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Mit der Aussage von Häsel-Weide (2016), dass «verfestigtes zählendes Rechnen als Symp-tom für grundlegende Rechenschwierigkeiten gilt» (S. 5), werden besondere Bedürfnisse die-ser Kinder offensichtlich. Die Funktion der schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen für die Förderung der zählend rechnenden Kinder herzuleiten und die Wichtigkeit dieser Arbeit zu unterstreichen, ist Thema dieses Unterkapitels. Dabei wird in einem ersten Schritt der Auf-trag an die schulische Heilpädagogin oder den schulischen Heilpädagogen erläutert, in einem zweiten diese Grundlagen auf das Thema des zählenden Rechnens übertragen.

So schreiben Schriber und Steppacher (2016, S. 2) der Hochschule für Heilpädagogik, dass der Grundauftrag für schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen die Förderung von Ler-nenden mit sonderpädagogischem Förderbedarf umfasst. Da verfestigtes zählendes Rechnen in der einschlägigen Literatur als ein Hauptmerkmal sogenannter Rechenschwäche gilt, ist davon auszugehen, dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Mathematik oft-mals zählende Rechner sind (vgl. Gaidoschik, 2009a, S. 7). Zudem verweisen Untersuchun-gen zu mathematischen Schwierigkeiten von Schülerinnen und Schülern aus der Sekundar-stufe darauf, dass die Defizite aus Lücken im Grundschulstoff resultieren (vgl. Rechtsteiner-Merz, 2013, S. 13). Da die Lerninhalte in Mathematik hierarchisch aufgebaut sind, unterstreicht dies die Wichtigkeit, Kinder früh zu fördern und in der Ablösung vom zählenden Rechnen ge-zielt zu unterstützen (ebd.). Denn Kinder, die am Ende der ersten Klasse vorwiegend zählend rechnen, laufen Gefahr, unter dem Druck kommender schulischer Anforderungen «rechen-schwach» (Gaidoschik, 2009a, S. 170) zu werden.

Da schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen die Klassenlehrpersonen beim integrati-ven Unterrichten unterstützen und diese bei der Umsetzung der Förderziele umfassend bera-ten (vgl. Schriber & Steppacher, 2014, S. 8), liegt es nahe, dass schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen über ein grosses Fachwissen verfügen sollten. Dies unterstreichen auch Landerl, Vogel und Kaufmann (2017, S. 221), indem sie eine qualifizierte und umfassende Ausbildung für unterrichtende Personen fordern, die Interventionsprogramme zusammenstel-len. Dies, weil diese massgeschneidert sowie ressourcenorientiert auf die individuellen Bedürf-nisse des Kindes zugeschnitten sein sollen, um Erfolge zu initiieren. Auch Freesemann (2014, S. 21f.) weist darauf hin, dass qualitativ hochwertiger Unterricht ein hohes Fachwissen der Lehrperson bedingt. Sie (ebd.) verweist auf Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem Fachwissen der Lehrperson und dem Lernzuwachs der Schülerinnen und Schüler bestätigen.

Die schulischen Heilpädagoginnen oder Heilpädagogen können somit wichtige Schlüsselfunk-tionen übernehmen. Dies einerseits, indem sie einen integrativen Unterricht aktiv mitgestalten, andererseits indem sie Beratungsfunktionen für Kinder, Lehr- und Fachpersonen oder Eltern wahrnehmen.

Um an heilpädagogisches Fachwissen zu gelangen, bietet zum Beispiel das Lehrmittel Zah-lenbuch, das in vielen Kantonen eingesetzt wird, einen heilpädagogischen Kommentar für jede Klassenstufe an (Schmassmann & Moser Opitz, 2005, 2007, 2008, 2009, 2015). Die heilpä-dagogischen Kommentare 1 und 2 zum Schweizer Zahlenbuch, die Hinweise zur Arbeit mit Kindern mit mathematischen Lernschwierigkeiten enthalten, thematisieren auch die Ablösung des zählenden Rechnens. Schmassmann und Moser Opitz (2015, S. 35) erwähnen, dass Kin-der mit besonKin-derem FörKin-derbedarf häufig über Jahre hinweg zählend Rechnende sind. Diese Aussage lässt vermuten, dass das Thema komplex ist.

