• Keine Ergebnisse gefunden

Einleitung

Im Dokument 73/2016 (Seite 47-50)

In der öffentlichen Debatte zu Umweltpolitik – und insbesondere zur Energie- und Klimapolitik – wird häufig die Befürchtung ungleicher und unfairer Wirkungen politischer Instrumente geäußert. So wird beispielsweise argumentiert, dass die Umlage des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) zu erhebli-chen Steigerungen der privaten Stromrechnungen führe, dass die Kosten für die energetiserhebli-chen Sanie-rungen von Häusern auf Mieter abgewälzt würden, die nicht unbedingt im selben Ausmaß von Heiz-kosteneinsparungen profitierten, dass Benzin nicht zuletzt durch umweltpolitisch motivierte Steuern zu teuer sei, dass Autos und damit private Mobilität durch Abgasvorschriften verteuert würden, usw.

Mit diesen Argumenten ist vielfach auch die Vermutung verbunden, dass solche Preissteigerungen Haushalte mit niedrigen Einkommen besonders stark treffen – im Unterschied zur Besteuerung von Einkommen gibt es keine Freibeträge oder eine Progression. Die Verteuerung der Nutzung von Um-weltgütern führe sogar zu „Energiearmut“ oder dazu, dass die Teilhabe an Mobilität für Personen mit niedrigen Einkommensniveaus unerschwinglich würde. Die Einführung und Weiterentwicklung um-weltpolitischer Instrumente wird durch diese einseitige Diskussion erheblich erschwert. Der Nutzen von Umweltpolitik und dessen Verteilung spielen in der öffentlichen Debatte dagegen kaum eine Rolle.

Genauso wenig wird berücksichtigt, dass die gegenwärtigen Emissionen und Ressourcennutzung be-reits ungleich wirken: Häufig sind einkommensschwächere Haushalte stärker Umweltbelastungen ausgesetzt als Haushalte mit höherem Einkommen.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig zu betonen, dass Umweltpolitik zahlreiche positive Wirkungen hat. So werden u.a. umweltbedingte Gesundheitsschäden gemindert oder vermieden, einschließlich der dadurch entstehenden Kosten bzw. Einbußen an Lebensqualität. Umweltpolitik führt durch Steige-rungen der Energieeffizienz zu KosteneinspaSteige-rungen und zu einer geringeren Vulnerabilität gegenüber künftigen Energiepreissteigerungen. Klimaanpassungsmaßnahmen tragen dazu bei, zukünftige Ver-mögensverluste zu vermeiden. Allgemein bedeutet eine intakte Umwelt einen Gewinn an Lebensquali-tät. Des Weiteren bestehen Synergiepotenziale zwischen Umwelt- und Sozialpolitik. So gehen positive Verteilungswirkungen von Maßnahmen aus, die Umweltbelastungen für sozial benachteiligte Bevölke-rungsgruppen verringern und soziale Ungleichheiten beim Ressourcenzugang abbauen. Auf diese Wei-se trägt Umweltpolitik dazu bei, die Lebensqualität von dieWei-sen Bevölkerungsgruppen zu steigern und die Voraussetzungen für deren soziale Teilhabe zu verbessern. (Enquete Kommission Wohlstand, Wachstum, Lebensqualität 2012; Stieß et al. 2012). Dennoch werden die positiven sozialen Wirkungen von Umweltpolitik, sowie die Synergiepotenziale von Umwelt- und Sozialpolitik in der Öffentlichkeit noch nicht ausreichend wahrgenommen (Stieß 2013; Stieß et al. 2012; Hornberg et al. 2011; DUH 2009).

1.1 Aktuelle Forschung

In akademischen Beiträgen werden diese Debatten zu Verteilungswirkungen häufig unter dem Begriff

‚Umweltgerechtigkeit‘ aufgegriffen, wobei zwischen analytischen und normativen Ansätzen unter-schieden werden kann. In analytischer Perspektive geht es um die Frage, in welchem Ausmaß ver-schiedene gesellschaftliche Gruppen Umweltbelastungen ausgesetzt sind und welche Unterschiede bei den Zugangschancen zu Umweltressourcen bestehen. Analog zu früheren Debatten um soziale Gerech-tigkeit werden Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich Umweltbelastungen und Zugangs-möglichkeiten als spezifische Form der sozialen Ungleichheit interpretiert (Wehrspaun/Bunge 2010:

88). Eine Vielzahl von Studien fokussiert dabei auf die ökonomische Dimension von Verteilung und die Wirkung umweltpolitischer Instrumente auf Beschäftigung und das verfügbare Einkommen unter-schiedlicher Haushaltstypen (Fullerton 2011; Meyer-Ohlendorf/Bobel 2008 mit weiteren Nachweisen, siehe dazu auch das Literaturkompendium in Anhang 8.3 dieser Studie). In der Public

Health-Forschung und der Umweltmedizin wie auch den Ernährungswissenschaften gibt es daneben eine Debatte über den Zusammenhang von Umweltbelastungen und sozialer Situation (Maschewsky 2004;

Wehrspaun/Bunge 2010; UMID 2011; Zwick et al. 2011). Die empirische Feststellung von sozialer

47 Ungleichheit im Zusammenhang mit Umweltbelastungen und Zugangschancen ist allerdings nicht gleichbedeutend damit, dass auch eine sozial ungerechte Verteilung dieser Lasten oder Chancen vor-liegt. Diese normative Bewertung ist abhängig von dem zugrunde gelegten Gerechtigkeitsverständnis (z.B. Zugangs-, Verteilungs- oder Vorsorgegerechtigkeit) (Hornberg et al. 2011: 27-29).

