• Keine Ergebnisse gefunden

Merkmale der Schweizer Neutralität

Im Dokument Sicherheit 2014 (Seite 144-151)

politischer Optionen

7.6 Merkmale der Schweizer Neutralität

Erstmals wurde im Rahmen dieser Erhebungsserie die Einschätzung der Relevanz verschiedener Merkmale der Schweizer Neutralität erfragt. Den Befragten wurde ein Katalog verschiedener, der Schweizer Neutralität zugesprochener Eigenschaften vorgelegt, deren Bedeutung sie mit Hilfe der Antwortkategorien «sehr wichtig»,

«eher wichtig», «eher nicht wichtig» und «gar nicht wichtig» beurteilen konnten.

Zehn Merkmale wurden aus den bereits erfragten Neutralitätsfunktionen und aus der politischen Diskussion über die heutige Ausgestaltung der Neutralität in der Schweiz abgeleitet. Diese zehn Begriffe sollen die Schweizer Neutralität bestmög-lich beschreiben.

Tendenziell werden die einzelnen Merkmale der Neutralität als wichtig angesehen.

SchweizerInnen messen der internationalen Anerkennung der Neutralität «sehr»

oder «eher» Relevanz zu (93 %, siehe Abbildung 7.6). Der humanitäre Gedanke als Neutralitätsmerkmal wird von 90 % der Schweizer Bevölkerung als wichtig erach-tet. 87 % stimmen der Aussage zu, dass sie «zum typisch Schweizerischen gehört».

Leicht geringer ist der Anteil an SchweizerInnen, welche der Schutzwirkung der Neutralität Bedeutung zusprechen (82 %).

Die differenzielle Neutralität, welche eine Beteiligung bei militärischen Inter-ventionen untersagt, wird als wichtig erachtet (82 %). Im Gegensatz dazu findet die Aussage, «dass wir uns weder wirtschaftlich noch militärisch international beteili-gen sollen», nur eine knappe Mehrheit (54 %). 38 % sehen dieses Merkmal als nicht wichtig an und 8 % konnten dazu keine Angaben machen.

Die Schweizer Bevölkerung spricht ebenso der friedensstiftenden Funktion der Neutralität gegen innen Relevanz zu (79 %). 74 % stufen das kohäsive Element der Neutralität als wichtig ein. Die Verteidigung der Neutralität durch die Schweizer Armee erachten 76 % als wichtig. Deutlich geringer ist die Zustimmung, wenn die Frage unter Verwendung des Begriffs der «bewaffneten Neutralität» gestellt wird (58 %). 39 % des Schweizer Stimmvolkes sehen dieses Neutralitätsmerkmal als nicht wichtig an.

Abbildung 7.6

Merkmale der Neutralität

«Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Merkmale der Schweizer Neutralität? Ich nenne Ihnen verschiedene Eigenschaften, welche der Neutralität zugesprochen werden.»

(Angaben in Prozent)

Si/1078/14

sehr wichtig eher wichtig

eher nicht wichtig

gar nicht wichtig weiss nicht / keine Angabe Internationale Anerkennung

Humanitärer Gedanke Teil der schweizerischen Identität Bewahrung vor Konflikten Wirtschaftliche aber keine militärische internationale Beteiligung

Förderung des innenpolitischen Friedens Verteidigung durch Schweizer Armee Zusammenhalt der vielsprachigen Schweiz Bewaffnet

Weder wirtschaftliche noch militärische

internationale Beteiligung 21 33 29 9 8

9

Werden die Neutralitätsmerkmale differenziert nach den vier Neutralitätstypen («Kritiker», «Pragmatiker», «Dissonante» und «Traditionalisten») untersucht, ver-schiebt sich das Bild leicht. Unabhängig davon, zu welchem Neutralitätstypen man gezählt wird, werden alle Merkmale der Neutralität mehrheitlich wichtig eingeschätzt. Einzig die «Kritiker» erachten die «bewaffnete Neutralität» weder als wichtig (48 %) noch als unwichtig (51 %). Generell über alle vier Typen gesprochen

sieht die Rangfolge so aus, dass die «Traditionalisten» die Merkmale als am zen-tralsten einschätzen, gefolgt von den «Dissonanten». Diese gewichten die Merkmale der Neutralität grundsätzlich als wichtiger als die «Pragmatiker». Die «Kritiker»

sehen alle Merkmale vergleichsweise als am bedeutungslosesten an. Die «Traditi-onalisten» bewerten die Merkmale allgemein als «sehr» wichtig, während die drei anderen Typen die Merkmale vermehrt auch als «eher» wichtig betrachten. Bei den

