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2.2 Ovulationsinduzierende Effekte des Seminalplasmas

2.2.2 Lokal vermittelte Effekte

Seit langer Zeit werden dem Seminalplasma neben der Ernährungs- und Transport-funktion für Spermien außerdem modulatorische Auswirkungen auf den weiblichen Genitaltrakt zugeschrieben. Der interessanteste Effekt ist dabei die Vorverlegung der Ovulation nach Seminalplasmakontakt des Uterus.

Aus einer hannoverschen Arbeitsgruppe erschienen im Jahr 1990 mehrere Veröffent-lichungen zur Ovulationsvorverlegung bei der Sau durch Seminalplasma (WEITZE et al. 1990 a, b, c). Einige Teile dieser Studien wurden durchgeführt, bevor WEITZE et al. 1989 die transkutane Ovarkontrolle mittels Ultraschall an der stehenden Sau etab-lierten. WEITZE et al. (1990 a) bedienten sich deshalb zur Berechnung des Ovulati-onszeitpunktes vorerst der von HUNTER (1974) ermittelten embryonalen Teilungs-stadien, durch die auf den Eizellaktivierungszeitpunkt geschlossen werden kann.

In einem ersten Versuchsansatz konnten WEITZE et al. (1990 a) nachweisen, dass eine künstliche Besamung nach intrauteriner Vorbehandlung mit Seminalplasma den Anteil befruchteter Eizellen von 63 % (Vorbehandlung mit Verdünnermedium) auf 95 % verbessern kann. Ebenso wurde die Zeit zwischen der künstlichen Besamung und der Ovulation um 12,9 h verkürzt, wenn eine Vorbehandlung mit Seminalplasma erfolgt war. In einem weiteren Ansatz wurden 22 Jungsauen über drei spontane Zyk-len je 120 ml Seminalplasma, Östrogenlösung (5 µg Östradiol 17-ß, 4,5 µg Östron-sulfat, 2 µg Östron) oder PBS intrauterin appliziert. Der vierte Zyklus diente jeweils als unbehandelter Kontrollzyklus. Jede der drei Applikationen führte zu einer signifi-kanten Verkürzung des Intervalls Brunstbeginn – Ovulation im Vergleich zum Kon-trollzyklus (44,5 h ± 4,8 h). Dabei war die Verkürzung durch Seminalplasma (30,1 h ±

7,4 h) am stärksten ausgeprägt und wiederum signifikant gegenüber der Verkürzung durch Östrogene (36,0 h ± 7,6 h) und PBS (37,6 h ± 9,6 h) (WEITZE et al. 1990 a).

Die zweite Veröffentlichung von WEITZE et al. (1990 b) vergleicht künstliche Besa-mungen unter Verwendung von je 500 Milliarden Spermien in 60 ml Seminalplasma, Östrogenlösung (5 µg Östradiol 17-ß, 4,5 µg Östronsulfat, 2 µg Östron) oder Andro-hep™ (kommerzieller Samenverdünner). 66,7 % der Sauen, die eine seminalplas-mahaltige Besamungsportion erhalten hatten, ovulierten innerhalb von 12 h nach Be-samung. Dies traf nur auf je 38,9 % der Sauen aus der Östrogen – / Androhep™ – Gruppe zu. Bei der Schlachtung innerhalb von zwei bis drei Tagen nach Östrusende konnte in der Seminalplasma – Gruppe der größte Anteil normal entwickelter Embry-onen ermittelt werden: 85,2 % im Vergleich zu 74,5 % nach Besamung mit Spermien in Östrogenlösung und 53,6 % nach Verwendung des kommerziellen Samenverdün-ners (WEITZE et al. 1990 b).

In der dritten Studie des gleichen Jahres berichten WEITZE et al. (1990 c) wiederum von einer Vorverlegung der Ovulation nach intrauteriner Seminalplasmaapplikation um 10,2 bis 14,4 h im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe. Außerdem zeig-ten sie, dass die Behandlung sowohl zum Zeitpunkt des Östrusbeginns, als auch 16 h später einen ovulationsvorverlegenden Effekt hat. Die Dauer der Gesamtrau-sche war bei Sauen, die Seminalplasma erhielten, signifikant kürzer als in der unbe-handelten Kontrollgruppe (50,9 h bzw. 59,0 h) (WEITZE et al. 1990 c).

