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Aufkommenswirkungen 157

Im Dokument 73/2016 (Seite 158-163)

5 Fallstudien zu ausgewählten Politikinstrumenten

5.3 Modifikation der Besteuerung der privaten Nutzung von Dienstwagen

5.3.5 Simulationsergebnisse

5.3.5.1 Aufkommenswirkungen 157

Die aggregierten Aufkommenswirkungen für die drei Reformszenarien der Dienstwagenbesteuerung sind in Tabelle 15 dargestellt. Für Variante 1 ergibt sich per Konstruktion der beabsichtigte direkte Aufkommenseffekt in Höhe von 0,5 Milliarden EUR. Für Variante 2 finden wir einen Aufkommensef-fekt im Umfang von ca. 1,6 Milliarden EUR. Zwar wurden die Steuersätze für diese Variante so festge-legt, dass ein Einnahmeplus von zwei Milliarden erzielt wird, was jedoch durch die unterstellte Reduk-tion der CO2-Emissionswerte der Dienstwagenflotte um 10 Prozent (und dadurch eine geringere Be-steuerung des geldwerten Vorteils) um etwa ein Fünftel auf 1,6 Milliarden EUR reduziert wird. Der direkte Aufkommenseffekt für Variante 3 fällt schließlich negativ aus und beträgt ca. 0,4 Milliarden EUR, zusammengesetzt aus dem Einnahmezuwachs durch die erhöhte Dienstwagenbesteuerung (+1,6 Milliarden EUR wie in Variante 2) sowie der Entlastung der Arbeitnehmer/innen bei den Sozialversi-cherungsbeiträgen im Umfang von ca. zwei Milliarden EUR.

Tabelle 16: Aufkommenswirkung in Mrd.

Variante 1 Variante 2 Variante 3

Gesamt 0,5 1,6 -0,4

davon:

Einkommensteuer

0,5 1,6 1,6

Sozialversicherungsbeiträge 0 0 -2,1

Transfers40 0 0 0,1

Quelle: IZAΨMOD, eigene Berechnungen.

5.3.5.2 Verteilungswirkungen auf das Einkommen

In diesem Abschnitt wird zunächst dargestellt, welche sozio-demografischen Charakteristika die Nut-zer/innen von Dienstwagen im Vergleich zur erwerbsfähigen Bevölkerung (im Alter zwischen 15 und 65) aufweisen. Aus Tabelle 16 geht hervor, dass Dienstwagennutzer/innen in erster Linie abhängig Beschäftigte (91 Prozent) oder selbstständig (8 Prozent) und mit einem Frauenanteil von unter 20 Prozent vor allem männlichen Geschlechts sind. Darüber hinaus erzielen Dienstwagennutzer/innen ein überdurchschnittliches Bruttoeinkommen von mehr als 3.100 EUR pro Monat. Schließlich ist der Pendleranteil mit einer Fahrtstrecke von mehr als 20 Kilometern mit etwa einem Drittel etwa doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung. Im Hinblick auf Alter, dem Anteil Selbstständiger sowie dem Anteil von Personen in städtischen Regionen ergeben sich keine signifikanten Unterschiede.

Tabelle 17: Vergleich von Merkmalen der Personen ohne und mit Dienstwagen

Kein Dienstwagen Dienstwagen

abhängig beschäftigt 58,3% 90,9%

Selbstständig 6,7% 8,3%

Frauenanteil 53,4% 19,8%

Durchschnittsalter 44,5 Jahre 46,1 Jahre

Durschn. Bruttomonatseinkom- 925,0 Euro 3.131,9 Euro

40 Unter Transfers ist die Summe aus allen simulierten Sozialleistungen, d.h. vor allem Arbeitslosengeld 2 (inkl. Kosten der Unterkunft), Kindergeld, Kinderzuschlag, zusammengefasst.

158 Kein Dienstwagen Dienstwagen

men

Städtische Region

(BBSR-Definition) 46,9% 51,8%

Pendler (mehr als 20km) 14,4% 32,4%

Quelle: IZAΨMOD, eigene Berechnungen.

