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Beziehungen zwischen Klauen- und Eutergesundheit bei Hochleistungsmilchkühen

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Academic year: 2022

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Beziehungen zwischen Klauen- und Eutergesundheit bei Hochleistungsmilchkühen

INAUGURAL-DISSERTATION

zur Erlangung des Grades einer

Doktorin der Veterinärmedizin (Dr. med. vet.)

durch die Tierärztliche Hochschule Hannover

Vorgelegt von Katrin Maier aus Nürtingen

Hannover 2006

(2)

1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. M. Hoedemaker 2. Gutachter: Priv.-Doz. Dr. M. Kühne

Tag der mündlichen Prüfung: 24.05.2006

(3)
(4)
(5)

Inhaltsverzeichnis ... 5

Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen...10

1 Einleitung...11

2 Schrifttum ...12

2.1 Definitionen der wichtigsten Klauenerkrankungen...12

2.1.1 Pododermatitis circumscripta...12

2.1.1.1 Pododermatitis solearis circumscripta septica in typischer Lokali- sation (Rusterholz‘sches Sohlengeschwür, RSG) ...12

2.1.1.2 Pododermatitis circumscripta an anderen („untypischen“) Lokali- sationen (Klauensohlengeschwür, KSG, Sohlenspitzengeschwür)....13

2.1.2 Pododermatitis aseptica diffusa (Klauenrehe) ...14

2.1.2.1 Pododermatitis parietalis abaxialis septica (White Line Disease, eitrig-hohle Wand) ...15

2.1.2.2 Ballenhornerosionen...16

2.1.3 Dermatitis interdigitalis (Fäuleveränderungen mit Beteiligung des Zwischenklauenspalts)...16

2.1.4 Dermatitis digitalis (Mortellaro’sche Krankheit, Erdbeerkrankheit) ...18

2.1.5 Hyperplasia interdigitalis (Limax, Tylom)...19

2.1.6 Phlegmona interdigitalis (Zwischenzehenphlegmone, Zwischenklauennekrose)...19

2.2 Häufigkeit und Auftreten von Lahmheiten und Klauenerkrankungen...21

2.2.1 Lahmheiten...21

2.2.1.1 Erfassung von Lahmheiten...21

2.2.1.2 Häufigkeit von Lahmheiten ...22

2.2.1.3 Ursprung der Lahmheiten ...24

2.2.1.4 Auftreten der Lahmheit im Verlauf der Laktation...25

2.2.1.5 Auftreten der Lahmheit in Bezug zur Jahreszeit...25

2.2.2 Klauenerkrankungen...26

2.2.2.1 Häufigkeit der einzelnen Klauenerkrankungen...26

(6)

2.2.2.3 Auftreten von Klauenerkrankungen im Verlauf der Laktation...28

2.2.2.4 Auftreten von Klauenerkrankungen in Bezug zur Jahreszeit...29

2.3 Mastitis ...30

2.3.1 Ursachen für Mastitiserkrankungen...30

2.3.2 Mastitisformen...30

2.3.3 Häufigkeit von Mastitiden ...32

2.3.4 Auftreten von Mastitiden...33

2.4 Einfluß von Klauenerkrankungen und Lahmheit auf die Eutergesundheit ...36

2.5 Einfluß von Klauenerkrankungen auf andere Erkrankungen...37

2.6 Einfluß von Klauenerkrankungen und Lahmheit auf die Milchleistung ...39

2.7 Zellgehalt der Milch...41

2.7.1 Art und Herkunft der Zellen...41

2.7.2 Beeinflussung des Zellgehaltes bei eutergesunden Tieren...41

2.7.3 Zellgehalt im Verlauf der Infektion des Euters ...41

2.7.4 Zellgehalt der Herdensammelmilch...42

2.8 Wirtschaftliche Bedeutung...44

2.8.1 Klauenerkrankungen...44

2.8.2 Mastitiden...45

2.9 Abgänge...47

3 EIGENE UNTERSUCHUNGEN ...49

3.1 Material und Methoden...49

3.1.1 Versuchsbetrieb ...49

3.1.2 Tiere...50

3.1.3 Fütterung ...50

3.1.4 Erfassung der Klauengesundheit...52

3.1.4.1 Regelmäßige Klauenpflege ...52

3.1.4.2 Klauenerkrankungen zwischen den regelmäßigen Klauenpflege- terminen...53

3.1.5 Erfassung der Eutergesundheit...55

3.1.5.1 Postpartale bakterielle Untersuchung von Milchproben...55

3.1.5.2 Klinische Mastitiden ...55

3.1.5.3 Milchzellgehalte und Milchleistung ...55

(7)

3.1.6.2 Milchleistung und Milchzellgehalte ...57

3.1.6.3 Mastitiden ...57

3.2 Statistische Auswertung ...59

3.3 Ergebnisse...60

3.3.1 Klauenerkrankungen...60

3.3.1.1 Gesamtherde ...60

3.3.1.1.1 Prävalenzen der Klauenerkrankungen...60

3.3.1.1.2 Prävalenzen der einzelnen Klauenerkrankungen bei Herdenschnitt 1 und 2 in Abhängigkeit von der Laktationsnummer...61

3.3.1.2 Klauenerkrankungen bei nicht lahmen Tieren...66

3.3.1.2.1 Prävalenzen der Klauenerkrankungen bei nicht lahmen Tieren..67

3.3.1.2.2 Prävalenzen der einzelnen Klauenerkrankungen bei nicht lahmen Tieren bei Herdenschnitt 1 und 2 in Abhängigkeit von der Laktationsnummer ...68

3.3.1.3 Klauenerkrankungen bei lahmen Tieren...69

3.3.1.3.1 Prävalenzen der Klauenerkrankungen der lahmen Tiere bei Herdenschnitt 1 und 2 sowie außerhalb der Herdenschnitte ..71

3.3.1.3.2 Prävalenzen der einzelnen Klauenerkrankungen bei Herdenschnitt 1 und 2 in Abhängigkeit von der Laktationsnummer...72

3.3.1.3.3 Lahmheitsgrad bei Herdenschnitt 1 und 2 ...78

3.3.1.3.4 Diagnosen der Lahmheiten außerhalb der Herdenschnitte in Abhängigkeit von der Laktationsnummer...78

3.3.1.3.5 Beziehung zwischen der Art der Klauenerkrankung und dem Lahmheitsgrad bei Lahmheitsfällen außerhalb der Herdenschnitte ...81

3.3.1.4 Vergleich der lahmen Tiere mit den nicht lahmen Tieren...82

3.3.1.4.1 Prävalenzen der Klauenerkrankungen bei Herdenschnitt 1 und 2 83 3.3.1.4.2 Prävalenzen der einzelnen Klauenerkrankungen bei Herdenschnitt 1 in Abhängigkeit von der Laktationsnummer...84

3.3.1.4.3 Prävalenzen der einzelnen Klauenerkrankungen bei Herdenschnitt 2 in Abhängigkeit von der Laktationsnummer...88

3.3.2 Milchleistung ...93

(8)

bzw. der lahmen Tiere ...94

3.3.2.3 Mittle re 305- und 100-Tage-Leistung in Abhängigkeit vom Lahmheitsgrad...95

3.3.2.4 Durchschnittliche tägliche Milchleistung der Gesamtherde...97

3.3.2.5 Durchschnittliche tägliche Milchleistung zeitnah zur Lahmheit...98

3.3.3 Milchzellgehalte in Gesamtgemelken...102

3.3.3.1 Durchschnittliche Milchzellgehalte aller Tiere in Abhängigkeit von der Laktationsnummer (LN) ...102

3.3.3.2 Durchschnittliche Milchzellgehalte der nicht lahmen und lahmen Tiere in Abhängigkeit von der Laktationsnummer ...102

