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2.2 P HARMAKORESISTENZ

2.2.4 M ULTIDRUG -T RANSPORTER

Gegen eine Targetstrukturveränderung als Mechanismus für Pharmakoresistenz spricht, dass die meisten pharmakoresistenten Epilepsiepatienten eine Pharmakoresistenz gegenüber mehreren, wenn nicht allen Antiepileptika besitzen (Regesta und Tanganelli 1999). Es ist sogar so, dass Patienten, die auf eine Monotherapie mit einem Antiepileptikum nicht ansprechen, eine nur 13 %ige Chance haben, ihre Anfälle mit einem weiteren Antiepileptikum unter Kontrolle zu bringen, auch wenn dieses einen völlig anderen Wirkungsmechanismus besitzt (Brodie und Kwan 2002). Dieses Faktum spricht für unspezifische Mechanismen, die an der Ausprägung der Pharmakoresistenz von Epilepsien beteiligt sind.

Eine neue Hypothese lässt vermuten, dass trotz ausreichend therapeutischem Wirkstoffgehalt eines Antiepileptikums im Blut die Wirkstoffkonzentration im Bereich der pathophysiologisch bzw. pathomorphologisch veränderten Gehirnregion zu niedrig ist (Abb. 3; Multidrug-Transporter-Hypothese).

Seit 30 Jahren ist in der Krebsforschung bekannt, dass Pharmakoresistenz durch Multidrug-Transporter wie P-Glykoprotein (PGP) verursacht werden kann (Juliano &

Ling 1976). Auch in der Epilepsieforschung gibt es Hinweise, dass Multidrug-Transporter durch gesteigerte Expression an der Blut-Hirn-Schranke die Konzentration von Antiepileptika im Bereich des epileptischen Fokus beschränken und so zu einer Pharmakoresistenz von Epilepsien beitragen (Löscher und Potschka 2002).

Pharmakologische Wirkstoffe müssen die natürlichen Barrieren des Gehirns, die Blut-Hirn- und die Blut-Liquor-Schranke passieren können, um ins Gehirn zu gelangen. Die Bluthirnschranke weist mehrere Barrierefunktionen auf, wie Tight Junctions zwischen den Endothelzellen, das Fehlen transzellulärer Passagemöglichkeiten und einen Mangel an pinozytotischen Transportvesikeln (Abb.

2; Kandel et al. 2000; Lee et al., 2001). Die funktionelle Konsequenz hieraus ist, dass die Endothelien der Gehirnkapillare passiv wie eine Phospholipidmembran agieren

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und so die Penetration von großen, hydrophilen, polaren bzw. proteingebundenen Substanzen verhindern. Im Gegensatz hierzu können unpolare, nicht-geladene, kleine oder lipophile Wirkstoffe die Barriere per Diffusion passieren oder über ein Carrier-System transportiert werden (Spector 2000). Die Barrierefunktion wird höchstwahrscheinlich durch eine um die Endothelzellen gelegene Basalmembran und dieser direkt anliegenden astrozytären Fortsätze intensiviert (Abb. 2).

Diese anatomische Barriere wird neben auswärtsgerichteten, carrier-vermittelten Transportsystemen durch ein aktives Effluxtransportsystem funktionell verstärkt, das Substanzen unter Energieverbrauch zurück ins Blut transportiert (Lee et al. 2001; de Boer et al. 2003). Zu diesem Effluxtransportersystem werden bestimmte Vertreter der ABC-Superfamilie (ATP-binding cassette superfamily) gezählt, wie der Multidrug-Transporter P-Glykoprotein (PGP/ABCB1) und bestimmte Vertreter der MRP-Familie (multidrug resistance-associated protein family /ABCC-Familie) (Lee et al. 2001, de Boer et al. 2003).

