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KONFIGURATIONSANSATZ ALS HEURISTISCHER BEZUGSRAHMEN

Im Dokument Wege aus der Insolvenz (Seite 60-0)

Eine allgemeine Theorie des Krisenmanagements, auf welche bei der Erstellung des Bezugsrahmens in der dargestellten Form zurückgegriffen werden kann, ist nicht existent. Es existieren lediglich verschiedene Krisenmodelle und Prozess-darstellungen, welche jedoch nicht zu einer ganzheitlichen Theorie integriert sind.228 Daher muss ein anderer konzeptioneller Bezugsrahmen gefunden bzw.

entwickelt werden, der für den Aufbau und die Durchführung dieser Forschungs-arbeit geeignet ist.

Der Konfigurationsansatz, welcher der Organisationsforschung entstammt, entspricht den im vorhergehenden Abschnitt genannten Anforderungen eines Be-zugsrahmens weitgehend. Er ist in der Lage, die Komplexität, Multikausalität, Mehrstufigkeit und Multilokalität229 von Unternehmensinsolvenzen und des Fort-führungs- und Sanierungsprozesses anhand verschiedener Variablen und Dimen-sionen zu strukturieren, und berücksichtigt dabei gleichzeitig Relationen zwischen den Variablen. Somit erfüllt er eine strukturierende Aufgabe und dient als Orien-tierungsrahmen für die Analyse einer Insolvenzsanierung. Die Insolvenzsanierung wird dabei als eine dynamische Figuration betrachtet, welche zwischen ihren ver-schiedenen Einflussvariablen und ihrem Kontext interagiert. Mit dem Konfigura-tionsansatz als einem ganzheitlichen Konzept können somit Fortführungen und Sanierungen und deren Einflussfaktoren dargestellt und adäquat analysiert werden.

226 Vgl. Kubicek ( 1977), S. 19.

227 Vgl. Rößl (1990), S. 109.

228 Siehe hierzu auch Abschnitt 2.1.3. 1.

229 Vgl. hierzu Krystek (1987), S. 67 bzw. zu Ursachen-Wirkungskomplexen Töpfer (1986), S. 158 ff.

3 Heuristischer Bezugsrahmen & Arbeitsmodell 41 3.3.1 Wesen des Konfigurationsansatzes

Die traditionelle Strategie der Management- und Organisationsforschung besteht in ihren Hauptpunkten darin, dass im Mittelpunkt bivariate Beziehungen stehen.

Beziehungen zwischen Variablen sind linear und Ursache-Wirkungs-Zusammen-hänge unidirektional. Der Kontext, in welchem sich die Untersuchungsobjekte befinden, bleibt häufig unberücksichtigt und eine Ceteris-Paribus-Betrachtung verhindert die Durchdringung komplexer Phänomene. Untersuchungen, häufig aus der Feme durch Fragebögen durchgeführt, sind vielfach Querschnittsunter-suchungen, die zeitpunktbezogen und nicht zeitraumbezogen sind. 230

Eine solche Vorgehensweise ist durchaus der Kritik ausgesetzt und führt in Folge zu Überlegungen, dass eine große Anzahl von Zustands-, Prozess- und situativen Merkmalen simultan berücksichtigt werden müssten, um so ein detailliertes, holis-tisches und integratives Bild eines Unternehmens zu erhalten. Ursache-Wirkungs-zusammenhänge werden in solchen Forschungskonzeptionen möglichst umfas-send angenommen, d.h. eindimensionale Beziehungen werden durch ein Netz-werk von Kausalbeziehungen ersetzt und prozessorientierte Betrachtungsweisen werden favorisiert. 231

Eine solche theoretische Annäherung an ein Unternehmen versucht die Defizite der administrativen und der kontingenztheoretischen Ansätze zu überwinden.232 Dabei gehen die meisten konfigurationstheoretisch forschenden Autoren davon aus, dass Unternehmen komplexe Ganzheiten (Entities) darstellen und Unter-nehmensentwicklung von dem Zusammenspiel struktureller und verhaltensbe-zogener Variablen sowie von Umweltbeziehungen abhängt. Diese sind durch eine Multidimensionalität sowie durch eine Interaktion von Kontext-, Gestaltungs- und Erfolgsvariablen geprägt. Elementar ist die Idee, dass die Ganzheit spezifische Eigenschaften besitzt, die nicht aus der Addition der Einzeleigenschaften resul-tiert, sondern dass die Ganzheit eine Bedeutung hat, die die isolierten Elemente für sich genommen nicht darstellen können. 233

23

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Für eine ausführliche kritische Reflexion des traditionellen Forschungsansatzes der Manage-ment- und Organisationsforschung siehe Miller/Mintzberg (1983), S. 60 ff., Niemeier (1986), S.