3.3.3.3 Zellzahlen in Abhängigkeit vom maximalen Lahmheitsgrad (LG max).... ...103

3.3.3.4 Zellzahlen zeitnah zur Lahmheit...104

3.3.4 Mastitiden...108

3.3.4.1 Anzahl der Mastitiden...108

3.3.4.2 Anzahl der Mastitisfälle pro Tier...108

3.3.4.3 Anzahl der Mastitisfälle in den verschiedenen Laktationsphasen...109

3.3.5 Beziehungen zwischen dem Auftreten von Lahmheiten und Mastitiden111 3.3.5.1 Verteilung der Tiere auf die verschiedenen Laktationsnummern...111

3.3.5.2 Mastitisfälle pro Tier und Ausfall pro Tier in Abhängigkeit vom maximalen Lahmheitsgrad...113

3.3.5.3 Mastitisfälle pro Tier zeitnah zur Lahmheit...114

3.3.5.4 Ausfall an Laktationstagen pro Tier zeitnah zur Lahmheit...117

3.3.5.5 Zeitlicher Abstand zwischen Lahmheit und Mastitis...119

4 Diskussion...122

4.1 Klauenerkrankungen...122

4.2 Lahmheiten...129

4.3 Einfluß der Lahmheit auf die Milchleistung ...130

4.4 Einfluß der Lahmheit auf die Milchzellgehalte im Gesamtgemelk ...132

4.5 Mastitiden...133

4.6 Einfluß der Lahmheit auf das Auftreten von Mastitiden...134

5 Zusammenfassung ...137

(9)

Abbildungsverzeichnis ...154 Tabellenverzeichnis...155

Anhang A Anhang B Anhang C Anhang D

(10)

Af.kl. Verletzung der Afterklauen

a. p. ante partum

Ballenh. Ballenhornerosionen

bzw. beziehungsweise

cm Zentimeter

Derm. dig. Dermatitis digitalis Derm. int. Dermatitis interdigitalis

DS doppelte Sohle

ehW eitrig hohle Wand

et al. et alii

ggr. geringgradig

Hgldm. Hintergliedmaße

hgr. hochgradig

kg Kilogramm

KSG atypisches Klauensohlengeschwür

mgr. mittelgradig

mm Millimeter

Phlegm. Phlegmona interdigitalis Pod. sept. Pododermatitis septica

p. p. post partum

Rehe Pododermatitis aseptica diffusa RSG Rusterholz’sches Sohlengeschwür

SD Standardabweichung

s. o. siehe oben

sog. sogenannt

u. und

u. a. unter anderem

v. a. vor allem

z. B. zum Beispiel

zw. zwischen

(11)

1 Einleitung

Klauenerkrankungen und Mastitiden gehören zu den am häufigsten auftretenden Krankheitskomplexen in der heutigen Milchviehhaltung. Sie werden zum Teil noch vor Sterilitäten genannt. Diese beiden Erkrankungen verursachen nicht zu vernachlässigende wirtschaftliche Schäden, welche nicht nur durch die Behandlungskosten und den Produktionsausfall zustande kommen, sondern auch durch vermehrte und verfrühte Abgänge der betroffenen Tiere. Keine andere Abgangsursache hat in den letzten 20 Jahren so stark zugenommen wie Klauen- und Gliedmaßenschäden.

In der Literatur sind zahlreiche Studien über den Einfluß, den Klauenerkrankungen auf andere Erkrankungen (Ovarialzysten, Metritiden, Retentio secundinaris, Vaginalausfluß, u. a.) sowie die Produktivität der Milchkühe (Milchmenge, Fruchtbarkeit allgemein, Lebensdauer) haben, zu finden (NILSSON 1963;

ROWLANDS et al. 1983; DOHOO u. MARTIN 1984; LUCEY et al. 1986;

ROWLANDS u. LUCEY 1986; COLLICK et al. 1989; LEE et al. 1989; GRÖHN et al.

1990; DELUYKER et al. 1991; PEELER et al. 1994; VERMUNT 1994; RAJALA- SCHULTZ et al. 1999; GREEN et al. 2002; MELENDEZ et al. 2003; HULTGREN et al. 2004; MARGERISON et al. 2004). Es gibt jedoch kaum Veröffentlichungen über den Zusammenhang zwischen Klauenerkrankungen und der Eutergesundheit.

Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, die Klauengesundheit der Tiere zu erfassen und einen Zusammenhang zwischen Lahmheiten und Klauenerkrankungen auf der einen Seite und der Eutergesundheit auf der anderen Seite festzustellen. Um beeinflussende Faktoren wie Haltung und Fütterung ausschließen zu können, sollte die Datenerfassung auf einem einzigen Betrieb erfolgen. Dazu konnte eine Agrargenossenschaft in Sachsen gewonnen werden, welche über die für die statistische Auswertung nötige Anzahl an Tieren verfügte.

Als Parameter der Eutergesundheit wurden Milchleistung, Milchzellgehalte in Gesamtgemelken und klinische Mastitiden gewertet. Anhand der Milchleistungsprüfungsdaten, der Dokumentation des Betriebspersonals sowie eigener Untersuchungen bezüglich der Klauengesundheit sollte der Einfluß der Klauenerkrankungen auf die Eutergesundheit untersucht werden.

(12)

2 Schrifttum

2.1 Definitionen der wichtigsten Klauenerkrankungen

Die Einteilung der wichtigsten Klauenerkrankungen erfolgt weitgehend gemäß der internationalen Bezeichnung nach ESPINASSE et al. (1984) und WEAVER (1994).

Auf dieser Grundlage wurden weitere Vorschläge für ein einheitliches Diagnosesystem im Bereich der Gliedmaßengesundheit erbracht (LANDMANN et al.

2004).

2.1.1 Pododermatitis circumscripta

Abweichend von ESPINASSE et al. (1984), die lediglich eine Form der Sohlengeschwüre beschreiben, wird hier aufgrund der unterschiedlichen Ätiologie zwischen der typischen und der atypischen Form der Sohlengeschwüre unterschieden.

2.1.1.1 Pododermatitis solearis circumscripta septica in typischer Lokalisation (Rusterholz‘sches Sohlengeschwür, RSG)

Hierbei handelt es sich um einen Defekt des Sohlenhorns im axialen Bereich der Klaue nahe dem Übergang der Sohlenfläche zum Ballenbereich. An der Hintergliedmaße ist grundsätzlich die Außenklaue betroffen. An der Vordergliedmaße tritt das Geschwür an der Innenklaue auf, allerdings relativ selten.

Bereits 1920 erkannte RUSTERHOLZ, dass diese Erkrankung durch eine Fehlbelastung bei zu lang gewachsenen Klauen hervorgerufen wird.

