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Fazit und Ausblick

Im Dokument 73/2016 (Seite 197-0)

Empirische Befunde aus den Fallstudien

Die hier betrachten umweltpolitischen Instrumente könnten in einem erheblichen Umfang zur Minde-rung von Emissionen, seien es CO2, Lärm oder Luftschadstoffe beitragen. Es handelt sich um an-spruchsvolle und weitreichende Politikvorschläge, die an den gut dokumentierten Potentialen für Effi-zienzverbesserungen bei der Beheizung von Wohngebäuden oder bei Haushaltsgeräten ansetzen bzw.

bei den Anreizen und Rahmenbedingungen für den motorisierten Individualverkehr. Der automobile Verkehr, die Beheizung von Wohnungen und die Nutzung von Haushaltsgeräten sind maßgeblich für die Art und Weise und den Umfang der Nutzung natürlicher Ressourcen und von Emissionen verant-wortlich und daher zentrale Handlungsfelder der Umweltpolitik. Dass diese Potentiale für Effizienz-verbesserungen und für Emissionsminderungen bisher nicht realisiert worden sind, liegt nicht zuletzt an den vermuteten Kosten, Einkommens- und Verteilungswirkungen, die von wirksamen umweltpoli-tischen Instrumenten verursacht werden.

Die Analyse der Fälle zeigt, dass Umweltpolitik und insbesondere solche, die monetäre Anreize setzt oder verändert Verteilungswirkungen hat. Die Analysen zeigen aber auch, dass Verteilungswirkungen (im Sinne von ungleichen Wirkungen umweltpolitischer Instrumente auf verschiedene Gruppen) von der Ausgestaltung im Detail abhängen: Welche Gruppen betroffen sind, welche Parameter sich verän-dern, die Richtung und das Ausmaß der Verteilungswirkungen hängt von den Gestaltungsparametern von Umweltpolitik im Detail ab. Die Fallstudien belegen, dass pauschalierte Aussagen zu den Vertei-lungswirkungen von Instrumententypen etwa, dass ökonomische Instrumente oder die Abschaffung von Subventionen Bezieher niedriger Einkommen besonders nachteilig betreffen, nicht haltbar sind.

Ganz im Gegenteil kann Umweltpolitik auch so gestaltet werden, dass Bezieher/Innen niedriger Ein-kommen besonders privilegiert werden und damit bestehende Ungleichheiten gemindert werden. So sind die Anteile der Ausgaben für Strom oder Heizenergie in Haushalten mit geringem Einkommen schon heute vergleichsweise hoch – eine Umweltpolitik, die mit Effizienzverbesserungen einhergeht, mindert solche Ungleichheiten. Die Fallstudien zeigen weiterhin, dass es Subventionstatbestände gibt, die Bezieher/Innen höherer Einkommen besonders stark zugutekommen (hier insbesondere die steu-errechtliche Behandlung von Dienstwagen) und dass die Abschaffung dann nicht nur positive Um-weltwirkungen hätte sondern bestehende Ungleichheiten abbauen helfen. Schließlich zeigen wir, dass wirksame Ausgleichsmaßnahmen und Härtefallregelungen getroffen werden können um unerwünsch-te Verunerwünsch-teilungseffekunerwünsch-te abzumildern.

Ungleichheiten entstehen aber nicht nur im Hinblick auf das Einkommen. Vielmehr gibt es schon im status quo eine ungleiche Belastung durch Schadstoffe und Lärm. Daraus erwachsen Gesundheitsfol-gen von denen einzelne Gruppen besonders stark betroffen sind. Insbesondere die externen Kosten des Verkehrs betreffen Kinder, ältere Menschen, Bezieher/Innen von niedrigen Einkommen oder Mig-rant/Innen sind ungleich stärker von verkehrsbedingten Emissionen betroffen, als andere Gruppen.