102 f., Wolf(2000), S. 4 ff., sowie Scherer/Beyer (1998), S. 336 und die dort zitierte Literatur.

231 Vgl. Niemeier (1986), S. 106.

232 Scherer/Beyer ( 1998), S. 332.

233 Vgl. Miller (1986), S. 7 ff., Miller (1987), S. 686 ff., Miller/Mintzberg (1983), S. 62 ff., Meyerfl'sui/Hinings (1993), S. 1175 ff., Macharzina/Engelhard (1991), S. 29 ff., Wolf(2000), S.

15 ff.

Hieraus entsteht die Annahme, dass das perfekte Zusammenspiel der einzelnen Elemente in der Ganzheit einen zentralen Erfolgsfaktor der Unternehmensführung darstellt. ,,Unternehmen drängen auf eine Konsistenz ihrer internen Charakteristi-ka, auf eine Komplementarität ihrer internen Prozesse und auf einen Fit mit ihrer Handlungssituation."234 Die Annahme des Konfigurationsansatzes besteht somit darin, dass sich die Variablenkonfigurationen erfolgreicher Unternehmen von denen erfolgloser unterscheiden.

Ein bivariates, querschnittsbezogenes Vorgehen, bei welchem nur einzelne oder wenige Variablen zur Unternehmensanalyse herangezogen werden, genügt nicht mehr. Eine solche Vorgehensweise würde sich komplexitätsverkürzend und er-kenntnisverfälschend auswirken. Es muss daher versucht werden, mehrere V ariab-len zu analysieren, welche gemeinsam in einem strukturelariab-len Gefüge ihrer Aus-prägungen ein Unternehmen in seiner Ganzheit erfassen.

Mit dem konfigurationstheoretischen Ansatz wurde in der Managementforschung ein Begriff entwickelt, welcher nicht wie bisher üblich das Stellengefüge einer Organisation charakterisiert, sondern eine logisch konsistente Konstellation aus-gewählter Attribute von Unternehmen betrachtet, welche ein stimmiges, holistisches Bild einer Unternehmenssituation ergeben und selbst beobachtbar sind. Der Begriff der Konfiguration wird von Organisationsforschern dafür ver-wendet, ,,( ... ) repräsentative Muster oder Kombinationen von Ausprägungen zahl-reicher interdependenter Unternehmens- und Umweltmerkmale zu bezeichnen. "235 Jedoch wird in der Literatur der Begriff der Konfiguration nicht einheitlich verwendet. Die Begriffe Konfiguration, Gestalt und Archetyp werden teilweise synonym gebraucht. Im Folgenden soll nur von Konfiguration( en) gesprochen werden, auch wenn manche Autoren, wie z.B. Mil/er, eine Differenzierung zwischen Gestalt als besondere Konfiguration mit interner Stimmigkeit und Kon-figuration vornehmen: ,,When such conKon-figurations represent very commonly occuring, and, therefore, predictively useful, adaptive patterns or scenarios, they will be called Gestalts."236 Die Anzahl der in der Realität vorfindbaren Gestalten wäre daher wesentlich geringer als die der denkbaren Konfigurationen.

Im Konfigurationsansatz wird eine Konfiguration als eine Gruppe von Faktoren (unabhängige Variablen) verstanden, die miteinander in reziproker (interaktiver,

234 Wolf(2000), S. 16.

235 Henselek ( 1996), S. 50.

236 Miller ( 1981 ), S. 3.

3 Heuristischer Bezugsrahmen & Arbeitsmodell 43 interdependenter) Beziehung stehen und Unternehmensentwicklungen auslösen.

Sie beeinflussen die Entwicklung eines Unternehmens, ohne dass ein bestimmtes Verlaufsmuster vorab angenommen wird. 237

Folglich liegt das primäre Erkenntnisziel des Konfigurationsansatzes zunächst darin, typische Unternehmenskonfigurationen ausfindig zu machen und inhaltlich zu charakterisieren. Dabei können zwar unterschiedliche Variablen zu mehreren Ausprägungen führen, dennoch ist nicht davon auszugehen, dass in der Realität eine unüberblickbare Vielzahl von Konfigurationen vorliegen wird, da als zentrale Annahme vermutet wird, dass es nur eine begrenzte Anzahl von erfolgreichen Konfigurationen gibt.

