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Die menschliche Seite der Fabrik

Neue Bilder eines neuen Raums – Fabrikalben

5.3  Die Fabrik zwischen zwei Buchdeckeln

5.3.3 Die menschliche Seite der Fabrik

Die Fotografien von Arbeitern gaben neben dem Ablauf der Produktion oder der Größe eines Werkstücks auch charakteristische Merkmale des Fabrik-raums wie die sozialen Hierarchien und Machtstrukturen innerhalb der Unter-nehmen wieder.195 Wichtig war die Anordnung innerhalb des Bildaufbaus sowie die Kleidung der Menschen (Abb. 27).

Die Aufnahme aus der Stahlgießerei der Obščestvo Nikolaevskich zavodov i verfej (Gesellschaft der Nikolaevsker Betriebe und Werften)196 zeigt drei Gruppen von Arbeitern: zunächst auf der linken Seite mit hochgekrempelten

195  Die Mehrheit der Arbeiter war mit starken Hierarchien vertraut, denn die bäuerliche Gesellschaft, aus der sie überwiegend stammten, war stark patriarchal gegliedert. Engel:

Between the Fields and the City, S. 3–4, 10–11. Interessant ist, dass in Russland bereits unter Katharina II. eine Vorzeigemanufaktur gebaut wurde, in der die Arbeiter wie bei Michel Foucaults Panoptikum vom Zentrum aus überwacht werden konnten. Hier zeigt sich bereits im 18. Jahrhundert der enge Zusammenhang zwischen Fabrik und Macht.

Darlay: Factory, S. 52.

196  1895 auf belgische Initiative hin gegründet, begann das Unternehmen 1901 mit der Konstruktion von Kriegsschiffen.

Abb. 26 o. A.: Werkbank zur Herstellung von Stacheldraht (Stanok dlja izgotovlenija koljučej provoloki), in: o. A.: Kolomnaer Maschinenfabrik (Kolomenskij mašinostroitel’nyj zavod), o. O. 1916, S. 4. RNB OĖ Ė((AlTch100)/(2–2))

Hemdsärmeln und Westen die größte und hierarchisch niedrigste Gruppe – die der einfachen Arbeiter.197 Rechts davon sind fünf Personen in Anzügen zu

197  Auffallend ist, dass die Fabrikleitung kein Problem darin sah, in der ersten Reihe einen Jungen abzubilden. Im Zarenreich war die Arbeit von Kindern ab einem Alter von zwölf Jahren erlaubt; allerdings waren Kinder seit 1882 von der Nachtarbeit ausgenommen und hatten eine verkürzte Arbeitszeit. Hildermeier: Geschichte Russlands, S. 1198. Schätzungen zufolge machten Kinder in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen 9 und 12 Prozent der russischen Industriearbeiter aus, wobei in fast allen Branchen Kinderarbeit zum Alltag gehörte. Gorshkov: Russia’s Factory Children, S. 48–56. In der Textilindustrie war ihre Anzahl besonders hoch. Hier machten sie in den 1870er Jahren ca. 30 Prozent der Belegschaften aus. Dave Pretty: The Cotton Textile Industry in Russia and the Soviet Union, in: Lex Heerma van Voss; Els Hiemstra-Kuperus; Elise van Nederveen Meerkerk (Hrsg.): The Ashgate Companion to the History of the Textile Workers, 1650–2000, Surrey, Burlington 2010, S. 421–448, S. 434. Zu den Verhältnissen in den Textilfabriken der 1860er und 1870er Jahre: Gerasimov: Foster Child of the Founding Home, S. 272–276. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war es in Russland üblich, dass besonders im Winter, wenn die Ver-sorgungslage schwierig war, Eltern aus Not ihre Kinder an Unternehmer verkauften, so ein Bericht von 1903. A. M. Gudvan: Essays on the History of the Movement of Sales-Clerical Workers in Russia, in: Victoria Bonnell (Hrsg.): The Russian Worker. Life and Labor under the Tsarist Regime, Berkeley u. a. 1983, S. 186–208, S. 192.

