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Marktbasierte Instrumente

Im Dokument 73/2016 (Seite 81-0)

3 Berücksichtigung der Verteilungswirkungen von Umweltpolitik – Eine Bestandsaufnahme

3.3 Konzepte zur Analyse von Verteilungswirkungen - Stand der Forschung

3.4.2 Marktbasierte Instrumente

Marktbasierte Politikinstrumente setzen wirtschaftliche Anreize, um Regulierungsziele zu erreichen.

Dies können Anreizwirkungen in Form von „Belohnungen“ sein, wie z.B. Subventionen, die umwelt-freundliche Verhaltensweisen belohnen und so fördern. Es können aber auch Produkte und Verhal-tensweisen verteuert und damit sanktioniert werden, z.B. durch Ökosteuern, die bestimmte uner-wünschte (umweltschädliche) Verhaltensweisen verteuern, um so eine Verhaltensänderung in Rich-tung eines umweltfreundlicheren Handelns zu fördern. Ob und bei welchem Anreiz („Sanktion“/ „Be-lohnung“) die Adressaten ihr Verhalten ändern und dadurch den Anreizen folgen, bleibt ihre Entschei-dung. Dadurch sollen insbesondere Effizienz- und Innovationspotentiale ausgeschöpft werden.

Studien, die die Verteilungswirkungen von marktbasierten Instrumenten mit Anreizwirkungen, die erwünschte Verhaltensweisen durch z.B. finanzielle Anreize belohnen, untersuchen, kommen in der Regel zu dem Ergebnis, dass diese Instrumente regressive Wirkungen entfalten. Teilweise werden auch unerwünschte ‚Nebeneffekte‘ konstatiert, die diese Instrumente nach sich ziehen können (z.B. im Bereich Biokraftstoffe, s.u.). Dabei hat auch die Ausgestaltung der Instrumente einen Einfluss auf diese Wirkung, anders ausgestaltete Instrumente müssen nicht in gleicher Weise zu regressiven Wirkungen führen.

▸ Die Studie von Dubin/Henson (1988) analysiert Steuergutschriften („tax credits claimed“), z.B.

für Isolierungsmaßnahmen an Gebäuden. Ihre Analyse der Verteilungswirkungen zeigt, dass Steuergutschriften etwas regressiv wirken, sogar dann, wenn Klima- und Energiepreise kon-stant gehalten wurden. Dies weist darauf hin, dass die Kredite nicht zielgerichtet bzw. ineffek-tiv vergeben wurden (Kosteneffekineffek-tivität). Ferner wurden durch das Politikinstrument signifi-kante Anreizwirkungen geschaffen, was zu hohen Mitnahmeeffekten bei Haushalten führte, die ohnehin Isolierungsmaßnahmen durchgeführt hätten.

▸ In einer Studie zum Thema energetische Gebäudesanierung kommen Fraunhofer IBP et al.

(2013) zu dem Ergebnis, dass die energetische Gebäudesanierung soziale Ungleichgewichte verstärkt. Haushalte mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen werden durch steigende Mieten überproportional belastet. Unterschiede bestehen aber hinsichtlich der Ausgestaltung der Regulierung: Es wurden ein technologieoffener Ansatz, in dem Immobilieneigentümer die Energieeinsparmaßnahmen frei wählen können, solange die Ziele am Ende erreicht werden, und ein technologiegebundener Ansatz, bei dem der Gesetzgeber Eigentümern die Art der Maßnahmen und deren zeitliche Umsetzung vorschreibt, verglichen. Der technologiegebunde-ne Sanierungsansatz verteuert die Mieten von geringverdietechnologiegebunde-nenden Haushalten stärker als der technologieoffene Plan.

▸ Bowyer (2010) und Gao et al. (2011) untersuchen beide die Förderung von Biokraftstoffen und deren Wirkungen auf unterschiedliche Regionen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es zu Landnutzungsumwidmungen und Entwaldung in bestimmten Regionen kommt als Nebenef-fekt des Energiepflanzenanbaus, also zu negativen Umweltauswirkungen.

Durch die Verteuerung bestimmter umweltschädlicher Verhaltensweisen werden die Regulierungsad-ressaten vor die Wahl gestellt, entweder ihr Verhalten in Richtung des Regulierungsziels zu verändern oder aber die Mehrkosten für die Fortsetzung des umweltschädlichen Verhaltens zu tragen. Die Adres-saten wägen also ihre Compliance-Kosten ab, nämlich ob es für sie günstiger ist, die aus der Verhal-tensänderung entstehenden Anpassungskosten zu tragen (z.B. Investitionen in Effizienztechnologien) oder die aus der Nicht-Anpassung entstehenden Mehrkosten (z.B. die Energiesteuer).

