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KAPITEL 4: STUDIE 1 – STAND DER NUTZUNG LOKALER INCIDENT-REPORTING-SYSTEME (IRS)

4.2 Methodisches Vorgehen

4.2.3 Methoden

4.2.3.1 Dokumentenanalyse

In praktisch allen Untersuchungsschritten erfolgte eine begleitende Analyse von Dokumenten. Dieses Datenmaterial wurde nicht primär für den Untersuchungs-zweck generiert, sondern für die betriebliche Verwendung, womit eine direkte In-teraktion zwischen Untersucherin und untersuchten Personen ausgeschlossen werden kann (Mayring, 2003, 2000). Dieses nichtreaktive Verfahren ermöglichte es, vertiefte Informationen zu generieren, welche die übrigen Datenerhebungen im Rahmen der Untersuchung unterstützen und ergänzen können. Für die Untersu-chung der lokalen IRS wurden nachfolgende Dokumente untersucht: Arbeitsan-weisung und Arbeitsreglement (Klinik 1, 2, 3, FOKER), welche das Berichten und Bearbeiten von Meldungen ins IRS regeln, Erfassungsbögen (Klinik 1, 2) und elekt-ronisches Erfassungsformular (Klinik 3, 4), Zwischenberichte aus eigenen fragebo-gengestützten Evaluationen (Klinik 2, 3), Protokolle aus den Komiteesitzungen von Klinik 1, 2 und 3 und FOKER-Sitzungen, Fachartikel und Fachgespräche mit den Verantwortlichen aus Klinik 4.

Auswertung und Interpretation der Dokumente erfolgten ergänzend zu den durchgeführten Einzelinterviews und Gruppendiskussionen. In der Analyse wer-den die in wer-den zusammengetragenen Dokumenten enthaltenen Daten und die aus den Interviews gewonnenen Daten aggregiert und gemeinsam ausgewertet.

4.2.3.2 Halbstandardisierte Interviews

Die geführten Interviews wurden auf Grundlage eines Interviewleitfadens geführt (s. Anhang Kapitel 4). Merton und Kendall (1979) empfehlen für die Gestaltung von Interviewleitfaden und Interviewdurchführung Kriterien anzuwenden, welche für eine valide Datenerhebung wichtig sind. Diese Kriterien umfassen: Nichtbeein-flussbarkeit der Interviewpartner, Gewährleistung der individuellen Sichtweise und Situationsdefinition aus Sicht der Befragten, Erfassung eines breiten Stimulus aufseiten der Befragten und Tiefgründigkeit und personaler Bezugsrahmen aufsei-ten der Interviewaufsei-ten. Die mit dem Interview zu erhebenden Inhalte leiaufsei-ten sich zum Teil aus den theoretischen und empirischen Grundlagen aus Kapitel 3 ab und las-sen sich thematisch in nachfolgenden sieben Themenbereichen zusammenfaslas-sen:

1. Detaillierte Beschreibung des IRS 2. Nutzung (inkl. Akzeptanz) des IRS

3. Lernpotenzial und Lerntransfer: Was und wie wurde gelernt?

4. Effizienz des IRS-Einsatzes 5. Rentabilität des IRS

6. Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken in der Gestaltung, Implementie-rung und Anwendung von IRS

7. Tipps der Komiteemitglieder für eine erfolgreiche Einführung von IRS

Für das Leitfadeninterview wurde sich, wegen der thematischen Nähe zum For-schungsfokus, an ein bereits im Krankenhaus eingesetztes Instrument angelehnt:

den Topic Guide von Kingston et al. (Kingston et al., 2004), wie er bereits zur Erhe-bung der Einstellungen von Ärzten und Pflegefachpersonal eingesetzt wurde. Die-ser Topic Guide diente der Erhebung von Einstellungen von Ärzten und Pflegeper-sonal bezüglich Incident Reporting und Incident-Analyse1. Für die gestaltungsori-entierte Untersuchung der lokalen IRS waren die Kenntnis der Einstellungen der potentiellen Systemnutzer und jene der Betreiber von IRS auch deshalb grundle-gend, um die bereichs-, disziplinen- und berufsgruppenspezifischen Besonderhei-ten und Anforderungen an IRS nicht ausser Acht zu lassen.

1 Die Interviews wurden von Kingston und Kollegen (2004) vor dem Hintergrund von Triandis’ Verhal-tenstheorie (Triandis, 1977, 1980) ausgewertet werden, unterteilt nach Gewohnheit (habit), Intention (In-tention, z. B. social factors, affects, perceived consequences) und Motivation (motivation). Kingston und Kolle-gen identifizierten dabei eine ganze Reihe von Barrieren und empfehlen Strategien, um diesen entgeKolle-gen zu wirken.

Interviewdurchführung. Bei den durchgeführten Interviews handelte es sich um halbstandardisierte Interviews. Die Fragen des Interviewleitfadens dienten vor al-lem der Orientierung und als Gedankenstütze bei der Erfassung aller Themenbe-reiche. Eine offene Gesprächsführung zu den genannten sieben Themenbereichen stand im Vordergrund, dabei interessierten vor allem Einstellungen, Meinungen und konkretes Verhalten im Umgang mit IRS. Die Interviewpartner konnten nach Absprache und Zusage der jeweiligen ärztlichen und pflegerischen Leitungen der Kliniken kontaktiert werden. Alle Interviewpartner wurden nach vorherigen Ter-minabsprachen zum Gespräch in den eigenen Räumlichkeiten ihrer Klinik getrof-fen. Von den Befragten wurde zunächst ein Einverständnis mit der Gesprächsauf-nahme eingeholt, sodass das Interview digital aufgezeichnet werden konnte.