«Kritikern», den «Pragmatikern» und den «Dissonanten» sind die drei wichtigsten Merkmale der Schweizer Neutralität, dass diese «international anerkannt» wird, der «humanitäre Gedanke» eine Rolle spielt und dass sie «einen Teil der Schweizer Identität» darstellt. Die «Traditionalisten» finden die «internationale Anerkennung»

am wichtigsten (96 %). An zweiter Stelle liegt bei ihnen ebenfalls der «humanitä-re Gedanke» (92 %), gefolgt vom Merkmal, dass die Neutralität «vor Konflikten bewahre» (91 %).

Bei allen vier Typen werden das kohäsive Element, die «bewaffnete Neutralität»

und die militärische und wirtschaftliche Nicht-Beteiligung als die drei unbedeutends-ten Merkmale der Neutralität betrachtet. Inhaltlich lässt sich diese unterschiedliche Auffassung zwischen den vier Neutralitätstypen gut erklären, da die «Traditionalis-ten» die Neutralität der Schweiz als sehr wichtig anschauen, während die «Kritiker»

der Neutralität kritisch gegenüberstehen und die Merkmale der Neutralität somit auch als unwichtiger ansehen.

Abbildung 7.7

Mittelwerte der Neutralitätstypen und Merkmale der Neutralität

Merkmale der Neutralität nach Neutralitätsauffassungen (Mittelwerte der Skala 1 = «gar nicht wichtig» bis 4 = «sehr wichtig»)

Bewaffnet

Vergleicht man die Mittelwerte aller Merkmale der Neutralität über die vier Neu-tralitätstypen hinweg, so wird das beschriebene Bild noch verstärkt. Abbildung 7.7 zeigt die vier Neutralitätstypen und deren jeweiligen Mittelwerte zu jedem Neutralitätsmerkmal.5 Allgemein erachten die «Kritiker» die erfassten Merkmale signifikant als weniger wichtig. Einzig in der Beurteilung der Wichtigkeit, sich

«weder wirtschaftlich noch militärisch international» zu beteiligen, unterscheiden sich die «Kritiker» nicht von den «Pragmatikern». Der tiefste Mittelwert liegt beim Merkmal, dass die Neutralität «bewaffnet ist» (2.3). Dieses Merkmal wird als am wenigsten wichtig, jedoch immer noch mehrheitlich als von Bedeutung angesehen.

5 Zur Berechnung der Mittelwerte wurden die ursprünglichen Werte im Sinne einer einfacheren Inter-pretation gedreht. Demnach bedeutet der Wert 1 «gar nicht wichtig», der Werte 4 «sehr wichtig». Das bedeutet auch, je höher der Mittelwert ist, desto wichtiger wird das Merkmal eingestuft. Der Mittelwert, wie er in den Tabellen in Anhang III zu entnehmen ist, wurde hingegen mit den Werten 1 «sehr wichtig»

bis 4 «gar nicht wichtig » berechnet.

Das zentralste Neutralitätsmerkmal für die «Pragmatiker», die «Dissonanten» und die «Traditionalisten» ist, dass die Schweizer Neutralität «international anerkannt»

wird.

Unterschiede in der Beurteilung der Neutralitätsmerkmale zeigen sich ferner innerhalb der drei Kooperationstypen (vgl. Kapitel 6). Konsequenterweise sehen jene, die eine «harte» Öffnung der Schweiz unterstützen, im Allgemeinen die Merk-male der Neutralität als signifikant weniger wichtig. Da die beiden Typen, die

«Autonomisten» und diejenigen mit einer «weichen Öffnungsbereitschaft», eine ähnliche Ansicht zur Neutralität vertreten, weisen sie auch kaum signifikante Dif-ferenzen auf. Sie unterschieden sich jedoch in der Beurteilung der Relevanz der

«bewaffneten Neutralität», der Verteidigung durch die Armee und des humanitären Gedankens. Während letzteres von den «weichen Öffnungsbereiten» als wichtiger erachtet wird, stufen die «Autonomisten» die Verteidigung durch die Armee und das Attribut der Bewaffnung höher ein.