81 Positive Umweltwirkungen resultieren aus den Verhaltensveränderungen in Richtung des Regulie-rungsziels; diese können u.U. gruppenspezifisch variieren. Des Weiteren entstehen denjenigen, die ihr Verhalten ändern, Anpassungskosten, die ebenfalls nach Gruppen unterschiedlich ausfallen können.

Diejenigen, die ihr Verhalten nicht ändern, müssen die Kosten der Nicht-Anpassung tragen, ebenfalls in unterschiedlicher Höhe für verschiedene Gruppen. Indes können die Motive bei den Regelungsad-ressaten, die ihr Verhalten nicht ändern, unterschiedlich sein. Es mag solche geben, die Verhalten nicht ändern wollen (weil ihr individuelles Nutzen-Kalkül dies nahelegt), während es für andere aus be-stimmten strukturellen Gründen nicht möglich ist, ihr Verhalten zu ändern. Für diese Gruppe besteht staatlicherseits die Möglichkeit, flankierende Maßnahmen zu ergreifen, um diese strukturellen Hin-dernisse aus dem Weg zu räumen und eine Verhaltensanpassung in Richtung des Regulierungsziels zu ermöglichen (siehe Kap. 7.2.).

Der überwältigende Teil der Studien, die Verteilungswirkungen umweltpolitischer Instrumente unter-sucht, befasst sich mit marktbasierten Politiken mit Anreizwirkungen, die unerwünschte Verhaltens-weise (z.B. durch Steuern) sanktionieren. Hierunter sind vor allem Studien zu verschiedenen Steuern, aber auch zu handelbaren Rechten. Die prinzipiellen Wirkungen sind aber gleich: Es werden fast überwiegend regressive Wirkungen konstatiert. Folgende Beispiele für Studien von Verteilungswir-kungen dieses Instrumententyps sind zu nennen:

3.4.2.1.1 Umweltsteuern

▸ Neuhoff et al. (2013) analysieren die finanzielle Belastung bzw. Kostenallokation der EEG-Umlage. Der Untersuchung zufolge gaben Haushalte 2013 durchschnittlich 2,5 Prozent ihrer Gesamtausgaben für Elektrizität aus. Ärmere Haushalte wurden dabei stärker belastet und wendeten 4,5 Prozent ihrer Gesamtausgaben für Elektrizität auf.

▸ Lehr/Drosdowski (2013) untersuchen die sozialen Verteilungswirkungen der EEG-Umlage und kommen zu dem Ergebnis, dass die Verteilungswirkung insgesamt gering und regressiv ist. Es besteht eine deutliche Varianz zwischen folgenden Gruppen: In einzelnen Einkommensklassen (jeweils 10 Prozent der Verteilung) reichen die Anteile der EEG-Umlage am Haushaltseinkom-men von 0,3 bis 1,3 Prozent.

▸ Ekins et al. (2011) kommen in ihrer Literaturstudie zum Thema ökologische Steuerreform zu dem Ergebnis, dass die Besteuerung von Haushaltsenergie oft regressiv wirkt, während die Be-steuerung von Transport tendenziell keine regressiven Verteilungseffekte aufweist. Die Effekte von Verkehrspolitik variieren jedoch über räumliche Kriterien.

▸ Ebenso finden Callan et al. (2009) in Bezug auf die Verteilungseffekte der CO2-Steuer heraus, dass diese in absoluten Werten regressiv wirkt. Diese Wirkung ist allerdings stärker ausge-prägt für Heizkraftstoffe als Motorentreibstoffe. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Lau-rent (2011) und Wier et al. (2005).

3.4.2.1.2 Mehrwertsteuer

▸ Bahn-Walkowiak et al. (2010) analysieren differenzierte Mehrwertsteuersätze zur Förderung eines ressourceneffizienteren Konsums und konstatieren eine Regressionswirkung von diffe-renzierten Mehrwertsteuersätzen.

