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Aus der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Neurologie der Medizinischen Fakultät Charité - Universitätsmedizin Berlin DISSERTATION

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Aus der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Neurologie der Medizinischen Fakultät Charité - Universitätsmedizin Berlin

DISSERTATION

Therapeutisches Management von Kindern und Jugendlichen mit Kopfschmerzen - eine explorative retrospektive Analyse

zur Erlangung des akademischen Grades Doctor medicinae (Dr. med.)

vorgelegt der Medizinischen Fakultät Charité - Universitätsmedizin Berlin

von Anne Charlotte Reindl aus Fürth, Bayern

Datum der Promotion: 05.03.2021

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Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ... 4

Tabellenverzeichnis ... 4

Abkürzungsverzeichnis ... 5

Abstrakt (Deutsch) ... 6

Abstract (English) ... 7

1. Einleitung ... 8

1.1 Epidemiologie ... 8

1.2 Diagnostik... 8

1.3 Klassifikation ... 9

1.4 Therapie ... 10

1.5 Fragestellung………11

2. Methoden ... 12

2.1 Ein- und Ausschlusskriterien ... 12

2.2 Datenerhebung ... 13

2.3 Statistische Auswertung ... 14

2.4 Ethikvotum und Datenschutz……….15

3. Ergebnisse ... 16

3.1 Beschreibung der Kohorte ... 16

3.2 Einteilung der Kopfschmerzstärken ... 17

3.3 Kopfschmerzdiagnosen ... 19

3.4 Komorbiditäten ... 20

3.5 Genetische, geburts- und entwicklungsgeschichtliche Einflussfaktoren ... 22

3.6 Zeitspanne der Kopfschmerzen vor Therapie... 23

3.7 Charakterisierung der Kopfschmerzen vor Therapie ... 24

3.8 Kopfschmerztherapie ... 25

3.8.1 Nicht-pharmakologische Behandlung ... 25

3.8.2 Pharmakologische Behandlung ... 27

3.9 Therapieerfolg ... 31

4. Diskussion ... 34

4.1 Kohorte und möglicher Einfluss der Genese und der Komorbiditäten ... 34

auf die Behandlung primärer Kopfschmerzen ... 34

4.2 Bedeutung medikamentöser und nicht-medikamentöser Therapien ... 38

4.3 Konklusion ... 43

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3

4.4 Limitationen ... 44

4.4.1 Limitationen des retrospektiven Studiendesigns ... 44

4.4.2 Limitationen der Kohorte ... 44

4.4.3 Limitationen der Datenerhebung ... 45

4.5. Ausblick ... 48

5. Literaturverzeichnis... 49

Anhang ... 54

Datenerfassungsbogen ... 65

Eidesstattliche Erklärung ... 73

Lebenslauf ... 74

Danksagung ... 75

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Alter der Patienten zum Zeitpunkt der Studie ………....…………..16

Abbildung 2 Häufigkeit der Kopfschmerzstärken in der Kohorte ……….………17

Abbildung 3 Häufigkeit der Kopfschmerzdiagnosen in der Kohorte …….….………….19

Abbildung 4 Häufigkeit der Komorbiditäten in der Kohorte ...…………..………..……..20

Abbildung 5 Zeitspanne der Kopfschmerzen und Kopfschmerzstärke …………..…..23

Abbildung 6 Nicht-medikamentöse Begleittherapien ………..…………....…….25

Abbildung 7 Häufigkeit der pharmakologisch behandelten Patienten...……….27

Abbildung 8 Anzahl der ausprobierten Wirkstoffe ………..………..28

Abbildung 9 Häufigkeit der verwendeten Wirkstoffe ………..………..29

Abbildung 10 Outcome ………..………..……….………32

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Übersicht über allgemein erhobene Daten ………..……….54

Tabelle 2 Übersicht über Daten zur Therapie ………55

Tabelle 3 Übersicht über Daten zur Diagnostik und soziokulturellen Determinanten ..55

Tabelle 4 Dosierungen der eingesetzten Medikamente ……...………56

Tabelle 5 Klassifikation primärer und sekundärer Kopfschmerzerkrankungen ...58

Tabelle 6 Chronische und Kopfschmerz-Erkrankungen in der Familie …………...…..59

Tabelle 7 Geburts- und entwicklungsgeschichtliche Einflussfaktoren ..……….…61

Tabelle 8 Kopfschmerz-Charakteristika vor Therapie ………..………...…62

(5)

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Abkürzungsverzeichnis

AEDs Antiepileptic drugs / Antikonvulsiva ASS Acetylsalicylsäure

CT Computertomographie

DMKG Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft EEG Elektroenzephalographie

IHS International Headache Society / Internationale Kopfschmerzgesellschaft

ICD-10 International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10th revision /

Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision

ICHD International Classification of Headache Disorders /

Internationale Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen LP Lumbalpunktion

Max. Maximum Min. Minimum

MRT Magnetresonanztomographie NF1 Neurofibromatose 1

NRS Numeric Rating Scale / Numerische Rating-Skala PMR Progressive Muskelrelaxation

Q Testwert im Cochran-Q-Test

SAP Systeme, Anwendungen, Produkte in der Datenverarbeitung SPZ Sozialpädiatrisches Zentrum

T Testwert im Wilcoxon-Test

SD Standard Deviation / Standardabweichung VEP Visuell evozierte Potenziale

vs. versus/in Gegenüberstellung Chi-Quadrat-Test

z. B. zum Beispiel

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Abstrakt (Deutsch)

ZIEL: Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Bedeutung von pharmakologischen und alternativen Therapien in der Akut- und Langzeitbehandlung von primären Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen zu untersuchen.

METHODEN: Diese Studie ist eine explorative retrospektive Analyse von Daten aus der Krankengeschichte von pädiatrischen Patienten mit primären Kopfschmerzen.

ERGEBNISSE: In dieser Studie zur Therapie von Kopfschmerzen wurden die meisten Patienten (87,8%) in einer pädiatrischen Kohorte von 222 Patienten (55% weiblich, 45% männlich) im Verlauf ihrer Erkrankung pharmakologisch behandelt.

Allen Patienten wurde ein multimodales Konzept angeboten, das sowohl eine pharmakologische als auch eine nicht-pharmakologische Behandlung wie beispielsweise physiotherapeutische Anwendungen, psychologische Interventionen und Erlernen von Entspannungsübungen umfasste. Die Pharmakotherapie wurde für die Zeit vor der ersten Präsentation, zum Zeitpunkt der ersten Präsentation und zum Zeitpunkt der letzten Präsentation in der Kopfschmerzsprechstunde beobachtet.

In diesem Zeitraum nahm die Anzahl der Patienten, die Arzneimittel anwendeten, signifikant ab. Bei Ibuprofen, dem am häufigsten angewandten Schmerzmittel, zeigte die zum Zeitpunkt der ersten Konsultation verschriebene mittlere Dosierung einen Anstieg von 15% im Vergleich zur mittleren Dosierung von Ibuprofen, die die Patienten vor der ersten Konsultation ausprobiert hatten (p < 0,001; Wilcoxon-Test). Die Verschreibung anderer untersuchter Schmerzmittel zeigte ebenfalls einen Anstieg der Mittelwerte, blieb jedoch in der statistischen Testung im gleichen Zeitraum ohne signifikante Veränderung.

Insgesamt war der multimodale Behandlungsansatz mit einer Verringerung der Kopfschmerzstärke in 55,7% und einer subjektiven Verbesserung der Symptome in 69,4% der betrachteten Fälle wirksam. Parallel dazu verringerte sich die durchschnittliche Anzahl der Tage mit Kopfschmerzen pro Monat um 47%.

SCHLUSSFOLGERUNGEN: Die Analysen unterstreichen die Notwendigkeit und den Erfolg eines multimodalen Ansatzes bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit primären Kopfschmerzen. Die Daten stützen die Bedeutung der medikamentösen Therapie, deuten jedoch auch darauf hin, dass Analgetika in der Akutsituation häufig zu gering dosiert werden. Weitere prospektive Studien müssen diese zweite Hypothese belegen.

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Abstract (English)

OBJECTIVE: To evaluate pharmacological and alternative therapies in acute and long- term treatment of children and adolescents with primary headache.

METHODS: This study is an explorative retrospective analysis of the medical histories of children and adolescents with primary headache.

RESULTS: In this study on therapy of headache most patients (87.8%) in a large pediatric cohort of 222 patients (55% female, 45% male) were treated with medication at some point in their medical history. All patients were offered a multimodal concept combining both pharmacological and non-pharmacological treatment.

Pharmacological intervention was observed for the time prior to first presentation, at the time of first presentation and at the time of last presentation at the headache clinic.

Over this time period the number of patients who applied medication decreased significantly. For ibuprofen, the most frequently applied pain-killer, the mean dosage prescribed at the time of first consultation showed an increase of 15% compared to the mean dosage of ibuprofen that patients had tried before the first consultation (p <

0.001; Wilcoxon-Test). Prescription of other investigated pain-killers also showed increase on average, yet showed no significant change in the same time frame.

Overall, the multimodal treatment approach was effective with a reduction of headache intensity in 55.7% of considered cases and a subjective improvement of symptoms in 69.4% of considered cases. In parallel, the mean number of days with headache per month decreased by 47%.

CONCLUSIONS: Our analyses underline the success of a multimodal approach in the treatment of underage patients with headache. Our data supports the importance of pharmacological therapy, but also suggests that patients may often be underdosed.

Further studies will need to prove this second hypothesis.