Datenaufbereitung und Auswertung der Interviews. Die Interviewauswertung erfolgte angelehnt an die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2003). Die Aufnahmen wurden transkribiert. Die angewendeten Transkriptionsregeln sind dem Anhang Kapitel 4 zu entnehmen. Eine Auswertung erfolgte zuerst als Einzel-fall. Nach der Auswahl des forschungsrelevanten Interviewmaterials erfolgte eine Interpretation der wortgetreuen Aussagen im Sinne einer Paraphrasierung zu Kernsätzen, immer mit Bezug auf das gesamte Interview und den Kontext der In-terviewführung und des Systems. Die wörtliche Aussage wurde hierbei auf eine Kurzversion verdichtet, welche die für die zentralen Forschungsfragen und -the-men wichtigsten Inhalte umfasst. Für die Paraphrasierung wurden ausschmücken-de umschreibenausschmücken-de Reausschmücken-dewendungen weggelassen und wörtliche Aussagen in grammatikalisch kürzere Form umgewandelt. Ähnliche (wörtliche) Aussagen wurden reduziert und zusammengefasst. Eine Generalisierung von konkreten Bei-spielen erfolgte, wo es der Forscherin angebracht schien. Für jedes Interview wurde eine solche Verdichtung zu Kernaussagen erstellt (s. Anhang zu Kapitel 4). Die in-haltsanalytische Auswertung von zwei Interviews erfolgte zudem durch eine zwei-te Razwei-terin.

Nach der inhaltsanalytischen Auswertung wurden die Ergebnisse aus den ge-führten Interviews in Klinik 1, in einer gemeinsamen Fortbildung präsentiert und im Sinne einer Rekommentierung der Ergebnisse diskutiert. In Klinik 2 und 3 wur-den jeweils nur drei, respektive zwei Personen aus wur-den Analysekomitees befragt.

Der Schwerpunkt lag hier auf anderen Methoden, wie Dokumentenanalysen (s.

Abschnitt 4.2.3.1) und Gruppendiskussionen (s. Abschnitt 4.2.3.3) und teilnehmen-der Beobachtung (s. Abschnitt 4.2.3.4).

4.2.3.3 Strukturierte Gruppendiskussionen

In Klinik 1 und Klinik 3 erfolgten, ergänzend zu den Interviews, jeweils strukturier-te Gruppendiskussionen. Das methodische Vorgehen zwischen den Kliniken vari-ierte dabei in der Anwendung der Methoden (in Klinik 2 war die Organisation ei-ner gemeinsamen Gruppendiskussion mit dem Behandlungsteam nicht realisier-bar). Die Form der mündlichen Befragung mit Gruppendiskussion erfolgte teil-strukturiert. Durch die Vorgabe fester Fragen (Themen) sollte eine Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Antwortgruppen gesichert werden.

In Klinik 1 erfolgte eine strukturierte Gruppendiskussion durch Gruppenbefra-gung zu Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken des IRS auf Zuruf im Ple-num (N=18). Zudem wurde in der Gruppe diskutiert, welche Ressourcen und Rahmenbedingungen für ein lokales IRS zur Verfügung gestellt werden sollten.

In Klinik 3 erfolgten die Gruppenbefragungen mittels vorgegebener Fragestellun-gen (s. Arbeitsauftrag und Ergebnisse im Anhang Kapitel 4) in drei Kleingruppen à zehn Personen, welche ihre Ergebnisse im Plenum vor 48 Personen zur Diskussion stellten.

Zudem wurden parallel zu den Fallstudien in den Kliniken fünf strukturierte Gruppendiskussionen mit den lokalen IRS-Betreibern und an IRS Interessierten durchgeführt. Dieses, im Rahmen des Forschungsprojektes initiierte, Forum diente darüber hinaus dem Austausch über kritische Ereignisse und wurde kurz „FO-KER“ genannt. Die Teilnehmerzahl lag über alle fünf Gruppendiskussionen bei neun bis zehn Personen. Die Ergebnisse der Gruppendiskussionen wurden schrift-lich festgehalten und inhaltsanalytisch entsprechend der zentralen Forschungsfra-gen ausgewertet.

4.2.3.4 Teilnehmende Beobachtung

Die Beobachtungsmethode wurde zur Untersuchung der Komiteearbeit verwendet.

Die teilnehmenden Beobachtungen erfolgten in allen Kliniken an den Sitzungen der Analyse-Komitees und in Klinik 1 zudem an den Behandlungsteamsitzungen2. Hierbei interessierte vor allem, wie die Analyse von berichteten Ereignissen erfolg-te:

- Inwiefern wurden von den Analyse-Komitees strukturierte Methoden zur Analyse von berichteten Ereignissen eingesetzt?

- Wie erfolgten die Analyse und die weiteren Abklärungen: möglicherweise anhand von Einzelfällen oder Problemgruppen?

- Wie wurde Rückmeldung (Feedback-Loop) an die anonymen Meldenden verfasst und bereitgestellt?

Der Auswertung lagen dieselben Kriterien wie in den anderen Datenerhebungen zugrunde.