4 BEGRIFFLICHE & THEORETISCHE GRUNDLAGEN
4.8 SANIERUNGSMAßNAHMEN
4.8.2 Leistungswirtschaftliche Maßnahmen
Um ein Unternehmen nachhaltig sanieren zu können, sind in der Regel Maßnahmen im leistungswirtschaftlichen Bereich notwendig, welche sowohl innerhalb der Fortführungsphase und innerhalb einer Rechtsträgersanierung als auch nach Übertragung umgesetzt werden müssen. Die Maßnahmen lassen sich anhand der Unternehmensfunktionsbereiche gliedern und haben entweder eine kostensenkende oder umsatzsteigernde Wirkung.
a) Management- und Organisationsbereich
Das Top- und Mittelmanagement bleibt bei Unternehmenssanierungen in seiner Zusammensetzung häufig nicht unverändert, da die bisherige Unternehmens-führung sich von einer Insolvenzschuld nicht exkulpieren kann. Führungskräfte werden entweder ausgetauscht oder verlassen von selbst das Unternehmen. Rauh sieht dabei einen kritischen Erfolgsfaktor bei den mittleren Führungskräften (Abteilungsleiter und Meister), welche die Werthaltungen und das Know-how des Unternehmens tragen. Da von ihnen Multiplikatoreffekte ausgehen, ist es bedeutsam, diese in die Unternehmenssanierung einzubinden.417
Tabelle 4.17 gibt einen Überblick über potenzielle Maßnahmen im Bereich Management und Organisation:
416 Zu Förderungen für Krisenunternehmen siehe auch Abschnitt 5.4.1.
417 Vgl. Rauh (1990), S. 386.
Managementbezogene und organisatorische Maßnahmen Managementbezogene Maßnahmen
•
Personelle Veränderung in der Führungsstruktur•
Zentralisation der Entscheidungsbefugnisse•
Neuorganisation der Führungskräftevergütung•
Erstellung von Führungsrichtlinien•
Optimierung der Planung•
Beauftragung eines Beraters/Krisenmanagers für Sanierungsmaßnahmen•
Rekrutierung externer Führungskräfte mit zusätzlichem Know-how Organisatorische Maßnahmen•
ZusammenlegW1g von Ressorts•
Neuorganisation der Aufgabengebiete innerhalb der Führungsstruktur•
Straffung des Informationssystems/Informationsmanagements•
Festlegung der Informations-, Reports- und Kommunikationsstrukturen•
Umgestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation•
Rechtliche Verselbstständigung von Teilbetrieben/zentralen Servicefunktionen•
Änderung der Rechtsform•
Änderung der Beteiligungsstruktur•
Gründung von FortführungsgesellschaftenTabelle 4.17: Managementbezogene und organisatorische Maßnahmen
Quelle: Groß (1988), S. 156 ff., Huisgen (1998), S. 183, WP-Handbuch (1998), S. 424
b) Personalbereich
Sanierungsmaßnahmen sind in der Regel mit erheblichen Konsequenzen für die Mitarbeiter verbunden. Je nach Branche und Unternehmensstruktur liegen hier hohe Einsparpotenziale, und Entlassungen sind häufig unumgänglich.
Gleichzeitig ist bei nahezu allen Personalmaßnahmen mit einer Auswirkung auf die Mitarbeitermotivation zu rechnen. Daher sollten auch Überlegungen vorge-nommen werden, wie die Unternehmensleitung ein positives Denken und Team-Geist bei den verbleibenden Mitarbeitern kreieren kann. Sofern existent, ist bei den meisten Personalmaßnahmen eine Zustimmung oder Mitwirkung des Be-triebsrates (in größeren Unternehmen auch des Wirtschaftsausschusses) not-wendig.