Abb. 2: Darstellung des Aufbaus einer Kapillare im allgemeinen im Vergleich zu der Blut-Hirn-Schranke. In der Blut-Hirn-Schranke sind die zwei dargestellten Endothelzellen mittels Tight Junctions verbunden. Die Endothelzellen werden umgeben von einer Basalmembran und von astrozytären Fortsätzen. (modifiziert nach Kandel et al. 2000)

Bl B l ut u t- -H Hi ir r n- n -S Sc ch hr ra an nk ke e

Kapillare (allgemein) Kapillare (Gehirn)

Mitochondrien Basalmembran

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Während sowohl beim Menschen als auch beim Hund eine Isoform von PGP existiert, die eine Funktion als Multidrug-Transporter aufweist und kodiert wird durch das Gen MDR1, sind beim Nager hierfür zwei Isoformen bekannt, die von den zwei Genen mdr1a und mdr1b kodiert werden (Schinkel 1999; Mealey et al. 2001). Die Gewebsverteilung dieser Proteine lässt vermuten, dass die beiden Nager-PGP-Isoformen gemeinsam die gleiche Funktion innehaben, wie die einzelne des Menschen (Schinkel 1999). Der Multidrug-Transporter PGP befördert Substanzen wie ein Staubsauger („vacuum cleaner“) unter ATP-Verbrauch aus der Zelle (Gottesman und Pastan 1993). Eine andere Hypothese über den Transportmechanismus ist, dass PGP wie eine Flippase die Substanzen von der inneren Membran zur äußeren transportiert (Higgins und Gottesman 1992). Die Substanzen diffundieren erst vom Zytoplasma in die Phospholipidmembran und werden dann aktiv in den Extrazellulärraum transportiert. Die einzigen strukturellen Gemeinsamkeiten der transportierten Substanzen sind der hydrophobe Charakter, die planare Struktur und eine Molekülgröße von mehr als 400 Da (Schinkel 1999, Seelig et al. 2000).

Neben der Blut-Hirn- und der Blut-Liquor-Schranke wird PGP in verschiedenen Organen exprimiert, wie z.B. Niere, Leber und Darm (Fromm 2000). Die physiologische Funktion der Multidrug-Transporter in diesen Organen ist die Ausscheidung körpereigener Substanzen, aber auch die Exkretion von Fremdstoffen, womit sie auch eine Schutzfunktion darstellen (Jette et al. 1995). Die Schutzfunktion von PGP in der Blut-Hirn-Schranke wurde von Schinkel et al. (1996 und 1997) an mdr1a (-/-) bzw. mdr1a (-/-) und mdr1b (-/-) Knockout-Mäusen bestätigt. Er stellte fest, dass die Tiere verstärkt lipophile pharmakologische Substanzen (z.B.

Ivermectin) ins Gehirn aufnahmen und somit Anzeichen von Neurotoxizität aufwiesen. Auch beim Hund kommt es bei bestimmten Rassen, Collie und American Shepherd, aufgrund eines genetischen Defekts von MDR1 zu einer Ivermectin-Überempfindlichkeit (Mealey et al. 2001, Nelson et al. 2003).

Die genaue Lokalisation von PGP in der Blut-Hirn-Schranke wird in der Literatur

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kontrovers diskutiert (Schinkel 1999; Golden und Pardridge 2000). Pardridge et al.

(1997) berichteten, dass PGP in den Endfüßen der Astrozyten, die die Gehirnkapillaren umgeben, exprimiert wird. Die vorherrschende Meinung dagegen ist, dass PGP in der luminalen, apikalen Membran der Endothelzellen der Gehirnkapillaren lokalisiert ist (Abb. 3; Schinkel 1999).

Im normalen menschlichen Gehirn kann die PGP-Expression in der Blut-Hirn-Schranke immunhistochemisch detektiert werden, aber nicht im Gehirnparenchym, d.h. nicht in Astrozyten oder Neuronen (Tischler et al.1995; Sisodiya et al. 2002).

Dagegen wurde in epileptischen Gewebe eine Expression von PGP, sowohl in Astrozyten als auch in Neuronen gefunden (Sisodiya et al. 2002; Aronica et al. 2003).

Die Multidrug-Transporter der MRP-Familie kommen in neun Subtypen vor (MRP1-9) (Kruh & Belinsky, 2003). Gemäß einer neuen Nomenklatur wird die MRP-Familie inzwischen als ABCC-Familie bezeichnet. Zur ABCC-Familie wurden weitere Transporter eingeordnet, und sie umfasst im Moment 13 Transporter (ABCC1-13) (www.gene.ucl.ac.uk/nomenclature/genefamily/abc.html). Sie funktionieren wie organische Anionen-Transporter, können aber auch neutrale und kationische organische Substanzen durch Bindung an das Transportmolekül Glutathion transportieren (Borst et al. 1999).

