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2.2 Häufigkeit und Auftreten von Lahmheiten und Klauenerkrankungen

2.2.1 Lahmheiten

2.2.1.1 Erfassung von Lahmheiten

Die Angaben in der Literatur bezüglich der Lahmheitsraten weisen eine große Variation auf, da die Erfassung der Lahmheiten sowie die Ermittlung des Lahmheitsgrades auf sehr unterschiedliche Weise erfolgen können und mehrere, voneinander unabhängige Faktoren darauf Einfluß nehmen:

• Betrieb: der Status der Klauengesundheit war auf jedem Betrieb unterschiedlich, da er abhängig ist von Rasse, Genetik, Haltung, Hygiene, Management (BARKEMA et al. 1994; HEDGES et al. 2001).

• Informationsquelle: die Datenerfassung erfolgte bei den verschiedenen Studien durch unterschiedliche Personengruppen. Diese setzten sich zusammen aus Tierärzten, Landwirten, Klauenpflegern, z.T. auch aus Studenten und anderen Hilfskräften. Jede dieser Personen beurteilte den Gang einer Kuh unterschiedlich.

In einer Studie von WELLS et al. (1993) war die Einschätzung der Lahmheitshäufigkeit durch den Landwirt um 60 % niedriger als vom Untersucher ermittelt. WHAY et al. (2002) berichteten, dass die vom Landwirt geschätzte Lahmheitsprävalenz um über 16 % niedriger war als die des Untersuchers. Bei einer eigens zur Feststellung der Übereinstimmung der Lahmheitsbeurteilung durchgeführten Untersuchung variierte die Lahmheitsprävalenz bei drei Untersuchern zwischen 5 % und 33 % (PEDERSEN 2004).

• Kostenpunkt: bei manchen Studien wurde die Untersuchung und Behandlung der Klauen dem Betrieb nicht in Rechnung gestellt, was den Landwirt ermutigte, jedes Tier mit geringgradig ungleichmäßigem Gang dem Untersucher als lahm vorzustellen. Dies dürfte der Grund für die unverhältnismäßig hohe Lahmheitsinzidenz in der Untersuchung von PRENTICE und NEAL (1972) sein.

• Bewertung der Lahmheit: zur Bewertung der Lahmheit wurden verschiedene Systeme herangezogen. Das einfachste Bewertungsschema bestand in der Unterscheidung zwischen lahm und nicht lahm. Desweiteren wurde mit unterschiedlichen Systemen des sog. „locomotion scorings“ der Lahmheitsgrad eines Tieres beurteilt (Tabelle 2). Hierbei wurde die Bewegung des Tieres bzw.

die Störung derselben beurteilt und mit der dazugehörigen Punktezahl (score) bewertet. Bei den verschiedenen „locomotion scorings“ waren die Definitionen der Bewegungsstörungen sowie die Anzahl der verschiedenen Kategorien und somit der Punkte unterschiedlich, so dass auch dadurch die Lahmheitsrate, die in verschiedenen Studien ermittelt wurde, variierte.

Desweiteren kann die Häufigkeit von Lahmheiten, wie auch von allen anderen Erkankungen, auf verschiedene Weise angegeben werden (BOCH u. SUPPERER 1992):

• Inzidenz = Anteil der neu erkrankten Individuen in einer Gruppe von Tieren innerhalb einer Zeitspanne von z. B. Wochen, Monaten oder Jahren.

• Prävalenz = Anteil der erkrankten Individuen in einer Gruppe von Tieren zu einem bestimmten Zeitpunkt.

2.2.1.2 Häufigkeit von Lahmheiten

Das Vorkommen von Lahmheiten bei Milchkühen hat verschiedenen Untersuchungen zufolge in den letzten vierzig Jahren deutlich zugenommen (CLARKSON et al. 1996; DIETZ 1970). Eine Übersicht der ermittelten Inzidenzen gibt Tabelle 1.

Tabelle 1: Jährliche Lahmheitsinzidenzen in verschiedenen Studien

Autor Jahr Inzidenz Datenerfassung Land

Leech et al. 1960 3,88 % TA* +Landwirt GB

Prentice u. Neal 1972 30,00 % Landwirt GB

Eddy u. Scott 1980 4,72 % TA GB

Russell et al. 1982 5,50 % TA GB

Rowlands et al. 1983 5,60 % TA GB

Whitaker et al. 1983 25,00 % TA+Landwirt (6,3%+18,7%) GB

Esslemont u. Spincer 1993 35,60 % TA+Landwirt GB

Clarkson et al. 1996 54,60 % TA+Landwirt+Klauenpfleger GB

Whitaker et al. 2000 23,70 % TA+Landwirt GB

Hedges et al. 2001 70,00 % Landwirt GB

Green et al. 2002 9-11 % Landwirt GB

Hultgren et al. 2004 6,00 % Klauenpfleger S

Whitaker et al. 2004 21-23 % TA+Landwirt GB

Blowey et al. 2004 69,00 % Landwirt GB

*TA = Tierarzt

Tabelle 2: Verschiedene Methoden des „locomotion scorings“

1988 1-5 3 1,0= minimale Ab-/Adduktion, keine Unregelmäßigkeit des Ganges mäßiger Gang, Empfindlichkeit der Klauen

3,0= leichte Lahmheit, Verhalten nicht betroffen

3,5= offensichtliche Lahmheit

4,0= offensichtl. Lahmheit, Verhalten betroffen

4,5= Schwierigkeiten beim Aufstehen und Gehen

5,0= extreme Schwierigkeiten beim Aufstehen und Gehen

Wells et al. 1993 0-4 2 0= kein abnormer Gang 1= leicht abnormer Gang

2003 1-5 3 1= gut/normal

2= mangelhaft

3= geringgradig abnormal 4= mittelgradig abnormal 5= hochgradig abnormal Bell et al. 2004 0-5 3 0= gesund

1= Ab- o. Adduktion einer Gldm.