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1. Einleitung 1.1 Epidemiologie

Kopfschmerzen sind das häufigste neurologische Symptom bei Kindern und Jugendlichen mit einer weltweit geschätzten allgemeinen Prävalenz von 54,5%1. In Deutschland sind die häufigsten primären Kopfschmerzformen Migräne (7,5%) und Spannungs-Kopfschmerzen (18,5%)2. Ein Wechsel der Diagnose von Migräne zu Spannungskopfschmerz oder umgekehrt kommt im Verlauf der Erkrankung laut einer deutschen Studie bei 20-25% der Patienten vor3. Cluster- Kopfschmerzen sind bei Kindern und Jugendlichen nur mit einer geringen Häufigkeit von 0,1% vertreten4. Daneben sind weitere Formen primärer Kopfschmerzen beschrieben6.

Die Geschlechterverteilung der einzelnen Kopfschmerztypen spielt bei Kindern noch keine wichtige Rolle2, wobei sich für die Migräne in der Pubertät bereits eine Dominanz des weiblichen Geschlechts abzeichnet5. Im Erwachsenenalter sind Frauen von Migräne häufiger betroffen als Männer6. Chronische Schmerzen liegen bei einer Kopfschmerz-Frequenz von über 15 Tagen im Monat für mehrere Monate in Folge vor und kommen bei unter einem Prozent der Kopfschmerzpatienten im Kindes- und Jugendalter vor7. Besorgniserregend ist, dass die Prävalenz kindlicher Kopfschmerzen in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat8-10.

1.2 Diagnostik

Grundsätzlich gilt es, primäre von sekundären Kopfschmerzen abzugrenzen. Letztere entstehen als Folge einer zugrunde liegenden, eventuell lebensbedrohlichen Erkrankung. Erst nach Ausschluss sekundärer Ursachen kann von primären Kopfschmerzen als einem eigenständigen Krankheitsbild ausgegangen werden. Eine Bildgebung mittels CT oder MRT ist kein klinischer Standard und sollte nur dann durchgeführt werden, wenn bestimmte Warnzeichen -sogenannte „red flags“- auf eine ursächliche Läsion im zentralen Nervensystem hindeuten11. Um diese Warnsymptome zu erkennen sind eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung in der Diagnostik unerlässlich12. Gutartige Veränderungen in der Bildgebung sind bei Kindern und Jugendlichen mit Kopfschmerzen in bis zu 20% der Fälle vorhanden13 und könnten fälschlicherweise durch die Eltern des Patienten als Ursache der Kopfschmerzen interpretiert werden14. Mit limitierter Bedeutung kommen noch weitere Diagnostika wie zum Beispiel das EEG in der klinischen Anwendung zum Einsatz15.

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1.3 Klassifikation

Die Klassifikation primärer Formen von Kopfschmerz (Tabelle 5 im Anhang), welche nach angepassten Kriterien auch im Kindes- und Jugendalter angewandt wird, stützt sich auf die ICHD-3 Beta-Version der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS)16. Primäre Kopfschmerzen werden unterteilt in Spannungskopfschmerzen und Migräne, gefolgt von weiteren primären Kopfschmerzformen wie z. B. den trigeminoautonomen Kopfschmerzen, zu denen die Cluster-Kopfschmerzen gehören.

Bei der Migräne handelt es sich um einen meist Stunden bis Tage anhaltenden, einseitig auftretenden, pulsierenden oder pochenden Kopfschmerz, welcher häufig von Übelkeit oder Erbrechen begleitet wird. Man unterscheidet Migränen mit und ohne Aura. Dies ist ein fokales neurologisches Symptom, welches meist in Form von visuellen oder anderen sensorischen Wahrnehmungsstörungen auftritt16. Der Schmerz verschlimmert sich häufig bei Bewegung16. Die Migräne geht häufig mit einer gesteigerten Sensibilität auf Reize in Form einer Photo- oder Phonophobie einher17. Lange wurde die Migräne aufgrund ihres pulsierenden Charakters als rein vaskuläre Erkrankung verstanden. Inzwischen wird die Pathogenese breiter gefasst als Zusammenspiel einer anormalen Funktion verschiedener neuronaler Systeme, welche mit sowohl funktionellen wie auch strukturellen Veränderungen des Gehirns einhergeht18. Auch eine genetische Komponente spielt in der Entstehung eine Rolle19,20.

Spannungskopfschmerzen dauern im Gegensatz zur Migräne zwischen Minuten und Wochen an, sind meist beidseitig lokalisiert und in der Schmerzqualität drückend.

Erbrechen, Übelkeit oder eine Verschlimmerung bei Bewegung liegen meist nicht vor.

Die Schmerzstärke bei Spannungskopfschmerzen ist meist milder als bei Migräne4. Die Pathophysiologie von Spannungskopfschmerzen wird noch wenig verstanden. Es wird debattiert, ob periphere oder zentrale Mechanismen ursächlich sind21. So scheinen einerseits muskuläre Verspannungen im Hals-Kopf-Bereich einen Zusammenhang zu den Schmerzen zu haben22. Andererseits wird davon ausgegangen, dass eine vermehrte Exposition des zentralen Nervensystems mit nozizeptiven Stimuli über eine Sensibilisierung der neuronalen Schmerzleitung zu einer Chronifizierung der Beschwerden führt23.

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1.4 Therapie

Primäre Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter haben eine multifaktorielle Entstehung mit einer starken psychosozialen Komponente24. Die Therapie von primären Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter erfordert daher einen individuellen, multimodalen und multiprofessionellen Therapieansatz. Zur Therapie kindlicher Kopfschmerzen stehen nach aktuellem Forschungsstand im Allgemeinen nur wenige gute Studien zur Verfügung, und häufig sind die bestehenden therapeutischen Schemata nach den Richtlinien für Erwachsene konzipiert25. Die derzeitige Behandlung von pädiatrischen Kopfschmerzen in Deutschland folgt den Richtlinien der DMKG (Deutsche Migräne- und Kopfschmerz- Gesellschaft)26. Unterschieden werden auf der einen Seite die medikamentöse Akuttherapie und auf der anderen Seite die medikamentöse Dauertherapie bzw. Kopfschmerzprophylaxe.

In den Richtlinien der DMKG finden sich folgende Empfehlungen zur medikamentösen Akuttherapie: Ibuprofen (10 mg/kg Körpergewicht) ist sowohl für Kopfschmerzen vom Spannungstyp als auch für akute Migräneattacken das Medikament der ersten Wahl;

alternativ wird Paracetamol (15 mg/kg Körpergewicht) gegeben. Bei Patienten über 12 Jahren sind Triptane als Nasenspray zur akuten Behandlung der Migräne in Deutschland zugelassen, z. B. Sumatriptan (10 mg) oder Zolmitriptan (5 mg). Bei Misserfolg dieser Therapieansätze kann auf orale Triptane umgestellt werden. Eine Evidenz für die Wirksamkeit von Acetylsalicylsäure (ASS) und Metamizol bei der Akuttherapie von Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter ist bislang nicht gegeben, weshalb diese Wirkstoffe nur nachrangig zum Einsatz kommen27. Der Einsatz von ASS im Kindes- und Jugendalter steht zudem im umstrittenen Zusammenhang mit dem Auftreten eines potenziell lebensbedrohlichen Reye- Syndroms28. Die deutsche Leitlinie stimmt weitgehend mit den Behandlungsrichtlinien der Vereinigten Staaten überein, in denen ebenfalls Ibuprofen, Paracetamol und Triptane mit dem höchsten Evidenzniveau in der Akuttherapie empfohlen werden28,29.Bei der Prophylaxe verwendete Arzneimittel umfassen nach deutscher Leitlinie den Calciumkanal-Antagonisten Flunarazin, Magnesium, Betablocker und Antiepileptika, z. B. Topiramat27. Für diese und weitere Medikamente, wie etwa Amitriptylin oder Botulinumtoxin, die in der Prävention von Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter zum Einsatz kommen ist nach neuester Studienlage aus den USA jedoch kein klarer signifikanter Vorteil im Vergleich zum Einsatz von Placebos nachweisbar30. Die medikamentöse Behandlung von Kopfschmerzen im Kindesalter

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ist in der Literatur nach wie vor schlecht etabliert, und bestehende Studien insbesondere zur Langzeit-Schmerztherapie sind häufig von geringer Aussagekraft30. Alternativ haben sich auch nicht-pharmakologische Ansätze als sehr wirksam erwiesen, insbesondere bei der Prophylaxe von Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen. Wichtige Eckpfeiler sind die Beratung der Eltern und die Verwendung von Kopfschmerztagebüchern31. Aus der Vielzahl der verfügbaren Therapien werden progressive Muskelentspannung (PMR), Biofeedback und Verhaltenstherapien mit dem höchsten Erfolgsnachweis empfohlen27. Die psychologische Gesprächstherapie hat sich ebenfalls als wirksames Mittel zur Linderung von Kopfschmerzen erwiesen32. Auch eine Veränderung der Verhaltensweisen bzw. des Lebensstils der Patienten kann eine wirkungsvolle Alternative zur medikamentösen Therapie und den damit verbundenen Kosten und Nebenwirkungen sein33. Die Behandlung zugrundeliegender Schlafstörungen und Anleitung zur Schlafhygiene können die Frequenz und Dauer von Kopfschmerzen positiv beeinflussen34. Ergänzende Ansätze wie Akupunktur, Massagen oder Ernährungstherapien werden von Patienten häufig angewandt, obwohl der Nachweis für die Wirksamkeit dieser Methoden bei Kindern und Jugendlichen aufgrund einer limitierten Anzahl von Studien begrenzt ist35. Kinder zeigen daneben auch ein besonders hohes Ansprechen auf Placebos, was vor allem beim Studienentwurf, aber auch bei der Therapie berücksichtigt werden muss, da die Effektivität eines gegebenen Medikaments schwerer zu beweisen ist36,31. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es bei pädiatrischen Kopfschmerzen ein außergewöhnlich breites Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten gibt.