Abb. 27 o. A.: Stahlwerk (Stalelitejnaja/Aciérie), in: o. A.: Gesellschaft der Nikolaevsker Betriebe und Werften, Sankt-Peterburg 1911 (Obščestvo Nikolaevskich zavodov i verfej), Sankt-Peterburg 1911, S. 110. RNB OĖ Ė((AlTch100)/(2–1))

erkennen, bei einigen ist die Kette der Taschenuhr zu sehen. Taschenuhren waren ein Statussymbol198 sowie ein Zeichen der neuen Zeitwahrnehmung in den Städten.199 Auch Fabriken gehörten der Selbstwahrnehmung der Arbeiter nach zu den Räumen, in denen das neue Zeitregime eine große Rolle spielte.200 Hinter dieser Gruppe zeigt die Darstellung drei Männer, die sich teilweise durch ihre Hüte, insbesondere aber durch ihre erhöhte Position auf einer Art Podest abheben. Die drei Männer bekleideten wohl auch inner-halb der Fabrik eine exponierte Position. Während die Männer rechts von der Maschine Vorarbeiter oder Meister waren, dürfte es sich bei dem Trio um An-gestellte aus der höheren Verwaltung handeln. Je höher die interne Hierarchie der Abgebildeten, desto stärker orientierten sie sich mit ihrem Kleidungsstil an der westeuropäischen Mode und grenzten sich gleichzeitig vom Aussehen des einfachen russischen Bauern, der neu in der Stadt war, ab.201 Gruppen-bilder präsentieren die Fabrik als stark regulierten Raum, in dem jeder seinen festen Platz, seine Funktion und Rolle hatte.202 Vor dem Hintergrund einer zu-nehmenden Anzahl an Streiks und Unruhen demonstrierten diese Fotografien Stabilität.203 Sie zeigten das heile Bild einer intakten Betriebsgemeinschaft.204

Gruppenfotografien sind selbst ein Ausdruck von Machtverhältnissen, denn Arbeiter durften nicht wählen, ob sie sich fotografieren lassen wollten oder nicht.205 In Fabriken konnten diese Personenaufnahmen in bestimmten

198  Gerhard Dohrn-van Rossum: Uhrenluxus – Luxusuhren. Zur Geschichte der ambivalenten Bewertung von Gebrauchsgegenständen, in: Reinhold Reith; Torsten Meyer (Hrsg.): Luxus und Konsum. Eine historische Annäherung, Münster 2003, S. 97–116, S. 107.

199  Lenger: Metropolen der Moderne, S. 238.

200  Beispielsweise die 1906 erstmals erschienenen Beschreibungen von: P. Timofeev: What the Factory Worker Lives by, in: Victoria Bonnell (Hrsg.): The Russian Worker. Life and Labor under the Tsarist Regime, Berkeley u. a. 1983, S. 72–112, S. 102.

201  Diese Distinktion war auch den Arbeitern selbst wichtig, wie sie in ihren Memoiren festhielten. Kanatchikov: From the Story of My Life, S. 41, 46; Mark Steinberg: Workers in Suits. Performing the Self, in: Valerie A. Kivelson; Joan Neuberger (Hrsg.): Picturing Russia. Explorations in Visual Culture, New Haven, London 2008, S. 128–132, S. 131. Hierzu auch: Bonnell: Introduction, S. 14.

202  Assegond: La photographie du travail, S. 352. Um die Disziplin sicherzustellen, unter-hielten Unternehmer teilweise eine eigene Werkspolizei und kooperierten oft mit lokalen Autoritäten – ein Aspekt, den die Fotografien aussparen. Zelnik: Law and Disorder on the Narova River, S. 40, 42.

203  Zelnik beschreibt, wie sich im Laufe der 1870er Jahre die Wahrnehmung von Arbeits-niederlegungen und Streiks im Zarenreich wandelte: Zelnik: Law and Disorder on the Narova River, S. 15, 151, 185. Zur weiteren Entwicklung der Streikbewegung im Zarenreich:

Zelnik: Russian Workers and Revolution, S. 620–621, 625–627.

204  Zimmermann: Zur Definition der Industriefotografie, S. 382–383.

205  Zu Machtverhältnissen der Fotografie auch: Sontag, In Platos Höhle, S. 278, 283, 286.

Situationen für den Einzelnen darüber hinaus negative Folgen haben.206 Wenn es zu Arbeiterunruhen oder Streiks kam, verschob sich die Funktion der Bilder, und die Unternehmer konnten die Aufnahmen verwenden, um mit der Polizei Beteiligte der Proteste zu identifizieren.207 Diese Praxis war auch im Zaren-reich verbreitet.208 Die Arbeiter besaßen kein Recht auf ihr eigenes Bild, die Unternehmensleitung konnte die Fotografien für jeden Zweck einsetzen, den sie wünschte.