Auch hier kann gezeigt werden, dass Umweltpolitik bestehende Ungleichheiten abbauen kann. Die Fälle zeigen weiterhin, dass nur die Betrachtung von Einkommenswirkungen bei der Analyse von Ver-teilungswirkungen zu kurz greift. Auch weitere Wirkungsbereiche, insbesondere Gesundheitswirkun-gen von (ggf. auch fehlender) Umweltpolitik sind zu betrachten um VerteilungswirkunGesundheitswirkun-gen abzuschät-zen.

Die Befunde zur Verteilung von Umweltbelastungen, der Ausgaben für Energie und die Verteilung der Vorteile von Subventionen zeigen, dass bereits der Status quo, also bevor eventuelle neue umweltpoli-tische Instrumente beschlossen werden, Verteilungswirkungen aufweist. Dies sollte in der umweltpo-litischen Diskussion verstärkte Beachtung finden.

197 Schlussfolgerungen für die Gestaltung umweltpolitischer Instrumente

Die hier vorgelegten Fallstudien zeigen weiterhin, dass die Verteilungswirkungen stark von der kon-kreten Ausgestaltung der Instrumente abhängen. Beispielsweise variieren die Beschäftigungswirkun-gen je nach Politikszenario bei der Abschaffung der Entfernungspauschale zwischen einem Rückgang von bis zu 85.000 Beschäftigten (für den Fall, dass die zusätzlichen Steuereinnahmen im Haushalt ver-einnahmt werden) bis zu zusätzlichen 35.000 Beschäftigten (für den Fall, dass die Steuereinnahmen für die Erhöhung der Werbungskostenpauschale verwendet werden). Auch die weiteren Studien zei-gen, dass Umweltpolitik so ausgestaltet werden kann, dass Bezieher/innen von niedrigen Einkommen stärker profitieren. Bei der Abschaffung von umweltschädlichen Subventionen ist insbesondere die Frage entscheidend, wie die zusätzlichen Steuermittel verwendet werden. Bei den betrachteten Sub-ventionen für energieeffizientes Sanieren und für den Austausch von Haushaltsgeräten ist es möglich, die Instrumente so auszugestalten, dass Bezieher/innen von niedrigen Einkommen stärker oder gar alleine davon profitieren. Sozialpolitische und umweltpolitische Ziele lassen sich damit sinnvoll ver-knüpfen. Aus der Perspektive von Steuergerechtigkeit ist es auch sinnvoll, dass Bezieher/innen von höheren Einkommen bei dem Abbau von Subventionen stärker belastet werden.

Wenn bei der Ausgestaltung des jeweiligen umweltpolitischen Instruments unerwünschte Vertei-lungswirkungen auftreten, dann können Ausgleichsmaßnahmen ergriffen werden. Dies können insbe-sondere Ausnahmeregelungen sein, eine progressive Ausgestaltung oder Härtefallregelungen. Welche Ausgleichsmaßnahmen zu empfehlen ist, hängt nicht nur von dem Instrumententyp ab, sondern von dessen konkreter Ausgestaltung. Daher lassen sich für die Wahl von Instrumenten und eventueller Ausgleichsmaßnahmen keine verallgemeinerbaren Empfehlungen geben.

Allerdings zeigen die hier vorgelegten Studien, dass eine pragmatische Analyse von Verteilungswir-kungen möglich ist und eine sinnvolle Ergänzung einer umfassenden Wirkungsanalyse darstellen. In aller Regel würde die Analyse von Verteilungswirkungen von den Befunden einer umfassenden Wir-kungsabschätzung profitieren und diese sinnvoll ergänzen.

