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Ein wissenschaftlich gut abgestütztes Modell ist das von Krajewski (2013). Das Entwicklungs-modell der ZGV nach ihr bietet eine weitere Grundlage, um den Entwicklungsstand einzuschät-zen (vgl. Schneider et. al., 2016, S. 25). Der Begriff Grösse im Kompositum ZGV umfasst nicht nur Grössen wie Flächen und Volumen, sondern auch Gewicht oder Zeit. Ein Vergleich ist dabei nicht immer abhängig von Zahlwörtern. So kann etwa eingeschätzt werden, welche von zwei betrachteten Grössen ‹mehr› oder ‹weniger›, ‹tiefer› oder ‹höher› etc. ist (vgl. Schneider et al., 2016, S. 26).

Das Entwicklungsmodell der ZGV zeigt verschiedene ‹Meilensteine› in der Entwicklung auf, die durch eine zunehmend tiefere Verknüpfung von Zahlwörtern und Ziffern mit Mengen bzw.

Grössen gekennzeichnet sind (vgl. Schneider et al., 2016, S. 25).

Abbildung 1. Entwicklungsmodell der Zahl-Grössen-Verknüpfung nach Krajewski (2013).

Kompetenzebene 1: Zahlwörter und Ziffern ohne Mengen- oder Grössenbezug

Wie Abbildung 1 zeigt, bezieht sich die erste Ebene auf zwei unterschiedliche Basisfertigkei-ten: die Wahrnehmung von Mengen- bzw. Grössenunterschieden und das Aufsagen von Zahl-wörtern. Eine Beziehung zueinander stellen die Kinder in dieser frühen Phase noch nicht her (vgl. Schneider et al., 2016, S. 26).

Erste Fähigkeiten lassen sich im Umgang mit Mengen ausmachen, die noch ohne jeglichen Bezug zu Zahlen wahrgenommen werden. So sind Säuglinge bereits kurz nach der Geburt in der Lage, grobe Unterschiede zwischen Mengen zu erkennen, die auf Unterschiede in Aus-dehnung, Fläche und Volumen der Mengen gründen. Entsprechend geht dies mit einer unprä-zisen Mengen- bzw. Grössenunterscheidung einher (vgl. Schneider et al., 2016, S. 26).

Mit dem Einsetzen verbalsprachlicher Äusserungen verwenden Kleinkinder etwa ab dem zwei-ten Lebensjahr auch zunehmend Zahlwörter. Sie sprechen Reihungen nach und sagen nach einiger Übung auch selbständig Zahlenreihen auf. Mit zunehmender Übung gewinnen die Zahl-wortreihen an Exaktheit. In dieser frühen Entwicklungsphase verbinden die Kinder die benutz-ten Zahlwörter noch nicht mit Mengen oder Grössen, selbst wenn sie die Zahlwörter schon in Ziffern schreibend ‹übersetzen› können. Zunehmend gelingt es ihnen, Zahlwörter zu

benennen oder auch Vorgänger und Nachfolger aufzusagen. Oder ihnen gelingt es, die Zahl-wortreihe rückwärts aufzusagen. Eine phonetisch geordnete Folge ist dann verinnerlicht (vgl.

Schneider et al., 2016, S. 26).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Kinder schon früh über eine Mengen- bzw. Grös-senwahrnehmung verfügen und basale Fertigkeiten im Aufsagen von Zahlwortfolgen auf-bauen, was jedoch nicht bedeutet, dass sie bereits Zahlen und Grössen verknüpfen. Eine erste Annäherung dazu zeichnet sich nach Krajewski (2013) in der Kompetenzebene 2 ab (siehe Abbildung 1).

Kompetenzebene 2: Verknüpfung von Zahlwörtern und Ziffern mit Mengen oder Grössen Dies gilt als wichtigster Meilenstein im Modell: Die Verknüpfung von Zahlwörtern mit Reprä-sentationen von Mengen oder Grössen. Auf dieser Ebene lassen sich ganz entscheidende Gewinne verzeichnen, indem sich die Mengen-/Grössenbewusstheit von Zahlen bzw. Men-gen-/Grössenrepräsentationen von Zahlen verfestigen. Die Entwicklung beginnt etwa ab drei Jahren (vgl. Schneider et al., 2016, S. 27). Nach Krajewski (2013) verläuft diese Entwicklung in zwei Phasen.

