3 Material und Methoden
3.5 Messungen am isoliert perfundierten Rindereuter
Nachdem die Meßmethode etabliert und das Auswertverfahren entwickelt war, schlossen sich Untersuchungen mit Beta-Carotin am isoliert perfundierten Rindereuter zur Evaluation der entwickelten Datenanalyse an.
3.5.1 Testsubstanz
Die Testsubstanz Betatene wurde freundlicherweise von der Cognis Deutschland GmbH, Düsseldorf zur Verfügung gestellt. Betatene ist ein aus der Alge Dunaliella salina gewonnenes natürliches Carotinoidgemisch. Dieses enthält zum größten Teil Beta-Carotin und Spuren anderer Carotinoide, vor allem Alpha-Carotin (STAHL et al. 1993). Betatene lag in einer 2% Lösung in einem Zellkulturpuffer vor, der vor allem Glyzerin als Lösungsvermittler für einen Einsatz des Stoffes in wäßrigen Lösungen enthielt.
3.5.2 Versuchsmaterial
Die Euter wurden von Deutschen Schwarzbunten Schlachtkühen gewonnen und entstammten dem normalen Schlachtprozeß. Es handelte sich um in der Laktation befindliche, gering pig-mentierte und wenig behaarte Organe von mittlerer Größe (15-20 kg). Die Organe wurden etwa 5 Minuten nach dem Entbluten abgesetzt und vor der weiteren Behandlung grobsinnlich auf Vorliegen einer Mastitis und Läsionen in Haut und Drüsengewebe untersucht. Anschlie-ßend wurde die Haut unter flieAnschlie-ßendem kalten Wasser gereinigt. Noch am Schlachthof wurden die Organe mit mindestens 1200 ml Tyrodelösung je Seite gespült. Vor dem Transport wurden 300 ml 0,1%ig heparinisierte Tyrodelösung instilliert.
3.5.3 Versuchsaufbau
Die Euter wurden innerhalb von 30 Minuten zum Institut transportiert und dort unmittelbar an in Abb. 25 schematisch dargestellte Perfusionsapparatur angeschlossen. Zur Perfusion wurde auf 38°C erwärmte und mit Carbogen (95% O2 und 5% CO2) begaste Tyrodelösung verwen-det. Die Perfusion erfolgte mittels einer Schlauchpumpe, die einen konstanten Fluß von 120 ml/min Tyrodelösung pro Seite gewährleistete. Zur Verbindung wurden Silikonschläuche ver-wendet, die in ihrem Durchmesser dem Durchmesser der zu kanülierenden A. pudenda
externa entsprachen. Anschließend wurde das Organ mittels durch die freien Hautenden gezogener Bänder in einem höhenverstellbaren Stahlrahmen aufgehängt, die abführenden Venen mittels in ihrem Durchmesser passenden Silikonschläuchen kanüliert und andere durch das Absetzen des Organs eröffnete Gefäße durch Gefäßklemmen verschlossen. Die zur Messung vorgesehene Euterhälfte wurde feucht gereinigt, rasiert und nochmals trocken gereinigt. Alle Messungen wurden im Bereich der behaarten Haut durchgeführt.
Abb. 25: Modell des isoliert perfundierten Rindereuters
3.5.4 Versuchsablauf
Alle spektroskopischen Messungen fanden in einem abgedunkelten Raum statt, um Einfluß von Fremdlicht auf die Messung auszuschließen. Das lichtempfindliche Beta-Carotin wurde zusätzlich durch Verdunklung des Tyrodevorratsbehältnisses mit Aluminiumfolie vor Lichteinfall geschützt.
Zu Beginn aller Versuche wurden zunächst unter Perfusion mit reiner Tyrode 48 Basalwert-spektren jedes Euters aufgenommen. An festgesetzten Zeitpunkten erfolgte die Messung je-weils 30 weiterer Spektren. Über den genauen Versuchsablauf der einzelnen Versuchsgruppen gibt Tabelle 1 eine Übersicht.
7\URGHO|VXQJ
:DVVHUEDG 6FKODXFK
SXPSH
$UWHULHOOHU
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5LQGHUHXWHU
9HQ|VHU
$EIOX
&DUERJHQ
Versuchsgruppe I wurde durchgehend mit reiner Tyrodelösung perfundiert. Diese Kontroll-gruppe diente der Abschätzung des Einflusses der Perfusion auf dermale Hämoglobin- und Beta-Carotin-Konzentrationen.