1.5 Fragestellung

In dieser explorativen retrospektiven Studie sollen die therapeutischen Maßnahmen zur Behandlung von primären Kopfschmerzen in einer Kohorte von Patienten der Kopfschmerzsprechstunde am SPZ (Sozialpädiatrisches Zentrum) der Charité in Berlin analysiert und die Wirksamkeit der angewandten Therapien überprüft werden.

Im Anschluss sollen die Ergebnisse diskutiert und eventuelle Rückschlüsse auf die Verbesserung der Therapie gezogen werden. Daraus ergibt sich als konkrete Fragestellung, welche Bedeutung die medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapie in der akuten und langfristigen Behandlung der primären Kopfschmerzen von Kindern und Jugendlichen haben.

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2. Methoden

2.1 Ein- und Ausschlusskriterien

Es handelt sich hierbei um eine explorative, retrospektiv angelegte Studie, in welcher die Daten aus den Krankengeschichten von insgesamt 222 pädiatrischen Patienten mit primären Kopfschmerzen ausgewertet wurden. Als Einschlusskriterium galt, dass die Patienten im Kalenderjahr 2017 am Sozialpädiatrischen Zentrum der Charité Universitätsmedizin Berlin ambulant behandelt wurden und zu diesem Zeitpunkt nicht älter als 18 Jahre alt waren. Elektive Patienten wurden mit Hilfe von ICD-10 Schlüsseln im SAP (zentrales Daten- und Prozessverwaltungssystem) der Charité Universitätsmedizin Berlin ausfindig gemacht.

Die verwendeten Diagnoseschlüssel waren:

- R51 (Gesichtsschmerzen)

- G44.0-9 (sonstige Kopfschmerzsyndrome inklusive Spannungskopfschmerzen) - G43.0-9 (Migräne)

Anhand der Diagnoseschlüssel konnten Patientenlisten erstellt werden, mit deren Hilfe anschließend die analogen Akten im Archiv des SPZ ausfindig gemacht wurden. Im Zeitraum vom 25.01.2018 bis 11.04.2018 wurde das Archiv nach den entsprechenden Patienten durchsucht und alle aufgefundenen Akten eingesehen. Von den insgesamt 240 bearbeiteten Akten wurden 222 (93%) schließlich für die Studie verwendet.

Die übrigen 18 Patienten (7%) wurden ausgeschlossen, da sie die Einschlusskriterien nicht vollständig erfüllten oder die Dokumentation der Kopfschmerzen bei diesen Patienten unzureichend war. Häufig handelte es sich hierbei um Patienten, die nur sekundär unter Kopfschmerzen, primär aber unter einer anderen schweren, zugrunde liegenden Erkrankung litten, beispielsweise Neurofibromatose 1 oder Epilepsie. Da sich bei diesen Patienten keine ausführliche Kopfschmerzanalyse fand, war ein Einschluss nicht sinnvoll. Mindestens 60% des Datenerfassungsbogens mussten ausgefüllt sein, damit die Patienten eingeschlossen werden konnten.

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2.2 Datenerhebung

Zur Datenerhebung aus den 222 Patientenakten wurde in einem ersten Schritt ein analoger Erfassungsbogen entworfen, um eine einheitliche und strukturierte Datenermittlung sicherzustellen. Nach probatorischer Anwendung an einigen Patientenakten wurde dieser ursprüngliche Erfassungsbogen mehrfach überarbeitet, bis die endgültige Version feststand (siehe Anhang). Der Erfassungsbogen umfasst demografische Daten, die allgemeine medizinische und kopfschmerzspezifische Vorgeschichte des Patienten, soziokulturelle Determinanten, Ergebnisse der Diagnostik sowie pharmakologische und nicht-pharmakologische Behandlungen. Der Behandlungserfolg wurde anhand der Veränderung der subjektiven Befindlichkeit des Patienten, der Kopfschmerzhäufigkeit, -stärke und -dauer nach Etablierung einer Therapie am SPZ bewertet.

Die Tabellen 1-3 liefern einen Überblick über die erhobenen Daten und die verschiedenen Themenbereiche, welche inhaltlich im Erfassungsbogen abgedeckt wurden. Zudem finden sich in den Tabellen Anmerkungen zu der Vorgehensweise bei der Erhebung, insbesondere ob es sich bei den Items um eine Einfach- oder Mehrfachauswahl handelte. Für die hier vorliegende Arbeit wurden die allgemein erhobenen Daten (Tabelle 1) und Daten mit Bezug zur Therapie (Tabelle 2) verwendet.

Angaben zu den soziokulturellen Determinanten der Patienten oder mit einem diagnostischen Schwerpunkt (Tabelle 3) beziehen sich dagegen auf die Themenbereiche anderer Doktorandinnen der Arbeitsgruppe und wurden daher für die vorliegende Dissertation nicht weiter ausgewertet.

Im Anschluss an die Erstellung des Erfassungsbogens erfolgte die Erhebung der Daten aus den Patientenakten. In den Akten aller Patienten konnten Informationen aus dem ärztlichen Verlaufsbericht gewonnen werden. Ergänzende Informationen stammten aus einem dem SPZ eigenen Kopfschmerz-Fragebogen, dem „Deutschen Schmerzfragebogen für Kinder und Jugendliche“37, einem Bogen zur psychosozialen Situation der Patienten sowie Unterlagen der behandelnden Psychologen und Physiotherapeuten. Fehlende Informationen konnten zudem aus dem SAP ergänzt werden.

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2.3 Statistische Auswertung

Nach Abschluss der Datenerhebung wurden die gewonnen Informationen für die weitere Bearbeitung digitalisiert. Hierfür wurden sie zunächst in einer online- Datenbank in eine Maske eingetragen und anschließend in Excel-Tabellen exportiert.

Die Daten wurden mit dem Programm IBM SPSS Statistics Version 25 statistisch ausgewertet. Für alle Variablen wurden die absoluten und relativen Häufigkeiten untersucht. Metrische Variablen wie zum Beispiel das Patientenalter wurden mit Mittelwert, Standardabweichung und Median beschrieben.

Zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen kategorialen Variablen wurden der Chi-Quadrat-Test ( ) und der Fisher-exakt Test verwendet. Der Chi-Quadrat-Test ist ein Signifikanztest für unverbundene Stichproben, welcher die Verteilung bzw.

Unabhängigkeit zwischen zwei Variablen in Kontingenztafeln beschreibt. Kontingenz bedeutet dabei das gemeinsame Auftreten von zwei Merkmalen. Mit diesem Test lässt sich feststellen, ob die Häufigkeiten einer Merkmalsausprägung zufällig sind. Dazu werden zwischen den beobachteten und erwarteten Werten in den einzelnen Zellen der Kreuztabelle die standardisierten quadratischen Abweichungen aufsummiert und mit der Chi-Quadrat-Verteilung verglichen. Bei geringem Stichprobenumfang (Erwartungswerte < 5 in der Kreuztabelle) wurde anstatt des Chi-Quadrat-Tests der exakte Test nach Fisher verwendet, um zuverlässige Resultate zu erzielen.

Zur Übersicht über die Verteilung diskreter Variablen nach verschiedenen Gruppen wurden Kontingenztafeln erstellt.

Der Cochran-Q-Test, der McNemar und der Wilcoxon-Test sind nicht parametrische statistische Analysewerkzeuge. Der Cochran-Q Test wurde verwendet, um festzustellen, ob es bei dichotomen abhängigen Variablen Unterschiede zwischen drei oder mehr verwandten Gruppen gab. Es ergab sich hierbei ein Testwert Q; der Test wurde immer 2-seitig durchgeführt. Wenn der Test einen signifikanten Unterschied ergab, wurden post-hoc Analysen mit dem McNemar-Test zum paarweisen Vergleich der Untergruppen durchgeführt um zu sehen, zwischen welchen Untergruppen genau der beobachtete Unterschied lag. Beim McNemar Test wird ebenfalls ein dichotomes Merkmal betrachtet, allerdings nur zwischen zwei verwandten Gruppen. Der Wilcoxon- Test untersucht die Gleichheit der zentralen Tendenzen von zwei Gruppen anhand von zwei gepaarten Stichproben. Es ergab sich hierbei ein Testwert T.

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Ein Ergebnis wurde für alle statistischen Untersuchungen mit einer Wahrscheinlichkeit von p ≤ 0,05 als signifikant, bei Werten p ≤ 0.01 als hochsignifikant bewertet. Alle Ergebnisse der statistischen Tests werden im Fließtext im APA-Style präsentiert.

Zur bildlichen Darstellung der Ergebnisse wurden Graphen wie z. B. Balken- und Kreisdiagramme mit SPSS sowie GraphPadPrism Version 8 erstellt. Zur Verwaltung von Quellen wurde Endnote X8, zum Verfassen des Manuskripts Word 2016 verwendet.

2.4 Ethikvotum und Datenschutz

Für die hier vorliegende Arbeit liegt ein Ethikantrag unter der Antragsnummer EA2/130/20 vor. Da es sich ausschließlich um anonymisierte Daten der Routinediagnostik an den eigenen Patienten des SPZ handelt, wäre gemäß § 25 LKHG Bln (Landeskrankenhausgesetz Berlin) sowie § 2 Absatz 1 der Satzung der Ethikkommision der Charité Universitätsmedizin Berlin jedoch nicht zwingend ein Ethikvotum notwendig.