Wie die Förderung detailliert zu gestalten ist, würde den Rahmen des heilpädagogischen Kom-mentars sprengen. So ist es hilfreich, auf zusätzliche Werke zurückzugreifen, um das Wissen

der schulischen Heilpädagogin oder des schulischen Heilpädagogen zu vertiefen. Diese Mas-terarbeit soll Wissen aus verschiedenen Werken aufarbeiten und miteinander vernetzen.

1.3 Vorschau auf die Arbeit

Dabei steht das theoretische Wissen in dieser Arbeit im Vordergrund. Dieses Wissen bietet ein fundiertes Werkzeug, um in der Praxis eine passende Förderung herzuleiten und Situatio-nen, Lehrmittel, Veranschaulichungen und das Vorgehen in der Schule einzuschätzen und Lehrpersonen beraten zu können. Jedoch werden keine fertigen Arbeitsblätter in dieser Arbeit für die Praxis angeboten.

Wie dieses Wissen in dieser Arbeit strukturiert ist, wird in dieser Vorschau beschrieben. So bietet das nächste Kapitel Einsicht in die Theorie zur Förderung der Ablösung von zählendem Rechnen. Dazu werden zuerst wichtige Begriffe für die Verwendung in dieser Arbeit definiert, damit Leserin, Leser und Verfasserin das Gleiche unter den Begriffen zählendes Rechnen, Förderung und mathematische Lernschwierigkeiten verstehen. Die Definitionen werden erwei-tert, indem zum Beispiel auch mögliche Ursachen aus einer heilpädagogischen Perspektive beleuchtet werden, Vor- und Nachteile aufgelistet werden und über einen ‹richtigen› Zeitpunkt für die Förderung gesprochen wird.

Ergänzt wird dieser theoretische Teil mit fundierten Vorstellungen zum ‹guten› Mathematikun-terricht. Dazu wird der Fachbereichslehrplan Mathematik (D-EDK, 2016) herangezogen und mit Aussagen von fachkundigen Autoren ergänzt. Dies, damit das Thema Ablösung des zäh-lenden Rechnens einen passenden Rahmen erhält.

In Kapitel 3 wird das forschungsmethodische Vorgehen beschrieben. Dabei wird erläutert, wie die Recherche abläuft, wie die Wahl der Autorinnen und Autoren sowie der Texte begründet wird, wie die Kategorien für die Codierung der Texte hergeleitet werden und wie aus den ge-wonnenen Daten (siehe Anhang) die Ergebnisse abgeleitet werden. Ziel ist es, wissenschaft-lich bedeutsame Ergebnisse zusammenzutragen.

Diese werden aufgrund der Fragestellung ‹Wie kann die Ablösung des zählenden Rechnens gelingen?› unterteilt in erfolgs- und misserfolgsrelevante Faktoren. Dabei ist das misserfolgs-relevante Wissen als negatives Wissen von zentraler Bedeutung. Dies auf der Grundlage ei-nes ‹Fehlerkultur›-Verständnisses (siehe Unterkapitel 4.5.2, S. 45) gemäss Tarnutzer (n. d., S.

3). Dieses negative Wissen in den misserfolgsrelevanten Faktoren ist in der Auseinanderset-zung mit Fehlern entstanden, sodass dadurch ein vertieftes Verständnis des Richtigen statt-findet. Die Ergebnisse gewinnen dadurch an Tiefe (ebd.).

Im Diskussionsteil wird anhand der Ergebnisse zuerst die Fragestellung bilanzierend beant-wortet. In einem weiteren Teil werden Fragen diskutiert, die beim Schreiben der Arbeit aufge-taucht sind. Dies, weil sich Widersprüche in den Aussagen von Autorinnen und Autoren zeigten oder weil das Geschriebene hinterfragt wird. Erfahrungen aus der Praxis werden herangezo-gen und mit der Theorie verknüpft. Folgerunherangezo-gen für die Praxis und die Forschung werden da-raus abgeleitet. Ein Schlusswort rundet diese Masterarbeit ab.

