• Keine Ergebnisse gefunden

Modulation des Attentional Blink

I. EINLEITUNG

I.1 Theoretischer Hintergrund

I.1.7 Modulation des Attentional Blink

Ein weiteres Argument für late-selection-Mechanismen beim AB lieferten Shapiro, Caldwell und Sorensen im Jahre 1997. Sie demonstrierten eine Modulation des AB, wenn als T2-Reiz ein salienter oder intrinsisch bedeutungshaltiger Stimulus wie etwa der eigene Namen der Versuchsperson verwendet wurde (Shapiro, Caldwell, & Sorensen, 1997). Mit einer Präsentationsrate von 13,3 Hz wurde den Probanden ein Strom von schwarzen Distraktor-Items präsentiert, in dem sie einen weißen T1-Reiz identifizieren und die Anwesenheit eines vorher definierten T2-Wortes detektieren sollten. Es zeigte sich das

übliche AB-Muster, wenn als T2 ein normales Substantiv dargeboten wurde. Eine signifikante Abschwächung des AB-Effektes trat ein, wenn der Name einer anderen Person präsentiert wurde. Zur vollständigen Nivellierung des Verarbeitungsdefizits kam es, wenn als zweiter Target-Reiz der eigene Name fungierte.

In diesen Befunden (Shapiro et al., 1997) wird eine Analogie zu einem auditorischen Phänomen bei dichotischen Beschattungsaufgaben augenfällig, das Moray 1959 als Cocktailparty-Effekt beschrieb (Moray, 1959). Normalerweise werden bei dichotischen Beschattungsaufgaben Informationen des unbeschatteten Ohres unterdrückt. Moray konnte aber zeigen, dass dies nicht gilt, wenn der eigene Name des Probanden auf dem

unbeschatteten Ohr dargeboten wird. Wie auf einer Cocktailparty mit vielen parallelen Konversationen sticht die Erwähnung des eigenen Namens hervor. Shapiro und Mitarbeiter (1997) interpretierten ihre Ergebnisse demnach als visuellen Cocktailparty-Effekt.

Für dessen Erklärung greifen die Autoren (Shapiro et al., 1997) auf Treismans (1964) dämpfungstheoretische Begründungen der Befunde bei dichotischen Beschattungsaufgaben zurück. Da dieser Ansatz auch für die eigenen Hypothesen hohe Relevanz besitzt, soll er im folgenden näher erläutert werden: Nach Treisman (1964) sind alle Wörter innerhalb eines

„mentalen Wörterbuches“ als Knoten repräsentiert. Jedes Wort besitzt einen bestimmten Schwellenwert, der überschritten werden muss, damit das Wort die Ebene des Bewusstseins erreicht und wiedergegeben werden kann. Für Informationen des nicht-beschatteten Ohres besteht in der Regel eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Knoten über den

Schwellenwert hinaus aktivieren. Sehr saliente und persönlich bedeutsame Wörter besitzen nun aber einen geringeren Schwellenwert – diese Wörter befinden sich quasi im Zustand eines permanenten Primings. Bei niedriger Schwelle kann der Knoten wiederum auch bei Nicht-Beschattung ein ausreichend hohes Erregungsniveau erreichen, so dass das Wort bewusst wahrgenommen wird. Im Sinne interferenztheoretischer Überlegungen ist nach Shapiro et al. (Shapiro et al., 1997) der eigene Name als T2-Reiz im Vergleich zu traditionellen AB-Stimuli durch seine niedrigere Schwelle und leichtere Aktivierbarkeit dadurch weniger anfällig für Interferenz durch andere Items.

Affektive Modulation durch negative Wörter

In einer im Jahre 2001 veröffentlichen Studie konnten Anderson und Phelps (2001) erstmals zeigen, dass auch der affektive Gehalt des T2-Wortes einen Einfluss auf die Ausprägung des AB haben kann.