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3. Ergebnisse

3.1 Beschreibung der Kohorte

222 Kinder und Jugendliche wurden insgesamt in die Kohorte eingeschlossen.

Mit 45,0% männlichen (n = 100/222) und 55,0% weiblichen (n = 122/222) Patienten lag eine leichte Dominanz des weiblichen Geschlechts vor. Das Alter der Patienten im Jahr 2017 lag zwischen 5 und 18 Jahren, mit einem Durchschnittsalter von 12,5 Jahren (Median 13 Jahre; SD 3,4; Abbildung 1). Die Patienten stellten sich im Jahr 2017 durchschnittlich etwa 3 Mal (n = 222; Median 2; Min. 1; Max. 22; SD 2,3) vor. Die meisten Patienten waren auch im Jahr 2016 bereits wegen Kopfschmerzen am SPZ in Behandlung gewesen, der Mittelwert lag bei zwei Vorstellungen im Vorjahr (n = 204;

Median 1; Min. 0; Max. 14; SD 2,7).

Abbildung 1: Alter der Patienten zum Zeitpunkt der Studie in Jahren (n = 222):

Darstellung der absoluten Häufigkeiten; Min. 5; Max. 18; Mittelwert 12,5; Median 13;

Standardabweichung 3,4.

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3.2 Einteilung der Kopfschmerzstärken

Die Kopfschmerzstärke wurde zum Zeitpunkt der Erstvorstellung am SPZ von 177 Patienten (79,7% [n = 177/222]) erhoben. Es handelt sich dabei um die maximal angegebene Schmerzstärke, welche die Kopfschmerzen erreichten.

Für die Einteilung der Schmerzstärke wurde die numerische Rating-Skala (NRS), welche von 1 (geringste Schmerzen) bis maximal 10 (stärkste Schmerzen) skaliert ist.

Die Patienten wurden anhand ihrer persönlichen Schmerzstärke auf der NRS in drei Cluster eingeteilt: mild (Schmerzstärke 1-3; 4,0% [n = 7/177]), moderat (Schmerzstärke 4-6; 22% [n = 39/177]) und stark (Schmerzstärke 7-10; 74% [n = 131/177]. Diese Einteilung gilt für die gesamte hier vorliegende Arbeit und wurde im Folgenden bei der statistischen Auswertung verwendet.

Die maximale Kopfschmerzstärke bei der ersten Präsentation am SPZ betrug im Durchschnitt 7,5 von 10 auf der NRS (Mittelwert 7,5; Median 8; Min. 2; Max. 10; SD 1,9). Die Abbildung 2 bietet eine Übersicht über die absoluten Häufigkeiten der einzelnen Kopfschmerzstärken in der Kohorte entsprechend den einzelnen Stufen auf der NRS und entsprechend der Einteilung in die 3 Kopfschmerzstärke-Cluster.

Abbildung 2: Häufigkeit der Kopfschmerzstärken in der Kohorte:

Links: Kopfschmerzstärke von 1-10 basierend auf der NRS (n = 177), Min. 2; Max. 10;

Mittelwert 7,5; Median 8; SD 1,9.

Rechts: Kopfschmerzstärke unterteilt in Cluster: mild (Schmerzstärke 1-3; 4,0% [n = 7/177]), moderat (Schmerzstärke 4-6; 22% [n = 39/177]), stark (Schmerzstärke 7-10;

74% [n = 131/177].

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Es zeigten sich signifikante Zusammenhänge zwischen der Höhe der Kopfschmerzstärke und der Einnahme von Kopfschmerz-Medikamenten. Patienten in der Gruppe mit starken Kopfschmerzen erhielten im Allgemeinen häufiger Medikamente (p = 0,002; Fisher-exakt Test) im Verlauf ihrer Erkrankung. In der Gruppe mit milden Kopfschmerzen erhielten 4 von 7 Patienten (57,1%) eine medikamentöse Therapie, in der moderaten Gruppe 34 von 39 Patienten (87,2%) und in der Gruppe mit starken Kopfschmerzen 126 von 131 Patienten (96,2%).

Patienten mit starken Kopfschmerzen hatten dabei häufiger bereits vor der ersten Präsentation am SPZ Medikamente gegen ihre Kopfschmerzen ausprobiert (p < 0,001;

Fisher-exakt Test) als die Patienten mit schwächeren Kopfschmerzen. In der Gruppe mit milder Schmerzstärke nahm nur 1 von 7 Patienten (14,3%) vor der Erstvorstellung bereits Medikamente, in der Gruppe mit moderaten Schmerzen waren es 32 von 39 Patienten (82,1%) und in der Gruppe mit starken Schmerzen 118 von 131 Patienten (90%).

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3.3 Kopfschmerzdiagnosen

Die häufigste Kopfschmerzdiagnose war isolierte Migräne (32,9% [n = 73/222]), gefolgt von isoliertem Kopfschmerz vom Spannungstyp (29,3% [n = 65/222]) oder einem gemischten Typ der vorhergehenden (22,1% [n = 49/222]). Mit weitaus geringerer Häufigkeit folgten andere Kopfschmerzdiagnosen (15,8% [n = 35/222]), zum Beispiel Cluster-Kopfschmerzen. Eine graphische Übersicht bietet Abbildung 3.

Abbildung 3: Häufigkeit der Kopfschmerzdiagnosen in der Kohorte (n = 222), angegeben in Prozent.

Patienten mit Migränediagnose hatten im Vergleich zu Patienten ohne Migränediagnose eine signifikant höhere Kopfschmerzstärke. In der Untergruppe der Patienten mit Migränediagnose (n=102) gab es keinen einzigen Patienten mit Kopfschmerzen milder Stärke (1-3 NRS), während 15 Patienten (14,7% [n = 15/222]) ihre Schmerzen als moderat (4-6 NRS) und 87 Patienten (85,3% [n = 87/102]) sogar als stark (7-10 NRS) einschätzten. Im Vergleich hierzu hatten 7 der 75 Patienten (9,3%

[n = 7/75]) ohne Migränediagnose eine milde, 24 Patienten (32% [n = 24/75]) eine moderate und 44 Patienten (58,7% [n = 44/75]) eine starke Schmerzstärke (p < 0,001;

Fisher-exakt Test). Patienten mit Migränediagnose erhielten mit höherer Wahrscheinlichkeit eine medikamentöse Behandlung als Patienten ohne Migränediagnose (96,5% [n = 110/114] vs. 78,7% [n = 85/108]; Fisher-exakt Test; p <

0,001). Patienten mit der Diagnose Spannungskopfschmerz erhielten nicht signifikant häufiger eine medikamentöse Therapie als Patienten mit Migränediagnose- oder einer anderen Kopfschmerzdiagnose (85,8% [n = 97/113] vs. 89,9% [n = 98/109]; (1) = 0,859; p = 0,345). Dies galt auch für Patienten mit einer anderen Diagnose als Migräne oder Spannungskopfschmerz im Vergleich zu der Gruppe mit diesen beiden Diagnosen (80,0% [n = 36/45] vs. 89,8% [n = 159/177]; (1) = 3,246; p = 0,072).

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3.4 Komorbiditäten

Zusätzlich zur Kopfschmerzdiagnose wiesen 160 Patienten (72,0% [n= 160/222]) mindestens eine Begleitdiagnose in der Anamnese auf. Wichtig ist an dieser Stelle zu verdeutlichen, dass manche dieser Komorbiditäten, z. B. eine Sinusitis oder ein Schädel-Hirn-Trauma, prinzipiell selbst Ursache eines sekundären Kopfschmerzes sein können. Jedoch war der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit, wie auch in der Einleitung beschrieben, die Diagnose eines primären chronischen Kopfschmerzes. Die Begleitdiagnosen zeigen daher keinen zeitlichen Zusammenhang zur Diagnose, sondern waren lediglich anamnestisch aus den Patientenakten zu entnehmen. Eine Übersicht über die absoluten Häufigkeiten aller Begleitdiagnosen bietet Abbildung 4.

Abbildung 4: Häufigkeit der Komorbiditäten in der Kohorte (n = 222) unter Angabe der absoluten Häufigkeiten. Es handelt sich hierbei um anamnestische Angaben aus den Patientenakten.

Insgesamt war die häufigste Begleiterkrankung der 222 Patienten in der Studie eine Schmerzstörung (anhaltende somatoforme Schmerzstörung; Diagnoseschlüssel F45.4), welche bei 38 Patienten (17,1% [n = 38/222]) vorkam. Allergien traten bei 35 Patienten auf (15,8% [n = 35/222]), hier handelte es sich in 21 Fällen (60,0% [n =

(21)

21

21/35]) um eine Pollen-, Tierhaar- oder Stauballergie. Bei 34 Patienten (15,3% [n = 34/222]) war in der Vorgeschichte eine traumatische Schädigung des Kopfes oder des Gehirns vor Beginn der Kopfschmerzen dokumentiert. Entwicklungsstörungen waren ebenfalls häufig, hiervon waren 29 Patienten (13,1% [n = 29/222]) betroffen. Bei 21 Patienten (72,4% [n = 21/29]) handelte es sich dabei um sprachliche, bei 19 Patienten (65,5% [n = 19/29]) um motorische und bei 4 Patienten (13,8% [n = 4/29]) um globale Entwicklungsstörungen. Weitere Begleiterkrankungen traten mit geringeren Häufigkeiten auf (Abbildung 4). In 62 Fällen (28,0%) wurden gar keine Begleiterkrankungen dokumentiert.

