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4.3 Experimentelle Untersuchung von Schmelzkurven im System Eis und Gas bis zu Gasdrücken von p~6.5kbar

4.3.4 Metastabiles Eis XII und Eis IV

Aufgrund der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Neutronen-Messzeit konnte die Schmelzkurve von Eis XII nur teilweise in situ vermessen werden. Durch die Experimente am D2B des ILL sowie am GEM am ISIS des RAL konnte jedoch mehrfach in situ nachgewiesen werden, dass mit dem an der Göttinger Versuchsapparatur ausgearbeiteten Herstellungsverfahren die metastabile Eisphase XII mit hoher Wahrscheinlichkeit gezielt und reproduzierbar hergestellt werden konnte. Die Druckänderungen, die bei dem Phasenübergang von der flüssigen Phase in die feste Eisphase bestimmt wurden, zeigten sich am GEM nach der Korrektur hinsichtlich des Verhältnisses von Probevolumen zu Stickvolumen konsistent zu den Druckänderungen, die sich an der Göttinger pVT-Apparatur ergaben.

Am D2B konnten die Druckdifferenzen aus apparativen Gründen (zu großes Totvolumen der Druckerzeugereinheit) nicht gemessen werden. Für die Beurteilung, ob es sich um die

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gesuchte metastabile Eisphase XII oder IV (aufgrund der nahezu gleichen Dichten nicht zu verifizieren) handelt, wurde neben dem Kriterium der Druckänderung letztendlich die Schmelzkurve als Funktion des Druckes bestimmt und über deren Verlauf die Eisphase identifiziert.

Aufgrund der hohen, in situ verifizierten Eis XII-Nukleationswahrscheinlichkeit sowie der Unterscheidungsmöglichkeit aufgrund der Dichteänderungen kann mit hoher Wahrscheinlichkeit die Aussage getroffen werden, dass die mittels der Göttinger pVT-Apparatur bestimmte und nicht als Eis V oder Eis VI identifizierte und in der Abbildung 4.6 dargestellte Schmelzkurve (XII-L D2O g), der Schmelzkurve von Eis XII von Lobban et al.

(1998) entspricht. Zu den in der Abbildung 4.7 dargestellten in situ bestimmten Eis XII- Schmelzpunkten zeigt sich, dass die am ILL sowie am ISIS bestimmten Eis XII- Schmelzpunkte eine Abweichung in der Temperatur bei vergleichbaren Drücken zeigten. Die Abweichung zwischen den ISIS- und den Göttinger Schmelztemperaturen kann aufgrund der druckkorrigierten sowie der am ISIS präziser bestimmten Temperatur zu ∆T~1K angegeben werden. Die Bestimmung der Temperaturabweichung zwischen den pVT-Daten sowie den in situ Daten erfolgte über einen Vergleich einer am GEM über einen Druckbereich von p~1kbar in situ bestimmten Eis V-Schmelzkurve zu der druckkorrigierten Eis V-Schmelzkurve gemessen mit der pVT-Apparatur.

Unter Verwendung des in Kapitel 3.7 beschriebenen in situ verifiziertem Eis XII-Herstellungsverfahrens konnte aus der flüssigen Phase mehrmals in Göttingen eine Phase nukleiert werden, die durch ihre Schmelzkurve nicht als Eis V oder VI identifiziert werden konnte. In einem Druckbereich von p~4.5kbar bis p~6.5kbar konnte die D2O-Schmelzkurve dieser als Eis XII zu vermutenden Eisphase vermessen werden (vergl. Abbildung 4.7).

Berücksichtigt man die am ISIS bestimmte absolute Temperaturabweichung so kann diese Schmelzkurve über den korrigierten Temperaturoffset mit hoher Wahrscheinlichkeit als die der Eisphase XII identifiziert werden. Auch stimmen die in situ bestimmten Schmelzpunkte am GEM (ISIS) sowie am D2B (ILL) im Rahmen der Genauigkeiten mit dem in Göttingen bestimmten Schmelzkurvenverlauf überein.

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2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500 6000 6500 7000 7500

0,25 0,30 0,35 0,40 0,45 0,50 0,55 0,60 0,65 0,70 0,75

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Abbildung 4.7 : Gemessene Schmelzkurven in dem Stabilitätsbereich von Eis V im Vergleich zu den Referenzkurven von Bridgman (1912) sowie Engelhardt & Whalley (1972). Als Drucküberträgermedium für die Messungen wurde an der pVT-Apparatur sowie am ISIS und am ILL Argongas verwendet. # : Rohdaten der an der pVT-Apparatur bestimmten, + : Druck-(ILL) in situ verifizerte Schmelzpunkte