Bis auf ein Album geben die Fotografien des Quellenkorpus keine Aus-kunft über die nationale oder ethnische Zugehörigkeit der Abgebildeten. Ent-scheidend ist die soziale Stellung, entsprechend der sich die Personen kleiden.

Die Betrachter erfahren im Normalfall nichts darüber, ob die Vorgesetzten in ihrer westlichen Kleidung tatsächlich Ausländer waren oder russische Staats-bürger (Abb. 27). Das Album des Textilfabrikanten Gjubner stellt diesbezüg-lich eine Ausnahme dar.209 Die Aufnahme Voskresenyj vid v sadu – Scène de dimanche au jardin (Sonntägliche Szene im Garten, Abb. 28) zeigt die Unter-nehmerfamilie und ihre Hausangestellten im Garten der Direktorenvilla.210

Der gebürtige Franzose und seine Frau posieren in der neuesten west-europäischen Mode im Zentrum der Aufnahme. Mit dem Buch in seiner Hand hebt der Patriarch seine Bildung hervor.211 Die Eheleute sind umgeben von ihren Kindern, möglicherweise Verwandten und Angestellten. Die meisten

206  Alfred Krupp forderte bereits 1871 ein Register mit Fotografien und Informationen über alle Arbeiter einzuführen: „Wir müssen selbst unsere Privatpolizei haben, die besser instruiert ist als die Städtische.“ Zitiert nach: von Dewitz: Die Bilder sind nicht teuer, S. 42.

Dieses Projekt wurde allerdings nie umgesetzt. Herz: Gesammelte Fotografie und foto-grafierte Erinnerungen, S. 250–251.

207  Assegond: La photographie du travail, S. 353.

208  Die Gruppenaufnahmen der Tulaer Waffenfabrik deuten darauf hin. Teilweise sind mit violetter Tinte geschriebene Anmerkungen oder Namen auf den Bildern zu erkennen, beispielsweise GATO f. 3097, op. 3, d. 84. Es lässt sich nicht nachvollziehen, aus welcher Zeit diese Notizen stammen. Vermutlich wurden sie erst später hinzugefügt, beim Ver-such die Abgebildeten zu identifizieren.

209  1871 gründete der französische Unternehmer Al’bert Gjubner die Fabrik mit dem Namen Tovariščestvo sitcevoj manufaktury Al’berta Gjubnera (Gesellschaft der Kattunmanufaktur Al’bert Gjubner) in Moskau. Der Betrieb wurde einer der führenden Stoffproduzenten im Zarenreich.

210  Dass es sich um den Garten des Direktorenhauses handelt ergibt sich aus der Tatsache, dass diese Aufnahme direkt im Anschluss an die Fotografie Dom Direktora. – La maison du Directeur (das Haus des Direktors) zu sehen ist. o. A.: Al’bom manufaktury Al’berta Gjubner, S. 30–31. Zur Bedeutung des Wohnhauses des Fabrikbesitzers in der Werbung:

Pamela Walker Laird: Advertising Progress. American Business and the Rise of Consumer Marketing, Baltimore, London 1998, S. 137, Abb. 5.

211  Hier handelt es sich um ein klassisches Accessoire der Portraitfotografie. Starl: Im Prisma des Fortschritts, S. 33.

Personen sind nach westeuropäischer Mode gekleidet, umso auffallender ist die russisch folkloristische Kleidung der Frau links im Bild. In der Hand hält diese einen Reifen und ein Stöckchen, Symbole für die kindliche Sphäre.

Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei ihr um eine Njanja (Kindermädchen).

Kindermädchen kamen in Russland zumeist aus einfachen, bäuerlichen Ver-hältnissen. Viele Adelige wie der Schriftsteller Aleksandr Sergeevič Puškin (1799–1837) kamen dank ihres Kindermädchens erstmals mit der russischen Tradition und Märchenwelt in Berührung.212 Das Unternehmerehepaar präsentierte sich über diesen Kontrast als noch stärker der westeuropäischen

212  Figes: Nataschas Tanz, S. 346; Andrew Wachtel: The Battle for Childhood. Creation of a Russian Myth, Stanford 1990, S. 106. Zur Geschichte des russischen Kindermädchens siehe auch: Steven Grant: The Russian Nanny, Real and Imagined. History, Culture, Mythology.