Als häufigste Komorbidität und Item mit der höchsten Stichprobenzahl wurde die Schmerzstörung eingehender untersucht (17,1% [n = 38/222]). Patienten mit einer Schmerzstörung hatten seltener die Diagnose Migräne oder Spannungskopfschmerz.

Sie waren demnach häufiger in der oben aufgeführten Gruppe der 15,8% (n = 35/222) aller Patienten vertreten, die eine andere Kopfschmerzdiagnose (entsprechend ICD R51, G44.0-1, G44.3-8) hatten (34,2% [n = 13/38] vs. 17,4% [n = 32/184]; (1) = 5,513; p = 0,019). Patienten mit einer Schmerzstörung hatten vermehrt schon nachts (29,0% [n = 9/31] vs. 11,8% [n = 18/152]; (1) = 6,050; p = 0,014), beim Aufwachen (67,7% [n = 21/31] vs. 36,8% [n = 56/152]; (1) = 10,087; p = 0,001) oder am Morgen Schmerzen (58,0% [n = 18/31] vs. 37,5% [n = 57/152]; (1) = 4,502; p = 0,034). Sie fehlten öfter in der Schule (93,1% [n = 27/28] vs. 75,5% [n = 71/94]; (1) = 4,226; p = 0,040) und erlebten öfter einen stationären Aufenthalt als Patienten ohne Schmerzstörung (64,7% [n = 22/34] vs. 42,0% [n = 73/174]; (1) = 5,934; p = 0,015).

Patienten mit der Begleitdiagnose einer Schmerzstörung berichteten zum Zeitpunkt ihrer letzten Vorstellung am SPZ häufiger über eine subjektive Verschlechterung ihrer Befindlichkeit (55,2% [n = 16/29] vs. 25,0% [n = 32/128]; (1) = 10,141; p = 0,001), eine höhere Schmerzstärke (62,5% [n = 15/24] vs. 39,6% [n = 36/91]; (1) = 4,049; p

= 0,044) und eine längere Schmerzdauer (70,0% [n = 14/20] vs. 44,9% [n = 31/69];

(1) = 3,899; p = 0,048). Bei Erstvorstellung am SPZ erhielten Patienten mit einer Schmerzstörung häufiger Medikamente als Patienten ohne diese Begleitdiagnose (68,4% [n = 26/38] vs. 47,3% [n = 87/184]; (1) = 5,631; p = 0,018). Sie erhielten außerdem häufiger eine medikamentöse Kopfschmerz-Prophylaxe (25,0% [n = 9/36]

vs. 10,1% [n = 16/159]; (1) = 5,860; p = 0,015).

(22)

22

3.5 Genetische, geburts- und entwicklungsgeschichtliche Einflussfaktoren

Zur Abschätzung des genetischen Einflusses bzw. der Auswirkung bestimmter Faktoren bei der Geburt oder in der Entwicklung der Patienten auf die Entstehung der Kopfschmerzen wurden diese Faktoren als Untersuchungsgegenstand in den Erfassungsbogen mit aufgenommen und analysiert. Im Rahmen einer Familienanamnese fanden sich in den Krankenakten Angaben zum Vorkommen chronischer Erkrankungen im Allgemeinen und Kopfschmerzerkrankungen im Speziellen bei den Angehörigen der Patienten. Die Häufigkeiten erkrankter Familienmitglieder werden in Tabelle 6 im Anhang ausführlich dargestellt.

Am häufigsten waren in der Familie der Patienten chronische Erkrankungen vertreten (55,5% [n = 111/200]), gefolgt von Migräne (49,0% [n = 99/202]). Der meistbetroffene Angehörige der Patienten sowohl für chronische Erkrankungen als auch für Kopfschmerzerkrankungen war jeweils das mütterliche Elternteil.

Bei Kindern und Jugendlichen mit Migränediagnose war häufiger auch die Mutter der Patienten von einer Migräne betroffen (45,3% [n = 48/106] vs. 16,7% [n = 16/96]; (1)

= 19,059; p < 0,001). Umgekehrt war eine Migräne bei Patienten unwahrscheinlicher, wenn gar kein Familienmitglied unter Migräne litt. Von 106 Patienten mit einer Migränediagnose hatten nur 34,9% (n = 37/106) eine leere Familienanamnese; von 96 Patienten ohne Migränediagnose hingegen hatten 68,8% (n = 66/96) eine negative Familienanamnese ( (1) = 23,090; p < 0,001).

Weiterhin wurden geburts- und entwicklungsgeschichtliche Einflussfaktoren untersucht. Die absoluten und relativen Häufigkeiten sind der Tabelle 7 im Anhang zu entnehmen. Zur Analyse der Entwicklungsgeschichte der Kopfschmerzpatienten wurden der Geburtsmodus als Gegenüberstellung von Sektio und Spontangeburt sowie die Reife des Kindes erhoben. Ebenso wurde das Vorkommen früher Entwicklungsverzögerungen untersucht, die sich in Form eines verlangsamten Erlernens des Gehens oder der Sprache äußerten.

Kinder mit der Begleitdiagnose einer Entwicklungsstörung waren signifikant häufiger per Sektio zur Welt gekommen als Kinder ohne diese Diagnose (42,9% [n = 12/28] vs.

15,0% [n = 22/147]; (1) = 11,688; p = 0,001). Bei denselben Patienten hatte es zudem häufiger Komplikationen bei der Geburt gegeben (34,6% [n = 9/26] vs. 16,9%

[n = 24/142]; (1) = 4,369; p = 0,037). Ob die Patienten Schreikinder gewesen waren, konnte in nur 6,8% aller Fälle (n = 15/222) erhoben werden. In 80,0% dieser Fälle (n

= 12/15) waren sie Schreikinder, in 20,0% (n = 3/15) nicht.

(23)

23

3.6 Zeitspanne der Kopfschmerzen vor Therapie

Von 208 Patienten gab es Informationen zur gesamten Zeitspanne der Kopfschmerzen vor der Erstvorstellung in der spezialisierten Kopfschmerzsprechstunde. 64,9% (n = 135/208) dieser Patienten gaben an, seit mehr als einem Jahr unter Kopfschmerzen zu leiden. 35,1% (n = 73/208) hatten erst seit weniger als 12 Monaten Kopfschmerzen.

Von den Patienten, die bereits seit über einem Jahr vor Erstvorstellung Kopfschmerzen hatten gab kein Patient milde Kopfschmerzen an (0% [n = 0/113] vs. 9,8% [n = 6/61]), 19 Patienten gaben mittlere Kopfschmerzen an (16,8% [n = 19/113] vs. 31,1% [n = 19/61]) und 94 Patienten gaben starke Kopfschmerzen an (83,2% [n = 94/113] vs. 59%

[n = 36/61]). Patienten mit einer höheren Kopfschmerzstärke auf der NRS hatten demnach meist schon seit über einem Jahr vor Erstvorstellung Kopfschmerzen (p <

0,001; Fisher-exakt Test, Abbildung 5). Dieselben Patienten verwendeten mit größerer Wahrscheinlichkeit bereits vor der Erstvorstellung Arzneimittel (85,9% [n = 116/135]

vs. 74% [n = 54/73]; (1) = 4,534; p = 0,033). Patienten mit Kopfschmerzen seit über einem Jahr erhielten häufiger bei Erstvorstellung im Rahmen der Intervention am SPZ Medikamente (59,3% [n = 80/135] vs. 39,7% [n = 29/73]; (1) = 7,248; p = 0,007) und erhielten allgemein zu einem der 3 Untersuchungszeitpunkte häufiger Medikamente (94,1% [n = 127/135] vs. 83,6% [n = 61/73]; (1) = 6,025; p = 0,007).

Abbildung 5: Zeitspanne der Kopfschmerzen und Kopfschmerzstärke:

Darstellung der absoluten Häufigkeit der maximalen Kopfschmerzstärke der Patienten vor Erstvorstellung unterteilt in Cluster: mild (NRS 1-3), moderat (NRS 4-6), stark (NRS 7-10); abhängig von der Zeitspanne mit Kopfschmerzen, welche vor der ersten Präsentation in der Kopfschmerz-Sprechstunde verstrichen war. Patienten, die erst nach über einem Jahr mit Kopfschmerzen vorstellig am SPZ wurden hatten höhere Schmerzstärken (p < 0,001; Fisher-exakt Test).

(24)

24

3.7 Charakterisierung der Kopfschmerzen vor Therapie

Es erfolgte eine genaue Charakterisierung der Kopfschmerzen aller Patienten (Tabelle 8 im Anhang). Dabei wurden Angaben zur Lokalisation der Kopfschmerzen, ihrem zeitlichen Verlauf sowie zur Qualität des Schmerzes gemacht. Auch wurde erhoben, welche Warnsymptome mit den Kopfschmerzen einhergingen und welche Faktoren die Kopfschmerzen provozierten bzw. einen verschlimmernden Einfluss ausübten.

Für die Warnsymptome Phonophobie (70,2% [n = 80/114] vs. 43,5% [n = 47/108]; (1)

= 16,098; p < 0,001), Photophobie (70,2% [n = 80/114] vs. 37,0% [n = 40/108]; (1)

= 24,522; p < 0,001), Übelkeit (76,3% [n = 87/114] vs. 46,3% [n = 50/108]; (1) = 21,152; p < 0,001), Erbrechen (53,5% [n = 61/114] vs. 23,1% [n = 25/108]; (1) = 21,541; p < 0,001), Augenflimmern (36,8% [n = 42/114] vs. 16,7% [n = 18/108]; (1)

= 11,446; p = 0,001), Gesichtsfeldausfall (23,7% [n = 27/114] vs. 4,6% [n = 5/108];

(1) = 16,322; p < 0,001), Auftreten einer Blässe/Röte des Gesichts (51,8% [n = 59/114] vs. 25,9% [n = 28/108]; (1) = 15,525; p < 0,001) und Muskelverspannungen (38,6% [n = 44/114] vs. 25,0% [n = 27/108]; (1) = 4,713; p = 0,03) zeigten sich statistische Zusammenhänge zur Diagnose Migräne im Chi-Quadrat-Test.