3.4.2.1.3 Straßenmaut

▸ Eliasson/Mattsson (2006) finden in einer Untersuchung der Straßenmaut in Stockholm negati-ve Wirkungen auf negati-verschiedene sozio-ökonomische Gruppen. So stellen sie fest, dass Männer, höhere Einkommensgruppen und Einwohner zentral-urbaner Räume am stärksten von der Einführung einer Straßenmaut betroffen wären.

82 3.4.3 Ausgleichsmaßnahmen

Um die Wirksamkeit von Politikinstrumenten im Hinblick auf ihre Zielerreichung zu erhöhen und um unerwünschte Verteilungswirkungen zu reduzieren, können flankierende Maßnahmen ergänzt wer-den. Es können drei Typen von flankierenden Maßnahmen unterschieden werden: Härtefälle, Trans-ferzahlungen und Progressionen. Wenngleich diese Instrumente als solche hinlänglich bekannt sind, ist ihre Diskussion im Kontext von Verteilungswirkungen als Ausgleichsmaßnahmen zur Minderung negativer Verteilungswirkungen als innovativ zu bezeichnen.

In der Literatur findet sich bislang keine systematische Analyse dieses Zusammenhangs. Viele Studien zu umweltpolitischen Verteilungswirkungen weisen lediglich generell auf die Notwendigkeit hin, sozi-ale und Verteilungsfragen in der Umweltpolitik zu berücksichtigen (z.B. Jones/Lucas 2012; Meyer-Ohlendorf/Blobel 2008). Gelegentlich wird gefordert, durch die Ausgestaltung einer Politik eine Ba-lance herzustellen zwischen den Faktoren Umwelteffektivität und wirtschaftliche Effizienz und ihren verteilungspolitischen Implikationen (Pye et al. 2008). Auch werden Umwelt- und sozialpolitische Ziele in der Form verknüpft, dass die Einnahmen (z.B. aus Ökosteuern) aus umweltpolitischer Regulie-rung zur FinanzieRegulie-rung von sozialen Zielen aufgewendet werden sollen, so dass eine einkommensum-verteilende Wirkung erzielt wird (Schaffrin 2013). Welche Instrumente zum Ausgleich von uner-wünschten Verteilungswirkungen zur Verfügung stehen, wie diese ausgestaltet sein sollten oder wel-che weiteren Wirkungen n solwel-che Maßnahmen nach sich ziehen können , ist bisher kaum untersucht.

(Die wenigen in der vorliegenden Literaturstudie gefundenen Beispiele sind weiter unten angeführt.) Im Folgenden werden Ausgleichsmaßnahmen mit verschiedenen Instrumententypen in Verbindung gebracht. Das Ziel ist es, für verschiedene Instrumententypen geeignete Ausgleichsmaßnahmen zur Reduzierung von Verteilungswirkungen zu identifizieren.

3.4.4 Typen von Ausgleichsmaßnahmen

3.4.4.1 Ausnahmen für besonders stark Betroffene (Härtefälle)

Ein Härtefall bezieht sich auf einen atypischen Sachverhalt, der vom gesetzlich vorgesehenen Normal-fall abweicht und deshalb Ausnahmeregelungen gerechtfertigt erscheinen lässt. In diesem Sinn ist eine Härtefallregelung eine Vergünstigung, die bestimmten Gruppen zukommt. Auf diese Weise sollen un-erwünschte negative Verteilungswirkungen gemindert werden. Härtefallregelungen können entweder im Gesetz selbst als Ausnahmeregelung enthalten sein oder durch eine entsprechende Rechtsprechung geschaffen werden.

Typischerweise sind Härtefallregelungen mit ordnungsrechtlichen Instrumenten verbunden derge-stalt, dass es bei den Regelungsadressaten Ausnahmen für bestimmte Gruppen gibt oder die festgeleg-te Norm für bestimmfestgeleg-te Gruppen abgeschwächt wird. Aber auch marktbasierfestgeleg-te Instrumenfestgeleg-te können Härtefallregelungen enthalten, indem sie bestimmte Gruppen z.B. von Umweltsteuerzahlungen aus-nehmen oder diese reduzieren. Wie diese Härtefallregelungen gestaltet werden, muss im Einzelfallge-prüft werden um einerseits soziale Härten abzumildern andererseits aber die ökologische Lenkungs-wirkung des Instruments nicht einzuschränken.

