• Keine Ergebnisse gefunden

Seminaren: Geschlechterverhältnisse in der Bildungsar- Bildungsar-beit der IG Metall

4. Möglichkeiten gemeinsamen Lernens

Die implizite Behauptung der Irrelevanz von Geschlechterfragen ist den Seminaren schon vorgängig, sie ist Bestandteil der Organisation. Sie wird jedoch in den Seminaren reproduziert und verlängert, und auf der Bildungsarbeit liegt die Last, diese Ausgrenzung zumindest für ihren Bereich und vorläufig auch gegen die Organisationskultur zu durchbrechen.

Die TeilnehmerInnen selber, Männer und in der Regel auch Frauen, drängen nur selten auf die Thematisierung von Geschlechterfragen, und Frauen thematisieren nur selten geschlechtsspezifische Wirklichkeiten. Das „2. Seminar“ weist jedoch darauf hin, daß dennoch Problemdruck besteht. Die TeamerInnen haben die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, daß dieser auch im „1. Seminar“ leichter zu einem gemeinsamen Lerngegenstand werden kann. Unfruchtbar wäre, die Thematisierung von Ge-schlechterfragen zu verordnen: Dagegen spricht nicht nur ganz allgemein das

Prinzip der TeilnehmerInnenorientierung (wenn dieses Prinzip allerdings nur für Geschlechterfragen reklamiert wird, ist es nicht mehr als ein Alibi!), sondern auch, daß damit eher Widerstand als offenes Interesse hervorgerufen wird. Welche Wirklichkeiten die TeilnehmerInnen ins Seminar bringen wollen, bleibt immer ihnen überlassen.

Damit sind die TeamerInnen jedoch nicht aus der Verantwortung; sie haben die Möglichkeit, Räume zu öffnen.

– Als erstes möchte ich ein Unterlassungsgebot geltend machen: Teamer müssen sich der Einbindung in sexistische Männerbündnisse, der Beteiligung an sexisti-schen Verhaltensweisen entziehen; ansonsten werden Räume für Frauen und für eine aufklärende Befassung mit Geschlechterfragen nachdrücklich geschlossen.

– Wenn TeilnehmerInnen Geschlechterfragen ansprechen, sollten sie von den TeamerInnen unterstützt werden.

– TeamerInnen können unaufdringlich, aber bewußt Signale setzen, daß sie an Geschlechterfragen und Wirklichkeiten von Frauen interessiert sind. Lippenbe-kenntnisse reichen da allerdings nicht aus, die erkennen die TeilnehmerInnen sehr schnell.

– TeamerInnen können ihre Theorie- und Deutungsangebote, Arbeitsmaterialien etc. auf ihre geschlechtlichen Implikationen, auf Ausgrenzungen, auf Übergewich-te der Repräsentanz männlicher WirklichkeiÜbergewich-ten hin überprüfen und verändern. Das wird nicht nach dem Prinzip „Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht naß“

gehen, da die Ausgrenzung von Geschlechterfragen gerade auch die „Herzstücke“

der Bildungsarbeit/des gewerkschaftlichen Selbstverständnisses trifft.

– Es muß sich nicht immer und zwangsläufig die gesamte Seminargruppe mit allen verschiedenen Wirklichkeiten befassen. Damit mehr Teilnehmerinnen und auch Teilnehmer zum Zuge kommen, könnte häufiger phasenweise in eventuell semi-narübergreifenden Kleinstgruppen zu Themen gearbeitet werden, an denen nur wenige interessiert sind.

– Die in der Forschungsleitfrage anvisierte Reflexion der Seminarwirklichkeit (The-men, Methoden und Verlauf des Seminars, soziale Beziehungen, Interaktionen) ist in einigen Seminaren schon wichtiger Bestandteil, der von den TeilnehmerInnen positiv aufgenommen wird. Das Hier und Jetzt des Seminars: das sind die „Vis-à-vis-Situationen“ (17), deren Wirklichkeit nicht erst ins Seminar geholt werden muß und die hier und jetzt Gegenstand gemeinsamen Lernens werden können. So wurde in einem von uns beobachteten Seminar die Befassung mit der Benachteili-gung von Frauen erheblich dichter, als eine Teilnehmerin sexistische Verhaltens-weisen im Seminar thematisierte.