PGP und Vertreter der MRP-Familie haben eine überlappende Substratspezifität, d.h. einige pharmakologische Substanzen werden von beiden Multidrug-Transporter-Familien transportiert (Borst et al. 1999; Seelig et al. 2000). Wie PGP sind einzelne Vertreter der MRP-Familie in mehreren Organen und Geweben sowie in der Blut-Hirn- und Blut-Liquor-Schranke exprimiert (Borst et al. 1999). Dabei sind einige Vertreter der MRP-Familie, wie MRP2, in der apikalen Zellmembran polarer Zellen lokalisiert, andere dagegen wie MRP1 und MRP5 in der basolateralen Zellmembran (Borst et al., 1999).

Aufgrund der Lokalisation von MRP2 in der apikalen bzw. luminalen Membran

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polarer Zellen in der Blut-Hirn-Schranke sowie in verschiedenen Organen und Geweben wird vermutet, dass dieser Transporter auch eine ähnlich protektive Rolle wie PGP besitzt (Borst et al. 1999; Miller et al. 2000). Im Gegensatz zu MRP2 wird bei MRP1 eine Expression primär in Astrozyten und in der Blut-Liquor-Schranke beschrieben (Regina et al. 1998; Wijnholds et al. 2000; Decleves et al. 2000). MRP1 kann die Gehirnkonzentration eines Stoffes über seine Funktion an der Blut-Liquor-Schranke beeinflussen (Wijnholds et al. 2000).

Neben den beiden genannten MRP-Vertretern wurde MRP5 in endothelialen Zellen von Gehirnkapillaren verschiedener Spezies nachgewiesen (Zhang et al. 2000;

Dombrowski et al. 2001). Die Bedeutung dieses Transporters für die Barrierefunktion der Blut-Hirn-Schranke ist jedoch aufgrund seiner basolateralen Lokalisation in Endothelzellen umstritten.

Die Bedeutung von Multidrug-Transportern, wie PGP und MRPs, für die intrinsische bzw. erworbene Kreuzresistenz gegenüber verschiedenen Chemotherapeutika wird in der Krebsforschung seit langem untersucht (Bredel 2001). Angeregt von diesen Untersuchungen und durch den Nachweis von Multidrug-Transportern in der Blut-Hirn- und Blut-Liquor-Schranke begannen verschiedene Arbeitsgruppen die Pharmakoresistenz-Untersuchungen auf neurologische Erkrankungen (z.B.

Epilepsie) auszuweiten.

Tishler et al. (1995) untersuchten erstmals die Expression des Multidrug-Resistance Gens (MDR1) an Gehirnresektionspräparaten von epileptischen Patienten. Die RNA von PGP war vermehrt vorhanden bei Patienten, die an einer therapieresistenten Epilepsie litten. Bestätigend zu diesen Ergebnissen wurde eine verstärkte immunhistochemische Expression von PGP in Astrozyten und in Endothelien der Gehirnkapillaren gefunden. Weitere Expressionsstudien von Multidrug-Transportern wurde von Sisodiya et al. (1999, 2001, 2002) an Gehirngewebe von pharmakoresistenten Epilepsiepatienten mit spezifischen neuropathologischen Befunden durchgeführt, wie Hippokampus-Sklerose, dysembryoplastische

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neuroepitheliale Tumore und fokale corticale Dysplasie. Sie fanden vor allem eine Überexpression von PGP in Astrozyten und von MRP1 in Astrozyten und dysplastischen Neuronen. Erst kürzlich konnte PGP auch in dysplastischen Neuronen im Gehirngewebe von Epilepsiepatienten mit fokaler corticaler Dysplasie bzw. Gangliogliomen beobachtet werden (Aronica et al. 2003).