Bei den heutigen meistens planen und harten Laufflächen ist diese Fehlbelastung bedingt durch eine Vergrößerung der hinteren Außenklauen und der fehlenden Hohlkehlung. Der typische Bewegungsablauf des Rindes (schwankender Gang; am Euter „vorbeitreten“) ergibt stets Belastungsspitzen für die Außenklauen, da diese nicht wie unter natürlichen Haltungsbedingungen in den weichen Boden einsinken können. Die Außenklaue erfährt eine Überbelastung, die in der Folge zu einem verstärkten Hornwachstum führt. Höhere und längere Außenklauen werden stärker belastet, wobei sich durch das weitere Hornwachstum an dieser Klaue ein Circulus

(13)

vitiosus einstellt (TOUSSAINT RAVEN 1998, KÜMPER 1997). Die axiale Überlastung der Außenklaue führt zur Quetschung der Lederhaut in diesem Bereich, welche wiederum eine lokale Ischämie zur Folge hat. Daraus folgt eine Mangelernährung der hornbildenden Schichten und damit die Produktion minderwertigen Horns, in welchem sich ubiquitär vorkommende Keime festsetzen und in tiefere Schichten vordringen. Der zunächst aseptische Prozess geht in eine septische Pododermatitis über. Im weiteren Verlauf kann es zur Perforation der Lederhaut und damit zum Befall tiefer liegender Strukturen wie Beugesehne, Sesambein, Klauengelenk oder Klauenbein kommen (TOUSSAINT RAVEN 1998;

BLOWEY 1998; LISCHER 2000).

2.1.1.2 Pododermatitis circumscripta an anderen („untypischen“)

Lokalisationen (Klauensohlengeschwür, KSG, Sohlenspitzengeschwür) Im Gegensatz zum Rusterholz‘schen Sohlengeschwür kann das Klauensohlengeschwür im gesamten Sohlenbereich auftreten. Es wird nicht durch Fehlbelastungen, sondern durch akute Traumata verursacht und ist wesentlich seltener zu beobachten. Es kommen vor allem Verletzungen durch Stein- und Nageltritt oder übermäßiger Abrieb in Betracht (GÜNTHER 1991). Als Folge stumpfer Traumata (z.B. Steingalle) kommt es primär zu einer aseptischen Lederhautentzündung. Bei Freilegung der Lederhaut entwickelt sich auch hier eine septische Pododermatitis. Die weitere Entwicklung der Erkrankung verläuft hier weitgehend ähnlich wie beim RSG. Eine Sonderform des Klauensohlengeschwürs ist ein Sohlenspitzengeschwür (Pododermatitis septica (traumatica)). Dies kommt zustande, wenn das Sohlenhorn durch raue Laufflächen oder lange Wege besonders an der Hornschuhspitze zu stark abgerieben oder bei der Klauenpflege zu viel Horn abgetragen wurde. Auch minderwertiges weicheres Sohlenhorn, wie es bei einer Klauenrehe häufig beobachtet wird, nutzt sich schneller ab.

Zusammenhangstrennungen an der Klauenspitze führen zu Infektion der Lederhaut und erreichen schnell das knöcherne Klauenbein (ESPINASSE et al. 1984;

REICHER 1985; KOFLER 1999). Je nach Art und Ausmaß der Entzündung der tiefer liegenden Strukturen zeigt das Tier eine mittel- bis hochgradige Stützbeinlahmheit (BECKER 1983).

(14)

2.1.2 Pododermatitis aseptica diffusa (Klauenrehe)

Bei der Klauenrehe handelt es sich um eine diffuse, aseptische entzündliche Veränderung der Lederhaut an der Verbindung von Korium und Epidermis (LISCHER u. OSSENT 1994; MORTENSEN 1994; OSSENT et al. 1997; TOUSSAINT RAVEN 1998), welche durch eine gestörte Mikrozirkulation in der Lederhaut verursacht wird.

Hinsichtlich der Pathogenese besteht zum einen die Theorie, dass die Klauenrehe primär durch eine Störung der Mikrozirkulation verursacht wird (TOUSSAINT RAVEN 1998; LISCHER 2000). Eine zweite Theorie geht davon aus, dass es primär zu einer Schädigung der hornbildenen Zellen kommt, und die Gefässveränderungen sekundär auftreten (BLOWEY 1998).

Die Klauenrehe kann als Faktorenerkrankung angesehen werden, da sie meist von mehreren Ereignissen verursacht bzw. beeinflußt wird. Auch wenn die Pathogenese nicht endgültig geklärt ist, werden Erkrankungen um den Geburtszeitraum, die mit der Freisetzung von toxischen und vasoaktiven Substanzen wie Histamin und Endotoxinen in Zusammenhang stehen, als auslösende Ursache diskutiert.

Fütterungsfehler, die zu azidotischen Bedingungen im Pansen führen und mit der Freisetzung von Endotoxinen einhergehen, werden als Hauptursache angesehen (KLEEN et al. 2003). Weiterhin spielen hochgradige septische Erkrankungen wie Mastitiden, Nachgeburtsverhaltungen und Gebärmutterenzündungen für die Entstehung der Klauenrehe ebenso eine Rolle (MORTENSEN 1994, LISCHER u.

OSSENT 1994, OSSENT et al. 1997, NORDLUND et al. 2004) wie Fehlbelastungen der Lederhaut besonders an der hinteren Außenklaue bei mangelhafter Klauenpflege und abnormer Gliedmaßenstellung (TOUSSAINT RAVEN 1998; SOHRT 1999;

LISCHER 2000). Auch eine übermäßige Belastung der Klauen durch harte Laufflächen oder längere Standzeiten durch mangelhaften Liegekomfort fördern die Entstehung einer Klauenrehe (BERGSTEN 2004).

Bei der Klauenrehe sind akute, subakute, chronische und chronisch-rezidivierende Verlaufsformen beschrieben, wobei meist mehrere Extremitäten betroffen sind. Des weiteren gibt es eine subklinische Verlaufsform. Die betroffenen Tiere fallen lediglich bei der Klauenpflege durch Verfärbungen und kleinere Blutungen im Sohlenhorn und im Horn der weißen Linie auf (TOUSSAINT RAVEN 1998).

Bei der sporadisch auftretenden akuten Form der Klauenrehe zeigen die Tiere ein gestörtes Allgemeinbefinden und können häufig kaum gehen oder stehen. Die

(15)

Pulsation der Zehenarterien ist verstärkt, die Klauen sind schmerzempfindlich und wärmer als gewöhnlich (TOUSSAINT RAVEN 1998; LISCHER 2000).

Die subakute Form der Rehe wird von einigen Autoren als milde Verlaufsform der akuten Klauenrehe bezeichnet, deren Folgen im Hornschuh erst relativ spät erkannt werden (TOUSSAINT RAVEN 1998; DIRKSEN 2002). Die Tiere zeigen einen steifen, klammen Gang mit wechselnder Lahmheit. Im Sohlenhorn und im Horn der weißen Linie sind ausgeprägte Gelb- und Rotverfärbungen zu sehen. Ballenhornerosionen, Defekte an der weißen Linie sowie doppelte Sohlen sind ebenfalls zu beobachten (TOUSSAINT RAVEN 1998; LISCHER 2000).

Die chronische und chronisch-rezidivierende Form ist am häufigsten zu beobachten.