3.4.4.2 Transferzahlungen

Im Kontext von Ausgleichsmaßnahmen stellen Transferzahlungen eine weitere Möglichkeit dar, uner-wünschte Verteilungseffekte zu reduzieren. Hierbei handelt es sich um Kompensationszahlungen, die typischerweise im Zusammenhang mit marktbasierten Instrumenten eingesetzt werden können. Es werden dabei öffentliche Einnahmen (z.B. aus umweltbezogenen Steuern und Abgaben) an die Rege-lungsadressaten zurückgeführt, dabei aber in einer Weise (um)verteilt, dass unerwünschte Vertei-lungswirkungen gemindert werden.

Beispiele in der Literatur finden sich bei Büchs et al. (2011), die die Rückführung von zusätzlichen öffentlichen Einnahmen durch pauschale Abgeltungen untersuchen (sog. „lump sum revenue recycling

83 schemes“), sowie bei Wier et al. 2005, die Kompensationsmaßnahmen u.a. in Form von „green allo-wances“ vorschlagen (siehe des Weiteren Fullerton 2008; Kalinowska/Steininger 2009). Entscheidend für die Wirksamkeit von Transferzahlungen als Möglichkeit, Verteilungswirkungen zu mindern, ist freilich die adäquate Definition der Zielgruppe bzw. des Förderzwecks. In diesem Zusammenhang wei-sen Eliasson/Mattsson (2006) in ihrer Studie der Wirkungen einer Straßenmaut darauf hin, in wel-cher Weise die Verwendung der zusätzlich generierten öffentlichen Einnahmen die Politikergebnisse verändert: Werden die generierten öffentlichen Einnahmen für Investitionen zur Verbesserung des öffentlichen Verkehrs verwendet, kommt dies vor allem Frauen und geringeren Einkommensgruppen zugute. Werden hingegen die generierten öffentlichen Einnahmen für Steuersenkungen verwendet, nutzt dies primär höheren Einkommensschichten. Werden die öffentlichen Einnahmen für Verbesse-rungen des ÖPNV aufgewendet, ist es wahrscheinlich, dass das ein Mautsystem eher progressiv statt regressiv wirkt, so die Ergebnisse dieser Studie.

3.4.4.3 Progressionen

Als Progressionen werden variable Elemente in marktbasierten Politikinstrumenten bezeichnet. In Abhängigkeit von einer Bezugsgröße, z.B. Einkommen, Vermögen oder Ressourcenverbrauch, steigt der Satz einer Steuer an oder vermindert sich die Höhe einer Subvention oder Leistung. Dementspre-chend ist die Höhe einer Steuer oder Subvention für verschiedene Gruppen unterschiedlich.

Ein Beispiel für ein solches Instrument stellen progressive Stromtarife dar. Im Gegensatz zu den sonst üblichen Haushaltsstromtarifen, die sich aus verbrauchsunabhängigem Grundpreis und verbrauchs-abhängigem Arbeitspreis zusammensetzen, entfällt oder sinkt bei einem progressiven Tarif der Grundpreis. Der Arbeitspreis pro Kilowattstunde dagegen steigt in definierten Stufen. Damit wird ein höherer Stromverbrauch verteuert bzw. ‚sanktioniert‘ und Stromsparen stärker belohnt als in den bestehenden Tarifmodellen. Ziel dieser Tarifstruktur ist es, über Preissignale Veränderungen im Nut-zungs- und/oder Investitionsverhalten von Stromverbrauchern zu induzieren, die den Verbrauch sen-ken (Tews 2011).

3.4.5 Ausgleichsmaßnahmen und Typen von Politikinstrumenten

Betrachtet man den Zusammenhang zwischen den drei genannten Typen von Ausgleichsmaßnahmen im Kontext von Instrumententypen von Umweltpolitik, so ergibt sich folgendes Bild.

Ordnungsrechtliche Instrumente bzw. Standards greifen typischerweise auf Härtefallregelungen zu-rück, wenn Ausnahmetatbestände geschaffen werden sollen. Die anderen Typen von Ausgleichsin-strumenten sehen finanzielle Regelungen in verschiedener Form vor, was nicht der Regelungslogik des Ordnungsrechts entspricht. D.h. diese Ausgleichsinstrumente können hier nicht sinnvoll angewendet werden.

