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Krisenarten und -entwicklungen

Im Dokument Wege aus der Insolvenz (Seite 79-83)

4 BEGRIFFLICHE & THEORETISCHE GRUNDLAGEN

4.2 UNTERNEHMENSKRISE

4.2.2 Krisenarten und -entwicklungen

Unternehmenskrisen haben unterschiedliche Erscheinungsformen und lassen sich nach einer Vielzahl von Kriterien gliedern. Dabei kann die Klassifikation einer Unternehmenskrise bereits als ein erster Indikator für Krisenursachen und möglicherweise auch für die Ableitung von Gegenmaßnahmen herangezogen werden. In der Literatur existieren verschiedene K.lassifikationskriterien, anhand welcher Krisen systematisiert werden können:282

Lebenszyklusstatus: Gründungs-, Wachstums- und Alterskrise283 bzw.

Wachstums-, Schrumpfungs- und Stagnationskrisen284 oder Krisen in Pionier-, Wachstums-, Reife- und Wendephase285

Krisenursachen: exogene vs. endogene Krisenursachen286

Aggregationszustand/Bedrohungspotenzial: potenzielle, latente, akut be-herrschbare, akut nicht beherrschbare Krise287

Bedrohte Unternehmensziele: Strategie-, Erfolgs-, Liquiditätskrise288 Die Tatsache, dass Unternehmenskrisen auf so vielfältige Art differenziert werden können, zeigt, dass sie keine statischen dauerhaften Zustände verkörpern. Sie können daher auch durch eine zeitliche Verlaufsdimension beschrieben werden.

Unternehmenskrisen treten zum einen schlagartig und unverhofft auf und ent-falten innerhalb kurzer Zeit eine destruktive Wirkung, zum anderen können sie graduell zunehmend auf das Unternehmen einwirken. Bei der zweiten Form wird

281 Vgl. hierzu auch Köster (1990).

282 Vgl. Böckenförde ( 1996), S. 18 ff., Vgl. hierzu auch Feldbauer-Durstmüller ( 1992), S. 6 f.

283 Albach ( 1976), S. 688.

284 Bleicher (1979), S. 62 ff.

285 Pümpin/Prange ( 1991 ), S. 211 f.

286 Z.B. Fleege-Althoff(1930), S. 85.

287 Krystek (1987), S. 29 ff.

288 Müller (1986), S. 53 ff.

der Verlauf von immer prägnanter werdenden Krisensymptomen begleitet.289 So genannte Fieberkurven visualisieren die Verlaufsdimension:

Öffcntl ich es Interesse

Eruptive Krise

Öffentliches Interesse

Zeit

Schleichende Krise Abbildung 4.1: Erscheinungsformen von Krisen

Quelle: Mayer (2003), S. 87

Öffentliches Interesse

Zeit Zeit

Periodische Krise

Bei einer eruptiven Krise tritt der Krisenzustand abrupt und schlagartig auf. Die destruktive Wirkung kommt sehr überraschend, hat aber eine kurze Prozessdauer.

Eine schleichende Krise hat eine mittlere Prozessdauer, in welcher die Krise durch eine Multiplikator- und Akzeleratorwirkung nach einem bestimmten Zeitraum eskaliert. Eine periodische Krise hat eine lange Prozessdauer, in der die Krisen-intensität sich immer wieder abschwächt, die Krise aber nie vollständig bekämpft wird und daher im Zeitablauf kontinuierlich zunimmt.290

b) Phasenmodelle der Krisenentwicklung

Phasenmodelle dienen dazu, eine Krise in verschiedene Phasen zu unterteilen, um sie dadurch exakter beschreiben zu können. Die in der Literatur existierenden Phasenmodelle ähneln sich291 und spiegeln die im Zeitablauf abnehmenden Handlungsaltemativen wider.

Tabelle 4.2 stellt die Phaseneinteilungen ,früher' Autoren dar, auf welchen verschiedene spätere Phasenmodelle oftmals aufgebaut wurden. 292 Dabei soll be-sonders auf das Phasenmodell von Albach hingewiesen werden, welches explizit die Insolvenz berücksichtigt:

289 Vgl. Clasen ( 1992), S. 92, Huisgen ( 1998), S. 34, ff., Krystek ( 1980), S. 64.

290 Vgl. Töpfer (1999), S. 275, Mayer (2003), S. 87.

291 Vgl. auch Buchhart (2001), S. 73.

292 In Anlehnung an Krystek ( 1987), S. 21 ff.

5 KMU-Spezijika & Forschungsmodell 61 Röthig293 Britt294 Rödl295 Löhneysen296 Albach297

latente

Phase der

Latenter

Nichtkrise

Vertrauensschwund Krise Fehlent- Bereich

Potenzielle

Verhandlungen

akute wicklung

Subakuter Krise

Öffentlichkeit Krise

Krisenphase Bereich

Latente Krise

Konkursbeantragung

Bewältigungs-

Akuter

Akute Krise

ggf. Fortführung

ehase Bereich

ggf. Sanierungserfolge

Tabelle 4.2: Krisenphaseneinteilung ,früher' Autoren

Zu den ,neuen' und in der Literatur weit verbreiteten Phasenmodellen gehören die Modelle von Krystek und von Müller, die als Klassifikationskriterium den Aggregationszustand/das Bedrohungspotenzial sowie die bedrohten Unterneh-mensziele heranziehen.