Weitere Projekte, deren Ergebnisse als Dissertationen vorliegen, bestätigen die ovu-lationsvorverlegenden Effekte des Seminalplasmas in unterschiedlichem Ausmaß (NIEMANN 1991, WILKENS 1991, WAGNER – RIETSCHEL 1991).

Bis dato wurde angenommen, dass das im Seminalplasma enthaltene Östrogen der tragende Mechanismus dieser Ovulationsbeschleunigung sei. Man vermutete eine östrogengesteuerte Prostaglandinfreisetzung, die sich mit den Prostaglandinen im Follikelinneren addierte (CLAUS et al. 1987). Diese Hypothese wurde bald erweitert, indem WEITZE et al. (1990 a, b, c) postulieren, dass neben dem Östrogen eine wei-tere Substanz im Seminalplasma enthalten sein muss, die die Ovulationsauslösung

In einer umfangreichen Studie zur Eingrenzung dieser Substanz führten daraufhin WABERSKI et al. (1995) Besamungen mit unterschiedlichen Behandlungslösungen durch. In dieser Studie bildete jede Sau eine interne Referenz: Unter Anwendung des Mariensee – Modells (JUNGBLUT et al. 1991) wurde ein Uterushorn chirurgisch vom Corpus uteri getrennt. Dieses Horn hatte demzufolge keinen Kontakt zur transzervi-kal infundierten Lösung. Die ultraschallgeleitete Ovulationsbestimmung erfolgte an beiden Ovarien einzeln. So konnte der Effekt der applizierten Substanzen durch die Differenz des Ovulationszeitpunktes der Ovarien berechnet werden (Tabelle 1).

Tabelle 1: Effekte einer intrauterinen Applikation unterschiedlicher Lösungen auf den Ovu-lationszeitpunkt, mod. nach WABERSKI et al. 1995

Infusionslösung OVV MW* (h) OVV SD** (h)

SP 10,7a 2,4

Aktivkohlebehandeltes SP 7,3b 1,0

Aktivkohlebehandeltes SP + 10 µg Oestradiol 10,0a 1,8

10 µg Oestradiol in PBS 3,3c 1,6

7,8 µg Oestronsulfat in PBS 250 µg PGF in PBS

Aktivkohlebehandeltes SP 1 – 10 kDa 5,3e 1,6

Aktivkohlebehandeltes SP < 1 kDa

Aktivkohlebehandeltes SP 1 – 10 kDa, pronasebehandelt

0,0d 0,0d

0,0 0,0 OVV: Ovulationsvorverlegung SP: Seminalplasma PBS: Kontrolllösung

* Mittelwert der Differenz der Ovulationszeitpunkte rechtes Ovar linkes Ovar

** Standardabweichung der Differenz der Ovulationszeitpunkte rechtes Ovar – linkes Ovar

a – e

Angaben mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich statistisch signifikant (p < 0,05)

Die Autoren entnehmen diesen Ergebnissen, dass eine nichtsteroidale, pronasesen-sitive Substanz mit einer Molekülmasse von 1 – 10 kDa die Schlüsselrolle bei der Ovulationsvorverlegung spielt.

Außerdem kann mit dem Versuchsdesign belegt werden, dass es sich um einen lo-kalen – also unilateralen – Effekt handelt, der direkt zwischen Uterushorn und ipsila-teralem Ovar vermittelt wird. Das LH – Profil im peripheren Blut seminalplasmabe-handelter Sauen verändert sich nicht gegenüber jenen, die eine PBS – Infusion er-hielten. Verkürzt wird jedoch das Intervall zwischen LH – Peak und Ovulation auf dem dem behandelten Uterushorn anliegenden Ovar (WABERSKI et al. 1997).