Die für die Bestimmung der Eis XII-Schmelzkurve verwendeten Proben waren mit dem TCPA Nukleator mit einem Massenanteil von ~ 5-10% hergestellt worden. Um der Frage, ob TCPA für die Nukleation der Eisphase XII notwendig ist, nachzugehen, wurde ein weiteres Nukleationsexperiment mit einer H2O-Probe ohne Zusatz von TCPA durchgeführt. Die Probenmasse betrug ebenso wie bei dem D2O-Experiment V~1.5ml bei p~5.9kbar und T~-22.5°C. Nach der zu vermutenden Eis XII/ IV-Nukleation, durch die Druckänderung bei

∆p~354bar identifiziert, wurde dann in dem Druckbereich p~5.2kbar bis p~5.75kbar teilweise

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eine Schmelzkurve vermessen. Diese zeigte ebenfalls keine Übereinstimmung mit der H2 O-V-L-Schmelzkurve oder mit der H2O- VI-L- Schmelzkurve. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass diese Schmelzkurve der von H2O-Eis XII/ IV, die zudem ohne Verwendung des Nukleators hergestellt werden konnte, entspricht (vergl. Abbildung 4.7).

Die Verwendung des Nukleators scheint daher zumindest für die H2O-Eis XII-Nukleation nicht notwendig. Für die Herstellung von D2O-Eis XII/IV wurde dies nicht verifiziert. Im Zuge der Schmelzkurvenbestimmung an dem H2O-Eis XII zeigte sich bei p~5.75kbar ein Phasenübergang von H2O-Eis XII/ IV vermutlich in Eis VI durch den Übergang der Eis XII/

IV-Schmelzkurve in die Verlängerung der Eis VI-Schmelzkurve an (Abbildung 4.6, XII-L→VI-L H2O). In situ konnten am ISIS mehrere Phasenübergänge von D2O- Eis XII in Eis VI verfolgt werden. Der Phasenübergang vollzog sich bei einem Druck von p~5.5kbar und aufgrund einer Probenerwärmung in einem Temperaturintervall von T~260K bis T~267K.

Die mit der Göttinger pVT-Apparatur bei p~4.8kbar gemessenen nahezu senkrechten Verläufe (vergl. Abbildung 4.6, XII-V D2O g), verdeutlichen das in den Herstellungsversuchen gefundene Druck- und Temperaturlimit, bei dem Eis XII nach der Nukleation erhalten werden konnte, sich aber bei Erwärmung zur Schmelzkurvenbestimmung mit großer Wahrscheinlichkeit in Eis V umgewandelt hat. Dies konnte durch die Bestimmung einzelner Schmelzpunkte bestätigt werden.

Am ISIS konnte unter struktureller Kontrolle in einem Druckbereich von p~4.75kbar bis p~5.5kbar und Temperaturen bis T~257.5K Eis XII in situ beobachtet werden, wobei der Druck von p~4.75kbar nur wenig unterhalb des aus den bisherigen Erfahrungen ermittelten Druck-Nukleationslimits liegt (vergl. Kapitel 3.7 sowie Kapitel 4.3.3, Abbildung 4.6). In der vorherigen Abbildung 4.7 ist der Druckbereich von p~3kbar bis p~7kbar in dem die Eis XII-Schmelzkurve vermessen werden konnte, dargestellt.

In der Abbildung 4.6 sind zum einen die in situ bestimmten Schmelzkurven von Eis XII und die an der Göttinger pVT-Apparatur bestimmte Schmelzkurve, zum anderen auf experimentellen Befunden basierenden Druck- und Temperaturlimits der Eis XII-Herstellung sowie die Druck- und Temperaturbedingungen an denen Eis XII in situ am ISIS beobachtet werden konnte, dargestellt.

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Bei einem Druck von p~4.7kbar in dem Temperaturbereich von T~265K bis T~257.5K zeigte sich konsistent zu den Eis XII-Nukleationsversuchen, dass sich das Eis XII (D2O) in Eis V umwandelt. Es handelt sich wohl aller Wahrscheinlichkeit nach um die Eis XII/Eis V fest-fest-Phasengrenze (vergl. Kapitel 4.3.3, Abbildung 4.6). Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass Eis XII sensibel auf starke Druck- und Temperaturänderungen reagiert und sich bei solchen spontan in zumeist Eis V umwandelt.

Wie weit der Existenzbereich von Eis XII ausgedehnt ist, ist von großem Interesse hinsichtlich der Frage, ob es sich bei dem Eis XII um eine stabile Phase handeln kann, die unter den bisherigen genannten Druck- und Temperaturbedingungen lediglich metastabil in dem Stabilitätsbereich von Eis V gewonnen werde konnte. Geht man von einer hypothetisch stabilen Eisphase XII aus, so sollte der korrigierte D2O-Eis XII-Schmelzkurvenverlauf bei höheren Drücken oberhalb des Verlaufs der bestimmten D2O-Eis VI-L-Phasengrenze liegen.