In der ersten bildet sich das sogenannte unpräzise Anzahlkonzept (bzw. die unpräzise Grös-senrepräsentation, siehe Ebene 2 a in Abbildung 1). In dieser Phase nehmen Kinder lediglich eine sehr grobe, unpräzise Zuordnung von Zahlwörtern zu Mengen- und Grössenbegriffen vor.

Sie lernen, dass es einige Zahlwörter gibt wie etwa ‹drei› oder ‹eins›, die mit dem Begriff ‹wei-nig› assoziiert sind. Andere Zahlwörter wie etwa ‹zwanzig› oder ‹tausend› passen eher zu den Begriffen ‹viel› oder ‹sehr viel›. Demnach stellen die Kinder beim Zählen irgendwann fest, dass man bis zu verschiedenen Zahlen unterschiedlich lange zählen muss. Sie beginnen grob zu kategorisieren in ‹rasch gezählt›, also sind es ‹wenig› oder ‹brauchte viel Zeit›, also sind es

‹viele›. In diese unpräzisen Kategorien wie ‹wenig› oder ‹viel› passen mehrere Zahlwörter.

Dabei ist eine Ungenauigkeit der Zuordnung zu beobachten. Zudem gelingt es noch nicht, Zahlen wie etwa ‹neunzehn› und ‹zwanzig› nach ihrer Grösse zu unterschieden. Diese Ent-wicklung findet in der zweiten Phase statt (vgl. Schneider et al., 2016, S. 28).

Ein präzises Anzahlkonzept stellt sich nach und nach ein, da im täglichen Spiel immer wieder Mengen ausgezählt werden. Nun wird die grobe Menge ‹wenig› oder ‹viel› differenziert ange-sehen. Es wird eine punktuelle Zahl-Menge‐ bzw. Zahl-Grössen-Zuordnung möglich. Jede ein-zelne Zahl kann der Zahlenfolge exakt mit der auszählbaren Menge zugeordnet werden. So verfügen die Kinder nun über ein Kardinalzahlkonzept bzw. eine präzise Grössenrepräsenta-tion. Die Zahl 19 kann nun beispielsweise exakt 19 Dingen zugeordnet werden (vgl. Schneider et al., 2016, S. 29).

In einem begrenzten Zahlenraum erwerben die Kinder zudem das Verständnis dafür, dass sich benachbarte Zahlen in ihrer Grösse unterscheiden. Sie können Zahlwörter hinsichtlich ihrer Grössen zueinander in Beziehung setzen und somit die Grössen exakt vergleichen. Mit dem Erwerb des präzisen Anzahlkonzept werden somit die Weichen für den Aufbau eines arithme-tisch nutzbaren Zahlbegriffes gestellt. Am Anfang liegt dieses präzise Anzahlkonzept noch in einem kleineren Zahlenraum, da Kinder häufiger kleinere Anzahlen im Alltag auszählen als grosse. Somit gelingt es den Kindern früher, nahe beieinander liegende kleinere Zahlen mitei-nander zu vergleichen (vgl. Schneider et al., 2016, S. 29).

Unabhängig davon entwickelt sich das Verständnis für Mengen und Grössen ohne Zahlbezug weiter. Es wird bezeichnet als Mengen- bzw. Grössenrelation ohne Zahlbezug. Kinder ver-stehen dann, dass wenn bei einer Menge nichts hinzugefügt wird und nichts weggenommen wird, diese unverändert bleibt. Zudem erkennen sie, dass eine Menge zunimmt, wenn Objekte hinzugegeben werden. Ebenso nimmt eine Menge ab, wenn Objekte entfernt werden. Dies wird als Zu-/Abnahme-Schema bezeichnet. Von grosser Bedeutung ist in dieser Phase die Erkenntnis, dass Mengen bzw. Grössen in kleinere Mengen zerlegt werden können. Diese können dann auch wieder zusammengesetzt werden. Dies wird als Teile-Ganzes-Schema be-zeichnet, das dem Kind auch ohne Zahlbezug zur Verfügung steht. Kinder können somit Ver-änderungen oder Zusammensetzungen von Mengen oder Grössen erfassen und auch verbal

beschreiben (‹mehr als›, ‹weniger als›), diese jedoch noch nicht in Bezug zu Zahlen bringen (vgl. Schneider et al., 2016, S. 30).