Sie stellt sich nach wiederholten akuten Schüben ein (DIRKSEN 2002). Die betroffenen Tiere zeigen dabei meist nur eine geringgradige Lahmheit. Infolge der gestörten Hornbildung und der Produktion von minderwertigem Horn kommt es zur Deformation des Klauenschuhs. Es sind zum Ballen hin auseinanderlaufende Wachstumsringe, sog. Reheringe, konkave Dorsalwand mit nach oben gebogener Klauenspitze und Verbreiterung der weißen Linie zu erkennen. Diese Abweichungen kommen in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankungen in unterschiedlichem Ausmaß und verschiedenen Kombinationen vor, wobei die Außenklaue der Hintergliedmaße jedoch häufig am schwersten betroffen ist, da sie auch die ungünstigste Belastung erfährt (ESPINASSE et al. 1984; TOUSSAINT RAVEN 1998).

Die durch Klauenrehe geschädigten Klauen sind anfälliger für alle anderen Klauenerkrankungen. LISCHER (2000) geht davon aus, dass Sohlengeschwüre, White Line Disease und Ballenhornerosionen direkte Folgen der Klauenrehe sind.

2.1.2.1 Pododermatitis parietalis abaxialis septica (White Line Disease, eitrig- hohle Wand)

Diese Erkrankung tritt ausschließlich an der lateralen Klaue der Hintergliedmaße oder in seltenen Fällen an der medialen Klaue der Vordergliedmaße auf. Die Tiere zeigen eine mittel- bis hochgradige Lahmheit. In schweren Fällen ist eine Phlegmone am Kronsaum zu beobachten. Grundsätzlich kann eine eitrig-hohle Wand überall an der weißen Linie auftreten. Häufigste Eintrittsstelle ist jedoch an der abaxialen Wand

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vor dem Übergang zum Ballen, da hier beim Gehen die größten Kräfte einwirken (BLOWEY 1998, LISCHER 2000).

Die in Folge der Klauenrehe verbreiterte und geschwächte weiße Linie stellt die Eintrittspforte für Schmutz, kleine Steinchen und Kot dar. Diese Partikel können nun bis zur Lederhaut vordringen und dort eine eitrige Entzündung verursachen, welche die Ablösung der Hornschichten von der Lederhaut verursacht. Durch die Ansammlung von Eiter kommt es zu verstärkter Druckeinwirkung auf die Lederhaut, was zu Schmerzen und Lahmheit führt. Des Weiteren kann sich der Eiter unter der ganzen Sohlenfläche und bis in den Ballenbereich hinein ausbreiten, wobei die betroffenen Tiere eine hochgradige Lahmheit zeigen. In schweren Fällen durchbricht der Eiter die Haut am Kronsaum und entleert sich hier (BLOWEY 1998; KOFLER 2001).

2.1.2.2 Ballenhornerosionen

Diese Erkrankung gilt ebenfalls als Folgeerscheinung der Klauenrehe. Infolge der gestörten Mikrozirkulation in der Lederhaut wird nicht nur minderwertiges Sohlenhorn produziert, sondern auch minderwertiges Ballenhorn, welches weniger widerstandsfähig ist als „normales“ Horn. Diese verminderte Widerstandsfähigkeit sowie feuchte, kotverschmutzte Laufflächen begünstigen eine Zersetzung des Ballenhorns durch ubiquitäre Bakterien (BECKER 1983; ESPINASSE et al. 1984).

Dabei kann die Schädigung des Ballens je nach Schweregrad von unregelmäßigen, oberflächlich zerklüfteten Ballenbereichen bis hin zu völliger Zersetzung des Ballenhorns reichen.

Ballenhornerosionen sind in allen Betrieben zu finden, in denen auch Klauenrehe vorkommt. V.a. während der Stallperiode oder in Betrieben ohne Weidehaltung ist diese Erkrankung stark verbreitet (ESPINASSE et al. 1984).

2.1.3 Dermatitis interdigitalis (Fäuleveränderungen mit Beteiligung des Zwischenklauenspalts)

Diese Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine oberflächliche bis tiefreichende Entzündung der Haut des Zwischenklauenspaltes und hyper- bis parakeratotische Veränderungen des Ballenhorns. Unter heutigen Haltungsbedingungen ist sie

(17)

weltweit stark verbreitet, da die durch feuchte kotverschmutzte Laufflächen entstehende chronische Reizung und Entzündung der Haut des Zwischenklauenspalts die Hauptursache der Fäule darstellt. Eine weitere Schädigung entsteht durch die Infektion mit Fusobacterium necrophorum und Dichelobacter nodosus, welche aus den erkrankten Bereichen isoliert werden konnten (ESPINASSE et al. 1984).

Im Anfangsstadium der Fäule kommt es zu einer serösen Entzündung der Zwischenklauenhaut. Die Lederhaut ist nicht direkt von der Infektion betroffen, reagiert jedoch mit verstärkter Durchblutung und einer Anhäufung von Zellen im Bereich der Basalmembran, was eine Schwellung der Zwischenklauenhaut und des darunterliegenden Gewebes nach sich zieht. Obwohl die Zwischenklauenhaut bei Berührung schmerzhaft ist, gehen die Tiere in diesem Stadium nicht oder nur geringgradig lahm (TOUSSAINT RAVEN 1998). Die Erkrankung breitet sich auf den Ballenbereich aus. Es kommt zur Störung der Hornbildung in diesem Bereich. In geringgradigen Fällen folgt daraus eine oberflächliche Zersetzung des Ballenhorns.

Die Befunde werden häufig den Ballenhornerosionen zugeordnet, die sich aber durch einen unveränderten Zwischenklauenspalt kennzeichnen. Frühe Stadien der Erkrankung gehen in der Regel nicht mit einer Lahmheit einher (KOFLER 2001). In höhergradigen Fällen zeigt sich eine unterschiedlich stark ausgeprägte Furchenbildung. Diese sog. „V-Furchen“ können den gesamten Ballen überziehen und sogar die Klauenseitenwand erreichen. Durch den Druck des entstehenden harten Hornrandes auf das dahinterliegende Ballengebiet sowie durch Entzündungen infolge des Einwanderns von Bakterien in den nur spärlich mit minderwertigem Horn bedeckten Ballen und damit einhergehender Umfangsvermehrung des Weichteilgewebes kann es zu hochgradigen Lahmheiten kommen (ESPINASSE et al. 1984; TOUSSAINT RAVEN 1998).

Die Erkrankung tritt hauptsächlich während der Stallhaltungsphase auf, wohingegen sowohl die Entzündung im Zwischenklauenspalt als auch die Ballenhorndefekte während der Weidesaison allmählich spontan abheilen. Bei Tieren in Anbindehaltung sind in erster Linie die Klauen der Hintergliedmaßen betroffen, während bei Tieren im Laufstall deutlich häufiger auch Fäuleerscheinungen an den Vorderbeinen zu beobachten sind. Durch sachgerechte Klauenpflege kann über eine Erhöhung des Ballenbereiches diese Erkrankung auf einem niedrigen Niveau gehalten werden (TOUSSAINT RAVEN 1998).

(18)

2.1.4 Dermatitis digitalis (Mortellaro’sche Krankheit, Erdbeerkrankheit)

Bei dieser Erkrankung liegt eine oberflächliche, meist umschriebene Entzündung der Haut am Übergang der Haut zum Horn vor. Sie tritt hauptsächlich im Ballenbereich auf, in seltenen Fällen am dorsalen Kronsaum oder im Interdigitalbereich, wobei die Hinterfüße häufiger betroffen sind als die Vorderfüße (TOUSSAINT RAVEN 1998).

