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Mikroumwelt

Im Dokument Wege aus der Insolvenz (Seite 162-166)

5 KMU-SPEZIFIKA & FORSCHUNGMODELL

5.4 UMWELT

5.4.2 Mikroumwelt

a) Metaökonomische Mikroumwelt

Unter der metaökonomischen Mikroumwelt wird das persönliche Beziehungs-geflecht des Unternehmers subsumiert. Ein adäquates Networking des Unter-nehmers kann als Erfolgsfaktor für KMU bezeichnet werden. Unternehmer, welche neben dem Know-how noch ein ,Know-who'536 haben, schaffen sich eine Grundlage, welche sie als Instrument für Informationsbeschaffung, -filterung und Akquisition nutzen können.537

Neben der individuellen Prägung des Unternehmens durch die Unternehmer-person existiert in vielen KMU eine ,existenzielle Verbindung zwischen Unter-nehmens- und Privatsphäre'538 und damit ein hoher Einfluss der Familie auf das Unternehmen. Dieser Verbindung, welche oftmals um den Freundeskreis erweitert wird, fällt als informellem Informations-, Lern- und Beratungsnetzwerk eine große Bedeutung zu. Es ist anzunehmen, dass ein ,sicherer Rückhalt' aus diesem Umfeld zu Motivationseffekten führt.

533 Vgl. auch Fröhlich/Pichler/Pleitner (2000), S. 23.

534 Vgl. EU-Kommission (1999) und EU-Kommission (2004).

535 Vgl. EU-Kommission (2001a) und (2001b).

536 Vgl. Aldrich/Zimmer (1986), S. 20.

537 Zu der Idee von Netzwerk-Strategien siehe z.B. Johannisson ( 1986).

538 Buchhart (2001), S. 56.

5 KMU-Spezijika & Forschungsmodell 143 Jedoch birgt die Überschneidung von Betriebs- und Familiensphäre auch Risiken, da die enge Verbindung zu einer Betriebsblindheit führen kann, die sich negativ auf die Situationswahrnehmung auswirkt. Es besteht die Gefahr, dass der Unter-nehmer die natürlichen psychischen Barrieren gegenüber einer realistischen Wahrnehmung und Lagebeurteilung nicht überwindet.539 Dies wird durch die Besitz- und Führungsstruktur von KMU sowie dem häufigen Fehlen weiterer Füh-rungskräfte und dem Mangel an Kontrollorganen (Beirat, Aufsichtsrat, Gesell-schafterversammlung) verstärkt. Die Betriebsblindheit führt dazu, dass die Krisen-erkennung und die Initiierung der Krisenbewältigung tendenziell verzögert statt-finden. Zudem verhindern psychische Barrieren, dass eine Situation, welche eine Gefährdung des Lebenswerkes darstellt und mit dem Stigma des Scheiterns be-haftet ist, frühzeitig wahrgenommen wird.540

Personen, welche eine Vertrauensstellung haben, aber dennoch distanziert sind, könnten dazu beizutragen, dass Wahrnehmungsverzerrungen reduziert werden.541 Verwandten- und Freundeskreise sind in einer Krisensituation oftmals ,psychische Stützen', verfügen aber häufig nicht über ausreichenden betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Sachverstand, um einer existenzbedrohenden Krise zu begegnen.

Zudem ist ihre Neutralität aufgrund ihrer persönlichen, finanziellen und emotionalen Betroffenheit nicht in dem gewünschten Sinne gewahrt. 542

Externe ,Interventionisten', wie z.B. Unternehmensberater, haben in KMU oftmals nicht das Vertrauen des Unternehmers. 543 Eine Person aus dem privaten Umfeld des Unternehmers könnte als ,Katalysator' zur Involvierung von Sanie-rungs- und Insolvenzexperten wirken. Die Frage, ob Familienmitglieder und Freunde solche Experten darstellen können, muss wohl negativ beantwortet werden. Sie sind durch finanzielle Hilfestellungen oftmals selbst in die Krise und Insolvenz involviert und haben keine neutrale Position.544

Ein weiteres Faktum, welches sich aus der engen Verbindung Unternehmen -Familie als KMU-Spezifika ergibt, ist, dass oftmals -Familienmitglieder in den Unternehmen mitarbeiten. Es ist anzunehmen, dass die Loyalität dieser Mit-arbeiter besonders hoch ist und sie einen direkten Anreiz durch eine erfolgreiche

539 Vgl. Mugler ( 1999), S. 198, Kroptberger ( 1986), S. 66.

540 Vgl. Kranzusch/May-Strobl (2002), S. 24. Zu Barrieren strategischer Frühaufklärung siehe Pinkwart/K.olb (2000), S. 14 ff.

541 Vgl. auch Tscheulin/Römer (2003), S. 75.

542 Vgl. Kranzusch/May-Strobl (2002), S. 36.

543 Vgl. Mugler (1999), S. 198.

544 Vgl. Kranzusch/May-Strobl (2002), S. 35 f.

Insolvenzsanierung erhalten. Thre Verbundenheit zum Unternehmen und dem Unternehmer kann zu einer höheren Motivationswirkung sowie Fortführungs- und Sanierungsunterstützung führen.

b) Ökonomische Mikroumwelt

Die ökonomische Mikroumwelt umfasst alle direkten Marktbeziehungen zwischen KMU und seinen Marktpartnern, worunter Kunden und Lieferanten als auch Banken, Steuerberater sowie Interessensvertretungen in Form von Betriebs-räten subsumiert werden können.