(25)

25

3.8 Kopfschmerztherapie

3.8.1 Nicht-pharmakologische Behandlung

Die Patienten am SPZ wurden sowohl mit als auch ohne Arzneimittel behandelt. Als Intervention werden alle Maßnahmen sowohl medizinischer als auch nicht- medizinischer Natur bezeichnet, welche in der Kopfschmerzsprechstunde am SPZ empfohlen wurden. Im Rahmen der Sprechstunden wurden mit den Patienten die individuellen Lebensstilfaktoren identifiziert, welche die Entstehung und den Erhalt von Kopfschmerzen beeinflussen. Die Patienten wurden hinsichtlich einer Veränderung ihrer Verhaltensweisen beraten. Den Patienten wurden Kopfschmerztagebücher empfohlen, um ihre Schmerzstärke und Kopfschmerzfrequenz zu objektivieren und die Bewusstseinsbildung und Auseinandersetzung mit den Beschwerden anzuregen.

Zusätzlich wurde eine breite Palette nicht-medikamentöser Therapien entsprechend den spezifischen Bedürfnissen der Patienten verordnet, die im Folgenden auch als Begleittherapien bezeichnet werden (Abbildung 6). Insgesamt erhielten 161 Patienten (72,5% [n = 161/222]) eine oder mehrere nicht-medikamentöse Begleittherapien.

Dabei kann eine solche Begleittherapie in einem ganzheitlichen Konzept vorrangig für die Behandlung von Nebendiagnosen oder anderen begleitenden somatischen oder psychischen Beschwerden angewandt worden sein. Dies betrifft beispielsweise die Ergotherapie, die nicht als First-Line-Behandlung bei Kopfschmerzen zum Einsatz kommt, jedoch z. B. bei einer begleitenden Entwicklungsstörung eine sinnvolle Therapie darstellt.

Abbildung 6: Nicht-medikamentöse Begleittherapien: Darstellung der absoluten Häufigkeiten der jeweils mit einer nicht-medikamentösen Begleittherapie behandelten Patienten (n=222). Patienten konnten mehrere Therapien gleichzeitig erhalten.

0 50 100

150 Familientherapie

PMR Ergotherapie Psychotherapie Physio/Manuelle Therapie

Patientenzahl 103

47 44 0,9

58

(26)

26

Von allen Patienten erhielten 46,4% (n = 103/222) eine physikalische oder manuelle Begleittherapie, 21,2% (n = 47/222) eine Ergotherapie und 19,8% (n = 44/222) eine PMR. 26,1% aller Patienten (n = 58/222) nahmen an einer psychologischen Gesprächstherapie und 0,9% aller Patienten (n = 2/222) an einer Familientherapie teil.

Mädchen erhielten häufiger eine Psychotherapie als Jungen (32% [n = 39/122] vs.

19,0% [n = 19/100]; (1) = 4,788; p = 0,029). Insgesamt erhielten 72,5% aller Patienten (n = 161/222) eine der oben beschriebenen nicht-medikamentösen Begleittherapien.

Nur 27,5% der Patienten (n = 61/222) wurden ohne eine Begleittherapie behandelt.

Bezüglich des Outcomes zeigte sich in der statistischen Testung kein signifikanter Vorteil einer nicht-medikamentösen Begleittherapie. Weder die Befindlichkeit der Patienten (69,6% [n = 80/115] vs. 69,0% [n = 29/42]; (1) = 0,004; p = 0,950), die Stärke (60,0% [n = 47/84] vs. 54,8% [n = 17/31]; (1) = 0,011; p = 0,915) oder die Dauer (44,4% [n = 28/63] vs. 61,5% [n = 16/26]; (1) = 2,151; p = 0,142) waren bei letzter Vorstellung am SPZ nach Anwendung einer Begleittherapie signifikant besser als bei den Patienten ohne Begleittherapie.

Auffällig war, dass Patienten, die sich erst nach über einem Jahr in der Kopfschmerzsprechstunde vorstellten, häufiger auch eine Begleittherapie erhielten (77,8% [n = 105/135] vs. 64,4% [n = 47/73]; (1) = 4,320; p = 0,038).

Bei 95 Patienten (45,7% [n = 95/222]) war in der Akte mindestens ein stationärer Aufenthalt wegen der Kopfschmerzen im Krankheitsverlauf verzeichnet, 91,6% [n = 87/95]) waren dabei in der Pädiatrie, 9,5% [n = 9/95]) in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und 2,1% [n = 2/95]) in einer psychosomatischen Einrichtung.

Patienten mit einem stationären Aufenthalt in der Anamnese wiesen im Vergleich zu rein ambulant behandelten Patienten nach der Therapie am SPZ häufiger ein Gleichbleiben oder eine Verschlechterung ihrer Befindlichkeit auf (42,6% [n = 29/68]

vs. 19,2% [n = 15/78]; (1) = 9,461; p = 0,002). Die Dauer (52,5% [n = 21/40] vs.

48,8% [n = 21/43]; (1) = 0,111; p = 0,739) und Stärke (52,0% [n = 26/50] vs. 38,6%

[n = 22/57]; (1) = 1,935; p = 0,164) der Kopfschmerzen bei diesen Patienten waren jedoch in der statistischen Analyse nicht signifikant verschlechtert.

(27)

27 3.8.2 Pharmakologische Behandlung

Zur Beurteilung der Art(en) der Medikamente und der Dosierungen im zeitlichen Verlauf wurde die pharmakologische Behandlung zu drei Zeitpunkten aufgezeichnet:

Vor der ersten Präsentation am SPZ, bei der ersten Präsentation am SPZ und bei der letzten Präsentation am SPZ.

Die Mehrheit der Patienten (87,8% [n = 195/222]) versuchte zu einem dieser drei Zeitpunkte einen pharmakologischen Ansatz. 77,9% der Patienten (n = 173/222) hatten bereits vor der Erstvorstellung in der Kopfschmerz-Sprechstunde selbstständig Medikamente gegen die Kopfschmerzen ausprobiert oder diese von ihren Eltern oder ihrem Hausarzt erhalten. Anlässlich der Erstvorstellung in der Kopfschmerz- Sprechstunde wurde die vorherige Medikation häufig angepasst oder abgesetzt. Hier erhielten 50,9% der Patienten (n = 113/222) eine Empfehlung zur medikamentösen Behandlung. Zum Zeitpunkt der letzten Vorstellung nahmen nur noch 36,0% der Patienten (n = 80/222) Medikamente ein. Betrachtet man die Entwicklung über alle 3 Zeitpunkte, so fällt auf, dass die Anzahl der medikamentös therapierten Patienten im Verlauf der Behandlung statistisch signifikant abnahm (Abbildung 7) (Cochran-Q-Test (Q (2) = 88,331; p < 0,001).

Abbildung 7: Häufigkeit der pharmakologisch behandelten Patienten vor der ersten Präsentation (77,9% [n = 173/222]), bei der ersten Präsentation (50,9% [n = 113/222]) und bei der letzten Präsentation (36,0% [n = 80/222]) in der Kopfschmerzsprechstunde. Die Anzahl der Patienten nahm mit der Zeit signifikant ab (p < 0,001, Cochran-Q-Test).

(28)

28

Eine Subgruppenanalyse zwischen den drei beobachteten Gruppen bestätigte die Signifikanz dieser Unterschiede im McNemar-Test. Vor der ersten Präsentation am SPZ war die Anzahl der medikamentös therapierten Patienten signifikant höher als bei der ersten Präsentation ( = 37,032; p < 0,001). Die Anzahl der bei Erstvorstellung medikamentös behandelten Patienten wiederum war signifikant höher als die der Patienten bei letzter Präsentation ( = 12,047; p = 0,001). Die Anzahl der Patienten;

die vor der Erstvorstellung bereits Medikamente genommen hatten war im Vergleich zur Anzahl der Patienten bei letzter Vorstellung ebenfalls signifikant höher ( = 68,813; p < 0,001).

Es wurde ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Geschlecht der Patienten und der Gabe einer medikamentösen Therapie beobachtet. Weibliche Patienten erhielten demnach häufiger eine medikamentöse Therapie als männliche Patienten (92,6% [n = 113/122] vs. 82,0% [n = 82/100]; (1) = 5,805; p = 0.016).

Wir betrachteten weiterhin die verschiedenen Wirkstoffe, welche von den Patienten am SPZ gegen ihre Kopfschmerzen ausprobiert/eingenommen wurden. Für Patienten, die eine pharmakologische Therapie erhielten (87,8 % [n = 195/222]), konnten im Durchschnitt 1,9 verschiedene Wirkstoffe erfasst werden (Abbildung 8).

Abbildung 8: Anzahl der ausprobierten Wirkstoffe (87,8 % [n = 195/222]): Die Abbildung zeigt die Anzahl an Wirkstoffen, die von den Patienten der Kohorte gegen ihre Kopfschmerzen insgesamt ausprobiert/eingenommen wurden. Darstellung in absoluten Häufigkeiten; Min. 1; Max. 5; Mittelwert 1,9; Median 2; SD 0,9.

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29

Verschiedene Wirkstoffklassen kamen in der Kohorte zum Einsatz (Abbildung 9).