2 Förderung von zählend rechnenden Kindern

Dieses Kapitel beleuchtet die Förderung der zählend rechnenden Kindern aus der Perspektive der Theorie. Zuerst werden wichtige Begriffe geklärt. Um das zählende Rechnen als Teil der mathematischen Lernschwierigkeiten in seiner Tiefe besser verstehen zu können, ist Fachwis-sen zusammengestellt. Dabei geht es auch darum, die Ursachen für zählendes Rechnen aus einer heilpädagogischen Sichtweise herzuleiten. Zählendes Rechnen wird differenziert be-trachtet: Verschieden Formen sollen aufgezeigt und deren Vor- und Nachteile beleuchtet wer-den. Mithilfe dieser Vor- und Nachteile wird der ‹richtige› Zeitpunkt für eine Förderung heraus-gearbeitet. Entwicklungsmodelle liefern ein Gerüst für die Orientierung, wo und mit wel-chem Ziel die Förderung ansetzen soll.

2.1 Definitionen

Bevor konkret mit der Förderung begonnen wird, sind wichtige Begriffe zu klären und für die Verwendung in dieser Arbeit zu definieren: mathematischen Lernschwierigkeiten, zählendes Rechnen und Förderung.

2.2 Mathematische Lernschwierigkeiten

Krajewski (2008, S. 15f.) betont eine Begriffsverwirrung, da häufig verwendete Begriffe wie Rechenschwäche, Rechenstörung, Arithmasthenie und Dyskalkulie zum Teil synonym ver-wendet werden. Zudem stösst man in der Praxis oder in der Literatur auf weitere Begriffe wie mathematische Lernschwierigkeiten, schwache Rechnerinnen und Rechner oder Akalkulie.

Zwei häufig verwendete Begriffe sind Dyskalkulie und Rechenschwäche. Zur Bestimmung von Dyskalkulie (analog zu Legasthenie) werden von Krajewski (ebd.) weitere Leistungen wie die allgemeine Intelligenz oder die Lese-Rechtschreibkompetenz des Kindes herangezogen und mit der Leistung im Rechnen verglichen. Eine Diskrepanz zu diesen anderen Leistungen ist hier das ausschlaggebende Kriterium. Nur wenn aufgrund anderer stärkerer Leistungen deut-lich bessere Leistungen in Mathematik erwartet werden können, wird von Dyskalkulie gespro-chen. Minderbegabte Kinder, die schlechte Mathematikleistungen vorweisen und zudem in anderen Fächern schlechte Leistungen zeigen, werden demnach nicht als Dyskalkuliker wohl aber als rechenschwach bezeichnet (ebd.).

Mit all diesen Begriffen sind unterdurchschnittliche Mathematikleistungen in Bezug auf das Verständnis grundlegender Inhalte der Grundschulmathematik verbunden (vgl. Freesemann, 2014, S. 29). Hürden zeigen sich beispielsweise bei Kindern mit mathematischen Lernschwie-rigkeiten in einer Unsicherheit beim Aufbau der Zahlen (Dezimalsystem), Richtungsunsicher-heiten (z. B. Vertauschen von Zehnern und Einern), Unsicherheiten beim Zählen (vorwärts, rückwärts, in Schritten zählen) (vgl. Krajewski, 2008, S. 20). Typische Fehler gibt es jedoch nicht. Genauso wie bei der Lese-Rechtschreibschwäche ist vielmehr eine hohe Quantität an Fehlern statt einer abweichenden Qualität zu finden (vgl. ebd.).

Die Leistungen in Mathematik liegen im Vergleich mit Leistungen anderer Kinder im selben Alter im 5-bis-25 Prozent-Bereich (vgl. Krajewski, 2008, S. 15). Da sich in der Praxis sehr un-terschiedlich leistungsstarke Klassen zeigen, ist auch dieser Aspekt zu berücksichtigen. Das heisst, dass nicht die Klasse als Bezugsrahmen dienen sollte, sondern auf Screenings zurück-gegriffen werden soll, die einen Vergleich zu einer umfangreichen Stichprobe von Kindern der-selben Jahrgangsklasse zulässt.

Landerl et al. (2017, S. 101) weisen zudem darauf hin, dass diese unterdurchschnittlichen Mathematikleistungen über längere Zeit hinweg gezeigt werden müssen. Davon abzugrenzen ist, dass Kinder in manchen Lernphasen langsamer oder schwerer vorwärtskommen. Dies ist nicht ungewöhnlich und somit Teil einer ‹normalen› Entwicklung (vgl. Hepberger, 2016).