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4. Diskussion

4.4 Limitationen

4.4 Limitationen

4.4.1 Limitationen des retrospektiven Studiendesigns

Aufgrund ihres retrospektiven Charakters war diese Studie einer Reihe von Limitationen unterworfen. Zunächst ist ein Selektionsbias nicht ausgeschlossen, denn die Patienten wurden nur mit einer bestimmten Auswahl an ICD-10 Schlüsseln durch das SAP identifiziert.

Des Weiteren ist die Erhebung von Informationen aus Patientenakten im Allgemeinen störanfällig, da diese Dokumentationsfehler und Informationslücken aufweisen können. Bei der Übertragung der Informationen aus den Akten sowie bei der Digitalisierung sind Übertragungsfehler zudem nicht vollständig auszuschließen.

Der Nachweis ursächlicher Kausalzusammenhänge ist aufgrund des retrospektiven Charakters der Arbeit schwierig, das Vorliegen möglicher Confounder kann nicht sicher ausgeschlossen werden. Das bedeutet, dass fremde Faktoren, welche in dieser Studie keine Rücksicht fanden, die Ergebnisse in einer bedeutenden Weise beeinflusst und verfälscht haben könnten.

4.4.2 Limitationen der Kohorte

Die Qualität der Kohorte ist vorrangig durch die Heterogenität des Patientenkollektivs limitiert. Viele Patienten hatten begleitende Komorbiditäten und waren somit oft auch wegen anderer Diagnosen an der Charité in Behandlung, z. B. Neurofibromatose 1 oder Epilepsie. Für manche Patienten standen die Begleitdiagnosen und die damit verbundenen Beeinträchtigungen in der Diagnostik und Therapie im Vordergrund. Dies erschwert die Vergleichbarkeit des Patientenkollektivs, da bei diesen Patienten die Behandlung der Kopfschmerzen unter Umständen nicht so ausführlich oder mit einem anderen Fokus dokumentiert wurde. Einige Patienten wurden aus diesem Grund auch aus der Studie ausgeschlossen (siehe Methoden). Dieses Vorgehen konnte jedoch nicht bei allen Patienten mit begleitenden Komorbiditäten angewandt werden, da deren Anteil mit 72% den Großteil der Kohorte ausmacht.

Die Heterogenität der Kohorte ergibt sich unter anderem auch aus der uneinheitlichen Erhebung der Kopfschmerz-Anamnese. Zur Erhebung der benötigten Daten wurden Kopfschmerzfragebögen, ärztliche Verlaufsberichte sowie Angaben mitbehandelnder Psychologen und Physiotherapeuten verwendet.

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Auch muss man bedenken, dass nicht alle Patienten gleichermaßen von ihren Eltern in den Sprechstunden begleitet wurden, was ebenfalls zu Unterschieden in der Dokumentation geführt haben könnte. Wie oben bereits erwähnt schätzen Eltern die Schmerzstärke Ihrer Kinder häufig zu niedrig ein88. Da vor allem kleine Kinder Schmerzen im Vergleich zu einem Jugendlichen oder Erwachsenen nicht artikulieren können bzw. diese anders ausdrücken, ist eine Vergleichbarkeit für das gesamte Patientenkollektiv schwierig herzustellen.

Fraglich ist auch, wie repräsentativ die Stichprobe für die Gesamtbevölkerung ist. Ein gelungenes Beispiel für eine repräsentative Querschnittserhebung im Kindes- und Jugendalter wäre im Vergleich die KiGGS-Studie89 des Robert Koch-Instituts. Hier wurden durch einen Zufallsalgorithmus Patienten zwischen 0-17 Jahren aus ganz Deutschland über die Einwohnermeldeämter ausgewählt, um ein bundesweit vergleichbares Gesundheitsmonitoring zu vollziehen. Im Gegensatz dazu wurden für die hier vorliegende Arbeit Patienten in der spezialisierten Kopfschmerzsprechstunde eines einzelnen Krankenhauses rekrutiert. Es kann daher sein, dass in unserer Kohorte die Patienten im Vergleich zu einem durchschnittlichen Kopfschmerzpatienten schwerer betroffen waren. Es ist anzunehmen, dass ein Patient vor der Konsultation einer spezialisierten Sprechstunde bereits eine Reihe anderer Therapieversuche (Behandlung in Eigenregie, Hausarzt) durchlaufen hat. Somit können unsere Ergebnisse nicht sicher als repräsentativ für die Gesamtbevölkerung betrachtet werden.