Das Umweltbundesamt (UBA) gab mehrere Studien in Auftrag, um potenzielle Synergien zwischen Umwelt- und Sozialpolitik zu identifizieren und ein breiteres Verständnis von Verteilungswirkungen zu entwickeln, das über Beschäftigungs- und Einkommenswirkungen umweltpolitischer Instrumente und Maßnahmen hinausgeht (Meyer-Ohlendorf/Blobel 2008; Stieß et al. 2012). Neben dem Konzept der Umweltgerechtigkeit trägt auch die Perspektive der ökologischen Gerechtigkeit zur Diskussion über Verteilungswirkungen von Umweltpolitik – auch unterlassener – bei. Während Umweltgerechtig-keit mit dem Fokus auf gerechte Verteilung von Belastungen und Zugangschancen der engere Begriff ist, weitet sich im Konzept der ökologischen Gerechtigkeit der Begriff hin zu einer Betrachtung der Mensch-Natur-Beziehungen. In den Blick genommen wird dabei auch die Gerechtigkeit für Umwelt und Natur sowie für nachfolgende Generationen. Somit werden Gerechtigkeitsprobleme adressiert, die im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Zugang und der Nutzung der natürlichen Lebensgrund-lagen entstehen (vgl. Wehrspaun/Bunge 2010; Stieß et al. 2012).Die Überlegungen zu Umweltgerech-tigkeit und ökologischer GerechUmweltgerech-tigkeit können für die Untersuchung von Verteilungswirkungen ge-nutzt werden. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wird dabei ein analytischer Zugang gewählt: Es geht bei der Untersuchung von Verteilungswirkungen von Umweltpolitik nicht um eine normative Bewertung, sondern um Aussagen zu Verteilungswirkungen auf soziale Gruppen.

1.2 Zielsetzung der Studie

In der hier vorliegenden Studie wird ein Analysekonzept entwickelt, mit dem die Verteilungswirkun-gen umweltpolitischer Instrumente analysiert werden können. Das Konzept berücksichtigt sowohl einkommens- und beschäftigungsrelevante Wirkungen, als auch weitere mögliche Verteilungswirkun-gen wie Gesundheitseffekte und AuswirkunVerteilungswirkun-gen auf gesellschaftliche Teilhabe und Lebensqualität.

Dieses Analysekonzept wird auf der Grundlage einer umfassenden Analyse der Literatur zu Vertei-lungswirkungen von Umweltpolitik erarbeitet und dann auf ausgewählte umweltpolitische Instrumen-te angewendet. Bei dieser Anwendung wird insbesondere unInstrumen-tersucht, welche VerInstrumen-teilungswirkungen auftreten. Dabei werden auch Verteilungswirkungen des Status Quos, sowie nicht-monetäre Wirkun-gen untersucht. Weiterhin wird thematisiert, inwieweit durch die konkrete Ausgestaltung umweltpoli-tischer Instrumente unerwünschte Verteilungswirkungen vermieden werden können.

1.3 Überblick über die Studie

Im folgenden Kapitel 2 wird zunächst das Konzept „Verteilungswirkungen“ näher erläutert und für die Studie definiert. Im Anschluss folgt in Kapitel 3 ein Überblick über den Stand der Forschung zur Analy-se von Verteilungswirkungen. Dazu werden zunächst exemplarisch zentrale umweltpolitische Hand-lungsfelder dargestellt, die in der Diskussion um Verteilungswirkungen derzeit besonders präsent sind. Dies ermöglicht einen Überblick darüber, wie Verteilungswirkungen in den Studien und Berich-ten zu diesen Themen gefasst werden und welche Aspekte in die Untersuchung einbezogen werden.

Sie bieten zugleich erste Anhaltspunkte, welche Wirkungskategorien in der Wirkungskettenanalyse relevant sein könnten.

Um einen umfassenderen Überblick zu erhalten, welche weiteren Verteilungswirkungen relevant sein könnten, werden in einem nächsten Schritt wissenschaftliche Studien zur Analyse von Verteilungswir-kungen von umweltpolitischen Instrumenten untersucht. Die vorgeschlagenen Ansätze zur Kategori-sierung von Verteilungswirkungen und gesellschaftlichen Gruppen werden zusammenfassend darge-stellt. Darauf aufbauen wird ebenfalls ein Überblick über die Wirkungsmechanismen verschiedener umweltpolitischer Instrumententypen gegeben und in den Kontext der Analyse von

Verteilungswir-48 kungen eingeordnet. Um die theoretische Aufarbeitung zu vervollständigen werden außerdem existie-rende Guidelines sowie die wissenschaftliche Literatur zum Thema „Social Impact Assessment“ aus-gewertet, welche sich mit der Abschätzung der sozialen Wirkungen von Politiken befassen und ein kurzer Überblick über die Ansätze des „Health Impact Assessment“ gegeben.

In Kapitel 4 wird der zuvor erarbeitete theoretische Rahmen konkretisiert und die Methodik für das methodische Vorgehen in den Fallstudien entwickelt. Auf dieser Basis werden in Kapitel 5 die exemp-larischen Instrumentenanalysen dargestellt. Die Themen dieser vertieften Analysen sind:

▸ Abschaffung der Entfernungspauschale

▸ Neuregelung der Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen, Landstraßen sowie inner-orts

▸ Modifikation der Besteuerung der privaten Nutzung von Dienstwagen

▸ Anreize zur Förderung energetischer Gebäudesanierungen

▸ Austauschprogramms für Kühlgeräte in Verbindung mit einem „Stromspar-Check“

49

Im Dokument 73/2016 (Seite 47-50)