Eignung der Methode zur Erfassung und Bewertung von Verteilungswirkungen

Die hier entwickelte Methode sieht vor, dass zunächst Wirkungsketten formuliert werden, sei es aus-gehend von vermutlich besonders betroffenen Gruppen um die Verteilungswirkungen des Status Quo zu analysieren oder ausgehend von dem angestrebten Politikinstrument. Mit der Unterscheidung von Instrumenten, von diesen angestoßenen Veränderungsprozessen, den dadurch hervorgerufenen Wir-kungen und den Merkmalen von betroffenen Gruppen wurden analytische Kategorien entwickelt, aus denen sich jeweils fallspezifische Wirkungsketten ableiten lassen. Die Wirkungsketten stellen zunächst nur Hypothesen dar, die aber explizit und transparent gemacht werden. Dadurch ist es möglich, Exper-tinnen und Interessenvertreter an der Analyse zu beteiligen. Dabei stellen sich die Frage ob noch wei-tere Wirkungsketten betrachtet werden sollten, für welche Wirkungsketten der Stand des Wissens ausreichend erscheint und welche Wirkungsketten einer vertieften Untersuchung unterzogen werden sollten. Durch eine solche Beteiligung an der Analyse kann nicht nur die Relevanz von Wirkungsketten geprüft werden, sondern auch die Robustheit der Analyse: Eine Politikfolgenabschätzung an der Inte-ressenten teilhaben konnten wird nicht so leicht in Zweifel gezogen und durch Gegenexpertise her-ausgefordert.

Bei der Formulierung von Wirkungsketten erscheinen aus der Perspektive von Verteilungswirkungen zwar Einkommens- und Beschäftigungswirkungen als besonders relevant und naheliegend. Daneben sollten aber insbesondere auch Gesundheitswirkungen geprüft werden. Weitere Aspekte, insbesonde-re auch solche Wirkungsbeinsbesonde-reiche, die sich nicht unmittelbar monetarisieinsbesonde-ren oder quantifizieinsbesonde-ren las-sen, wie z.B. Lebensqualität, können ebenfalls berücksichtigt werden.

Die Validität der Wirkungsketten kann sowohl auf der Basis des Forschungsstands als auch durch Mo-dellierung von Politikszenarien geprüft werden. Bei der Analyse des Forschungsstandes kann

insbe-198 sondere auch auf Erfahrungen mit vergleichbaren Politikinstrumenten in anderen Ländern zurückge-griffen werden. Auch wenn die quantitativen Befunde zu den Wirkungen von Politikinstrumenten nicht ohne weiteres auf Deutschland zu übertragen sind, können doch die Wirkungsmechanismen un-tersucht werden und Schlussfolgerungen für Deutschland gezogen werden.

Für die Modellierung wurde für diese Studie mit dem IZA MOD eine Mikrosimulation genutzt. In dem Modell sind eine repräsentative Auswahl von Haushalten, ihr Einkommen, sowie zahlreiche Aspekte der Lebenssituation enthalten. Das Modell bildet weiterhin das Steuer- und Transfersystem Deutsch-lands ab. Es können damit insbesondere Politikinstrumente simuliert werden, die eine Auswirkung auf das verfügbare Einkommen oder die im Modell enthaltenen Aspekte der Lebenssituation (u.a. zu Mobi-lität, Wohnen, Konsum, etc.) haben. Ergebnisse der Modellierung sind dann u.a. Veränderungen der Einkommen, der Verfügbarkeit im Arbeitsmarkt oder des Steueraufkommens. Das genutzte Modell bildet nicht das Wirtschaftssystem als Ganzes ab, so dass eventuelle Verteilungswirkungen zwischen Branchen oder zwischen Industrie und Verbrauchern nicht kalkuliert werden können. Für Fragestel-lung in Bezug auf das Einkommen von Haushalten, die Beschäftigung und das Steueraufkommen ist das Modell allerdings empirisch gehaltvoll und kommt mit wenigen Annahmen aus. Die Imputation von zusätzlichen Mikrodatensätzen etwa zu Mobilität oder zur Wohnsituation ist mit überschaubarem Aufwand möglich, so dass das Modell schrittweise erweitert werden kann. Der empirische Gehalt er-laubt die Modellierung von zusätzlichen Politikszenarien ohne das große Anpassungen des Modells erforderlich wären, wie dies bei ökonomischen Modellen der Fall ist, die stärker auf Annahmen und Schätzungen basieren. Eine weitere Stärke des genutzten Modells ist nicht zuletzt die Analyse der Haushaltswirkungen, ein Aspekt der bei der Wirkungsabschätzung von Politikinstrumenten häufig von zentraler Bedeutung ist.