Bei marktbasierten Politikinstrumenten dagegen können alle drei Typen von Ausgleichsmaßnahmen zum Einsatz kommen. Im Falle von marktbasierten Instrumenten mit Anreizwirkungen, die uner-wünschte Verhaltensweisen sanktionieren, sind Härtefälle denkbar, als Ausnahme- oder Sonderrege-lungen für bestimmte Gruppen z.B. bei Umweltsteuern. TransferzahSonderrege-lungen hingegen wirken bei die-sem Instrumententyp so, dass sie die gezahlten Steuern oder Abgaben durch Geldzuflüsse zu kompen-sieren versuchen. Progressionen wiederum stellen eine Vergünstigung (z.B. niedrigere Steuersätze) für bestimmte Gruppen dar.

Bei marktbasierten Instrumenten mit Anreizwirkungen, die erwünschtes Verhalten (finanziell) för-dern, ist die Progression als Ausgleichsinstrument denkbar. Dies wäre der Fall, wenn z.B. Subventio-nen in der Höhe gestaffelt sind, also für bestimmte Gruppen unterschiedlich ausfallen. Die beiden an-deren Typen von Ausgleichsinstrumenten sind hier nicht einschlägig. Diese marktbasierten Instru-mente wirken ohnehin über (finanzielle) Belohnungen, so dass zusätzliche Transferzahlungen nicht

84 sinnvoll sind. Aus demselben Grund passen auch Härtefallregelungen, als Vergünstigung bzw. Besser-stellung von bestimmten Gruppen, nicht zu diesem Typus von Politikinstrument.

3.4.6 Anwendbarkeit in der deutschen Umweltpolitik

Die drei diskutierten Typen von Ausgleichsmaßnahmen stellen keine an sich neuen Politikinstrumente dar. Alle sind fest in der deutschen Regulierungslandschaft in verschiedenen Politikfeldern verankert (z.B. Härtefallregelungen im Bereich der Sozialgesetzgebung, insbesondere bei Leistungsgesetzen;

Transferzahlungen als Fördersubventionen für bestimmte Technologien oder als Erhaltungssubven-tionen für bestimmte als schützenswert erachtete Strukturen (z.B. Landwirtschaft, Bergbau); Progres-sionen im Bereich des Steuerrechts). Es ist insofern davon auszugehen, dass ihrer Anwendung im spe-zifischen Kontext der Minderung von Verteilungswirkungen keine prinzipiellen Hindernisse entgegen-stehen.

Wenn es allerdings darum geht, konkrete innovative Instrumente aus dem Ausland zu transferieren oder Vorschläge aus der Literatur umzusetzen, ist eine systematische Analyse der Funktions(rahmen-)bedingungen erforderlich. Hierzu wurde an anderer Stelle ein Vorschlag für die Beurteilung der Über-tragbarkeit von Nachhaltigkeitspolitiken gemacht (Jacob et al 2014). Demnach sind für die Beurteilung der Übertragbarkeit neben den rechtlichen und politisch-institutionellen Bedingungen auch ökonomi-sche Rahmenbedingungen (z.B. wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Wirtschaftsstrukturen, Infrastruk-turen, Staatshaushalte), naturräumlich-geografische Rahmenbedingungen (Klima, Ressourcen, Land-nutzung) und soziokulturelle Bedingungen (Bildungsniveau, demografische Faktoren, Ausmaß von Ungleichheit, politische Kultur) jeweils auf die Bedeutung für die Funktionsweise des jeweiligen In-struments zu prüfen und dann zu untersuchen, inwieweit diese Voraussetzungen hierzulande gegeben sind.

An dieser Stelle können allerdings – zumindest auf der Grundlage der vorliegenden Literatur – nur generische Aussagen zu Instrumenten, möglichen Ausgleichsmaßnahmen und deren Übertragbarkeit gemacht werden. Mit den Befunden lassen sich allerdings in konkreten Analysen umweltpolitischer Instrumente und ihrer Verteilungswirkungen zumindest eine Suchrichtung für mögliche Ausgleichs-maßnahmen ableiten.

3.5 Berücksichtigung von Verteilungswirkungen in der Politikfolgenabschätzung

Die Verteilungswirkungen umweltpolitischer Instrumente und Maßnahmen werden nicht nur in wis-senschaftlichen Studien betrachtet. Verteilungsaspekte werden auch bereits in der ex-ante Politikfol-genabschätzung analysiert und in die Bewertung von Politikvorschlägen einbezogen.

Im Folgenden werden zunächst die Instrumente der Politikfolgenabschätzung definiert und erläutert, in denen Analyse von Verteilungswirkungen angelegt sind. Dies sind „Social Impact Assessment“ und

„Health Impact Assessment“. Dabei geht es um eine Begriffsklärung und grobe Skizzierung der Verfah-ren.