In Tabelle 17 sind die Effekte der drei Reformszenarien auf die Einkommensverteilung dargestellt.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass alle Varianten im Durchschnitt lediglich geringfügige Auswirkun-gen (in einer Größenordnung zwischen -0,14 Prozent und +0,03 Prozent) auf die Verteilung des äqui-valenzgewichteten Haushaltseinkommens haben. Mit Variante 1 ist ein Rückgang des durchschnittli-chen Einkommens von rund 0,04 Prozent verbunden, wobei Dienstwagennutzer/innen naturgemäß mit -0,73 Prozent am stärksten betroffen sind. Darüber hinaus bestätigt sich, dass eine Anhebung der Dienstwagenbesteuerung de facto progressiv ausgestaltet ist und zu stärkeren Einkommenseinbußen für hohe Einkommen führt. Während sich das Einkommen des ärmsten Fünftels der Bevölkerung (Quintil 1) um gerade einmal 0,01 Prozent reduziert, steigt dieser Wert mit zunehmenden Einkommen an und liegt für das obere Fünftel (Quintil 5) bei ca. 0,07 Prozent. Dabei zeigt sich durchgängig, dass Frauen und Männer praktisch gleich betroffen sind, während der Einkommensrückgang für Personen, die in städtischen Regionen leben, stärker ausfällt als in ländlichen Regionen. Dies könnte mit einem höheren Anteil privater Nutzung jenseits des Arbeitsweges zusammenhängen. Für Variante 2 ergibt sich qualitativ ein sehr ähnliches Bild mit quantitativ stärkeren und durchweg negativen Einkom-menseffekten für alle Bevölkerungsgruppen. Hier ist der Einkommensrückgang für Dienstwagennut-zer/innen mit -2,25 Prozent deutlich stärker ausgeprägt. Schließlich zeigen sich für Variante 3 durch die Reduktion der Sozialversicherungsbeiträge insgesamt leicht positive Einkommenseffekte mit einer Zunahme von 0,03 Prozent. Hier profitieren Beschäftigte ohne Dienstwagen (+0,16 Prozent), darunter in erster Linie mittlere Einkommensgruppen, während das oberste Quintil trotz der Entlastung unter dem Strich einen leichten Einkommensrückgang aufweist. Der Einkommensverlust für die Nut-zer/innen von Dienstwagen beträgt trotz der Abgabenentlastung noch gut 2 Prozent. Dies erklärt sich dadurch, dass die Zusatzbelastung der Dienstwagenbesteuerung für Gutverdiener/innen nicht durch die Reduktion der Sozialversicherungsabgaben kompensiert wird. Dies ist wiederum darauf zurückzu-führen, dass Sozialversicherungsbeiträge nur bis zu einer Beitragsbemessungsgrenze erhoben werden und somit für hohe Einkommen einen geringeren Anteil an der Steuer- und Abgabenlast darstellen als für niedrige und mittlere Einkommen. Daher scheint es fraglich, ob neben der pauschal unterstellten Umstellung der Dienstwagenflotte auf Fahrzeuge mit geringerer CO2-Emission eine weitere Verhal-tensreaktion darin bestehen könnte, gänzlich auf einen Dienstwagen zu verzichten und mit dem/der Arbeitgeber/in ein entsprechend höheres Bruttogehalt zu vereinbaren.

Tabelle 18: Reformeffekte auf das verfügbare Haushaltseinkommen Einkommen im

Status Quo (Euro/Monat)

Veränderung nach Reformszenarien (Prozent) Variante 1 Variante 2 Variante 3

Gesamt 1.949,4 -0,04 -0,14 0,03

Kein Dienstwagen 1.914,3 0 -0 0.16

Dienstwagen 2.803,6 -0,73 -2,25 -2,02

Abhängig Beschäftigte 2.122,4 -0,08 -0,25 0,01

Selbstständige 3.392,0 -0,05 -0,16 0

159 Einkommen im

Status Quo (Euro/Monat)

Veränderung nach Reformszenarien (Prozent) Variante 1 Variante 2 Variante 3 Quintil 1