Es gilt hierbei, die Medikamente der Akuttherapie von jenen Medikamenten zu unterscheiden, welche der Prophylaxe dienen und das Auftreten von Kopfschmerzanfällen verhindern bzw. deren Häufigkeit reduzieren sollen.

Am häufigsten verwendet wurden die Akutmedikamente Ibuprofen (91,3% [n = 178/195]), Metamizol (20,5% [n = 40/195] und Paracetamol (50,8% [n = 99/195]).

Seltener eingenommene Medikamente zur Akutbehandlung von Kopfschmerzen waren Acetylsalicylsäure (3,6%; [n = 7/195]), Triptane (12,8% [n = 25/195]) und Morphinderivate (1,0% [n = 2/195]). 12,8% (n = 25/195) aller medikamentös behandelten Patienten erhielten eine medikamentöse Prophylaxe. Diese erfolgte mit Betablockern (28% [n = 7/25]), Antikonvulsiva (40,0% [n = 10/25]), Magnesium (28,0%

[n =7/25]) und/oder Amitriptylin (8,0% [n = 2/25]).

Abbildung 9: Häufigkeit der verwendeten Wirkstoffe der Patienten in der Akuttherapie und Prophylaxe für die Zeit vor der Erstvorstellung, bei Erstvorstellung und bei letzter Vorstellung in der Kopfschmerzsprechstunde.

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Die Dosierungen aller Wirkstoffklassen wurden zu den drei Untersuchungszeitpunkten erhoben. Da in der Kinderheilkunde eine gewichtsbezogene Dosierung erfolgt, ist die Angabe einer absoluten Dosis allein nicht aussagekräftig, sondern das Delta zwischen mehreren Beobachtungszeitpunkten. Bei variablen Mengenangeben eines Wirkstoffes wurde nur der größere Wert in den Erfassungsbogen übernommen, um die Rechnung mit einem Einzelwert zu ermöglichen.

Beim Vergleich der in der Zeit vor der ersten Präsentation mit den bei der ersten Präsentation in der Kopfschmerzsprechstunde verordneten Dosierungen der jeweiligen Wirkstoffe stieg die durchschnittliche Dosierung der häufigsten Medikamente Ibuprofen, Paracetamol und Metamizol an (Tabelle 4). Während die Dosierungen von Metamizol und Paracetamol im parametrischen Test konstant blieben, zeigte Ibuprofen einen signifikanten Anstieg von einer mittleren Dosierung von 416,5 mg/Tag (Median 400mg) um 15% auf 479,8 mg/Tag (Median 600mg). Im Wilcoxon-Test zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Dosierungen (T = 499; z = -4,013; p < 0,001).

(31)

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3.9 Therapieerfolg

Der Erfolg der Therapie am SPZ wurde anhand des Verlaufs der Erkrankung im Behandlungszeitraum bemessen. Zu deren Beurteilung wurde der klinische Zustand der Patienten zum letzten Vorstellungstermin am SPZ aus den Akten erhoben. Der Outcome der Studie entspricht der Veränderung des klinischen Zustands durch die Intervention am SPZ und wurde zum letzten Vorstellungszeitpunkt bestimmt.

Die folgenden Outcome-Parameter wurden festgelegt:

1. Die Befindlichkeit des Patienten bei letzter Vorstellung am SPZ 2. Die Kopfschmerz-Dauer bei letzter Vorstellung am SPZ

3. Die Kopfschmerz-Stärke (nach NRS) bei letzter Vorstellung am SPZ

4. Die Anzahl der Kopfschmerztage pro Monat bei letzter Vorstellung am SPZ

Insgesamt wurden zu 157 Patienten (70,7% [n = 157/222]) Informationen über die Verbesserung bzw. Verschlechterung ihrer Befindlichkeit durch die Kopfschmerz- Therapie am SPZ in den Akten gefunden. 109 Patienten (69,4% [n = 109/157]) gaben bei letzter Vorstellung am SPZ eine Verbesserung ihrer Befindlichkeit an, für 48 Patienten (30,6% [n = 48/157]) besserte sich die Befindlichkeit mit den Schmerzen jedoch nicht oder wurde sogar schlechter.

Zu 115 Patienten (51,8% [n = 115/222]) fanden sich Angaben über die Kopfschmerzstärke zum Zeitpunkt der letzten Vorstellung am SPZ. 64 Patienten (55,7% [n = 64/115] berichteten bei letzter Vorstellung am SPZ von einer Abnahme ihrer Kopfschmerzstärke durch die Behandlung in der Kopfschmerzsprechstunde. 51 Patienten (44,3% [n = 51/115]) erlebten dagegen ein Gleichbleiben bzw. eine Zunahme der Kopfschmerzstärke.

Bei der Untersuchung der Dauer der Kopfschmerzen fanden sich Angaben von 89 Patienten (40,1% [n = 89/222]) in den Akten. Für 44 Patienten (49,4% [n = 44/89]) hatte sich die Dauer der Kopfschmerzen verkürzt, für 45 Patienten (50,6% [n = 45/89]) blieb die Dauer jedoch gleich oder nahm zu.

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Einen Überblick über die Befindlichkeit, die Kopfschmerzstärke und die Kopfschmerz- Stärke im Verlauf der Behandlung am SPZ verschafft Abbildung 10 zum Therapie- Outcome.

Abbildung 10: Outcome: Absolute Häufigkeiten für die Verbesserung und Verschlechterung der Dauer der Kopfschmerzen (40,1% [n = 89/222]), der Stärke der Kopfschmerzen (51,8% [n = 115/222]) und der Befindlichkeit der Patienten (70,7%

[n = 157/222]) im Untersuchungszeitraum. Die Veränderung der Parameter ergibt sich aus dem Vergleich des berichteten Zustands vor Intervention am SPZ mit dem Zustand bei letzter Präsentation am SPZ.

Schlussendlich wurde auch die Kopfschmerzfrequenz in den letzten 6 Monaten vor Therapie am SPZ mit der Anzahl der Kopfschmerztage in den letzten 6 Monaten vor der letzten Vorstellung am SPZ verglichen. Die Anzahl der Kopfschmerztage pro Halbjahr wurde auf die Kopfschmerzfrequenz pro Monat heruntergerechnet. Da manche Patienten an weniger als einem Tag pro Monat in den letzten 6 Monaten Kopfschmerzen hatten, z. B. nur einmal im Quartal, ergaben sich deshalb teils auch Werte < 1 Kopfschmerztag/Monat.

Die Anzahl der Kopfschmerztage pro Monat vor der Therapie am SPZ konnte von 93,2% (n = 207/222) und nach Therapie von 48,6% (n = 108/222) der Grundgesamtheit erhoben werden. Der Mittelwert pro Monat verringerte sich signifikant von 13 Tagen (Mittelwert 13; Median 8,7; SD 10,7; Min 0,3; Max 30,42) um 46,7% auf 7 Tage (Mittelwert 7; Median 3; SD 9,7; Min. 0; Max 30,42) im Wilcoxon-Test (T = 548,5; z = - 5,868; p < 0,001).

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Die Patienten wurden in Anlehnung an die ICD-10 Klassifikation in verschiedene Untergruppen unterteilt: Man grenzt sowohl bei Spannungskopfschmerzen als auch bei Migräne eine chronische Verlaufsform von einer nicht-chronischen Verlaufsform anhand der Kopfschmerztage pro Monat ab16. Um von einem chronischen Verlauf sprechen zu können, müssen die Kopfschmerzen an mindestens 15 Tagen im Monat auftreten. Entsprechend dieses Klassifikationskriteriums wurden die Patienten in zwei Gruppen unterteilt. Patienten mit einer Kopfschmerzfrequenz von mindestens 15 Tagen pro Monat vor Erstvorstellung (47,3% [n = 105/222]) hatten bei letzter Vorstellung am SPZ ein schlechteres Outcome ihrer Kopfschmerz-Stärke (76,5% (n = 13/17 vs. 30,9% (n = 21/68); p = 0,001; Fisher-exakt Test), ihrer Kopfschmerz-Dauer (100% [n = 16/16] vs. 32,1% [n = 17/53]; p < 0,001; Fisher-exakt Test) und ihrer subjektiv wahrgenommenen Befindlichkeit (14,8% [n = 13/88] vs. 88,2% [n = 15/17]; p

< 0,001; Fisher-exakt Test).

In 20,3% der Patientenakten (n = 45/222) wurden Angaben zum Behandlungsende im Jahr 2017 gemacht. Davon gaben 28,9% (n = 13/45) an, die Behandlung auf eigenen Wunsch beendet zu haben. 37,8% (n = 17/45) brachen die Behandlung ab. Bei 33,3%

(n = 15/45) gab es hingegen keinen Bedarf für eine weitere Behandlung.

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4. Diskussion

4.1 Kohorte und möglicher Einfluss der Genese und der Komorbiditäten auf die Behandlung primärer Kopfschmerzen

Die vorliegende Studie bietet einen Einblick in die Wirksamkeit eines multimodalen Ansatzes mit medikamentöser und nicht-medikamentöser Therapie bei der Behandlung von primären Kopfschmerzen in einer pädiatrischen Kohorte von 222 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 12,5 Jahren (Bereich 5-18) und einer leichten Dominanz des weiblichen Geschlechts (weiblich 55%, männlich 45%). Dies stimmt gut mit Daten der Gesamtbevölkerung überein, welchen zufolge Mädchen ab der Pubertät häufiger von Kopfschmerzen betroffen sind als Jungen5.