Washington, D. C. 2012.

Abb. 28 o. A.: Sonntägliche Szene im Garten (Voskresnyj vid v sadu /Scène de dimanche au jardin), in: o. A.: Album der Gesellschaft der Kattunmanufaktur Al’bert Gjubner in Moskau (Al’bom Tovariščestva sitcevoj manufaktury Al’berta Gjubner v Moskve), Moskva o. J, S. 30–31. RGB Izo MK XII–1279

Abb. 28a

Kultur verbunden. Gleichzeitig demonstrierten sie mit der Anzahl der Haus-angestellten ein weiteres Mal den eigenen Wohlstand.213

Bei den Fotografien der Vorarbeiter differenzierte das Album ebenfalls zwischen ausländischen und russischen Angestellten, die Bildunterschriften bezeichnen eindeutig In- und Ausländer (Abb. 29 und 30). Beim Vergleich der Gruppenaufnahmen fallen neben unterschiedlicher Kleidung und Bartmode die Art und Weise auf, wie sich die Männer vor dem Fotografen präsentierten und mit der Kamera spielten. Während die russischen Vorarbeiter ausschließ-lich frontal zur Kamera standen oder saßen und ihre Körpersprache eher steif anmutet, nutzten die Ausländer eine größere Vielfalt an Posen.214 Die über-einandergeschlagenen oder nicht nebeneinandergestellten Beine und die

213  Dies ist auch interessant, weil die klassische politische Ökonomie die Hausarbeit aus dem Konzept Arbeit ausschließt. Gisela Bock; Barbara Duden: Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit, in: Gruppe Berliner Dozentinnen (Hrsg.): Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen Juli 1976, Berlin 1977, S. 118–199; Dommann;

Speich Chassé; Suter: Einleitung, S. 107. Die These, dass Gjubner selbst ein erweitertes Verständnis von Arbeit gehabt habe und darum auch die Hausangestellten in sein Firmenalbum integrierte, mag zu weit gehen. Wahrscheinlicher ist, dass die Gesamtzahl der Angestellten den Wohlstand des Industriellen symbolisieren sollte. Teilweise ließen kleinere Unternehmer auch ihre Haustiere mit den Angestellten vor der Fabrikantevilla fotografieren. o. A.: Vidy cepodelatel’nago zavoda, S. 15.

214  Hurley beobachtete, dass gerade in der frühen Periode der amerikanischen Industrie-fotografie die Fotografen zwar die Arbeiter anordneten, ihnen bei Gruppenaufnahmen die Wahl der Pose aber selbst überließen. Hurley (Hrsg.): Industry and the Photographic Image, S. 2–3.

lässige Haltung der beiden Herren in der ersten Reihe zeigen, dass die hier Abgelichteten nicht das erste Mal vor einer Kamera saßen (Abb. 30). Hier wird deutlich, dass Fotografien auch als Distinktionsmerkmale eingesetzt wurden.215 Gerade im Zarenreich konnten sich relativ lange nur Mitglieder der Elite einen Besuch in einem Atelier leisten. Das Album der Textilmanufaktur Gjubner ist mit der deutlichen Markierung der Ausländer sowie mit Blick auf das Verhält-nis zwischen Fotografierten und Kamera eine Ausnahme. In anderen Fällen lassen höchstens der Ausdruck auf den Gesichtern oder die Körpersprache der Abgebildeten Rückschlüsse darüber zu, woher eine Person stammte und wie vertraut sie mit der Situation des Fotografiertwerdens war. Die Fabriken erschienen in den Fotoalben darum meist als Räume, die sich keiner be-stimmten Ethnie oder Nation zuordnen ließen – offenbar spielte diese Kate-gorie für unternehmerische Selbstdarstellung keine Rolle. Wichtiger war es, die eigene Aufgeschlossenheit gegenüber Westeuropa und den USA sowie die eigene Fortschrittlichkeit zu demonstrieren.