2= verkürzte Schritte 3= geringgradig lahm 4= deutlich lahm 5= hochgradig lahm

Pedersen 2004 0-3 1 0= nicht lahm

1= geringgradig lahm 2= eindeutig lahm 3= schwerwiegend lahm

Die vorliegenden Zahlen weisen auch unter Berücksichtigung der oben genannten Zunahme eine große Variation auf, für welche die unter 2.2.1.1 aufgeführten Faktoren verantwortlich sind. Diese müssen bei einem Vergleich der Lahmheitsinzidenzen berücksichtigt werden.

Einige Autoren gaben die Häufigkeit von Lahmheiten mittels der Prävalenz an. Auch hier herrscht aufgrund der oben genannten Gründe eine große Variabilität. Tabelle 3 zeigt einige der in verschiedenen Untersuchungen ermittelten Prävalenzen.

Tabelle 3: Lahmheitsprävalenzen in verschiedenen Studien

Autor Jahr Prävalenz Land Kommentar

Smits et al. 1992 1,2 % NL Bei Klauenpflege Wells et al. 1993 13,7 % / 16,7 % USA Sommer / Frühjahr

Clarkson et al. 1996 20,6 % GB Sommer 18,6 %; Winter 25,0 % Sprecher et al. 1997 65,2 % USA Von Abkalbung bis Konzeption Manske et al. 2002 5,1 % S Bei Klauenpflege

Whay et al. 2002 25,0 % GB Schätzung Landwirt: 5 %

Bell et al. 2004 33,5 % GB Bei Erstkalbinnen 60-120 d p.p.

Winckler u. Brill 2004 45,0 % D

2.2.1.3 Ursprung der Lahmheiten

Der Großteil der Lahmheiten wurde von Erkrankungen des Unterfußes verursacht.

Lediglich 1 % bzw. 7,8 % der Lahmheiten war auf Erkrankungen der proximalen Gliedmaßenanteile zurückzuführen (CLARKSON et al. 1996; EDDY u. SCOTT 1980). Bei 67,3 % der Tiere ging die Lahmheit von einem Defekt des Klauenschuhs aus und nicht von Veränderungen an Ballen, Interdigitalspalt oder Kronsaum. Zwei Drittel der lahmen Tiere wiederum zeigten Erkrankungen der Außenklauen (CLARKSON et al. 1996). Laut EDDY und SCOTT (1980) traten 74,1 % der Klauenläsionen an den Außenklauen der Hintergliedmaße auf. SMITS et al. (1992) berichteten ebenfalls, dass fast alle Klauenerkrankungen signifikant häufiger an den Außenklauen als an den Innenklauen der Hintergliedmaße auftraten.

EDDY und SCOTT (1980) stellten fest, dass bei älteren Kühen die Lahmheit häufiger durch Erkrankungen der Hintergliedmaße bedingt ist als bei jüngeren Tieren. Bei

Lahmheiten, die ihren Ursprung in der Vordergliedmaße hatten, konnte kein Unterschied bezüglich des Alters festgestellt werden.

2.2.1.4 Auftreten der Lahmheit im Verlauf der Laktation

Klauenerkrankungen traten über den gesamten Zeitraum der Laktation auf. Sie waren nicht auf einen bestimmten Abschnitt beschränkt (DÜRING u. ERNST 1988;

BLOWEY et al. 2004). Laut DÜRING und ERNST (1988) traten 54 % aller Lahmheiten innerhalb der ersten drei Monate der Laktation auf. 75 % aller Lahmheiten wurden bis zum Tag 200-210 registriert. BLOWEY et al. (2004) und GREEN et al. (2002) stellten die höchste Inzidenz von Lahmheiten drei Monate post partum fest. Dies zeigte sich auch in der Studie von EDDY und SCOTT (1980), die die häufigsten Lahmheiten in der Frühlaktation verzeichneten, wohingegen während des Trockenstehens nur eine geringe Lahmheitsinzidenz vorlag.

2.2.1.5 Auftreten der Lahmheit in Bezug zur Jahreszeit

Die Jahreszeit hatte einigen Autoren zufolge einen signifikanten Einfluß auf das Auftreten von Klauenerkrankungen und somit auch von Lahmheiten. In den Wintermonaten gingen aufgrund der feuchten Witterung mehr Tiere lahm als in den trockeneren Sommermonaten. CLARKSON et al. (1996) beobachteten eine Lahmheitsinzidenz von 31,7 % im Winter gegenüber 22,9 % im Sommer. Bei einer Untersuchung von ROWLANDS et al. (1983) betrug die Lahmheitsinzidenz pro Monat im Winter 0,87 %, während sie im Sommer bei 0,71 %/Monat lag. In einer Studie von WHITAKER et al. (2000) traten die meisten Lahmheiten von Januar bis Mai auf. Diesen Untersuchungen gegenüber steht die Studie von WELLS et al.

(1993), in der keine signifikante Assoziation zwischen der Jahreszeit und dem Auftreten von Lahmheiten nachgewiesen wurde.

EDDY und SCOTT (1980) wiederum berichteten von einer Korrelation zwischen dem Auftreten von Lahmheiten und der Niederschlagsmenge im gleichen Monat oder im vorherigen Monat, in dem die Lahmheit diagnostiziert wurde.