Generell können Tiere aller Altersstufen betroffen sein, obgleich es den Anschein hat, dass sich eine Immunität entwickelt, da es sich bei überdurchschnittlich vielen der erkrankten Tiere um Färsen und neu erworbene Tiere handelt (BLOWEY 1998).

Die Erkrankung ist weltweit verbreitet und kann in betroffen Beständen gehäuft auftreten (TOUSSAINT RAVEN 1998). Bei akuten Ausbrüchen können 80-90 % der Herde erkranken (KOFLER 2001).

Die Läsion erscheint zu Beginn der Erkrankung als bräunlich-grauer exsudativer Bereich, umgeben von langen, stachelig abstehenden Haaren. Nach Reinigung der Oberfläche ist ein unregelmäßig runder Bereich zu erkennen, welcher mit Gewebsresten bedeckt ist. Unter diesen kommt das typische rote, an die Oberfläche einer Erdbeere erinnernde Granulationsgewebe zum Vorschein (BLOWEY 1998;

LISCHER 2000). Obwohl die Veränderungen bei Berührung sehr schmerzempfindlich sind, zeigt die Mehrzahl der erkrankten Tiere lediglich eine geringgradige Lahmheit (TOUSSAINT RAVEN 1998).

Neben diesen ulzerativen Veränderungen finden sich auch proliferative Epithelläsionen, wobei DÖPFER (1994) zusätzlich Verdachtsstadien und heilende Stadien definiert, welche in vorliegender Studie ebenfalls unterschieden wurden.

Die Ursache der Erkrankung ist bislang nicht vollständig geklärt (DÖPFER et al.

1997). In mehreren Studien wurde eine Vielzahl von Erregern im veränderten Gewebe isoliert, z.B. Campylobacter spp. (CORNELISSE et al. 1982; DÖPFER et al.

1997), Porphyromonas spp. (GRUND et al. 1995), Spirochaeten (READ et al. 1992;

WALKER et al. 1995) oder auch Viren (REBHUN et al. 1980). Der zwingende Nachweis, welcher Erreger für die Läsionen verantwortlich ist, fehlt jedoch, da es bisher nicht gelungen ist, die Erkrankung durch Inokulation eines dieser Erreger bei gesunden Tieren zu reproduzieren. Neuesten Untersuchungen zu Folge kommt Spirochaeten und obligaten Anaerobiern wie Porphyromonas levii die Hauptbedeutung zu (DÖPFER et al. 1997; MORTELLARO 1994).

(19)

2.1.5 Hyperplasia interdigitalis (Limax, Tylom)

Hierbei handelt es sich um eine Wucherung der Haut im Zwischenklauenspalt, welche sich aus einer subakuten bis chronischen proliferativen Entzündung der Haut und/oder Unterhaut entwickelt. Die aus Epidermis, Lederhaut und lockerem Bindegewebe bestehende hyperplastische Hautschwiele kann bis zu zwei Finger stark werden und bis in den Bereich zwischen den Ballen reichen (ESPINASSE et al.

1984).

Die Erkrankung kann auf verschiedenen Wegen entstehen. Bei sporadisch auftretenden Fällen an einer Gliedmaße geht man davon aus, dass eine chronische Reizung der Haut durch Bakterien, Schmutz und/oder Feuchtigkeit sowie durch mechanische Irritationen im Interdigitalspalt bei mangelhafter Klauenpflege entsteht.

Daneben gibt es eine genetisch bedingte Form dieser Erkrankung, welche an beiden Hintergliedmaßen oder sogar an allen vier Extremitäten auftritt (ESPINASSE et al.

1984). Sie wird beschrieben bei schweren Milchkuhrassen und bei bestimmten Fleischrinderbullen, z.B. Hereford (BLOWEY 1998). Des Weiteren kann ein Limax im Zusammenhang mit Spreizklauen beobachtet werden, die durch eine erblich bedingte Schwäche des interdigitalen Bandapparates bedingt sind (LISCHER 2000).

Auftretende Lahmheiten sind auf den Druck der Klauen zurückzuführen, der beim Gehen auf das Limax ausgeübt wird (BLOWEY 1998). Außerdem kann es bei größeren Hyperplasien zu Verletzungen mit nachfolgenden Infektionen durch Umweltkeime (v.a. Fusobacterium necrophorum) kommen (TOUSSAINT RAVEN 1998). Daraus können sich mehr oder weniger tiefgreifende Ulzerationen und Nekrosen entwickeln, die von nachfolgenden Phlegmonen begleitet werden (BECKER 1983).

2.1.6 Phlegmona interdigitalis (Zwischenzehenphlegmone, Zwischenklauennekrose)

Die Zwischenklauennekrose ist eigentlich keine Erkrankung der Klaue, sondern eine Erkrankung des Unterhautgewebes in Nachbarschaft zur Klaue (TOUSSAINT RAVEN 1998). Es handelt sich hierbei um eine akute Entzündung des Unterhautgewebes im Interdigitalspalt, welche sich auf den Kronsaumbereich ausdehnt und von einer mehr oder minder ausgeprägten Schwellung sowie nachfolgender Nekrose der Zwischenklauenhaut begleitet ist (ESPINASSE et al.

(20)

1984). Die Erkrankung kann sowohl sporadisch auf einen oder ein paar wenige Fälle beschränkt auftreten als auch als regelrechter Ausbruch vorkommen, wobei die Hälfte aller Tiere innerhalb von zwei bis drei Wochen erkranken kann. Meist ist nur ein Bein pro Tier betroffen (TOUSSAINT RAVEN 1998).

Verursacht wird die Zwischenklauennekrose durch eine Verletzung der Haut im Zwischenklauenspalt, welche das Eindringen bakterieller Erreger (Fusobacterium necrophorum, Prevotella melaninogenica (früher: Bacteroides melaninogenicus), Arcanobacterium (A). pyogenes, Fusiformis nodosus u.a.) in die Subkutis ermöglicht (BLOWEY 1998; TOUSSAINT RAVEN 1998; ESPINASSE et al. 1984). Begünstigt wird dieses Geschehen durch mangelhafte Stallhygiene und schlechte Aufstallung, da bei einer Erweichung der Zwischenklauenhaut schon kleinere Traumata eine Läsion mit nachfolgender Infektion verursachen können (LISCHER 2000; BLOWEY 1998).

Die betroffenen Tiere zeigen in der Regel eine hochgradige Stützbeinlahmheit, und nicht selten ist das Allgemeinbefinden gestört (TOUSSAINT RAVEN 1998). Wird die Zwischenklauennekrose zu spät diagnostiziert und behandelt, kann sie sich schnell auf tiefergelegene Strukturen wie Sehnen, Gelenke und Knochen ausdehnen (LISCHER 2000). Wichtig ist die ätiologische Abgrenzung, da eine Phlegmone auch infolge tiefgreifender anderer Klauenerkrankungen entstehen kann, wie durch ein perforierendes RSG, eine eitrig hohle Wand oder einen Gabelstich (FESSL 1992).