Mit einer Geschwindigkeit von 7.7 Items pro Sekunde präsentierten die Autoren (Anderson

& Phelps, 2001) eine Kette von schwarzen Distraktor-Wörtern, in denen die

Versuchspersonen zwei grüne Zielwörter identifizieren sollten. Während die T1-Reize aus einem Pool von neutralen Wörtern wie „broom“ oder „distance“ rekrutiert wurden, wurden als T2-Stimuli sowohl neutrale als auch aversive, negativ valente Wörter wie „rape“ oder

„bastard“ verwendet. Linguistische Parameter wie Wortlänge und Wortfrequenz wurden für die neutrale und affektive Liste konstant gehalten. Als Distraktoren kamen ebenfalls neutrale Wörter zum Einsatz.

Gesunde Versuchspersonen zeigten nun bei der T2-Identifikation eine verbesserte Wiedergabeleistung, wenn als zweiter Zielreiz ein negatives Wort verwendet wurde (Anderson & Phelps, 2001). Diese Fazilitation äußerte sich in einer über alle sieben Lag-Bedingungen gemittelten Erhöhung der Identifikationsgenauigkeit von 61.5 % bei neutralen

Wörtern auf 79.8 % bei negativen Wörtern. Am stärksten offenbarte sich die affektive Modulation indes in den kurzen T1-T2-Intervallen (SOAs von 130 bis 390 ms).

Im Unterschied zu den neurologisch gesunden Versuchspersonen ließen fünf Patienten mit epilepsie-bedingter Resektion der linken Amygdala die verbesserte Wahrnehmung bei

emotionaler Salienz des Zielwortes missen (Anderson & Phelps, 2001). Auch bei einem Patienten mit bilateraler Amygdala-Läsion war keine Affektmodulation zu finden; eine normale Performanzsteigerung zeigte sich dagegen bei fünf Patienten mit Resektion der rechten Amygdala.

Wie eine Rating-Untersuchung der Stimuli auf den Dimensionen Valenz und Arousal verdeutlichte, waren die Patienten mit bilateraler oder linker Amygdala-Läsion durchaus in der Lage, den affektiven Gehalt der Reize zu verstehen – die Beeinträchtigung bezieht sich nach Anderson und Phelps (2001) daher ausschließlich auf eine Fazilitation bei der

perzeptuellen Enkodierung emotional geladener Stimuli.

Mögliche neuronale Grundlagen der affektiven Modulation

Anderson und Phelps (2001) Befunde liefern einen Indiz dafür, dass die Amygdala eine zentrale Rolle bei der perzeptuellen Enkodierung emotional salienter linguistischer Reize und somit auch bei der Modulation des AB durch affektive Reize spielt.

In den Augen der Autoren moduliert die Amygdala die Effizienz der perzeptuellen Enkodierung und im Falle linguistischer Stimuli die Effizienz der Wortverarbeitung dergestalt, dass die Sensitivität des Wahrnehmungssystems gegenüber motivational

signifikanten Ereignissen erhöht wird (Anderson & Phelps, 2001). Dadurch sind diese für den Organismus bedeutsamen Reize nicht mehr abhängig von limitierten

Aufmerksamkeitsressourcen, um die Stufe bewussten Erlebens zu erlangen. In Bezug auf die neuronalen Grundlagen dieser Sensitivitätssteigerung nennen die Autoren zwei potentielle Mechanismen neuronaler Plastizität: (1) Modulation der kortikalen Aktivierungsschwellen;

(2) Veränderung der rezeptiven Felder subkortikaler sowie primärer und sekundärer kortikaler Regionen.

Anatomisch fußen diese Hypothesen zur perzeptuell-modulatorischen Rolle der Amygdala auf tierexperimentellen Befunden zu den Projektionen der Amygdala (siehe z.B. LeDoux, 2000): So besitzt sie wichtige Verbindungen zu den primären und höheren sensorischen Regionen wie der visuellen ventralen Verarbeitungsbahn; außerdem weist sie Verknüpfungen zur Hippocampus-Formation auf (LeDoux, 2000). Dadurch können Einflüsse der Amygdala

sowohl auf die perzeptuelle Sensitivität gegenüber eintreffenden Informationen als auch auf die Konsolidierung dieser Stimuli wirksam werden.