Interessanterweise konnte jüngst die Gruppe von Janigro im Gewebe von pharmakoresistenten Epilepsiepatienten neben einer glialen PGP-Überexpression eine solche in „normalen“ Neuronen detektieren (Cucullo et al. 2003). Die Neurone sahen normal aus und hatten keine Anzeichen eines Zelltodes. In einer weiteren Studie konnte mittels Bestimmung des mRNA-Gehalts eine Hochregulation von PGP, MRP2 und MRP5 in Endothelzellen aus reseziertem Gewebe von Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie nachgewiesen werden (Dombrowski et al. 2001).

Zusammenfassend geben die Untersuchungen Hinweise auf eine Überexpression von Multidrug-Transportern in der Blut-Hirn-Schranke als auch im Parenchym des Gehirns bei pharmakoresistenten Epilepsiepatienten. In der Tabelle 1 sind die Daten zusammengefasst dargestellt.

Eine ungeklärte Frage bleibt jedoch, ob die Überexpression von MDR1 und seinem Produkt PGP im Gehirn von pharmakoresistenten Epilepsiepatienten durch Epilepsie, unkontrollierte Anfälle, eine chronische Behandlung mit Antiepileptika oder eine Kombination dieser Faktoren verursacht wird. Tiermodelle könnten helfen, die einzelnen Faktoren näher zu untersuchen. Eine Reihe von tierexperimentellen Studien haben bisher untersucht, ob Anfälle eine Überexpression von PGP induzieren können. Zhang et al. (1999) fanden nach mit Kainat ausgelösten Krämpfen eine Induktion der Expression von PGP in reaktiven Astrozyten des Hippokampus bei der Ratte. Die verstärkte Expression von PGP konnte noch nach zehn Wochen nachgewiesen werden. Rizzi et al. (2002) fanden nach einem mit Kainat induzierten SE bei Mäusen einen transienten Konzentrationsanstieg der mRNA von mdr1 im Hippokampus. Die Arbeitsgruppe Löscher konnte auch im

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Kainat-Modell bei der Ratte einen transienten Anstieg der PGP-Expression im Hippokampus und in anderen limbischen Gehirnregionen sowohl in parenchymalen Zellen als auch in Endothelien der Blut-Hirn-Schranke nachweisen (Seegers et al.

2000a). Ferner war bei Ratten mit spontanen Anfällen der mdr1 mRNA Gehalt im Hippokampus und im entorhinalen Cortex erhöht (Rizzi et al., 2002). Im Gegensatz

Überexpression von Multidrug-Transportern in menschlichem epileptogenem Gehirngewebe

Überexpression in

Transporter

Endothelzellen Astrozyten Neuronen

Literatur

(PGP/MDR1) + + + Tishler et al. 1995

Sisodiya et al. 1999, 2001 und 2002

Dombrowski et al. 2001 Aronica et al. 2003 Cucullo et al. 2003

MRP1 - + + Sisodiya et al 2001 und 2002

Dombrowski et al. 2001

MRP2 + ? ? Dombrowski et al. 2001

MRP5 + ? ? Dombrowski et al. 2001

Tabelle 1: Überexpression von Multidrug-Transportern in menschlichem epileptogenem Gehirngewebe von pharmakoresistenten Epilepsiepatienten. Dargestellt sind die Expressionsdaten einzelner Multidrug-Transporter (PGP, MRP1, MRP2, MRP5) hinsichtlich ihrer Lokalisation im Gehirn. „?“ = keine Daten vorhanden.

zu den SE-Modellen konnte in einem Tiermodell für komplex-fokale Anfälle, dem Amygdala-Kindling Modell keine langanhaltende PGP-Überexpression im Hippokampus oder in anderen limbischen Gehirnregionen ein bis zwei Wochen nach

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et al. 2000 b).

Eine subchronische Behandlung mit Phenytoin induzierte keine Hochregulation von PGP im Hippokampus oder in anderen limbischen Gehirnregionen (Seegers et al.

2000c). Bei einer subchronischen Therapie mit Phenobarbital konnte im piriformen und parietalen Cortex nur ein leichter Anstieg der Intensität der PGP-markierten Fläche detektiert werden (Seegers et al. 2000c). Offen bleibt, ob eine Kombination von Epilepsie bzw. unkontrollierter Anfälle und Pharmakotherapie eine Überexpression von PGP auslösen kann, die höher ist, als die Expression kurz nach einem Anfall. Erste Hinweise gibt es, dass sich diese genannten Faktoren synergistisch auf die PGP-Expression verhalten (Wang et al. 2003). Die genannten Autoren konnten in einem neuen Anfallsmodell zeigen, dass die PGP-Expression bei behandelten Tieren (Carbamazepin, Phenytoin, Valproinsäure) mit Anfällen höher war als bei unbehandelten.