(21)

2.2 Häufigkeit und Auftreten von Lahmheiten und Klauenerkrankungen

2.2.1 Lahmheiten

2.2.1.1 Erfassung von Lahmheiten

Die Angaben in der Literatur bezüglich der Lahmheitsraten weisen eine große Variation auf, da die Erfassung der Lahmheiten sowie die Ermittlung des Lahmheitsgrades auf sehr unterschiedliche Weise erfolgen können und mehrere, voneinander unabhängige Faktoren darauf Einfluß nehmen:

• Betrieb: der Status der Klauengesundheit war auf jedem Betrieb unterschiedlich, da er abhängig ist von Rasse, Genetik, Haltung, Hygiene, Management (BARKEMA et al. 1994; HEDGES et al. 2001).

• Informationsquelle: die Datenerfassung erfolgte bei den verschiedenen Studien durch unterschiedliche Personengruppen. Diese setzten sich zusammen aus Tierärzten, Landwirten, Klauenpflegern, z.T. auch aus Studenten und anderen Hilfskräften. Jede dieser Personen beurteilte den Gang einer Kuh unterschiedlich.

In einer Studie von WELLS et al. (1993) war die Einschätzung der Lahmheitshäufigkeit durch den Landwirt um 60 % niedriger als vom Untersucher ermittelt. WHAY et al. (2002) berichteten, dass die vom Landwirt geschätzte Lahmheitsprävalenz um über 16 % niedriger war als die des Untersuchers. Bei einer eigens zur Feststellung der Übereinstimmung der Lahmheitsbeurteilung durchgeführten Untersuchung variierte die Lahmheitsprävalenz bei drei Untersuchern zwischen 5 % und 33 % (PEDERSEN 2004).

• Kostenpunkt: bei manchen Studien wurde die Untersuchung und Behandlung der Klauen dem Betrieb nicht in Rechnung gestellt, was den Landwirt ermutigte, jedes Tier mit geringgradig ungleichmäßigem Gang dem Untersucher als lahm vorzustellen. Dies dürfte der Grund für die unverhältnismäßig hohe Lahmheitsinzidenz in der Untersuchung von PRENTICE und NEAL (1972) sein.

• Bewertung der Lahmheit: zur Bewertung der Lahmheit wurden verschiedene Systeme herangezogen. Das einfachste Bewertungsschema bestand in der Unterscheidung zwischen lahm und nicht lahm. Desweiteren wurde mit unterschiedlichen Systemen des sog. „locomotion scorings“ der Lahmheitsgrad eines Tieres beurteilt (Tabelle 2). Hierbei wurde die Bewegung des Tieres bzw.

(22)

die Störung derselben beurteilt und mit der dazugehörigen Punktezahl (score) bewertet. Bei den verschiedenen „locomotion scorings“ waren die Definitionen der Bewegungsstörungen sowie die Anzahl der verschiedenen Kategorien und somit der Punkte unterschiedlich, so dass auch dadurch die Lahmheitsrate, die in verschiedenen Studien ermittelt wurde, variierte.

Desweiteren kann die Häufigkeit von Lahmheiten, wie auch von allen anderen Erkankungen, auf verschiedene Weise angegeben werden (BOCH u. SUPPERER 1992):

• Inzidenz = Anteil der neu erkrankten Individuen in einer Gruppe von Tieren innerhalb einer Zeitspanne von z. B. Wochen, Monaten oder Jahren.

• Prävalenz = Anteil der erkrankten Individuen in einer Gruppe von Tieren zu einem bestimmten Zeitpunkt.

2.2.1.2 Häufigkeit von Lahmheiten

Das Vorkommen von Lahmheiten bei Milchkühen hat verschiedenen Untersuchungen zufolge in den letzten vierzig Jahren deutlich zugenommen (CLARKSON et al. 1996; DIETZ 1970). Eine Übersicht der ermittelten Inzidenzen gibt Tabelle 1.

Tabelle 1: Jährliche Lahmheitsinzidenzen in verschiedenen Studien

Autor Jahr Inzidenz Datenerfassung Land

Leech et al. 1960 3,88 % TA* +Landwirt GB

Prentice u. Neal 1972 30,00 % Landwirt GB

Eddy u. Scott 1980 4,72 % TA GB

Russell et al. 1982 5,50 % TA GB

Rowlands et al. 1983 5,60 % TA GB

Whitaker et al. 1983 25,00 % TA+Landwirt (6,3%+18,7%) GB

Esslemont u. Spincer 1993 35,60 % TA+Landwirt GB

Clarkson et al. 1996 54,60 % TA+Landwirt+Klauenpfleger GB

Whitaker et al. 2000 23,70 % TA+Landwirt GB

Hedges et al. 2001 70,00 % Landwirt GB

Green et al. 2002 9-11 % Landwirt GB

Hultgren et al. 2004 6,00 % Klauenpfleger S

Whitaker et al. 2004 21-23 % TA+Landwirt GB

Blowey et al. 2004 69,00 % Landwirt GB

*TA = Tierarzt

(23)

Tabelle 2: Verschiedene Methoden des „locomotion scorings“

Methode nach

Jahr Punkte- Umfang

Lahm- heit ab Manson und

Leaver

1988 1-5 3 1,0= minimale Ab-/Adduktion, keine Unregelmäßigkeit des Ganges 1,5= geringe Ab-/Adduktion, keine Unregelmäßigkeit des Ganges 2,0= Ab-/Adduktion vorhanden, unregelmäßiger Gang

2,5= Ab-/Adduktion vorhanden, unregel- mäßiger Gang, Empfindlichkeit der Klauen

3,0= leichte Lahmheit, Verhalten nicht betroffen

3,5= offensichtliche Lahmheit

4,0= offensichtl. Lahmheit, Verhalten betroffen

4,5= Schwierigkeiten beim Aufstehen und Gehen

5,0= extreme Schwierigkeiten beim Aufstehen und Gehen

Wells et al. 1993 0-4 2 0= kein abnormer Gang 1= leicht abnormer Gang 2= mäßig abnormer Gang 3= stark abnormer Gang 4= nicht gehfähig

Sprecher et al.

1997 1-5 2 1= normal

2= geringgradig lahm 3= mäßig lahm

4= lahm

5= hochgradig lahm O’Callaghan

et al.

2003 1-5 3 1= gut/normal

2= mangelhaft

3= geringgradig abnormal 4= mittelgradig abnormal 5= hochgradig abnormal Bell et al. 2004 0-5 3 0= gesund

1= Ab- o. Adduktion einer Gldm.

2= verkürzte Schritte 3= geringgradig lahm 4= deutlich lahm 5= hochgradig lahm

Pedersen 2004 0-3 1 0= nicht lahm

1= geringgradig lahm 2= eindeutig lahm 3= schwerwiegend lahm

(24)

Die vorliegenden Zahlen weisen auch unter Berücksichtigung der oben genannten Zunahme eine große Variation auf, für welche die unter 2.2.1.1 aufgeführten Faktoren verantwortlich sind. Diese müssen bei einem Vergleich der Lahmheitsinzidenzen berücksichtigt werden.

Einige Autoren gaben die Häufigkeit von Lahmheiten mittels der Prävalenz an. Auch hier herrscht aufgrund der oben genannten Gründe eine große Variabilität. Tabelle 3 zeigt einige der in verschiedenen Untersuchungen ermittelten Prävalenzen.