Im Anschluss daran werden Leitfäden und Konzepte dargestellt, die für die Erfassung von Vertei-lungswirkungen in der praktischen Arbeit der Politikfolgenabschätzung genutzt werden können. Da besonders die Europäische Kommission ein Vorreiter auf diesem Gebiet ist, werden die von ihr bereit-gestellten Leitfäden ausgewertet. Als ergänzendes Beispiel wird die Abschätzung sozialer Politikfolgen in Großbritannien betrachtet.

3.5.1 Social Impact Assessment

„Social Impact Assessment“ (SIA) wird definiert als ex-ante Abschätzung der sozialen Folgen, die sich voraussichtlich aus einer Politik ergeben (Burdge/Vanclay 1995: 32). Während in dieser Definition insbesondere Politiken und Programme auf nationaler oder anderen administrativen Ebenen inner-halb des politischen Systems zum Gegenstand hat, gibt es jedoch auch wesentlich weiter gefasste

Defi-85 nitionen. So versteht Vanclay (2002: 388) SIA als Prozess der Analyse und des Managements von in-tendierten und nicht-inin-tendierten sozialen Folgen von Interventionen. Dies können einerseits politi-sche Interventionen (Gesetze, Programme, Projekte, usw.) sein, andererseits schließt diese Definition auch private Regulierung ein. SIAs werden somit nicht notwendigerweise vom Staat durchgeführt, auch z.B. Unternehmen führen SIAs durch, um die sozialen Folgen einer Intervention abzuschätzen.

SIAs verfolgen das Ziel eine nachhaltigere und gerechtere Entwicklung der Menschen zu befördern und ordnen die soziale Folgenabschätzung in einen normativen Kontext ein (vgl. auch Vanclay 2003;

Esteves et al. 2012).

Im vorliegenden Zusammenhang sind soziale Folgenabschätzungen innerhalb von

politisch-administrativen Systemen von Interesse, da diese auch die Wirkungen auf unterschiedliche Bevölke-rungsgruppen betrachten und so über eine allgemeine Wirkungsanalyse hinausgehen. Dieser auf die Verteilungswirkungen eines Instruments gerichtete Fokus findet sich nicht nur in SIAs, auch die Ab-schätzung von Gesundheitswirkungen eines Instruments hat diesen Fokus. Dieser Ansatz der Folgen-abschätzung wird daher ebenfalls kurz erläutert.

3.5.2 Health Impact Assessment

„Health Impact Assessment“ (HIA) ist ein Verfahren, um die Gesundheitsfolgen von geplanten Politik-initiativen, Plänen oder Projekten abzuschätzen. Laut Definition des Gothenburg Consensus Paper sind dabei nicht nur die Gesundheitseffekte allgemein zu betrachten, sondern es wird explizit in der Defini-tion von HIA auf die Verteilung dieser Gesundheitswirkungen in der Bevölkerung verwiesen (WHO 1999: 4). Um die möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit und ihre Verteilung auf verschiedene Bevölkerungsgruppen ermitteln zu können, werden verschiedene quantitative, qualitative und parti-zipative Methoden angewendet. So ist es möglich, ein HIA auf Basis vorhandener Literatur in einer qualitativen Studie durchzuführen, in umfangreicheren Analysen werden über einen längeren Zeit-raum Daten zu den Gesundheitswirkungen erhoben und Experten und Betroffene in die Analyse der Gesundheitswirkungen einbezogen (z.B. in Fokusgruppen, durch Umfragen).

HIAs sind oft ein Bestandteil von Environmental Impact Assessments (Umweltverträglichkeitsprüfun-gen). Integrierte Environmental Health Assessments sind ein Weg, die Gesundheitsfolgen von Um-weltpolitik abzuschätzen (Briggs 2008: 1f, Linden/ Töppich 2010).

Aber auch in der Politikfolgenabschätzung werden Gesundheitsaspekte berücksichtigt und HIAs durchgeführt. Auf europäischer Ebene erarbeitete das Projekt EPHIA (European Policy Health Impact Assessment) Guidelines für die Durchführung von HIAs (Abrahams et al. 2004). Hier wird vorgeschla-gen, ein HIA entlang der folgenden Prozessschritte zu konzipieren: 1) Vorauswahl der zu untersu-chenden Aspekte (Screening), 2) Ausarbeitung einer Rahmenstudie (Scoping), 3) vertiefte Folgenab-schätzung, 4) einem Bericht zu den Gesundheitsfolgen, 5) einer Monitoring Phase, 5) einer Evaluation der Auswirkungen (Outcomes und Impacts).