Kleine und mittelständische Unternehmen haben einen individuelleren und intensiveren Kunden- und Lieferantenkontakt als die auf Massenproduktion ausgerichteten Großunternehmen, was ihre Ursache auch darin hat, dass sie als Anbieter und Nachfrager einen geringen Machtfaktor besitzen. In einer Krisen-situation kann dieser individuelle Kundenkontakt durchaus vorteilhaft sein, da anzunehmen ist, dass damit die Bereitschaft eines Kunden, eine Bestellung/einen Auftrag zu platzieren, größer ist als ohne persönliche Beziehung. Ob eine solche Kundenreaktion auch im Insolvenzfall erwartet werden kann, ist fraglich, da die Kontinuität von Lieferung und Leistung für Kunden stets von hohem Interesse ist. 545 Besonders in der Insolvenz gilt, dass Kunden umfassend informiert werden, denn der Kundenverlust durch die Insolvenz kann nur schwer durch Neu-akquisitionen ausgeglichen werden. Auf Seite der Lieferanten besteht das Interesse vorwiegend darin, die Zahlungsfähigkeit des insolventen Unternehmens zu erhalten bzw. wiederzuerlangen. Kann dies nicht realisiert werden, so ist die Verlustminimierung das vorrangige Ziel. Die Unterstützungsbereitschaft wich-tiger Lieferanten ist daher wie bei Kunden schon zu Beginn des Insolvenzver-fahrens zu eruieren. Kunden und Lieferanten sind in der Insolvenz aber auch als potenzielle Investoren von Bedeutung. Sie können den Kauf des Unternehmens anstreben, um beispielsweise Marktanteile zu erhöhen, Synergien zu nutzen oder die Liefersituation zu sichem.546

Eine weitere bedeutende Beziehung, welche KMU pflegen, ist diejenige zu ihrer Hausbank, wobei die Sparkassen und Genossenschaftsbanken aufgrund ihrer regionalen Struktur eine besondere Bedeutung haben. Ihre Stellung in der Krise

545 Vgl. Ruh! (2000), S. 189 ff.

546 Für eine Darstellung potenzieller Unternehmenskäufer siehe Lützenrath/Peppmeier/Schuppener (2003), S. 64 ff. Zur allgemeinen Rolle von Kunden und Lieferanten in Krisensituationen siehe Clasen ( 1992), S. 190.

5 KMU-Spezifika & Forschungsmodell 145 und Insolvenz ist aber differenziert zu betrachten. Banken befinden sich bei der vorinsolvenzlichen Sanierungsentscheidung in einem Konflikt zwischen der Insolvenzverzögerung und juristischen oder auch moralischen Verpflichtungen. 547 Die Insolvenz bedeutet für Banken häufig den Verlust eines Kunden sowie, je nach Kreditbesicherung, die Abschreibung von Forderungen. Ein moralischer Schaden durch die Zuweisung der Mitverschuldung kommt häufig hinzu, da Unternehmer den Kreditinstituten ein Mitverschulden der Krise aufgrund von falscher Beratung oder dem Ausbleiben von frühzeitigen Reaktionen zuweisen.

Dabei laufen Banken in Krisen- und Insolvenzsituationen Gefahr, haftungs-rechtliche Konsequenzen zu riskieren, wenn sie z.B. bei vorliegenden Anzeichen einer Insolvenz den Schuldner nicht zum Insolvenzantrag bewegen, sondern ihm weitere Kredite bereitstellen.548 Inwieweit der individuelle Hausbankkontakt für eine Fortführung und Sanierung von Nutzen ist, ist fraglich, denn in der Regel werden die betroffenen Kreditengagements von dem bisherigen Firmenbetreuer zu krisen- und insolvenzerfahrenen Spezialabteilungen (Sanierungsabteilungen, Workout Abteilung) übertragen.

Ein weiterer Kontakt, welchen KMU in der Regel intensiv pflegen, ist der zu ihrem Steuerberater. Auch hier sind die Erwartungshaltungen unterschiedlich, denn die Steuerberater bekommen häufig nur ein Mandat für die Buchhaltung, die Bilanz- und GuV-Erstellung sowie die steuerliche Optimierung des Betriebs-ergebnisses. Unternehmer hingegen erwarten aber oftmals eine rechtzeitige Krisenwarnung und sehen den Steuerberater eher als kaufmännischen Berater.

Dass zu diesem Zweck eine qualifizierte Marktbeobachtung und Analyse der Unternehmenschancen und -risiken notwendig wäre und Steuerberater dies nicht leisten, bleibt unberücksichtigt. Im Krisen- und Insolvenzfall werden Steuer-berater zu Gläubigern und sind von Forderungsausfällen betroffen. 549 Über die Rolle des Steuerberaters als (vorinsolvenzlicher) Sanierungsmanager wird auf die Arbeiten von Hantsche/550 und Kratz551 verwiesen. Die Rolle des Steuerberaters bei der Erstellung eines Insolvenzplanes analysiert Beige/552•

s47 Zum Verhältnis Hausbank-KMU siehe Doberanzke (1993).

s•s Zu der Rolle der Banken bei Sanierungen siehe Duursrna (1994). Zu den Sanierungsrisiken der Banken siehe Neuhof(l999), Doberanzke (1993), S. 134 ff.

s49 Ähnlich Kranzusch/May-Strobl (2002), S. 38.

sso Hantschel ( 1993 ).

SSI Kratz (1996).

ssz Vgl. Beigel (2002).

Im Dokument Wege aus der Insolvenz (Seite 162-166)