Anmerkungen

(1) Weischer, Christoph: Warum ist es so schwer, das Geschlechterverhältnis zum Ge-genstand eines grundbildenden Seminares zu machen? Unveröff. Manuskript, 1993 (2) Das gemeinsame „nachträgliche laute Denken“ von LehrerInnen und BeobachterInnen,

das ebenfalls vorgesehen war, ist nur in wenigen Fällen gelungen. In acht Workshops und vielen Besprechungen waren die LehrerInnen immer wieder an der Forschungsarbeit beteiligt. Im Laufe des Projektes erschienen in einer Projekt-Reihe Materialien und Infos.

Das Projekt endet nach dreijähriger Arbeit im August dieses Jahres. Die Ergebnisse sollen gegen Ende 1994 in mehreren Heften veröffentlicht werden. Der Projektschwerpunkt

„Geschlechterverhältnisse“ wird jedoch von mir im Rahmen einer Dissertation noch weitergeführt.

(3) Zu den Wirklichkeiten, ihrer Produktion und Logik, ihrem Weg ins Seminar und ihrem Verschwinden daraus vgl.: Wienold, Hanns: Bildungsarbeit zwischen Alltagsgeschichten und Theoriediskurs. In: Richert, Jochen (Hrsg.): Subjekt und Organisation. Neuorientie-rung gewerkschaftlicher Bildungsarbeit. Münster 1994

(4) Die Namen sind hier und im folgenden anonymisiert.

(5) Vgl. Der „Methoden-Workshop“ in Lohr, BiMetall Projektinfo Nr. 2, Juli 1993

(6) Allgemein fällt auf, daß nur wenige Teilnehmerinnen – anders als Teilnehmer – Kinder in betreuungsintensivem Alter haben.

(7) Ausführlicher: Hovestadt, Gertrud: „Als Arbeiterin hast du es leichter.“ BiMetall Projektma-terialien Nr. 13

(8) Vgl. u.a.: Brehmer, Ilse (Hrsg.): Sexismus in der Schule. Der heimliche Lehrplan der Frauendiskriminierung. Weinheim, Basel 1982

(9) Bovenschen, Silvia: Die imaginierte Wirklichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen. Frankfurt/M.

1979, S. 21. Hervorh. im Org.

(10) Eine weitergehende feministische Kritik an der Verwendung ökonomischer Theorien in der Gewerkschaft leistet Kurz-Scherf, Ingrid: Fragen an eine Kritik der politischen Ökonomie der Arbeit. In: Das Argument 199, Heft 3/1993

(11) Wie weitreichend die Ausgrenzung von Geschlechterfragen aus dem Themenkanon der Grundbildung ist, wurde mir in einem Interview deutlich: Eine in der IG Metall frauenpoli-tisch aktive Teilnehmerin war verblüfft über meine Frage, ob in einem der von ihr besuchten Grundlagenseminare schon einmal über Lohndiskriminierung, Doppelbelastung etc.

gesprochen worden sei: Daß man das tun könnte, darauf war sie noch nie gekommen.

(Wenngleich es durchaus Seminare gibt, in denen das der Fall ist.)

(12) Hedda Heuser, zit. nach: Nave-Herz, Rosemarie: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland. Hannover 1989, S. 65

(13) Hovestadt, Gertrud: Als Frau in einer Männergesellschaft. BiMetall Projektmaterialien Nr.5 (14) Willis, Paul: Spaß am Widerstand. Frankfurt/M. 1979

(15) Hovestadt, Gertrud: Geschlechterverhältnisse und Selbstaufklärung. BiMetall Pro-jektmaterialien Nr.7

(16) Die Beschreibung, Bedeutung und Bewältigung dieser Kommunikationsschwierigkeiten in der Öffentlichkeit des Seminars ist ein weiterer Forschungsaspekt, der hier aber nicht weiter ausgeführt werden kann.

(17) Berger, Peter L./Luckmann, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit.

Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt/M. 1980

Karin Derichs-Kunstmann

„Im Betrieb müssen Männer und Frauen doch auch