Die Überexpression im epileptischen Fokus von pharmakoresistenten Epilepsiepatienten könnte, wie in Abbildung 3 schematisch dargestellt, funktionelle Konsequenzen auf die Antiepileptikakonzentration im Gehirn haben.

Es wird angenommen, dass es durch die Überexpression der Multidrug-Transporter PGP und MRP2 in der luminalen Membran der Endothelzellen im Bereich des epileptischen Fokus von pharmakoresistenten Epilepsiepatienten zu einem verstärkt gefäßlumenwärts gerichteten Transport der Antiepileptika kommen kann (Abb. 3B);

d.h. die Wirkstoffkonzentration ist im Bereich der epileptischen Neuronen reduziert und die Krampfentstehung und –ausbreitung kann ungehindert voranschreiten. Für diese Hypothese müssen Antiepileptika Substrate von Multidrug-Transportern sein.

Es wird jedoch angenommen, dass Antiepileptika relativ schwache Substrate der Multidrug-Transporter sind, da Substanzen, die von PGP sehr effizient transportiert werden, wie z.B. Ivermectin (s. oben), fast keine Gehirngängigkeit aufweisen (Schinkel 1999). Ferner liegt die Molekülgröße von Antiepileptika unter 400 Da, d.h.

Antiepileptika sind keine idealen Substrate von PGP. Die Annahme für die

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Transporter-Hypothese ist daher, dass es erst zu einer funktionell relevanten Reduktion der Antiepileptikakonzentration im Parenchym des Gehirns kommen kann, wenn Multidrug-Transporter im epileptischen Fokus überexprimiert sind.

Abb. 3: Darstellung der Multidrug-Transporter-Hypothese der Pharmakoresistenz von Epilepsien. In „A“ ist die Expression von Multidrug-Transportern (MDT) unter physiologischen Bedingungen abgebildet. Die lipophilen Antiepileptika diffundieren durch die Blut-Hirn-Schranke (Pfeile). „B“ zeigt eine Überexpression von MDTs sowohl in Endothelien als auch in Astrozyten und Neuronen im epileptischen Fokus von Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie. Im Gegensatz zu „A“ werden die zuvor diffundierten Antiepileptika aktiv gefäßlumenwärts mittels MDT transportiert. Es kommt zu einer Reduktion der Wirkstoffkonzentration im Parenchym des Gehirns. (modifiziert nach Löscher und Potschka 2002)

Ferner weisen pharmakoresistente Epilepsiepatienten bei gleicher Dosierung die gleichen gehirnbedingten Nebenwirkungen auf wie pharmakosensitive Patienten.

Dies ist ein weiterer Hinweis auf eine Überexpression ausschließlich im Bereich des epileptischen Fokus.

A

Expression von MDT (normal)

B

Überexpression von MDT

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Die Überexpression von PGP in Astrozyten wurde von Sisodiya et al. (2002) vor allem im Bereich der Gefäße nachgewiesen. Sie postulierten, dass die PGP-Expression in den astrozytären Fortsätzen eine zweite Barriere zusätzlich zu der Blut-Hirn-Schranke bildet und so zu einer Limitierung der Antiepileptikakonzentration beitragen könnte. Bei anfalls-induzierter Erhöhung der Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke könnte diese zweite Barriere zu einer Wiederherstellung der Barrierefunktion dienen (Löscher und Potschka 2002).

In Neuronen könnte eine Überexpression von Multidrug-Transportern in der Zellmembran zu einer Reduktion der Antiepileptikakonzentration im Zellinneren führen. Hierdurch könnte die Wirkung des Antiepileptikums an intrazellulären Zielstrukturen vermindert sein.