3.3.2 Variablen & Dynamik einer Konfiguration a) Variablen

Bei einer konfigurationstheoretischen Analyse gilt die Variablenselektion als neu-ralgischer Punkt. Es muss darauf geachtet werden, dass die Komplexität der ,Realität' auf das Wesentliche reduziert wird, gleichzeitig jedoch noch inhalts-theoretisch sinnvolle und in ihrer Komplexität verständliche Konfigurationen ent-stehen. Dies bedeutet eine Trade-off-Entscheidung, in welcher eine adäquate Mitte zwischen der Nichtberücksichtigung von Variablen und einem zu komplex-en Aussagesystem gefundkomplex-en werdkomplex-en muss. Die Einteilung und Festlegung von Variablen ermöglicht so eine Konzentration auf bestimmte Schwerpunkte des For-schungsinteresses. Je nach Tiefe der Analyse muss entschieden werden, inwieweit die Variable weiter aufgegliedert werden muss oder ob sie nur in Form einer Ein-zelvariable berücksichtigt werden soll.

Der Konfigurationsansatz an sich gibt a priori keine Einteilung und Gruppierung von Variablen vor, dennoch herrscht in der Literatur über die Variablen einer Unternehmenskonfiguration weitgehende Einigkeit. Diese Einigkeit findet sich bereits in den ,Pionierarbeiten' von Mil/er, Friesen und Mintzberg wieder, welche in unterschiedlicher Intensität die Variablen ,Umwelt', ,Strategie', ,Führung', ,Struktur' und ,Ressourcen' bei der Konfigurationsbildung berücksichtigen.238 Für die vorliegende Forschungsarbeit wird ein Rückgriff auf die von Mugler vor-geschlagenen Variablen ,Unternehmer', ,Management', ,Ressourcen' und

,Um-237 Mugler (1998), S. 104 ff., ähnlich Henselek (1996), S. 49.

238 Vgl. Hienerth (2004), S. 25 ff.

weit' genommen, da Mugler in seiner Auswahl der Konfigurationsvariablen auf die spezifischen Besonderheiten von Klein- und Mittelbetrieben eingeht.

Der Unternehmer kann in Klein- und Mittelbetrieben als der signifikante Motor der Unternehmensentwicklung gesehen werden. Er spielt die zentrale Rolle bei der Umweltkonstruktion und steuert durch seine Persönlichkeitseigenschaften die wesentlichsten Entscheidungen. 239 Dabei können die Persönlichkeitseigenschaften in verschiedene Dimensionen, wie z.B. psychogenetische Eigenschaften, Motiva-tionsfaktoren, Lernverhalten, Wertehaltungen und Qualifikationen, differenziert werden. Eine trennscharfe Abgrenzung der einzelnen Elemente ist aber nicht im-mer möglich. 240

Das Management kann im Sinne eines Instrumentariums verstanden werden, welches für die Führung eines Unternehmens eingesetzt wird. Dazu gehört sowohl die hierarchische Dimension (oberste Unternehmensgrundsätze), die prozessuale Dimension (Planung, Entscheidung, Durchführung, Kontrolle), die strukturelle Dimension (Organisationsgestaltung, Prozess des organisatorischen Wandels) sowie die personelle Dimension (Führungsstil, Entwicklung personellen Leis-tungspotenzials). Diese Führungs- und Entscheidungsdimensionen nehmen auf den Unternehmensentwicklungsprozess Einfluss.241

Die Grundlage wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bilden Ressourcen. Diese kön-nen in tangible und intangible Ressourcen differenziert werden. Für die Bezeich-nung einer Variable ,Ressource' im Rahmen des Konfigurationsansatzes ist es aber notwendig, den Ressourcenbegriff einzuschränken, da bei einer zu weit rei-chenden Fassung die Gefahr besteht, dass er zu einer Leerformel degeneriert.

Daher sollen im Folgenden nur Faktoren wirtschaftlicher Leistung berücksichtigt werden, auf die ein Unternehmen bereits ein Nutzungsrecht hat. Dies bezieht alle Faktoren wirtschaftlicher Leistung mit ein, wie z.B. das Anlagevermögen, die Organisation selbst (Organisationsintensität, Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung) oder weitere intangible Ressourcen (Informationen, Know-how, Organisations-kultur). Da heute für Unternehmen intangible Ressourcen in der Regel eine

be-239 Dabei ist festzustellen, dass die Persönlichkeitseigenschaften selbst Konstrukte der Sozial-wissenschaften darstellen.