Tabelle 3: Lahmheitsprävalenzen in verschiedenen Studien

Autor Jahr Prävalenz Land Kommentar

Smits et al. 1992 1,2 % NL Bei Klauenpflege Wells et al. 1993 13,7 % / 16,7 % USA Sommer / Frühjahr

Clarkson et al. 1996 20,6 % GB Sommer 18,6 %; Winter 25,0 % Sprecher et al. 1997 65,2 % USA Von Abkalbung bis Konzeption Manske et al. 2002 5,1 % S Bei Klauenpflege

Whay et al. 2002 25,0 % GB Schätzung Landwirt: 5 %

Bell et al. 2004 33,5 % GB Bei Erstkalbinnen 60-120 d p.p.

Winckler u. Brill 2004 45,0 % D

2.2.1.3 Ursprung der Lahmheiten

Der Großteil der Lahmheiten wurde von Erkrankungen des Unterfußes verursacht.

Lediglich 1 % bzw. 7,8 % der Lahmheiten war auf Erkrankungen der proximalen Gliedmaßenanteile zurückzuführen (CLARKSON et al. 1996; EDDY u. SCOTT 1980). Bei 67,3 % der Tiere ging die Lahmheit von einem Defekt des Klauenschuhs aus und nicht von Veränderungen an Ballen, Interdigitalspalt oder Kronsaum. Zwei Drittel der lahmen Tiere wiederum zeigten Erkrankungen der Außenklauen (CLARKSON et al. 1996). Laut EDDY und SCOTT (1980) traten 74,1 % der Klauenläsionen an den Außenklauen der Hintergliedmaße auf. SMITS et al. (1992) berichteten ebenfalls, dass fast alle Klauenerkrankungen signifikant häufiger an den Außenklauen als an den Innenklauen der Hintergliedmaße auftraten.

EDDY und SCOTT (1980) stellten fest, dass bei älteren Kühen die Lahmheit häufiger durch Erkrankungen der Hintergliedmaße bedingt ist als bei jüngeren Tieren. Bei

(25)

Lahmheiten, die ihren Ursprung in der Vordergliedmaße hatten, konnte kein Unterschied bezüglich des Alters festgestellt werden.

2.2.1.4 Auftreten der Lahmheit im Verlauf der Laktation

Klauenerkrankungen traten über den gesamten Zeitraum der Laktation auf. Sie waren nicht auf einen bestimmten Abschnitt beschränkt (DÜRING u. ERNST 1988;

BLOWEY et al. 2004). Laut DÜRING und ERNST (1988) traten 54 % aller Lahmheiten innerhalb der ersten drei Monate der Laktation auf. 75 % aller Lahmheiten wurden bis zum Tag 200-210 registriert. BLOWEY et al. (2004) und GREEN et al. (2002) stellten die höchste Inzidenz von Lahmheiten drei Monate post partum fest. Dies zeigte sich auch in der Studie von EDDY und SCOTT (1980), die die häufigsten Lahmheiten in der Frühlaktation verzeichneten, wohingegen während des Trockenstehens nur eine geringe Lahmheitsinzidenz vorlag.

2.2.1.5 Auftreten der Lahmheit in Bezug zur Jahreszeit

Die Jahreszeit hatte einigen Autoren zufolge einen signifikanten Einfluß auf das Auftreten von Klauenerkrankungen und somit auch von Lahmheiten. In den Wintermonaten gingen aufgrund der feuchten Witterung mehr Tiere lahm als in den trockeneren Sommermonaten. CLARKSON et al. (1996) beobachteten eine Lahmheitsinzidenz von 31,7 % im Winter gegenüber 22,9 % im Sommer. Bei einer Untersuchung von ROWLANDS et al. (1983) betrug die Lahmheitsinzidenz pro Monat im Winter 0,87 %, während sie im Sommer bei 0,71 %/Monat lag. In einer Studie von WHITAKER et al. (2000) traten die meisten Lahmheiten von Januar bis Mai auf. Diesen Untersuchungen gegenüber steht die Studie von WELLS et al.

(1993), in der keine signifikante Assoziation zwischen der Jahreszeit und dem Auftreten von Lahmheiten nachgewiesen wurde.

EDDY und SCOTT (1980) wiederum berichteten von einer Korrelation zwischen dem Auftreten von Lahmheiten und der Niederschlagsmenge im gleichen Monat oder im vorherigen Monat, in dem die Lahmheit diagnostiziert wurde.

(26)

2.2.2 Klauenerkrankungen

2.2.2.1 Häufigkeit der einzelnen Klauenerkrankungen

Die Häufigkeit von Klauenerkrankungen in den verschiedenen Studien zeigten zum Teil eine große Variabilität, da die Art der Klauenerkrankung stark betriebs- bzw.

haltungsabhängig ist. In einer Untersuchung aus Finnland z.B. war die Prävalenz von Dermatitis digitalis, Dermatitis interdigitalis und Ballenhornerosionen sehr gering, was in der größeren Anzahl von Betrieben mit Anbindehaltung in dieser Studie begründet ist (KUJALA et al. 2004).

Die am häufigsten gestellten Diagnosen waren GREEN et al. (2002) sowie AMORY et al. (2004) zufolge Sohlengeschwüre, Defekte der weißen Linie, Phlegmona interdigitalis und Dermatitis digitalis. SMITS et al. (1992) gaben Dermatitis interdigitalis sowie verschiedene Erscheinungen der Pododermatitis aseptica diffusa als die am häufigsten auftretenden Klauenerkrankungen an. In einer Studie von FLEISCHER et al. (2001) handelte es sich bei 44 % aller Klauenerkrankungen um Pododermatitis circumscripta, gefolgt von Dermatitis digitalis mit 26 %, Limax mit 18

% sowie Rehe mit 9 %. MANSKE et al. (2002) stellten im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Klauenpflege fest, dass 10 % der Kühe ein Sohlengeschwür aufwiesen, davon jedoch nur wenig Tiere lahm gingen.

Die in verschiedenen Studien ermittelten Inzidenzen und Prävalenzen der einzelnen Klauenerkrankungen sind Tabelle 4 bzw. 5 zu entnehmen.

Tabelle 4: Inzidenzen einzelner Klauenerkrankungen Klauen-

erkrankungen

Eddy u. Scott 1980

Clarkson et al.

1996

Blowey et al.

2004

Amory et al.

2004

Sohlengeschwür 11,4 % 36,0 % 13,8 % 5,5 %

Weiße Linie Defekt 34,9 % 22,0 % 12,7 % 4,9 %

Pododermatitis septica 5,0%

Dermatitis digitalis 8,0 % 12,0 % 5,7 %

Dermatitis interdigitalis 7,1 %

Limax 5,0 %

Phlegmona interdig. 14,3 % 5,0 % 2,8 %

(27)

Tabelle 5: Prävalenzen einzelner Klauenerkrankungen Klauen-

erkrankungen

Smits et al.

1992

Vaarst et al.

1998

Sohrt 1999

Bell et al.

2004

Somers et al.

2003

Fiedler 2004

Kujala et al.