Bei den Versuchsgruppen II – VI wurde die Perfusionslösung nach Aufnahme der Basalwerte durch Tyrodelösung von unterschiedlichen Beta-Carotin-Konzentrationen ersetzt. Die in den Versuchsgruppen II und III verwendeten Konzentrationen orientieren sich an den beim Rind und Menschen physiologisch vorliegenden Plasmakonzentrationen.
Bei den Versuchsgruppen IV – VI wurden höhere Konzentrationen verwendet. Hier wurden nach einer Perfusionsdauer von 180 Minuten bzw. 120 Minuten deutlich gesteigerter dermale Beta-Carotin-Konzentrationen beobachtet. Daher wurde das Perfusionsmedium zur Beurtei-lung einer Abflutung erneut gegen reine Tyrodelösung ausgewechselt.
Tab. 1: Versuchsübersicht über die Perfusionsversuche am Rindereuter I 8 Kontrollgruppe: Perfusion mit
Tyrodelösung
240 min 240 min
II 5 Anflutung mit Beta-Carotin
haltiger Tyrodelösung (0,2 µg/ml)
300 min 300 min III 5 Anflutung mit Beta-Carotin
haltiger Tyrodelösung (2 µg/ml)
300 min 300 min
IV 7 Anflutung mit Beta-Carotin
haltiger Tyrodelösung (20 µ g/ml) Perfusion mit Tyrodelösung
180 min 60 min
240 min
V 6 Anflutung mit Beta-Carotin
haltiger Tyrodelösung (60 µ g/ml) Perfusion mit Tyrodelösung
120 min 180 min
300 min
VI 6 Anflutung mit Beta-Carotin
haltiger Tyrodelösung (60 µ g/ml) Perfusion mit Tyrodelösung
In der Versuchsgruppe VI wurde nach der Anflutungsphase, Auswechslung der Tyrodelösung und einer 15 minütigen Umbauphase das Euter über 165 Minuten mit UV-Licht einer Leistung von 3,71 ⋅ 10-4 W/cm2 UVB (280 nm – 315 nm) und 9,74 ⋅ 10-4 W/cm2 UVA (315 nm – 400 nm) bestrahlt. Bei allen Versuchen wurden mit Aufnahme der Basalwertspektren beginnend Perfusatproben genommen und zur späteren Bestimmung der Organvitalität bei – 20°C eingefroren.
3.5.5 Vitalität des isoliert perfundierten Rindereuters
Es wurden die von KIETZMANN et al. (1993) vorgeschlagenen Parameter zur Bestimmung der Organvitalität benutzt. Der Glukoseverbrauch ist sehr sensibel hinsichtlich mangelnder Stoffwechselaktivität und wurde daher halbstündig untersucht. Dazu wurde der Glukosegehalt in der zufließenden Tyrodelösung und dem Perfusat nach der Methode von TRINDER (1969) photometrisch bestimmt. Der Glukoseverbrauch errechnet sich als Differenz des Glukosege-haltes von Perfusat und Tyrodelösung. Durch Multiplikation mit dem stündlichen Perfusions-fluß ergibt sich der stündliche Glukoseverbrauch, der nicht unter 0,6 g/h fallen sollte (KIETZMANN et al. 1993).
Die Laktatproduktion ist vom Ausmaß anaerober Stoffwechselprozesse abhängig, die für eine schlechte Versorgung des Gewebes sprechen. Der Laktatgehalt im Perfusat wurde nach einer von NOLL (1974) modifizierten Methode bestimmt und die stündliche Laktatproduktion durch Multiplikation mit dem stündlichen Perfusionsvolumen ermittelt.
Die Laktatdehydrogenase (LDH) ist ein intrazelluläres Enzym, welches bei Zellschädigungen freigesetzt wird. Die LDH-Aktivität im Perfusat wurde mittels der optimierten „Standard-Methode“ der D.G.K.C. (1972) bestimmt und das Ergebnis auf den stündlichen Perfusatfluß bezogen. Es wurden nur Euter verwendet, deren LDH-Aktivität kleiner als 100/h war.
Die Hauttemperatur liegt beim lebenden Säugetierorganismus bei etwa 31 °C und ist wesentlich durch das Ausmaß der Mikrozirkulation des unterliegenden Gewebes beeinflußt.
Die Hauttemperatur im Meßbereich wurde daher mindestens stündlich mit einem Oberflächenthermometer kontrolliert. Zur Sicherstellung einer guten Hautperfusion wurden nur Euter verwendet, deren durchschnittliche Hauttemperatur nach einer Äquilibrierungsphase von einer Stunde mehr als 29 °C betrug.