240Vgl. Mugler(1998), S. 141.

241 Vgl. Mugler ( 1998), S. 158 ff. Henselek behandelt ähnliche Themenbereiche unter dem Begriff Führung. Vgl. Henselek ( 1996), S. 80 ff.

3 Heuristischer Bezugsrahmen & Arbeitsmodell 45 deutendere Rolle spielen, sind diese bei der Betrachtung von Unternehmensver-läufen (auch Sanierungen) besonders zu berücksichtigen.242

Zur Unternehmensumwelt gehören alle ökonomischen und metaökonomischen Mikro- und Makroumwelten. Unter der Dimension der Makroumwelt werden z.B.

die verfügbare Produktionstechnologie, die Marktsituation sowie politische Rah-menbedingungen auf internationaler, nationaler, regionaler und kommunaler Ebene subsumiert. Unter die Dimension der Mikroumwelt fallen das private Um-feld des Unternehmers, wie z.B. Familie, Freunde etc., aber auch Lieferanten-/

Kundenbeziehungen, Markteintrittsbarrieren, Wettbewerbsintensität, Möglich-keiten der Marktsegmentierung etc. 243

Die Variable Umwelt wird jedoch relativiert, indem Umweltmerkmale nicht direkt Unternehmensentwicklungen bewirken, sondern nur indirekt über handelnde Personen wirken, welche Signale aus der Umwelt wahrnehmen und interpretieren.

Unternehmensentwicklungen stellen daher immer eine Folge der Entscheidungen von Personen dar. Diese können gewollt, geduldet oder ungewollt stattfinden. Aus konstruktivistischer Sicht wird die Umwelt nicht erst durch Handlungen konstru-iert, sondern bereits beim Empfang von Signalen.244

b) Dynamik von Konfigurationen

Neben einer statischen Betrachtungsweise (Konfigurationsansätze der ersten und zweiten Stufe) lassen sich Konfigurationen auch in einer dynamischen Per-spektive betrachten. Es können durch zeitpunktbezogene als auch durch zeit-raumbezogene Variablenkombinationen der Zustand und das Verhalten einer Konfiguration im Übergangsprozess zu einer anderen beschrieben werden. 245 Die Berücksichtigung einer solchen Dynamik entspricht den Konfigurationsansätzen der dritten Stufe.

Folgt man diesen Konfigurationsansätzen, so entwickeln sich Konfigurationen im Zeitablauf durch interaktive Kräfte selbst weiter. Zur Erklärung der Entwicklung von KMU (und auch von Krisen-/Sanierungsprozessen) dürften sich gerade die neueren Konzeptionen von Konfigurationen als besonders fruchtbar erweisen. 246

242 Vgl. Mugler (1998), S. 148 ff. Henselek behandelt diesen Themenbereiche unter den Begriffen Strategie und Organisation. Vgl. Henselek ( 1996), S. 70 ff.

243 Vgl. Mugler ( 1998), S. 112 ff. Ähnlich auch Henselek ( 1996), S. 67 ff.

244 Vgl. Mugler (1998), S. 140.

245 Vgl. Miller/Friesen (1984), S. 127.

246 Vgl. Mugler (1999), S. 192.

Jedes Unternehmen (und jeder Sanierungsprozess) wird durch seine individuelle Konfiguration von Variablen geprägt. Im Zeitablauf entsteht Entwicklung, was eine besondere Form von Veränderung darstellt. ,,Konfigurationen entwickeln sich in dem Sinn, dass sie nicht entweder von ,außen' (durch Umweltfaktoren) oder von ,innen' (durch Persönlichkeits- und Organisationsfaktoren) geprägt werden, sondern sich selbst in der Zeitdimension prägen. "247

Abbildung 3.1 verdeutlicht die Weiterentwicklung im Zeitablauf:

LJ

Ressourcen Management

Umwelt Unternehmer

LJ

Man1cmcn1

KO

Abbildung 3.1: Variablengruppen und Dynamik von Konfigurationen Quelle: Mugler ( 1998), S. 108

