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Monogene Erbmerkmale des Hundes: Phänotyp, genetischer Hintergrund, ursächliche Mutationen und Genotypisierungsmethoden

Dieses Kapitel bietet einen Überblick über Gendefekte und -varianten sowie die damit zusammenhängenden Erkrankungen bzw. morphologischen Eigenschaften und liefert detaillierte Informationen zu den jeweiligen verfügbaren Genotypisierungsmethoden.

Die einzelnen Defekte oder Varianten sind in die sieben Kategorien

„Störungen der Hämostase“, Abschnitt 3.1,

„Störungen des Immunsystems“, Abschnitt 3.2,

„Speicherdefekte“, Abschnitt 3.3,

„Vergiftungen und Unverträglichkeiten“, Abschnitt 3.4,

„Erkrankungen der inneren und äußeren Organe“, Abschnitt 3.5,

„Erkrankungen von Skelettsystem, Muskulatur oder Nervensystem“, Abschnitt 3.6 und „Morphologische Varianten“, Abschnitt 3.7

eingeteilt und werden innerhalb dieser sieben Kategorien nach Untergruppen geordnet abgehandelt.

Die Abhandlung einzelner Erkrankungen bzw. morphologischer Varianten erfolgt je-weils in drei Abschnitten. Zuerst wird eine kurze Übersicht über die wesentlichen Krankheitserscheinungen bzw. die Merkmalsvarianten gegeben. Dabei werden gegebe-nenfalls Besonderheiten einzelner Rassen in Unterkapiteln besprochen. Daran schließt sich eine Zusammenfassung der genetischen Hintergründe an, in der der Erbgang sowie die Eigenschaften des jeweils betroffenen Gens beschrieben werden.

Im letzten Abschnitt werden nach Mutationen und jeweils betroffenen Rassen geordnet einzelne Gendefekte behandelt. Sofern bekannt, wird an dieser Stelle der Zusammen-hang zwischen der Mutation und den Krankheitserscheinungen kurz erläutert. In Fällen, in denen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Mutation und dem Merkmal oder der Erkrankung nicht eindeutig hergestellt werden kann, wird gegebenenfalls auf

das Verfahren zur Identifizierung der Mutation näher eingegangen. Anhand dieser In-formationen kann der Grad der Assoziation zwischen der Mutation und dem zu untersuchenden Merkmal eingeschätzt werden.

In einem gesonderten Unterkapitel in direktem Anschluss an die Beschreibung der je-weiligen Mutationen wird auf mögliche Nachweismethoden eingegangen, die in der Originalveröffentlichung oder in Folgeveröffentlichungen beschrieben wurden. Sofern verschiedene Verfahren veröffentlicht sind, wird lediglich eine Auswahl vorgestellt. In einigen Fällen sind die in der Originalveröffentlichung beschriebenen Verfahren nicht mehr zeitgemäß, so zum Beispiel Verfahren, bei denen radioaktive Substanzen einge-setzt werden. Der Vollständigkeit halber werden diese Verfahren dennoch erwähnt.

Detaillierte Informationen werden lediglich zum Ablauf seltener spezieller Verfahren aufgeführt. Der Ablauf von Standardverfahren wurde in Kapitel 2 besprochen und wird im Folgenden nicht mehr im Einzelnen erläutert.

3.1 Genetisch bedingte Störungen der Hämostase

Es existiert eine Vielzahl erblicher Bluterkrankheiten bei Hunden, die fast alle enge Parallelen zu humanen Blutererkrankungen aufweisen. Je nach betroffenem Hämostasemechanismus und betroffener Komponente des Gerinnungssystems weichen die klinischen Erscheinungen und die hämatologischen Laborbefunde bei den einzelnen Erkrankungen voneinander ab. Wie schwerwiegend die klinischen Anzeichen in Erscheinung treten hängt vom molekulargenetischen Status ab. Die genetischen Ursachen einer bestimmten Erkrankung, die in mehreren Rassen auftritt, können sich zwischen den einzelnen Rassen aber auch zwischen einzelnen Linien innerhalb einer Rasse unterscheiden und zu unterschiedlich starken Beeinträchtigungen führen.