Verschiedene Antiepileptika werden von den Multidrug-Transportern PGP (Tabelle 2) und/oder von MRPs, wie MRP2, transportiert (Tabelle 3). Bisher werden mindestens drei Strategien zur Aufklärung des Transports der einzelnen Antiepileptika verwendet. Einerseits verwendet man spezifische Inhibitoren dieser Transporter, zum anderen Zelllinien mit Überexpression eines dieser Transporter oder transporter-defiziente Tiere (Mäuse bzw. Ratten).

Die Transporterhemmstoffe können in intrazerebralen Mikrodialyse-Studien freibeweglicher Nager benutzt werden. Hierfür wird den Tieren in jede Hemisphäre eine Mikrodialyse-Sonde implantiert. Die eine Sonde dient als Kontrollsonde, die nur mit einer Ringerlösung durchspült wird. Die Sonde in der anderen Hemisphäre wird zusätzlich mit einem Hemmstoff beladen. Das systemisch applizierte Antiepileptikum wird im Dialysat beider Sonden analysiert und die Konzentrationen miteinander verglichen.

Neben Zelllinien mit einer Überexpression von Multidrug-Transportern werden transporter-defiziente Nager verwendet. In der Literatur findet man vor allem den Einsatz von knock-out Mäusen, bei denen entweder eines oder mehrere dieser

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Transportermoleküle funktionell ausgeschaltet wurden. Zum anderen werden Nager-Mutanten verwendet, wie die MRP2-defiziente TR--Ratte (transporter-negative Ratte). Der TR--Ratte fehlt aufgrund eines natürlichen Gendefektes eine funktionelle Form von MRP2 (Paulusma et al. 1996). Die knock-out Mäuse bzw. die Nager-Mutanten werden hinsichtlich der Gehirngängigkeit der einzelnen Antiepileptika mit dem jeweiligen Hintergrundstamm verglichen.

Transport von Antiepileptika durch PGP

In-vivo In-vitro Antiepileptikum

Mikrodialyse (Inhibitoren)

KO-Mäuse Zellkultur Literatur Phenytoin

+ (+) +

Tishler et al. 1995 Schinkel et al. 1996 Potschka et al. 2001a Rizzi et al. 2002

Carbamazepin + (+) - Potschka et al. 2001b Owen et al. 2001

Phenobarbital + ? ? Potschka et al. 2002b

Lamotrigin + ? ? Potschka et al. 2002b

Felbamat + ? ? Potschka et al. 2002b

Topiramat ? + ? Sills et al. 2002

Levetiracetam - ? ? Potschka et al. 2004 Tabelle 2: Transport von Antiepileptika durch PGP. Neben In-vitro- sind auch In-Vivo-Daten dargestellt, die mit der Mikrodialyse-Technik an Nagern oder durch Knock-out Mäuse (KO-Mäuse) ermittelt wurden. (+)=Datenlage nicht eindeutig; „?“ = keine Daten vorhanden.

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Transport von Antiepileptika durch MRP

In-vivo In-vitro Antiepileptikum

Mikrodialyse (Inhibitoren)

TR- (MRP2-)

Ratten Zellkultur Literatur

Phenytoin + + ? Potschka et al. 2001c

Potschka et al. 2003a

Carbamazepin + (+) ? Potschka et al. 2001b Potschka et al. 2003b

Phenobarbital - - ? Potschka et al. 2003a

Valproinsäure + ? + Frey und Löscher 1978

Huai-Yun et al. 1998 Scism et al. 1999

Lamotrigin ? - ? Potschka et al. 2003b

Felbamat ? - ? Potschka et al. 2003b

Levetiracetam - ? ? Potschka et al. 2004

Tabelle 3: Transport von Antiepileptika durch MRP. Dargestellt sind In-vitro- und In-Vivo-Daten im Vergleich zueinander. Für die Gewinnung der In-Vivo-Daten wurde einerseits die Mikrodialyse-Technik an Nagern und andererseits MRP2-defiziente Ratten verwendet.

(+)=Datenlage nicht eindeutig; „?“ = keine Daten vorhanden.

Die Multidrug-Transporter-Hypothese könnte ebenso für die Tiermedizin eine Erklärung für die in der Klinik auftretenden pharmakoresistenten Epilepsiepatienten (Hund und Katze) sein. Bisher gibt es an diesen Tierarten noch keine Expressionsstudien an epileptischem Gewebe.