247 Mugler (1998), S. 105.

KI

K2

3 Heuristischer Bezugsrahmen & Arbeitsmodell 47 3.3.3 Kritische Reflexion des Konfigurationsansatzes

Die konfigurationstheoretische Forschung muss, wie andere Forschungsansätze auch, kritisch reflektiert werden, um Problemfelder zu beleuchten und den Nutzen in der Anwendung entsprechend abzusichern. 248 Dabei sind zwei Hauptformen von Kritik auf unterschiedlichen Ebenen auszumachen. Die erste Form ist auf ,ideologischer Ebene' anzusiedeln und daher allgemeiner Art. Die zweite Form bezieht sich auf die ,operative Ebene' und bringt Kritikpunkte an der Durch-führung von konfigurationstheoretischen Forschungen hervor.

Die erste Kritikform findet ihre Basis in den grundlegenden Annahmen des Kon-figurationsansatzes. Da der Konfigurationsansatz nicht Einzelbetrachtungen vor-nimmt, sondern ein holistisches Bild eines Unternehmens vermittelt, wird in Frage gestellt, inwieweit diese holistische Betrachtung tatsächlich möglich ist. Es wird hinterfragt, ob sich trennscharfe Konfigurationen identifizieren und signifikante Beziehungen zwischen Konfigurationen und z.B. unternehmerischem Erfolg auf-zeigen lassen. Die meisten publizierten Studien sind zeitpunktbezogen und es wird daran gezweifelt, dass Konfigurationen über einen längeren Zeitraum hinweg konstant sind. Kritiker sehen eher fließende Übergänge zwischen Konfigurationen und die Idee des radikalen Wandels und des Fit-Gedankens wird in Frage gestellt.

Es ist daher nicht möglich, erfolgsstiftende und interpretierbare Abfolgen von Konfigurationen zu identifizieren. 249

Als weiterer Kritikpunkt wird angeführt, dass der Konfigurationsansatz sich auf den Fit ausgewählter Variablen beschränkt und nur aufgrund dieser Variablen wenige Konfigurationstypen generiert, welche dann einer Idealform entsprechen sollen. Tatsächlich kommt es zu einer steten Abstimmung zwischen einer Vielzahl von Variablen. Veränderungen finden kontinuierlich statt und es gibt keine Typen, welche sich über einen längeren Zeitraum konstant halten. 250

Weiterhin wird bemängelt, dass es zahlreichen taxonomisch251 ausgerichteten Studien an einer ,theoretischen Signifikanz' mangelt und dass viele Taxonomien

248 Für einen ausführlichen Überblick siehe Wolf (2000), S. 90 ff.

249 Vgl. Wolf(2000), S. 92 und S.110 ff., Macharzina/Wolf(2005), S. 80 ff.

250 Vgl. Donaldson (1996), S. 114 ff. Eine solche Kritik mag berechtigt sein, wenn nur der Fokus auf die zweite Stufe von Konfigurationsansätzen gelegt wird. Durch die Weiterentwicklung, welche zu einer Dynamik und einem Entwicklungspfad von Konfigurationen führt, hat eine solche Kritik jedoch keine Basis mehr.

251 Taxonomien repräsentieren Konfigurationen, die auf empirischem Wege bestimmt worden sind.

keinerlei Verbindung zur Theorie aufweisen.252 Der Verzicht des Rückgriffs auf eine theoretische Fundierung hat damit zu tun, dass eine theoriebezogene Aus-deutung erarbeiteter Konfigurationen schwieriger ist, als diese mit statistischen Methoden zu bestimmen. Manche Vertreter des Konfigurationsansatzes wenden sich gegen solche Einwände, indem sie feststellen, dass es sich beim taxo-nomischen Strang der Konfigurationsforschung nicht um eine Theorie handelt, sondern um eine Methodik.253

Auf der ,operativen Ebene' ist einer der Hauptkritikpunkte, dass für die Variab-lenauswahl zur Bestimmung von Konfigurationen keine präzisen Hinweise bereit-gestellt werden. Welche Variablen der Forscher für seine Erhebung auswählt, ist ihm überlassen. Dies ist von besonderer Bedeutung, da die berücksichtigten Variablen in hohem Maße die Validität von Konfigurationen beeinflussen.