Kompetenzebene 3: Verknüpfung von Zahlwörtern und Ziffern mit Mengen- oder Grössenre-lationen (ZahlreGrössenre-lationen)

Ein weiterer wichtiger Meilenstein ist erreicht, wenn die Kinder das Zu-/Abnahme-Schema und das Teile-Ganzes-Schema, also die Mengen- oder Grössenrelationen ohne Zahlbezug, nun auch auf Zahlen zu beziehen beginnen und damit ein Verständnis für Relationen zwischen Zahlen erlangen. Ab dem Alter von vier Jahren, meist jedoch etwa mit sechs Jahren erreichen Kinder diese Kompetenzebene im kleinen Zahlenraum (vgl. Schneider et al., 2016, S. 30).

Die Erweiterung besteht darin, dass Kinder nun Zahlen in ein Teil-Ganzes-Schema einordnen können und damit die Zahlzerlegung und Zahlzusammensetzung gelingt. Somit sind Kinder erstmals in der Lage, beispielsweise zu verstehen, dass man fünf Hunde in zwei grosse und drei kleine Hunde aufteilen kann. Die Kinder verstehen, dass sich eine grössere Zahl in klei-nere Zahlen zerlegen lässt und sich die kleiklei-neren Zahlen wieder zur grösseren Zahl zusam-mensetzen lassen (vgl. Schneider et al., 2016, S. 31).

Darüber hinaus entwickeln die Kinder ein Verständnis für die Differenz zwischen Zahlen. Sie können eine Differenz zwischen zwei Zahlen mit einer dritten Zahl darstellen. Relationen kön-nen dargestellt werden, indem eine Differenzmenge zwischen zwei Zahlen exakt quantifiziert wird (vgl. Schneider et al., 2016, S. 31).

Diese Kompetenzen der dritten Ebene befähigen Kinder erst, Zahlen in ihrer vollständigen Semantik zum Rechnen zu benutzen. Das bedeutet, dass erst dann eine Aufgabe wie ‹Du hast acht Gummibärchen. Ich habe fünf Gummibärchen. Wie viele hast du mehr als ich?› verstan-den werverstan-den kann. Dieses Verständnis ist die Grundlage für die Arbeit im ersten Schuljahr und somit ist es unabdingbar. Zeigen Kinder Schwierigkeiten bei diesem Aufgabentyp, weist dies vielfach darauf hin, dass dieser Meilenstein noch nicht gesichert ist (vgl. Schneider et al., 2016, S. 31).

Die Entwicklung des Kindes lässt sich mit diesen drei Kompetenzebenen abbilden. Zu berück-sichtigen ist jedoch, dass Kinder meist weniger Erfahrung mit geschriebenen Ziffern vorweisen als mit Zahlwörtern. Dies führt dazu, dass sie bei mündlicher Zahlvorgabe bereits Leistungen einer höheren Ebene erbringen als bei schriftlicher Ziffernvorgabe. Zudem können Kinder un-ter Rückgriff auf konkretes Maun-terial bereits Aufgaben der dritten Kompetenzebene lösen, wäh-rend es womöglich an Aufgaben der zweiten Ebene scheitert, falls diese in abstrakterer Form vorgegeben sind. Ihre Leistungsfähigkeit ist auch abhängig vom Zahlenraumbereich. So kön-nen Kinder mit kleikön-nen Zahlen bereits die dritte Ebene erreicht haben, mit grösseren jedoch noch auf der ersten oder zweiten Ebene operieren. Die Kinder können sich demnach in ver-schiedenen Zahlenraumbereichen auf unterschiedlichen Kompetenzebenen befinden. Das Zahlenverständnis und die Zahlenraumbereiche erweitern sich jedoch im Laufe der Schulzeit (vgl. Schneider et al., 2016, S. 32).

Damit verbunden ist, dass sich das Verständnis von ‹wenig› oder ‹viel› ebenfalls verändert.

So kann für einen Erstklässler die Zahl 15 als ‹viel› eingestuft werden, von einer Sechstkläss-lerin wird sie vielleicht unter ‹wenig› eingestuft, weil sie in viel grösseren Zahlenräumen arbeitet als das Kind der ersten Klasse (vgl. Schneider et al., 2016, S. 32).

Die komplexe Grundlage macht es schwierig, die mathematische Entwicklung eines Kindes exakt auf einer Kompetenzeben zu lokalisieren. Somit ist eine genaue Analyse der jeweiligen Aufgabenformate unabdingbar, um eine genaue Analyse zu erstellen (vgl. Schneider et al., 2016, S. 33).