Krystek298 Müller299

Potenzielle Krise

Strategische Krise

Latente Krise

Erfolgskrise

Akut/beherrschbare Krise

Liquiditätskrise

Akut/nicht beherrschbare Krise

Tabelle 4.3: Krisenphaseneinteilung ,neuer' Autoren

Krystek3°0 unterscheidet zwischen einer potenziellen Unternehmenskrise, in welcher keine Krisensymptome wahrgenommen werden, einer latenten Unter-nehmenskrise, in welcher die Krisensituation noch nicht offensichtlich geworden, jedoch die Wahrscheinlichkeit des Eintretens hoch ist, einer akuten, aber be-herrschbaren Unternehmenskrise, in welcher deutliche Krisensymptome wahrge-nommen werden und der Fortbestand des Unternehmens gefährdet ist, und einer akuten und nicht beherrschbaren Unternehmenskrise, in welcher die Krisenbe-wältigungsanforderungen das verfügbare Krisenbewältigungspotenzial überstei-gen. Die Anforderungen zur Erkennung der Krise nehmen dabei im Verlauf überproportional ab und die Krisenbewältigungsanforderungen stetig zu. Die de-struktive Wirkung der Krise erhöht sich überproportional im Krisenverlauf.

Abbildung 4.2 verdeutlicht die Zusammenhänge:

293 Röthig (1976), S. 13.

294 Britt (1973), S. 439.

295 Rödl (1979), S. 46 f.

296 Löhneysen (1982), S. 102 ff.

297 Albach ( 1979), S. 9 ff.

298 Krystek ( 1980), S. 64 ff.

299 Müller ( 1982).

300 Vgl. Krystek (1987), S. 29 ff., ähnlich Röthig (1976), S. 13.

Fa Kp lp

1. Phase Potenzielle

Krisenbewälti un s•

potenzia (Kp)

2. Phase 3. Phase Akut/beherrschbare

Abbildung 4.2: Phasen des generellen Krisenprozesses nach Krystek Quelle: Krystek (1980), S. 65

4. Phase

IW Ka

Die gedankliche Aufeinanderfolge des Krisenverlaufes entspricht jedoch keinem zeitlichen Zwangsablauf. Der Krisenprozess kann durch entsprechende Gegen-maßnahmen des Unternehmens oder durch externe Einflüsse gestoppt werden.

Jedoch ist es auch möglich, dass der Krisenprozess nur in eine vorgelagerte Phase zurückfällt, weil die Krisensymptome bekämpft wurden, jedoch nicht die Ur-sachen, welche in solchen Fällen zumeist unerkannt bleiben. Gleichfalls ist es denkbar, dass der Krisenprozess in einer späteren Phase, im Extremfall in der akuten, nicht mehr beherrschbaren Phase beginnt und auch endet.301

Eine Unternehmensinsolvenz wäre in diesem Schema in der dritten oder vierten Phase einzuordnen. Eine Einordnung in der dritten Phase würde bedeuten, dass das Unternehmen im Rahmen einer Insolvenzsanierung weitergeführt und saniert werden kann, eine Einordnung in der vierten Phase, dass das Unternehmen zer-schlagen und liquidiert wird.

Müller kommt zu seinem V erlaufsmodell durch die Betrachtung der bedrohten Unternehmensziele. 302 Eine strategische Krise liegt vor, wenn langfristige Erfolgs-potenziale gefährdet oder nicht mehr existent sind, weil z.B. technologische Ent-wicklungen verpasst wurden. Eine Erfolgskrise zeigt sich im

leistungswirt-301 Vgl. Krystek (1987), S. 32.

302 Vgl. Müller (1986), S. 53 ff., Vgl. hierzu auch Keller (1999), S. 8 f., Kraus/Gless (1998), S. 99 f.

5 KMU-Speziftka & Forschungsmodell 63 schaftlichen Bereich, weil z.B. gesetzte Erfolgsziele wie Gewinn-, Rentabilitäts-oder Umsatzziele gefährdet sind Rentabilitäts-oder nicht erreicht werden. Die Liquiditätskrise wird durch finanzwirtschaftliche Schwierigkeiten verursacht und liegt vor, wenn Illiquidität und/oder Überschuldung des Unternehmens drohen.

Zwischen den einzelnen Krisen besteht eine ,kybernetische Verknüpfung', da Krisen prozesshaft ablaufen und aufeinander aufbauen. Aus einer strategischen Krise kann eine Erfolgskrise werden, die Erfolgskrise wiederum eine Liquiditäts-krise als Resultat haben und schließlich zur Insolvenz führen.303 Dabei muss es wie im Modell von Krystek nicht zwangsläufig zu einer solchen ,idealtypischen' Krisenentwicklung kommen, sondern der Beginn kann auch in einer späteren Phase, im Extremfall in der Liquiditätskrise, einsetzen.

ca. 60 % aller Krisen Strategiekrise

D

ca. 30 % aller Krisen

Erfolgskrise Erfolgskrise

Insolvenz Insolvenz

D D

Sanierung/ Sanierung/

Liquidation Liquidation Abbildung 4.3: Typische Krisenverläufe nach Müller Quelle: Müller (1986), S. 56

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