5 KMU-Spezifika & Forschungsmodell 105 Im Insolvenzverfahren gelten für Kündigungen durch den Insolvenzverwalter nach§ 125 InsO folgende Einschränkungen des Kündigungsschutzes:418
•
Es wird vermutet, dass die Kündigung der im Interessensausgleich namentlich bezeichneten Arbeitnehmer betriebsbedingt ist.•
Die soziale Auswahl wird eingeschränkt. Sie ist nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter sowie Unterhalts-pflichten durchzuführen und wird nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft.Tabelle 4.18 gibt einen Überblick über potenzielle Maßnahmen im Bereich Personal:
Personalbezogene Maßnahmen
•
Einstellungsbeschränkungen/genereller oder qualifizierter Einstellungsstopp•
Einführung von Kurzarbeit•
Abbau von Mehrarbeit/Überstunden•
Gezielte Urlaubsplanung/Werksurlaube•
Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitverträge•
Befristetes oder unbefristetes Ruhen von Arbeitsverträgen•
Kündigung von Dienstverträgen freier Mitarbeiter oder Aushilfen•
Abbau von Leistungszulagen•
Betriebsbedingte Kündigungen/Massenentlassungen•
Einsatz eigener Mitarbeiter bei fremden Firmen•
Abbau freiwilliger Sozialleistungen oder Sondererlaubnisse•
Nichtbesetzung frei werdender Stellen•
Lohn- und Gehaltssteigerungsstopp•
Aufhebungsverträge•
Überarbeitung von Lohn- und Gehaltsstrukturen•
Qualifikationsmaßnahmen•
Abbau von Leiharbeit•
Einstellung Pensionszahlungen (mit Zustimmung des Pensionssicherungsvereins)•
Umsetzungen/Versetzungen•
Altersteilzeit/vorzeitige Pensionierungen Tabelle 4.18: Personalbezogene MaßnahmenQuelle: Huisgen (1998), S. 183, WP-Handbuch (1998), S. 415 ff.
418 Vgl. WP-Handbuch (1998), S. 422.
c) Materialwirtschaft
Die betriebliche Aufgabe der Materialwirtschaft liegt darin, die für die operative Tätigkeit des Unternehmens benötigten Materialien in der richtigen Menge, der richtigen Qualität, zum richtigen Preis und zum richtigen Zeitpunkt bereitzu-stellen. Geschieht dies nicht, so arbeitet das Unternehmen nicht in seinem Optimum und es existieren V erbesserungspotenziale. Bei Krisenunternehmen zeigt sich häufig, dass diese ihre Materialkosten erheblich senken können und gleichzeitig ihr Vorratsvermögen abbauen.419 In der Insolvenz ist von besonderer Bedeutung, dass Lieferanten in aller Regel auch Gläubiger sind und weitere Lieferungen nur gegen Vorkasse durchführen.
Tabelle 4.19 gibt einen Überblick über potenzielle Maßnahmen im Bereich Materialwirtschaft:
Materialwirtschaftsbezogene Maßnahmen
•
Suche nach günstigeren Lieferanten•
Standardisierung von verwendeten Bauteilen und -materialien•
Veränderung der Bestellmenge (Einkaufsbündelung)•
Kleinere Losgrößen mit geringeren Lieferabständen (geringes gebundenes Kapital)•
Größere Losgrößen mit größeren Lieferabständen (Mengenrabatte)•
Einholung von Vergleichsangeboten•
Senkung von Transport- und Lagerkosten•
Abwälzung der Lagerung bestellter Ware auf Lieferanten•
Einkaufsstopp•
Kündigung von Lieferverträgen•
Rücküberführung von Waren an Zulieferer•
Abbau von ,Work-in-Progress'-Beständen•
Abbau von Lager und Lagerbeständen•
Abstimmung mit anderen Funktionsbereichen•
Optimierung von Make-or-Buy-Entscheidungen•
Verwendung von Substitutionsgütern•
Überprüfung von Vertragsbedingungen (Erfüllung, Gewährleistung, Schadensersatz)•
Gegengeschäfte (Kompensationsgeschäfte) Tabelle 4.19: Materialwirtschaftsbezogene Maßnahmen Quelle: Huisgen (1998), S. 185, WP-Handbuch (1998), S. 406 ff.419 Vgl. WP-Handbuch (1998), S. 406.