(ärmste 20%) 969,5 -0,01 -0,02 0,06

Frauen 977,9 -0,01 -0,02 0,06

Männer 983,5 -0,01 -0,02 0,07

städtische Region 971,5 -0,01 -0,01 0,07

ländliche Region 965,4 -0,01 -0,04 0,05

Quintil 2 1.336,9 -0,02 -0,04 0,13

Frauen 1.336,4 -0,02 -0,04 0,12

Männer 1.336,2 -0,02 -0,04 0,13

städtische Region 1.336,2 -0,02 -0,04 0,13

ländliche Region 1.338,6 -0,01 -0,04 0,14

Quintil 3 1.690,3 -0,03 -0,07 0,13

Frauen 1.690,8 -0,03 -0,08 0,13

Männer 1.692,1 -0,03 -0,08 0,13

städtische Region 1.694,9 -0,03 -0,09 0,13

ländliche Region 1.679,8 -0,02 -0,05 0,14

Quintil 4 2.192,0 -0,05 -0,14 0,09

Frauen 2.191,9 -0,05 -0,14 0,08

Männer 2.195,5 -0,06 -0,15 0,08

städtische Region 2.189,8 -0,06 -0,15 0,07

ländliche Region 2.197,0 -0,03 -0,1 0,12

Quintil 5 (reichste 20%)

3.804,4 -0,07 -0,25 -0,09

Frauen 3.798,0 -0,07 -0,25 -0,1

Männer 3.841,3 -0,08 -0,26 -0,1

städtische Region 3.620,3 -0,08 -0,28 -0,12

ländliche Region 4.117,4 -0,05 -0,19 -0,05

Quelle: IZAΨMOD, eigene Berechnungen.

5.3.6 Diskussion der Ergebnisse

Für eine Modifikation der Besteuerung von Dienstwagen spricht eine Reihe von Gründen:

1) Umweltpolitische Gründe:

Die bisherigen Regelungen zur steuerlichen Behandlung privat genutzter Dienstwagen bestimmen maßgeblich die Fahrzeugflotte. Auch wenn sich die CO2 Emissionswerte von gewerblich und privat genutzten Pkw angleichen, ist der Anteil des problematischen Dieselantriebs unter Dienstwagen be-sonders hoch. Zudem gibt es keine Anreize und insbesondere keine Innovationsanreize zugunsten

160 weiterer Emissionsreduktionen oder innovativer Antriebstechnologien, mit der Ausnahme der Son-derregelungen für batteriebetriebene Elektroautos.

Aus Umweltsicht ist weiterhin problematisch, dass von der Regelung Anreize ausgehen, den einmal vorhandenen Dienstwagen gegenüber anderen, umweltfreundlicheren Alternativen vorzuziehen, so-wie generell intensiv zu nutzen. Die Fahrleistungen mit Dienstwagen sind gegenüber rein privat ge-nutzten Pkw höher. Diese verkehrsinduzierendeWirkung ist einerseits wegen der damit verbundenen schädlichen Emissionen (Luftschadstoffe, Lärm, CO2 Emissionen) und der damit verbundenen Res-sourcennutzung (insbesondere durch die dadurch erforderlichen Infrastrukturen) problematisch. An-dererseits ist Verkehr auch mit erheblichen Verteilungswirkungen verbunden, wie in dem Abschnitt zu Geschwindigkeitsbegrenzungen dargelegt. Von verkehrsbedingten Emissionen sind Anwohner an Straßen, ältere Menschen, Kinder und Gruppen mit Migrationshintergrund stärker betroffen als ande-re Gruppen. In dem speziellen Fall kommt noch hinzu, dass Dienstwagen überwiegend von Beschäftig-ten Männern genutzt werden und auch dadurch ein Verteilungseffekt zu LasBeschäftig-ten von nicht beschäftig-ten Personen oder Frauen entstehen, die nicht von den Vorteilen von Dienstwagen profitieren (kön-nen), aber die Nachteile von verkehrsbedingten Emissionen zu tragen haben.

Nicht zuletzt würde von der beschriebenen Modifikation der Dienstwagenregelung ein Innovationsan-reiz ausgehen. Die heimischen Hersteller haben einen vergleichsweise großen Marktanteil an Dienst-wagen und zugleich vergleichsweise geringe Anteile an relativ umweltfreundlichen Antriebsarten. Vor dem Hintergrund der internationalen und europäischen Anstrengungen um emissionsärmere Pkw scheinen zusätzliche Innovationsanstrengungen geboten. Zweifellos haben verkehrsdämpfende um-weltpolitische Instrumente wie auch die hier vorgeschlagene Modifikation der Besteuerung von Dienstwagen eine – wenn auch im Vergleich zu anderen Faktoren schwache – Nachfragedämpfung nach Pkw zur Folge. Dies sollte aber in Abwägung aller Vor- und Nachteile und insbesondere aus der Perspektive der Verteilungswirkungen der bisherigen Regelungen in Kauf genommen werden.