Aus der gleichen Arbeitsgruppe stammt eine weitere Studie, die ebenfalls auf der Grundlage des Mariensee – Modells durchgeführt wurde (HAHN 1998). Neben aktiv-kohlebehandeltem Seminalplasma mit unterschiedlichen Molekülmassen wurden u.

A. Relaxin (200 ng bzw. 2000 ng) und ein GnRH – Analogon (Buserelin, 4 µg) einge-setzt. Beide Substanzen zeigten nach intrauteriner Applikation keinen Einfluss auf den Ovulationszeitpunkt. Des Weiteren wurden Effekte der Seminalplasmaapplikati-on unmittelbar, 16 h und 24 h nach Brunstfeststellung untersucht. Das Intervall zwi-schen Ovulation auf dem unilateral zum behandelten Horn liegenden Ovar und der ipsilateralen Kontrollseite verkürzte sich von 8,7 h (± 2,0 h) auf 4,6 h (± 3,8 h) nach 16 h. Nach 24 h war keine Ovulationsauslösung mehr feststellbar. Die Autoren schlussfolgern, dass der Behandlungszeitpunkt eine bedeutende Rolle spielt: eine ovulationsvorverlegende Wirkung ist nur zu erwarten, wenn die Seminalplasmaappli-kation mindestens 20 h vor der spontanen Ovulation erfolgt. Je länger dabei das In-tervall Brunstfeststellung – Ovulation auf dem Kontrollovar ist, desto ausgeprägter ist der ovulationsvorverlegende Effekt. Bei einem Intervall von ≤ 20 h ist davon auszu-gehen, dass keine Ovulationsvorverlegung ausgelöst werden kann, wohingegen bei Intervallen von ≥ 28 h immer ein Effekt nachweisbar ist (HAHN 1998).

Für weiterführende Erkenntniss der Effekte des Seminalplasmas auf die Ovarfunktion führte eine australische Arbeitsgruppe (O`LEARY et al. 2006) Versuche an synchro-nisierten Jungsauen durch. Die Tiere wurden 34 h nach transzervikaler Behandlung mit Seminalplasma bzw. PBS geschlachtet. Dem Synchronisationsprotokoll zufolge befanden sie sich zu diesem Zeitpunkt etwa sechs Stunden prae ovulationem. Eine statistisch abgesicherte Vorverlegung der Ovulation durch Seminalplasma konnten

Seminalplasmakontakt weiter fortgeschritten war: 97 % (± 2,4 %) der Eizellen befan-den sich 36 h nach Behandlung mit Seminalplasma in der Metaphase II. Gleiches traf nur auf 84 % (± 10,4 %) der Eizellen nach Behandlung mit PBS zu.

Eine zweite Tiergruppe wurde fünf bzw. neun Tage nach der Behandlung geschlach-tet. Beurteilt wurden unter anderem die Anzahl und das Gewicht der Corpora lutea.

Außerdem wurden von Tieren beider Behandlungsgruppen Hormonprofile erstellt.

Das signifikant höhere Gewicht der Corpora lutea nach Seminalplasmakontakt des Uterus resultierte in signifikant höheren Progesteronwerten im peripheren Blut an den Tagen fünf und neun nach der Behandlung. O`LEARY et al. (2006) waren damit die ersten, die die Effekte des Seminalplasmas auf das Ovar auf die Zeit nach der Ovulation ausweiteten. Sie sehen darin eine Erklärung für die zuvor beschriebene Erhöhung der Anzahl lebendiger Embryonen (O`LEARY et al. 2004), reduzierte emb-ryonale Sterblichkeit und die gleichmäßigere Embemb-ryonalentwicklung (WABERSKI et al. 1997) durch Seminalplasma. Die Isolierung dieser Substanz (WABERSKI et al.

1995) und die Ausnutzung seiner Wirkung in der angewandten Reproduktionsmedi-zin hat daher nach Ansicht der Autoren äußerste Wichtigkeit (O`LEARY et al. 2004).