4.4.3 Limitationen der Datenerhebung

Eine Limitation dieser Studie ist die unzureichende Abstimmung der Dokumentation von Alter und Gewicht der Patienten auf die Dosierung der Medikamente. Im Datenerfassungsbogen wurden das Alter der Patienten und die Perzentilen einschließlich Gewicht, Körpergröße und Kopfumfang aufgeführt. Einheitlich wurden diese Daten jedoch nur für die Vorstellung der Patienten im Jahr 2017 erhoben. Diese Vorstellung musste jedoch nicht zwangsläufig die Erstvorstellung sein, es konnte sich dabei auch um eine Verlaufsvorstellung handeln. Da bei Kindern und Jugendlichen eine Dokumentation der Perzentilen in der Regel bei jeder Aufnahmeuntersuchung an der Charité erfolgt, handelt es sich hierbei um einen Planungsfehler des Erfassungsbogens, dass das Alter und Gewicht für den Zeitpunkt der Erstvorstellung nicht gezielt erhoben wurden. Kritisch betrachtet wäre dies jedoch sehr sinnvoll

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gewesen, um die Perzentilen in Bezug auf die Höhe der Medikamentendosierungen zu setzen. Diese Art der Angabe (Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht) findet auch in der deutschen Leitlinie für die Therapie von Kopfscherzen bei Kindern und Jugendlichen Anwendung26. Für eine Follow-up-Studie empfehlen wir deshalb, auf diese Werte besondere Rücksicht zu nehmen, um eventuell zu niedrige oder zu hohe Dosierungen noch exakter festhalten zu können. Dennoch konnte die vorliegende Studie generelle Tendenzen anhand der Zu- bzw. Abnahme der Medikamentendosierung bzw. der Anzahl medikamentös behandelter Patienten aufzeigen.

Ebenso wäre eine genauere Erhebung der Veränderung der Stärke und Dauer der Kopfschmerzen nach Therapie sinnvoll gewesen. Die Dauer der Kopfschmerzen hätte zur besseren Veranschaulichung in Minuten bzw. Stunden und die Kopfschmerzstärke nach Werten auf der numerischen Schmerzskala festgehalten werden können. Da in den Patientenakten bei letzter Vorstellung jedoch meist keine numerischen Angaben gemacht wurden, sondern lediglich beschrieben wurde, wie sich die Kopfschmerzen entwickelt hatten, wurde im Erfassungsbogen auf eine allgemeinere Beschreibung des Outcomes zurückgegriffen. Bei einer prospektiv geplanten Studie könnte eine detailliertere Datenerhebung zum Outcome von vornherein geplant werden, z. B. in Form eines Fragebogens. Darin könnten Parameter wie Schulfehltage, Schmerzstärke und Kopfschmerzfrequenz detailliert, einheitlich und vergleichbar erfasst werden.

Ferner hätte der Zeitpunkt der Einnahme der Medikamente vor und nach der Erstvorstellung am SPZ besser dokumentiert werden können. Anhand des Erfassungsbogens wurde zwar festgehalten, welche Medikamente vor der Erstvorstellung bisher gegen die Kopfschmerzen zum Einsatz kamen, jedoch nicht, wie lange diese schon eingenommen wurden. Ebenso hätte für eine Vergleichbarkeit der Medikation im Behandlungsverlauf für alle Patienten ein einheitlicher Zeitpunkt festgesetzt werden können, beispielsweise 6 Monate nach Therapiebeginn am SPZ.

Im Rahmen einer prospektiven Studie ließe sich ein einheitlicher Follow-up Termin leicht festsetzen. Da die Datenerhebung aus dem Routinebetrieb des SPZ erfolgte, wurde jedoch unterschiedliche Kontrollintervalle ausschließlich nach klinischen Gesichtspunkten festgelegt.

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Schlussendlich wurde in dieser Studie nicht erhoben, von wem vor dem Zeitpunkt der Erstvorstellung Medikamente verschrieben bzw. verabreicht wurden. In den Akten waren hierzu jedoch meist keine genauen Angaben zu finden. Im Falle einer Unterdosierung der Medikamente wäre es für eine prospektive Studie vorteilhaft herauszufinden, von wem die mangelhafte Dosierung ausgeht.

Trotz aller beschriebene Limitationen kann diese Arbeit mit ihren umfangreichen Ergebnissen einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Kopfschmerzen von Kindern und Jugendlichen leisten.

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