Obwohl die Verteidigung der Schweiz von 61 % der «harten Öffnungswilligen»

als wichtig angesehen wird, sind dies bedeutend weniger als bei den «weichen»

(81 %) oder den «Autonomisten» (84 %). Für gleichermassen relevant erachten die drei Kooperationstypen die differenzielle Neutralität.

Zwischen der Datierung der Neutralität und der Wichtigkeit der Neutralitäts-merkmale existiert ein Zusammenhang. Jene, die die Entstehung der Neutralität zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert datieren, sehen die folgenden Merkmale als signifikant wichtiger an: «bewaffnete Neutralität» (42 %), Verteidigung der Schweiz (41 %), keine internationale Beteiligung (43 %), Bewahrung vor Konflikten (41 %), Zusammenhalt der vielsprachigen Schweiz (42 %), Förderung des innenpolitischen Friedens (41 %) und Teil der Schweizer Identität (40 %). Im Gegensatz dazu erach-ten jene, die die Neutralität zwischen 1780 und 1900 begründet sehen, die Vertei-digung der Schweiz (48 %), die absolute internationale Nicht-Beteiligung (44 %), die Bewahrung vor Konflikten (48 %) und den Zusammenhalt der vielsprachigen Schweiz (45 %) als tendenziell nicht wichtig. Ebenso wird der Zusammenhalt der Schweiz (29 %) von denjenigen, welche die Neutralität in der neusten Zeit ansetzen, als signifikant weniger wichtig wahrgenommen.

Fazit: Die Bedeutung des Neutralitätsprinzips ist und bleibt in der Schweizer Bevölkerung unbestritten hoch und bewegt sich 2014 auf einem Höchstwert seit Beginn dieser Umfragereihe. Schweizer StimmbürgerInnen sehen in der Schweizer Neutralität weniger ein Instrument der Aussenpolitik als ein Wert an sich. Dies manifestiert sich auch darin, dass die Grenzen der schweizerischen Neutralitätspo-litik im Kontext einer globalisierten Welt nicht als kritisch gesehen werden. Der

identitätsstiftende Gedanke der Neutralität findet weiterhin eine überaus breite Unterstützung. Das solidarische Element der Neutralität beeinflusst die Einstel-lung der Bevölkerung gegenüber dem Neutralitätsprinzip am stärksten und die sicherheitspolitische Funktion am schwächsten. Auch wenn das Neutralitätsprin-zip in der Schweizer Bevölkerung fest verankert ist, überwiegt nach wie vor die

«dissonante» Neutralitätssichtweise. Die «Neutralitätspragmatiker» und «Neutra-litätstraditionalisten» nähern sich wie im letzten Jahr anteilmässig immer mehr an.

Geschichtlich verbindet die grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung die Entste-hung der Schweizer Neutralität mit der Gründung der Eidgenossenschaft bzw. des Rütlischwures im Jahr 1291 oder der Entstehung des Bundesstaates im Jahr 1848.

Welche Aufgaben erachtet die Schweizer Bevölkerung in Zukunft für die Armee als relevant? Wie schätzen SchweizerInnen die militärische Bedrohung ein und welchen Zweck sprechen sie der Armee zu? Kapitel 8 geht diesen Fragen nach. Im ersten Teil wird die Einschätzung der zukünftigen Relevanz einer Aufgabe für die Armee untersucht, um anschliessend im zweiten Teil Unterschiede in den Beur-teilungen differenziert nach soziodemografischen Merkmalen zu beleuchten. Der dritte Abschnitt geht auf die Zusammenhänge zwischen der allgemeinen Bedro-hungswahrnehmung und der Bedeutung einer Aufgabe in der Zukunft ein. Der vierte Abschnitt beleuchtet die militärische Bedrohungswahrnehmung allgemein.

Die Einschätzung der Möglichkeit eines zwischenstaatlichen Krieges in Europa und die Ansicht der Schweizer Bevölkerung, welchen Zweck die Armee heute hat, runden das Kapitel ab.

8.1 Erwartungen an die künftige Entwicklung der

Im Dokument Sicherheit 2014 (Seite 144-151)