Geht man von den bisherigen bestimmten D2O-V-L- und D2O-VI-L- Schmelzkurven aus, so lässt sich allerdings die Aussage treffen, dass es sich bei Eis XII mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine zu den Eisphasen V und VI metastabile Eisphase handelt, da die Eis XII-Schmelzkurve unterhalb des V-VI-L-Tripelpunkts liegt.

Eine Diskussion hinsichtlich der Vergleichbarkeit von Messungen ist aus einem Vergleich der in Abbildung 4.7 dargestellten Schmelzkurvenverläufen von Engelhardt & Whalley (1972) sowie Bridgman (1912) als Referenzkurven mit eigenen experimentellen Befunden angebracht. Wie im Kapitel 2 beschrieben, ergeben sich trotz der Druck- und Temperaturkorrektur durch sekundäre Standards (interne Drucksensor-Kalibrierung durch Heisemanometer) Abweichungen zu den Schmelzkurven von Engelhardt & Whalley (1972) und erschweren so die Aussage ob es sich bei diesen Abweichungen um apparative Effekte oder aber um probenbedingte Effekte, z.B. durch Schmelzpunkterniedrigung aufgrund von Wasser-Gas-Wechselwirkungen, handelt. Literaturangaben zu Wasser- oder Gaslöslichkeiten in diesem Druck- und Temperaturbereich konnten nicht gefunden werden.

In einem weiteren Eis XII-Experiment am D2B des ILL in Grenoble wurde der Frage nach der Möglichkeit des “recoverns” von Eis XII nachgegangen, um eine Aussage über die beiden gefundenen Existenzbereiche treffen zu können (Lobban et al. (1998), Koza et al. (1999) (vergl. Kapitel 3.7). Die Frage ist, ob die beiden Existenzbereiche zusammenhängend sind,

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oder aber ob es sich um zwei Existenzenklaven handelt. Im Zuge der Eis XII- Präparationsversuche am ILL zeigte sich, dass übermäßiges Kühlen der Probe bei isobarem Druck auf Temperaturen unter T~≤–15.6°C (z.B. T≤257.5K bei p~5kbar) unterhalb der Schmelzkurve zu einer Phasenumwandlung, zumeist in Eis V, führte. Phasenumwandlungen in Eis VI wurden anhand der Volumenänderungen ebenso festgestellt, waren jedoch unter Berücksichtigung aller Versuche lediglich mit 5% zu verzeichnen. Das in mehreren Versuchen hergestellte Eis XII wurde nach der in situ Identifikation in der ILL HD-Zelle mit flüssigem Stickstoff auf T~77K abgeschreckt. Die mittlere Kühlrate lag wie bei den in Göttingen verwendeten HD-Zellen bei ~1.5K/s. Es zeigte sich nach dem Erreichen von T~77K und der anschließenden in situ Strukturkontrolle, dass sich Eis XII in fünf von fünf Versuchen in Eis V umgewandelt hat. Wann und bei welcher Temperatur diese Umwandlung stattfand, konnte aufgrund der während des Quenchens nur ungenau bestimmbaren Parameter Druck und Temperatur nicht verifiziert werden.

Fraglich ist, ob die Umwandlung von Eis XII durch zu langsames Kühlen auf Stickstoff- Temperaturen die Phasenumwandlung forciert. Hinweise auf Kühlungseffekte wurden von Londono et al. (1993) an Quenchversuchen von Eis III in die Tieftemperaturphase zu Eis IX gefunden. Von Koza et al. (1999) oder anderen Autoren ist nicht bekannt, dass versucht wurde, das mit einem piston-cylinder hergestellte Eis XII aus dem zweiten Existenzbereich in den ersten durch Reduzierung des mechanischen Druckes auf etwa p~5kbar bis p~6kbar und der Erwärmung von Temperaturen von T~77K auf Temperaturen oberhalb von T~257.5K zu überführen. Möglich war es jedoch, im Zuge der Untersuchungen des Phasenüberganges von Eis XII in kubisches Eis Ic, das über das Herstellungsverfahren von Koza et al. (1999) bei T~77K und Umgebungsdruck, d.h. im „recoverten“ Zustand über einen längeren Zeitraum (einige Tage bis zu einer Woche) zu erhalten. Der Grund für den Erhalt sowohl dieser als auch anderer „recoverter“ Eisphasen ist die bei diesen Temperaturen und Umgebungsdruck anzuführende geringe Mobilität der Wassermoleküle. Erst bei Temperaturen von T~120K ist diese wiederum groß genug, um eine Phasenumwandlung in beobachtbaren Zeiträumen zu ermöglichen. Eine Aussage hinsichtlich des Zusammenhängens der zwei Existenzbereiche von Eis XII kann somit derzeit nicht getroffen werden.

5. Strukturuntersuchungen