Betrachten wir zunächst die Kopfschmerzdiagnosen in der Kohorte. Die vorherrschende Diagnose war die isolierte Migräne (32,9%), gefolgt von isolierten Kopfschmerzen vom Spannungstyp (29,3%), einem gemischten Kopfschmerztyp (22,5%) und mit geringerer Häufigkeit anderen Kopfschmerztypen. Der höhere Anteil an Migränepatienten in unserer Kohorte im Vergleich zur berichteten Prävalenz1 ist vermutlich auf eine Selektionsverzerrung in einer spezialisierten Kopfschmerz- Sprechstunde zurückzuführen. Migränepatienten in unserer Studie litten vor der Intervention am SPZ im Vergleich zu den Patienten mit anderen primären Kopfschmerzformen häufig unter stärkeren Kopfschmerzen auf der numerischen Bewertungsskala. Auch viele andere Studien zeigen, dass eine höhere Schmerzstärke ein sensitiver Parameter für die Migräne ist38-40. Die höhere Schmerzbelastung könnte erklären, weshalb die Behandlung der Patienten mit Migräne in der Kohorte häufiger den Einsatz von Medikamenten erforderte.

Als nächstes soll der Zusammenhang zwischen der verstrichenen Zeitspanne vom Beginn der Kopfschmerz-Symptomatik bis zur ersten Präsentation in der spezialisierten Kopfschmerz-Sprechstunde diskutiert werden. Hier zeigte sich ein statistischer Zusammenhang zwischen einer verlängerten Zeitspanne > 12 Monate und einer stärkeren Kopfschmerzstärke (p < 0,001). Zunächst erscheint es kontraintuitiv, dass Patienten mit stärkeren Kopfschmerzen länger warten, bevor sie sich spezialisierte Hilfe gegen ihre Beschwerden holen. Anders betrachtet könnte es sein, dass ein längeres Zögern der Patienten, sich in der Kopfschmerzsprechstunde vorzustellen, zu einer Progressivität der Beschwerden führt. Dazu passt auch, dass in

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unserer Studie die Patienten mit über 12 Monaten Wartedauer vor erster Präsentation signifikant häufiger schon Medikamente gegen ihre Kopfschmerzen ausprobiert hatten als diejenigen Patienten, die sich bereits im ersten Jahr nach Symptombeginn in der Kopfschmerzsprechstunde vorstellten. Dieselben Patienten wurden bei erster Präsentation am SPZ dann auch häufiger medikamentös (weiter-) behandelt und erhielten bei Betrachtung aller Untersuchungszeitpunkte allgemein häufiger Medikamente. Auch nicht-medikamentöse Begleittherapien kamen bei diesen Patienten signifikant häufiger zum Einsatz. Dies spricht für einen erhöhten Interventionsbedarf bei diesen Patienten und damit für eine stärker ausgeprägte Kopfschmerz-Symptomatik. Zusammenfassend ist es wahrscheinlich, dass viele Patienten zuerst versuchen, ihre Symptome alleine oder mit ihrem Hausarzt zu behandeln, bevor sie sich an eine spezialisierte Kopfschmerzsprechstunde wenden.

Dieser Theorie nach würden manche Patienten nicht vorstellig, solange ihre Kopfschmerzstärke mild und kontrolliert bleibt. Erst wenn die Kopfschmerzstärke ansteigt oder von der ersten Behandlungslinie nicht mehr kontrolliert werden kann, suchen die Patienten Hilfe auf. Die Patienten kämen deshalb mit einer stärker ausgeprägten Symptomatik in die Kopfschmerzsprechstunde, die einer intensiveren Therapie bedarf. Abschließend lässt sich hierzu sagen, dass diese Theorie auch von der Literatur unterstützt wird: Einer Studie zufolge suchen Migränepatienten aller Altersstufen selten medizinische Hilfe auf, weshalb Schätzungen zufolge etwa nur die Hälfte aller Migränepatienten am Ende auch eine Migränediagnose erhalten41.

Wenden wir uns nun den Komorbiditäten in der Kohorte und den damit verbundenen Ergebnissen in der Studie zu. Es ist bekannt, dass kindliche Kopfschmerzen - vor allem Migräne - häufig mit anderen Erkrankungen assoziiert sind42. Spannungs- kopfschmerzen gehen einer Vergleichsstudie zufolge eher mit nichtorganischen, die Migräne eher mit organischen Begleitdiagnosen einher40. Die häufigste Komorbidität in unserer Studie waren Schmerzstörungen. In der Literatur ist eine Beziehung zwischen Schmerzstörungen und dem gehäuften Auftreten einer Migräne bzw.

Spannungskopfschmerzen etabliert43. Kopfschmerzen in der pädiatrischen Bevölkerung sind allgemein stark mit anderen Schmerzsymptomen assoziiert40. In der Untergruppe der Patienten mit Schmerzstörung fanden wir in dieser Studie viele signifikante Zusammenhänge, die auf eine größere Betroffenheit dieser Patienten im Vergleich zu denen ohne Schmerzstörung hinweisen: Sie hatten einen früheren tageszeitlichen Beginn ihrer Schmerzen, mehr Schulfehltage durch ihre

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Kopfschmerzen, erlebten häufiger einen stationären Aufenthalt und hatten vor allen Dingen ein schlechteres Outcome trotz der Behandlung am SPZ. Die Befindlichkeit, Stärke und Dauer der Kopfschmerzen nach Behandlung am SPZ waren schlechter als bei Patienten ohne Schmerzstörung. Die höhere Betroffenheit würde auch erklären, weshalb die Patienten mit Schmerzstörung in unserer Kohorte signifikant häufiger eine medikamentöse Behandlung bei erster Präsentation am SPZ erhielten und signifikant häufiger eine medikamentöse Prophylaxe bezogen. Patienten mit einer Schmerzstörung als Begleiterkrankung scheinen aufgrund ihrer größeren Betroffenheit demnach einer größeren Aufmerksamkeit und intensivierten Therapie zu bedürfen.

Nach der Schmerzstörung waren Asthma und Adipositas die häufigsten Komorbiditäten der Patienten. Auch andere Studien haben eine Beziehung zwischen Asthma und pädiatrischem Kopfschmerz gezeigt44,45. Übergewicht ist ebenfalls in höherem Maße mit Kopfschmerzen assoziiert und die Gewichtsabnahme ein wichtiger Pfeiler der Therapie46,47.

In der hier vorliegenden Studie untersuchten wir auch einen genetischen Einfluss auf die Entstehung primärer Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen. Hier zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Vorkommen einer Migräne bei den Patienten und deren mütterlichem Elternteil. Auch bewies sich eine Migränediagnose bei einer diesbezüglich leeren Familienanamnese in der statistischen Testung unwahrscheinlicher. Diese Ergebnisse unterstützen die Bedeutung einer genetischen Komponente in der Entstehung der Migräne. Dies konnte auch in anderen Studien gezeigt werden48,49. Dabei scheint sogar die Kopfschmerzfrequenz der Mutter die Frequenz beim Kind zu beeinflussen50. Das Auftreten von Kopfschmerzen der Mutter vor der Schwangerschaft kann einer 7 Jahre Follow-up Studie zufolge bereits als Indikator für das Auftreten von Kopfschmerzen bei Kindern im Vorschulalter gewertet werden51. Für zahlreiche Unterformen der Migräne konnten inzwischen Polymorphismen identifiziert werden, die zumindest teilweise an der Pathogenese der Erkrankung beteiligt zu sein scheinen52.

Weiterhin wurden die kopfschmerzbegleitenden Symptome der Patienten in der Kohorte vor der Intervention am SPZ untersucht. Für die Begleitsymptome Phonophobie, Photophobie, Übelkeit, Erbrechen, Gesichtsfeldausfälle, Augenflimmern, Röte/Blässe des Gesichts und Muskelverspannungen zeigten sich statistisch relevante Zusammenhänge zur Diagnose einer Migräne im Chi-Quadrat-

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Test (p<0,001). In der Literatur ist beschrieben, dass Kinder und Jugendliche im Gegensatz zu Erwachsenen eine größere Vielfalt an Begleitsymptomen bei Migräne bieten53. Zudem ändert sich das Spektrum dieser Symptome mit dem Alter der Patienten. Typischerweise beschreiben gerade Kinder vor der Pubertät ihre Kopfschmerzen weniger akkurat und präsentieren dafür häufiger gastrointestinale Symptome als Jugendliche, deren Symptome eher mit denen erwachsener Patienten übereinstimmen54. Phonophobie, Photophobie und Übelkeit werden als sensitivste dieser Parameter für die Diagnose einer Migräne bei Kindern und Jugendlichen beschrieben39,53. Dies stimmt gut mit unseren Untersuchungsergebnissen überein.

Des Weiteren wurden die geburts- und entwicklungsgeschichtlichen Faktoren in der Kohorte analysiert. Kinder mit Entwicklungsstörung kamen im Vergleich zu jenen ohne diese Begleitdiagnose signifikant häufiger per Sektio zur Welt und erlebten während der Geburt signifikant häufiger Komplikationen. Eine Studie aus dem Jahr 2018 assoziierte eine Geburt per Sektio mit Entwicklungsverzögerungen bei den untersuchten Patienten im Alter von 3-60 Monaten55. Auch in einer weiteren Studie waren von 50 untersuchten Patienten mit Entwicklungsverzögerungen im ersten Lebensjahr 68% per Sektio zur Welt gekommen, was einen signifikanten Zusammenhang im Vergleich zur Kontrollgruppe darstellte56. Der Zusammenhang zwischen Geburtskomplikationen wie z. B. Asphyxie oder Krampfanfällen zum Auftreten von Entwicklungsverzögerungen ist in der Literatur vielfach beschrieben und deckt sich somit gut mit unseren Studienergebnissen57,58.

Referenzen

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