Das Ziel, die Komplexität der Realität zu reduzieren, wird ebenso in Frage gestellt, da in nahezu jeder Veröffentlichung konfigurationstheoretischer For-schung neuartige Konfigurationen vorgelegt werden. In Konsequenz führt dies dazu, dass das Ziel einer Steigerung der Übersichtlichkeit bisher eher verfehlt als konsequent verfolgt wurde. Begründet wird dies damit, dass für die Bildung von Konfigurationen kein einheitliches Programm von Variablen existiert, sondern eine vom jeweiligen Forschungszweck bestimmte Auswahl vorgenommen wird.254 Es wird ein Abgleich verfügbarer Konfigurationstypen gefordert, welcher Konfigurationen gegenüberstellt und prüft, inwieweit diese einander ähnlich sind und in übergeordnete Typologien integriert werden können. 255 Ketchen/Thomas/

Snow formulieren dies folgendermaßen: ,,( ... ) the wide array of typologies and taxonomies that abound in the strategic management literature should be empirically examined with respect to their concurrent dimensions with an overall goal of reducing the theoretical complexities that configurational research inevitabely generates."256

Trotz dieser kritischen Punkte lassen sich methodische und inhaltliche Vorzüge257 des Konfigurationsansatzes feststellen, weshalb in der vorliegenden Arbeit am Konfigurationsansatz als Bezugsrahmen und Arbeitsmodell festgehalten werden soll. Als die für diese Forschungsarbeit relevanten Vorteile gelten:

252 Vgl. Wolf (2000), S. 112 in Bezug aufMcGee/Thomas (1986), S. 150 ff, Miller (1996), S. 508.

253 Vgl. Wolf(2000), S. 112 ff. Zur Bewertung von Typologien siehe Doty/Glick (1994), S. 233 ff.

254 Siehe auch Henselek ( 1996), S. 64.

255 Vgl. Wolf(2000), S. 122 ff.

256 Ketchen/Thomas/Snow (1993), S. 1306.

257 Vgl. Henselek ( 1996), S. 63 ff.

3 Heuristischer Bezugsrahmen & Arbeitsmodell 49

Konfigurationen lassen sich sowohl konzeptionell als auch empirisch her-leiten.

Unternehmen (als auch Unternehmenskrisen und Sanierungen) lassen sich als eine Abfolge von verschiedenen Konfigurationen auffassen.

Das Grundmuster des Konfigurationsansatzes ist auf unterschiedlichen Untersuchungsebenen anwendbar (Individuum, Gruppe, Abteilung, Unter-nehmen, Branche, Volkswirtschaft etc.).

Der Konfigurationsansatz ermöglicht die Inkorporation verschiedener For-schungsansätze.

Unternehmenskonfigurationen Jassen sich in erfolgreiche und weniger erfolgreiche unterteilen und erlauben damit Schwachstellenanalysen.

Der Konfigurationsansatz ist ein offenes Konzept, das je nach Forschungs-zweck modifiziert werden kann. Variablen sind weder vorgegeben noch inhaltlich definiert.

3.4 Gestaltung eines Arbeitsmodells

Der Konfigurationsansatz in seiner vorgestellten Form wird als eine angemessene Methode erachtet, sich der Komplexität des Forschungsvorhabens anzunähern, da die Idee des Konfigurationsansatzes leicht auf eine Insolvenzsituation und die Fortführung und Sanierung übertragen werden kann. Eine Sanierung besteht aus dem Zusammenspiel verschiedener Einflussvariablen, zwischen welchen rezi-proke Beziehungen existieren und welche den Effekt einer Sanierung stärken oder schwächen können. Ein Fortführungs- und Sanierungsprozess wird als eine dynamische Figuration verstanden, welche ihren Erfolg oder Misserfolg aus der Wechselbeziehung verschiedener Variablenkonstellationen erhält. Aufgrund dieser Überlegungen entsteht folgendes Arbeitsmodell:

Unternehmer Management

Ressourcen

Fortführungs- und Sanierungsprozess Finanzierung

Maßnahmen

Akteure

Umwelt

Fortführungs- und Sanierungserfolg

Abbildung 3.2: Arbeitsmodell Quelle: Eigene Darstellung

Die von Mug/er vorgestellten Konfigurationsvariablen Unternehmer, Manage-ment, Ressourcen und Umwelt werden für die Modellstrukturierung übernommen.

Zusätzlich sollen die Variablen Finanzierung, Maßnahmen und Akteure mitein-bezogen werden, da angenommen wird, dass diese für den Fortführungs- und Sanierungsprozess ebenso von Bedeutung sind. Diese Variablen stehen unter-einander in einer Beziehung und beeinflussen den Erfolg.