5 KMU-Spezijika & Forschungsmodell d) Produktionsbereich
107
Die Aufgabe der Produktion ist die Erstellung von Produkten und Dienst-leistungen, welche in Kosten und Preis wettbewerbsfähig sind. Dies beinhaltet sowohl eine technologische als auch eine organisatorische Kompetenz und Leis-tungsfähigkeit des Unternehmens. 420
Tabelle 4.20 gibt einen Überblick über potenzielle Maßnahmen im Bereich Produktion:
Produktionsbezogene Maßnahmen
•
Übergang zum Einschichtbetrieb•
Durchführung von Reparaturen mit eigenen Kräften•
Standardisierung von Produkten und Verpackungen•
Eingrenzung der Sortimentsbreite•
Verzicht auf Ersatzinvestitionen•
Kürzung von Fertigungskosten•
Eliminierung von Problemprodukten•
Einsparungen in den Bereichen Material- und Energieverbrauch•
Annahme von Großaufträgen•
Streichung von Produktinnovationen, Produktüberarbeitungen•
Verbesserung der Termintreue•
Restriktive Fertigungsplanung•
Konzentration der Fertigung (evtl. durch Schließung von Fertigungsstätten)•
Reduktion der Fertigungstiefe (Outsourcing von Produktionsschritten)•
Lohnfertigung für andere Unternehmen•
Erhöhung der Durchlaufzeiten (Optimierung der Ablauforganisation der Fertigung)•
Kapazitäts- und intensitätsmäßige Anpassung des Produktionsprozesses•
Reduktion der Ausschussprodukte•
Optimierung von Losgrößen (Losgrößendegression)•
Typung und Normierung von Produkten und Produktteilen•
Erhöhung des Automatisierungsgrades•
Einführung/Optimierung von CIM Konzepten•
Beseitigung von Produktivitätsengpässen Tabelle 4.20: Produktionsbezogene MaßnahmenQuelle: Groß (1988), S. 175 ff., Huisgen (1998), S. 185, WP-Handbuch (1998), S. 397 ff.
420 Vgl. WP-Handbuch ( 1998), S. 397 f.
e) Absatz und Vertrieb
Ausgangspunkt einer Betrachtung des Bereiches Absatz und Vertrieb soll die bisherige Umsatzentwicklung, gegliedert nach Produkten und Märkten, sein, so dass eine Positionsbestimmung des Unternehmens mit seinen Produkten statt-finden kann. Maßnahmen in diesem Bereich haben Umsatzsteigerungen zum Ergebnis und sollten daher eine hohe Priorität genießen.
Tabelle 4.21 gibt einen Überblick über potenzielle Maßnahmen im Bereich Absatz und Vertrieb:
Absatz- und vertriebsbezogene Maßnahmen
•
Preis- und Rabattänderungen (Preisdifferenzierung, preispsycholog. Maßnahmen)•
Konditionspolitik (Liefer- und Zahlungsbedingungen)•
Sortimentsbereinigung•
Sonderverkaufsaktionen, Liquidationsverkäufe•
Übernahme von Distributionsaufgaben für Drittfirmen•
Überarbeitung der Distributionswege•
Vergabe von Vertriebslizenzen•
Reduktion der Fehler bei der Auftragsabwicklung•
Prüfung/Auflösung von Verträgen mit Absatzmittlern•
Erhöhung/Verringerung von Serviceleistungen/Kundendienst•
Prämienaussetzung für Verkäufer•
Durchführung von Werbeaktionen•
Beschränkung von Werbeaktivitäten und Sponsorentätigkeit•
Verringerung der Versandzeiten•
Ausarbeitung/Straffung des Vertriebssortimentes•
Ausbau der Marktanteile zukunftsträchtiger Produkte in angestammten Märkten•
Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit•
Durchführung von Markterweiterungsstrategien•
Fokussierung auf Kundengruppen mit hohen Margen•
Erhebung der Preisbereitschaft von Kunden & Marktsegmenten•
Key-Account-ManagementTabelle 4.21: Absatz- und vertriebsbezogene Maßnahmen
Quelle: Groß (1988), S. 172 ff., Huisgen (1998), S. 185, WP-Handbuch (1998), S. 386 ff.
t) Forschung und Entwicklung
Forschung und Entwicklung (F&E) können für Unternehmen extreme Chancen, gleichzeitig aber auch unabschätzbare Risiken beinhalten. Je nach Unternehmen kann der Aufwand für F&E-Aktivitäten sehr hoch sein.
5 KMU-Spezifika & Forschungsmodell 109 Tabelle 4.22 gibt einen Überblick über potenzielle Maßnahmen 1m Bereich Forschung und Entwicklung:
Forschungs- und entwicklungsbezogene Maßnahmen
•
Überprüfung des Entwicklungsbudgets•
Stopp von Produktentwicklungen•
Überwachung von Zeitplänen•
Überprüfung von Menge, Qualität, Finanzbedarf von laufenden Projekten•
Überprüfung von Projektvorschlägen•
Entwicklung neuer Produkte•
Überprüfung der Aktualität von Entwicklungszielen•
Projektbeschleunigungen•
Outsourcing von Entwicklungsschritten•
Anträge auf staatliche Förderungen•
QualitätsoffensiveTabelle 4.22: Forschungs- und entwicklungsbezogene Maßnahmen Quelle: WP-Handbuch (1998), S. 411 ff.