Die Modellierung und die Analyse des Forschungsstands zur Validierung von Wirkungsketten sind mittels der im Projekt erarbeiteten Methoden in überschaubaren Zeiträumen möglich und könnte in die Wirkungsabschätzung im Geschäftsbereich des Umweltministeriums routinemäßig integriert wer-den und die Gesetzesfolgenabschätzungen unterstützen. Für die Modellierung empfiehlt es sich ent-sprechende Kapazitäten aufzubauen bzw. bereitzuhalten.

Zusatznutzen der Analysen im Kontext von Politikentwicklung

Die Analyse von Verteilungswirkungen muss gegenüber anderen Prozessen der Politikentwicklung einen Zusatznutzen demonstrieren: Insbesondere Beteiligungsverfahren werden genutzt, um mögliche Verteilungswirkungen zu erfassen. Allerdings ist dies nur möglich, wenn die jeweils betroffen Gruppen im Verfahren repräsentiert sind. Eine evidenzbasierte Analyse, wie sie hier entwickelt und angewen-det wurde, kann diese Verfahren ergänzen. Sie ist insbesondere bei solchen Fällen geboten, bei denen Gruppen betroffen sind die nicht oder nur schlecht organisiert sind und deren Interessen nicht hinrei-chend im Prozess zur Geltung kommen. Die durchgeführten Fallstudien zeigen, dass insbesondere die Verteilungswirkungen von Emissionen und Ressourcennutzung im Status Quo nicht oder nicht hinrei-chend durch Interessengruppen vertreten werden, so dass eine wissenschaftliche Analyse von Vertei-lungswirkungen geboten erscheint.

Weiterer Forschungsbedarf

Die Verteilungswirkungen in Bezug auf Haushalte stellen nur einen Teilaspekt einer umfassenderen Folgenabschätzung dar. Die Modellierung von weiteren Wirkungen insbesondere in Bezug auf ge-samtwirtschaftliche Parameter wie Wachstum, Innovationen, Arbeitsmärkte, Strukturwandel konnte in dem Vorhaben nicht geleistet werden. Hier muss auf andere Modellierungsansätze zurückgegriffen werden. Ebenso sind die Umweltwirkungen etwa durch veränderte Konsumentscheidungen, durch Investitionen oder durch eine verbesserte Umweltperformanz von genutzten Gütern nicht in dem Mo-dell abgebildet. Auch dafür gibt es spezialisierte Methoden und MoMo-delle, etwa solche die auf Lebens-zyklusanalysen basieren oder die das Verkehrs-, das Energiesystem oder andere technische Systeme

199 abbilden. Vor dem Hintergrund, dass umweltpolitische Instrumente jeweils unterschiedliche Wir-kungsbereiche adressieren und Wirkungsmechanismen nutzen scheint es unangemessen, ein einzel-nes Modell anzustreben, dass für alle umweltpolitischen Instrumente gleichermaßen geeignet wäre.

Vielmehr ist eine situationsweise Kombination von Analyseansätzen und Modellen angemessen. Wir empfehlen vor diesem Hintergrund, dass in zukünftigen Projekten die Anschlussfähigkeit von unter-schiedlichen Modellen analysiert wird und ggf. Schnittstellen definiert werden, so dass die Ansätze flexibel kombiniert werden können.

In dem Vorhaben wurde insbesondere auf Methoden der Abschätzung von Sozialfolgen aufgebaut um die beschriebene Methode zu entwickeln. Methoden zur Analyse von Gesundheitswirkungen könnten vor dem Hintergrund der Befunde zur ungleichen Verteilung von Emissionen und Belastungen noch stärker genutzt werden. Dazu empfehlen wir den Forschungsstand und insbesondere die entwickelten Methoden vertieft aufzuarbeiten und darauf zu prüfen, wie dieses Wissen im Rahmen von Verfahren der Politikfolgenabschätzungen verfügbar gemacht werden kann.

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