2) Steuerpolitische Gerechtigkeit

Die Studie unterstreicht einmal mehr, dass die bisherige steuerliche Behandlung von Dienstwagen insbesondere für Bezieher von höheren Einkommen vorteilhaft ist. Der tatsächliche geldwerte Vorteil wird in aller Regel nicht in vollem Umfang versteuert. Die Befunde aus der Literatur deuten darauf hin, dass nur ca. 50 Prozent des Vorteils versteuert werden. Es handelt sich insofern um einen Subventi-onstatbestand. Dies geht zu Lasten von Steuerzahler/innen, die über keinen Dienstwagen verfügen, aber auch zu Lasten von Sozialversicherungspflichtigen, insoweit die Überlassung des Dienstwagens eine Lohnersatzleistung darstellt (für die keine Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden).

Neben den Gründen, die für eine Modifikation der Besteuerung des geldwerten Vorteils sprechen, soll-ten aber auch geprüft werden, inwieweit die Möglichkeisoll-ten des Vorsteuerabzugs der Umsatzsteuern für von Betrieben gekauften und zugelassenen Fahrzeugen modifiziert werden sollten. Die Regelungen zur Umsatzsteuer geben ebenfalls Anreize einen Pkw zunächst gewerblich zuzulassen. Ein Pkw kann dem Betriebsvermögen zugerechnet werden, wenn es nur 10 Prozent betrieblich genutzt wird. Der private Nutzungsanteil muss zwar auch von der/dem Unternehmensinhaber/in nach den hier berich-teten Verfahren versteuert werden, allerdings kann er – zumindest wenn die pauschale Besteuerung gewählt wird – die Betriebskosten des Pkw vollständig als Betriebsausgaben geltend machen. Dieck-mann et al. (2011) weisen nicht zuletzt darauf hin, dass die Einschätzung, ob eine Fahrt betrieblich oder privat erforderlich war, dem Betriebsinhaber überlassen wird und kaum kontrollierbar ist. Die Umsatzsteuer muss bei einem Weiterverkauf nur dann erhoben werden, wenn der Pkw jünger als 5 Jahre ist. In vielen Fällen wird es sich für Selbstständige daher lohnen, einen Pkw als Betriebseigentum zu erwerben; auch dies trägt zu dem hohen Anteil gewerblich zugelassener Pkw bei.

Schließlich wäre auch zu erwägen ob nicht zwischenzeitlich die technischen Gegebenheiten vorhanden wären, um private wie betriebliche Fahrten auch manipulationssicher elektronisch aufzuzeichnen und

161 die pauschale Besteuerung gänzlich aufzugeben. Den Dienstwagennutzer/innen könnte beispielsweise die Wahl zwischen dem papierbasierten und einem elektronischen Fahrtenbuch überlassen werden.

Mit einer einzelfahrtgenauen Versteuerung wäre es zwar aus steuerpolitischer Perspektive schwieri-ger Anreize für die Beschaffung von schadstoffärmeren Pkw zu geben. Dann würde der tatsächliche geldwerte Vorteil erfasst werden können, ganz unabhängig von der Größe oder der Antriebsart des Fahrzeugs. Eine Besserstellung von umweltfreundlichen Pkw oder auch eine Schlechterstellung von Pkw mit hohen Emissionen wäre schwieriger zu begründen als bei der hier vorgeschlagenen und un-tersuchten differenzierten Pauschalisierung. Ein Vorteil einer einzelfahrtgenauen Erfassung wäre al-lerdings, dass die Nutzer/innen einen unmittelbaren Anreiz hätten Verkehr zu vermeiden bzw. ggf.

andere umweltfreundlichere Verkehrsmittel zu wählen.

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Im Dokument 73/2016 (Seite 158-163)