Inzwischen (Stand: Oktober 2007) kennt man insgesamt 13 Gendefekte, die in unterschiedlichen Rassen und Familien für Defekte der Thrombozytenagglutination, verschiedene Unterformen der drei Typen der von Willebrand Disease (vWD) sowie Formen der Hämophilie A und B verantwortlich sind.

3.1.1 Thrombozytenerkrankungen

Chromosom: CFA9

Gen: ITGA2B (Glykoprotein IIb, Untereinheit des Fibrinogenrezeptors Integrin αIIbβ3) NCBI: GeneID: 403789, GenBank: AF153316 DNA-Sequenz: NW_876332, Position 862415-877075

Mutationen: 14-bp-Insertion (Duplikation der Basen 153-167), Basset

G1193C, Otterhund

I. Krankheitsbild

Die bei Hunden bekannten ererbten Thrombozytenerkrankungen sind ausschließlich qualitativer Art. Betroffen sind die drei Rassen Otterhunde (Dodds 1967; Boudreaux und Lipscomb 2001), Pyrenäenberghunde (Boudreaux et al. 1996) und Bassets (Patterson et al. 1985; Mattson et al. 1986; Patterson et al. 1989). Offenbar liegen in den einzelnen Rassen unterschiedliche genetische Ursachen vor, die zu rassenspezifischen Besonderheiten des Krankheitsbildes führen. Zudem treten innerhalb der Rasse der Otterhunde zwei unterschiedliche Formen der Thrombopathie auf, so dass insgesamt

vier verschiedene Ausprägungen erblicher caniner Thrombopathien beschrieben wurden.

Tabelle 1: Typische Befunde, betroffene Rassen und ursächliche Gendefekte verschiedener Thrombopathieformen

Bezeichnung Rasse Symptome Typspezifische

Besonderheiten

nicht bekannt nicht bekannt

Basset

nicht bekannt nicht bekannt

Nur eine der beiden Thrombopathieformen bei Otterhunden und die Thrombopathie der Pyrenäenberghunde konnten bisher auf bestimmte Mutationen zurückgeführt werden.

Beiden Formen liegt eine Funktionsstörung des Fibrinogenrezeptors Integrin αIIbβ3

zugrunde, die in beiden Rassen durch Mutationen der Rezeptorkomplexuntereinheit Glykoprotein IIb verursacht wird (Boudreaux et al. 1996; Boudreaux und Catalfamo 2001).

Die Thrombopathie der Bassets wird nach bisherigem Kenntnisstand durch andere Ursachen hervorgerufen, auch wenn Angaben in der OMIA-Datenbank auf den ersten Blick eine Übereinstimmung anzudeuten scheinen. Unter den Quellenangaben zum ursächlichen Gendefekt für thrombozytische Thrombasthenie bei Otterhunden werden auch Quellen zur Thrombopathie der Bassetts aufgelistet. Außerdem wird irritierenderweise unter dem Punkt „Cross Species Summary" angegeben, die durch den

genannten Gendefekt verursachte Thrombopathie sei auf ein Unvermögen der Adenosindiphosphat (ADP)-Freisetzung durch die Thrombozyten bei Stimulierung durch verschiedene Aggregationsfaktoren wie Thromboplastin zurückzuführen. Diese Aussage trifft für die Erkrankung der Otterhunde definitiv nicht zu und wird für die Thrombopathie der Bassets durch keine der angegebenen Quellen belegt (Patterson et al. 1989; Boudreaux et al. 1994; Boudreaux und Lipscomb 2001). Der molekulargenetische Hintergrund der Basset-Thrombopathie ist bis heute nicht bekannt.

Die äußerlichen Anzeichen sind bei allen Rassen dieselben und umfassen vor allem Blutungen der Schleimhäute und Nasenbluten sowie verlängerte Blutungszeit nach chirurgischen Eingriffen. Der Grad der Blutungstendenz variiert rassenunabhängig von leicht bis schwer. Tabelle 1 gibt einen Überblick über betroffene Rassen, ursächliche Gendefekte und rassentypische Befunde bei den einzelnen Thrombopathieformen.

I.a+b Thrombozytische Thrombasthenie der Otterhunde und Thrombopathie der