Einerseits sind in den Analysen für das HIA die Environment Health Areas (EHA) zu betrachten. Die EHAs kategorisieren mögliche Gesundheitsfolgen. Beispiele sind Nahrung- und Trinkwasserbezogene Gesundheitsfolgen, Belastung durch potentiell gesundheitsschädlichen Materialien, oder Unfälle/ Ver-letzungen. Andererseits spielen aber auch die sozialen Determinanten von Gesundheit eine Rolle und sollten in der Analyse berücksichtigt werden. Dies können sowohl individuelle (z.B. genetische Vo-raussetzung, aber auch Lebensstile) als auch institutionelle Faktoren (z.B. Zugang zu Gesundheitsver-sorgung) sein (IFC 2008: 20).

Die Europäische Kommission integrierte daher den Aspekt „Gesundheit“ in die allgemeinen Leitlinien zur Politikfolgenabschätzung. Sie empfiehlt darüber hinaus, für die Abschätzung von Gesundheitsfol-gen den Leitfaden für die Abschätzung sozialer FolGesundheitsfol-gen zu nutzen und die dort vorgeschlaGesundheitsfol-genen Gesundheitsfol- generi-schen Kategorisierungen für die Analyse zu nutzen (European Commission 2015). Eine Beschreibung der in diesem Leitfaden vorgeschlagenen Systematisierung findet sich in Kapitel 3.5.3 dieser Studie.

86 Die Leitfäden zur Abschätzung von sozialen Politikfolgen und die darin vorgeschlagenen generischen Kategorien zu Wirkungen und Bevölkerungsgruppen3 sind daher besonders relevant für die Entwick-lung der in diesem Projekt zu entwickelnden Methode zur Analyse von VerteiEntwick-lungswirkungen, die nicht nur ökonomische sondern auch soziale, Umwelt- und Gesundheitswirkungen einschließt. Im Fol-genden werden einige dieser Institutionalisierungsformen, namentlich die Leitlinien der Europäischen Union und Großbritanniens zur sozialen Politikfolgenabschätzung genauer betrachtet. Beide Systeme, insbesondere die EU, zeichnen sich durch einen hohen Formalisierungsgrad in Form von Leitlinien aus. Es wird untersucht, welche Wirkungskategorien von sozialen Politikfolgen in diesen Fällen zur Anwendung kommen.

3.5.3 Leitlinien zur Abschätzung sozialer Politikfolgen

In der Politik werden die sozialen Wirkungen und Verteilungswirkungen von politischen Instrumen-ten als Teil der ex-ante Politikfolgenabschätzung analysiert und in die politische Bewertung von Poli-tikvorschlägen einbezogen. Politikfolgenabschätzungen haben generell die Funktion, politische Ent-scheidungen zu informieren, ohne allerdings Handlungsnotwendigkeiten zu konstituieren. Auf EU-Ebene wie auch auf nationaler und regionaler EU-Ebene stehen für die Abschätzungen von Politikfolgen Leitlinien und Anleitungen zur Verfügung. Diese enthalten auch Kategorien zur Abschätzung von so-zialen Folgen von Politik.

3.5.3.1 Leitlinien der EU Kommission zur Abschätzung sozialer Politikfolgen

Am weitesten entwickelt ist dabei das System der EU Kommission. Die Generaldirektion Beschäfti-gung, Soziales und Integration hat ausführliche Leitlinien für die Analyse sozialer Wirkungen von Poli-tikvorschlägen (DG EMPL 2009) entwickelt, die der Kommission für Folgenabschätzungen zur Verfü-gung stehen. Soziale Politikfolgen werden darin in sechs Oberkategorien erfasst, nämlich

Am weitesten entwickelt ist dabei das System der EU Kommission. Die Generaldirektion Beschäfti-gung, Soziales und Integration hat ausführliche Leitlinien für die Analyse sozialer Wirkungen von Poli-tikvorschlägen (DG EMPL 2009) entwickelt, die der Kommission für Folgenabschätzungen zur Verfü-gung stehen. Soziale Politikfolgen werden darin in sechs Oberkategorien erfasst, nämlich

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