Aus dem Arbeitsmodell wird ersichtlich, dass die Ausgangskonfiguration mit den vier Variablen auf den Sanierungsprozess wirkt, der seinerseits durch die V ariab-len Finanzierung, Maßnahmen und Akteure beschrieben wird. Die Ausgangs-konfiguration als Ganzes wie auch einzelne Variablen und der Sanierungsprozess wirken ihrerseits wiederum auf den Sanierungserfolg. Dieses Modell soll im weiteren Verlauf orientierungsstiftend sein, um Fortführungen und Sanierungen von insolventen KMU analysieren zu können.

In der weiteren Vorgehensweise wird, um ein Grundverständnis für den Ablauf einer Insolvenzsanierung zu erhalten, in einem ersten Schritt auf die begrifflichen

3 Heuristischer Bezugsrahmen & Arbeitsmodell 51 und theoretischen Grundlagen der Krisen- und Insolvenzproblematik sowie den Ablauf von Sanierungen eingegangen. In einem zweiten Schritt werden dann die vier Konfigurationsvariablen unter besonderer Berücksichtigung von KMU und der Insolvenzsituation analysiert. Diese theoretischen Überlegungen dienen dann als Grundlage zur Erstellung eines Forschungsmodells für die empirische Er-hebung.

5 KMU-Spezijika & Forschungsmodell 53 4 BEGRIFFLICHE & THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Das folgende Kapitel dient dazu, eine gemeinsame begriffliche und theoretische Grundlage zu schaffen und Elemente einer Unternehmenssanierung zu erörtern.

Ausgebend von der Definition von KMU werden Krisenbegriff und Krisenent-wicklungen dargestellt sowie deren Folgen erläutert. Auf diese Weise wird ein Verständnis für die Entstehung und den Verlauf von Unternehmenskrisen bis zur Insolvenz vermittelt. Anschließend wird ein Überblick über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens gegeben und danach werden verschiedene Sanierungsele-mente, -formen, -maßnahmen und -akteure näher betrachtet. Ein Exkurs geht auf die allgemeine Sanierungsprüfung ein, welche sowohl innerhalb als auch auß-erhalb eines Insolvenzverfahrens durchgeführt werden kann.

4.1 Kleine und mittelständische Unternehmen

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist der Fortführungs- und Sanierungsprozess insolventer KMU. Um den Begriff KMU nicht unter einem allgemeinen Ver-ständnis zu handhaben, 258 soll eine Definition mit Merkmalen gefunden werden, die eine eindeutige und zuverlässige Unterscheidung von Großunternehmen zu-lässt sowie dem Untersuchungszweck dienlich ist.

In der Literatur findet sich eine Vielzahl an KMU-Definitionen.259 Gantzel be-gründet die Hauptschwierigkeiten der Begriffsfindung u.a. dadurch, dass aus den Wortbestandteilen des Begriffes ,Mittelstand' keine Erklärung zu gewinnen sei und die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung durch ihre Vielschichtigkeit und Dynamik eine klare Platzierung des Mittelstandes als einheitliche Schicht oder Klasse verhindere. 260

Zur Bestimmung eines Unternehmens als KMU existieren sowohl ein- als auch mehrdimensionale Maßstäbe. Die Messung eindimensionaler Kriterien, wie z.B.

Anzahl der Beschäftigten oder Umsatz, ist zwar recht genau möglich, jedoch lässt eine solche Vorgehensweise wenig Einblicke in das Wesen eines Betriebes zu.

Mehrdimensionale Kriterien sind für die Klassifizierung präziser und ermöglichen

258 Die Begriffe KMU, Mittelstand, Mittelstandsunternehmen bzw. mittelständisches Unternehmen werden in der Praxis häufig synonym verwendet.

259 Gantzel hat 1962 über 100 mehr oder weniger gebräuchliche Definitionen ermittelt. Im Jahr 1980 spricht Zeitei bereits von über 200 nachgewiesenen Definitionen für KMU. Vgl. Gantzel (1962), S. 123, Zeitei (1980), S. 1222.

260 Vgl. Gantzel (1962), S. 22 f.

einen tiefer gehenden Einblick in das Unternehmen, haben jedoch den Nachteil einer erhöhten Messproblematik.261

4.1.1 Qualitative vs. quantitative Kriterien

4.1.1 Qualitative vs. quantitative Kriterien

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