Insgesamt waren klassische Gruppenaufnahmen, auf denen die Beleg-schaft in mehreren Reihen hintereinander stand, in russischen Firmenalben eher selten. Oft halten Arbeiter auf Gruppenaufnahmen Werkzeuge in den Händen, die sie als Mitglied einer bestimmten Abteilung markieren.216 Auf den Aufnahmen der Textilfabrik Gjubner stellte der Lichtbildner teilweise Arbeitsszenen beispielsweise der Zeichner nach. Diese posieren im Freien an zwei Tischen, womit sie den Eindruck erwecken, als entwürfen sie im Moment des Fotografierens Motive an der Leinwand oder kopierten Vorlagen aus den Musterbüchern. Besonders im Vergleich zu Fotoalben französischer Fabriken fällt im Zarenreich das Fehlen von Aufnahmen auf, welche die gesamte Be-legschaft zeigen. In Frankreich präsentierten Unternehmer teilweise mehrere Abzüge aus unterschiedlichen Jahren, um zu verdeutlichen, wie stark die Zahl ihrer Beschäftigten zugenommen hatte.217 Eventuell war die Wertschätzung russischer Industrieller für die eigene Belegschaft weniger stark ausgebildet und schlug sich im Fehlen dieses Motivs wieder. Denkbar wäre auch, dass die

215  In der fotografischen Forschung wird oft von einem Prozess der Demokratisierung ge-sprochen, den die Fotografie in Gang gesetzt habe. Im Zuge dieses Prozesses habe jeder Zugang zu seinem persönlichen Portrait erhalten. Einer der ersten hierzu: Alain Corbin:

Kulisse, in: Philippe Airès; Georges Duby (Hrsg.): Geschichte des privaten Lebens, Bd. 4.

Von der Revolution zum großen Krieg, Frankfurt a. M. 1992, S. 426–629, S. 431. Zu Foto-grafie als Distinktionsmerkmal: Starl: Im Prisma des Fortschritts, S. 29.

216  Z. B.: o. A.: Vidy cepodelatel’nago zavoda, S. 13. Dies gilt nicht nur für Gruppenaufnahmen in Alben, sondern auch für Gruppenfotografien, die als lose Abzüge überliefert sind. Bei-spielsweise: GATO f. 3097, op. 3, d. 106 oder GATO f. 3097, op. 3, d. 133.

217  Assegond: Les débuts de la photographie du travail usinier, S. 95.

Abb. 29 o. A.: Die russischen Angestellten und Vorarbeiter (Služaščie i mastera russkie/

Les employès et contremaitres russes), in: o. A.: Album der Gesellschaft der Kattunmanufaktur Al’bert Gjubner in Moskau (Al’bom Tovariščestva sitcevoj manufaktury Al’berta Gjubner v Moskve), Moskva o. J, S. 7. RGB Izo MK XII–127

Abb. 30 o. A.: Die ausländischen Angestellten und Vorarbeiter (Služaščie i mastera inostrancy/Les employès et contremaitres ètrangers), in: o. A.: Album der Gesell-schaft der Kattunmanufaktur Al’bert Gjubner in Moskau (Al’bom Tovariščestva sitcevoj manufaktury Al’berta Gjubner v Moskve), Moskva o. J, S. 6. RGB Izo MK XII–127

Bindung zur eigenen Belegschaft weniger stark war oder dass die frühen Ver-gleichsbilder fehlten, so dass vorher-nachher Gegenüberstellungen nicht mög-lich waren.

Arbeiter waren ein fester Bestandteil des Fabrikraums, wie er sich dem Be-trachter in Firmenalben präsentiert. Allerdings zeigen die Fotografien kaum Portraits individueller Personen, abgesehen von einigen wenigen Einzelauf-nahmen von Firmengründern oder von Mitgliedern der Firmenleitung, die sich am Anfang eines Albums finden.218 In der Regel zeigen fotografische Auf-nahmen zwar individuelle Gesichter der Arbeiter, diese blieben aber anonym und erhielten weder einen Namen noch eine individuelle Lebensgeschichte.

Der Produktionsprozess bestimmte die Mehrheit der Personenaufnahmen, deren Protagonisten der Industrie untergeordnet waren. Während es in Frank-reich üblich war, dass die Belegschaft Gruppenaufnahmen kaufen konnte und die Arbeiter auf diese Weise eine Fotografie von sich erhielten,219 waren die Fotografien im Zarenreich exklusives Eigentum der Betriebsleitung.