epidemiologische Studien hervorhebt.

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27 2.2.9 Genetische Diversität

Die hohe genetische Diversität von Campylobacter spp. (OWEN et al. 1997; HANNINEN et al. 1998; WASSENAAR et al. 1998; DORRELL et al. 2001) erschwert phylogenetische und epidemiologische Studien, stellt für die Bakterien jedoch eine wichtige Überlebensstrategie dar. Als Ursache für die genetische Instabilität gelten hohe Raten an Intra- und Interspezies-Genaustausch, Rekombination sowie Mutation (ON 1998; DINGLE et al. 2001a;

SUERBAUM et al. 2001; DE BOER et al. 2002; SCHOULS et al. 2003; LITRUP et al.

2007). Aber auch Transformation, das heißt die Aufnahme fremder DNA aus der Umgebung, ist möglich (WANG u. TAYLOR 1990; RICHARDSON u. PARK 1997).

Je nach Typisierungsverfahren wird die Vielfalt der Campylobacter spp. besonders deutlich.

Es existieren allein für C. jejuni 60 hitzestabile Oberflächenantigene zur Differenzierung nach Penner und 100 hitzelabile Antigene zur Serotypisierung nach Lior (PENNER u. HENNESSY 1980; LIOR et al. 1981). Das Verfahren der fla-Typisierung (WASSENAAR et al. 1995;

HARRINGTON et al. 1997) sowie PFGE-Untersuchungen (WASSENAAR et al. 1998) und RFLP-Untersuchungen (WEIJTENS et al. 1993) verdeutlichen die genetische Vielfalt, machen diese Verfahren jedoch nahezu unbrauchbar für epidemiologische Studien. Aber sogar Untersuchungen mit der MLST-Methode, basierend auf Genen, die als hochkonserviert gelten, zeigen eine hohe Anzahl möglicher STs und bestätigen somit die hohe Diversität der Bakterien (DINGLE et al. 2001a; SUERBAUM et al. 2001). MLST- und AFLP-Untersuchungen ergaben eine geringere Diversität für C.-coli- als für C.-jejuni-Stämme (DUIM et al. 1999; DINGLE et al. 2005). Allerdings sind die Ergebnisse der Studien diesbezüglich nicht einheitlich, da auch für C.-coli-Stämme hohe Rekombinationsraten und eine ebenfalls sehr hohe genetische Diversität belegt werden konnten (THAKUR u.

GEBREYES 2005; LITRUP et al. 2007). Es wird vermutet, dass es sich um eine geringe Anzahl variabler Regionen im Genom handelt, die durch Rekombination einer stetigen Änderung unterliegen (TABOADA et al. 2004). Auch sogenannte Mutator-Mutanten in der Spezies Campylobacter werden diskutiert (LITRUP et al. 2007). Hierbei handelt es sich um Bakterienklone, die eine Störung im Mismatch-Repair-System besitzen und so einer höheren Mutation unterliegen (TOWNSEND et al. 2003).

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Aufgrund der genetischen Vielfalt bei einer nachgewiesen schwachen klonalen Populationsstruktur von C.-jejuni- und C.-coli-Stämmen, kann von einer frequenten Intraspeziesrekombination ausgegangen werden (DINGLE et al. 2001a; SUERBAUM et al.

2001; FEARNHEAD et al. 2005; THAKUR u. GEBREYES 2005). Aber auch Interspeziesrekombinationen wurden beschrieben, wonach es zu einem genetischen Austausch zwischen C.-jejuni- und C.-coli-Stämmen kommen kann (SCHOULS et al. 2003;

DINGLE et al. 2005; FEARNHEAD et al. 2005; MILLER et al. 2006; LITRUP et al. 2007).

In-vivo- und In-vitro-Passage-Versuche zur Untersuchung der genetischen Stabilität von C.-jejuni- und C.-coli-Stämmen lieferten unterschiedliche Ergebnisse. So konnten sowohl genetische Stabilität (HANNINEN et al. 1999) als auch Instabilität (WASSENAAR et al.

1998; RIDLEY et al. 2008; HÄNEL et al. 2009; LEBLANC-MARIDOR et al. 2011) in vivo nachgewiesen werden. Entsprechend unterschiedliche Ergebnisse ergaben auch In-vitro-Passage-Versuche (ON 1998; NIELSEN et al. 2001; RITMEESTER et al. 2003; LEBLANC-MARIDOR et al. 2011). Als Ursache für das häufige Vorkommen genetischer Instabilität in vivo wird ein hoher Selektionsdruck im Gastrointestinaltrakt des Wirts vermutet (NUIJTEN et al. 2000; RIDLEY et al. 2008). Das Potenzial zur genetischen Veränderung scheint jedoch auch vom Stamm abhängig zu sein. So konnte einerseits für C.-jejuni-Stämme aus klonaler Herkunft eine hohe genetische Diversität nachgewiesen werden (WASSENAAR et al. 1998), während andererseits auch von der Existenz bestimmter C.-jejuni-Klone berichtet wurde, die über lange Zeit in verschiedenen Umgebungen und geografischen Entfernungen genetisch stabil blieben (MANNING et al. 2001).

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