2004 Sohlen-

geschwür

5,5 % (RSG)

20,1 % 18,7 % (RSG)

7,0 % 3,8 %

Defekt Weiße Linie

12,1 % 1,1 % 27,4 % 8,6 %

Reheer- scheinungen

84,1 % 7,0 % 34,4 % 97,0 % 47,7 % 25,9

% Dermatitis digitalis 17,6 % 5,3 % 40,6 % 30,7 % 54,5 % Dermatitis interdig. 83,1 % 2,0 % 39,7 % 76,4 % Ballenhornerosion 11,8 % 26,7 %

92,7 %

63,6 %

8,5 %

Limax 8,8 % 8,1 %

Phlegmona interdig. 0,4 % 0,5 % 0,4 %

interdig. = interdigitalis

2.2.2.2 Auftreten von Klauenerkrankungen bezogen auf das Alter des Tieres Mehr als 50 % aller Kühe zeigten krankhafte Veränderungen an den Klauen. Dabei waren zu einem hohen Prozentsatz Erstlaktierende betroffen (ENEVOLDSEN et al.

1991a; SMITS et al. 1992). Dem gegenüber steht eine Untersuchung von EDDY und SCOTT (1980), die eine Zunahme der Inzidenzen von Klauenerkrankungen ab der dritten Laktation feststellten. FLEISCHER et al. (2001) beobachteten ebenfalls eine sigifikante Beziehung zwischen der Zunahme von Klauenerkrankungen und der steigenden Laktationsnummer. Eine Zunahme der Prävalenzen von Klauenerkrankungen mit steigendem Alter wurde in einer Studie von ENEVOLDSEN et al. (1991a u. b) deutlich. Die untersuchten Arten von Klauenerkrankungen traten bei Kühen in Laktation 2-9 häufiger auf als bei Erstlaktierenden (Tabelle 6).

Außerdem nahm der Schweregrad der Ballenhornerosionen mit jeder Laktation zu.

SMITS et al. (1992) kamen zu dem Ergebnis, dass Dermatitis digitalis und Klauenrehe häufiger bei Erstlaktierenden auftraten, während Sohlengeschwüre, Dermatitis interdigitalis, Limax sowie Reheerscheinungen bei Kühen ab der dritten Laktation häufiger vorkamen.

(28)

Tabelle 6: Vergleich der Prävalenzen von Klauenerkrankungen bei Erstlaktierenden und älteren Kühen (Enevoldsen et al. 1991)

Laktation 1 Laktation 2-9

Sohlengeschw. 1 Fuß 20,0 % 23,5 %

Sohlengeschw. >1 Fuß 29,7 % 24,7 %

Ballenhornerosionen 43,8 % 69,1 %

Dermatitis interdigitalis 4,5 % 7,6 %

Limax 0,9 % 5,9 %

2.2.2.3 Auftreten von Klauenerkrankungen im Verlauf der Laktation

In einer Studie von EDDY und SCOTT (1980) traten 42,4 % aller Klauenerkrankungen in den ersten drei Monaten der Laktation auf. In diesen Zeitraum fielen 55 % aller Fälle von Phlegmona interdigitalis. SMITS et al. (1992) verzeichneten die höchsten Prävalenzen für fast alle Klauenerkrankungen im zweiten Monat der Laktation. Bei trockenstehenden Kühen lagen die Prävalenzen für Klauenerkrankungen deutlich niedriger als bei laktierenden Tieren.

Faktoren wie Jahreszeit des Abkalbens und Zeitpunkt des Klauenschneidens beeinflußten das Auftreten von Klauenerkrankungen im Verlauf der Laktation. So trat DÜRING und ERNST (1988) zufolge eine Klauenerkrankung früher in der Laktation auf, wenn die Abkalbung im Frühsommer stattfand. Bei Tieren, welche im Verlauf der Laktation erkrankten, verschob sich das Auftreten von Klauenerkrankungen zu einem früheren Zeitpunkt hin im Vergleich zu gesunden Tieren.

Die Angaben einiger Autoren über das gehäufte Auftreten von Sohlengeschwüren und White Line Disease sind Tabelle 7 zu entnehmen.

Tabelle 7: Häufungen des Vorkommens von Sohlengeschwüren und White Line Disease

Autor Jahr Sohlengeschwür White Line Disease

Eddy u. Scott 1980 60-90 d p.p. 60-90 d p.p.

Collick et al. 1989 um 100 d p.p.

Leach et al. 1997 hgr. um 63 d p.p.

Amory et al. 2004 91-168 d p.p. 119-196 d p.p.

d p.p. = Tage post partum

(29)

2.2.2.4 Auftreten von Klauenerkrankungen in Bezug zur Jahreszeit

Einige Klauenerkrankungen wiesen eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Abhängigkeit von der Jahreszeit auf. So traten bei EDDY und SCOTT (1980) 55 % aller Sohlengeschwüre in einem Jahr von Februar bis Mai auf, 58,2% aller Zusammenhangstrennungen an der weißen Linie ereigneten sich von September bis November und 61 % aller Fälle von Phlegmona interdigitalis wurden von September bis Dezember beobachtet. ENEVOLDSEN et al. (1991a) berichteten von einer Häufung von Limax-Fällen während des Sommers. Ein gehäuftes Auftreten von Ballenhornerosionen stellten OFFER et al. (2000) während des Winters fest.

BLOWEY et al. (2004) zufolge traten Dermatitis digitalis und Dermatitis interdigitalis v. a. im Winter auf, während Sohlengeschwüre das ganze Jahr über vorkamen.

Bei der Betrachtung der Beziehung zwischen dem Auftreten von Klauenerkrankungen und der Jahreszeit müssen jedoch Ätiologie und Pathogenese der Erkrankung sowie die Haltungsform des Betriebes berücksichtigt werden.

(30)

2.3 Mastitis

2.3.1 Ursachen für Mastitiserkrankungen

Mastitiden stellen, zusammen mit Sterilitäten, die häufigste Erkrankung in der heutigen Milchviehhaltung dar (DÜRING 1989). Es handelt sich hierbei um eine Faktorenkrankheit. Maßgebend für Entstehung und Ausbreitung der Erkrankung sind erregerassoziierte Faktoren wie Virulenz, Pathogenität und Kontagiosität auf der einen Seite, sowie kuhassoziierte Faktoren auf der anderen Seite. Zu letzteren zählen anatomische und funktionelle Mängel des Euters, spezifische und unspezifische Resistenz, Alter, Allgemeinerkrankungen und erblich bedingte Mastitisanfälligkeit. Hinzu kommen Umweltfaktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit, Haltungsbedingungen, Stallhygiene, Fütterung, Melkhygiene und –management (MATZKE et al. 1992; GRUNERT 1996).

In den letzten 20 bis 30 Jahren kam es zu einer Zunahme der durch unspezifische Umweltkeime verursachten Mastitiden. Es wurden vermehrt Erreger wie Streptococcus (Sc.) uberis, koliforme Keime, Schimmelpilze und Hefen isoliert. Im gleichen Maße nahm die Anzahl der durch kontagiöse Erreger wie Staphylococcus (S.) aureus oder Sc. agalactiae verursachten Mastitiden ab (BLOWEY u.

EDMONDSON 2000; MILNE et al. 2002). DELUYKER et al. (1991) konnten nur Umweltkeime als Erreger klinischer Mastitiden isolieren. Es wurden keine kuh- assoziierten Erreger gefunden. In einer Studie von MILNE et al. (2002) wurden in 81

% der Herden Sc. uberis und Enterobacteriaceae als die am häufigsten Mastitiden verursachenden Erreger festgestellt.

2.3.2 Mastitisformen

Die verschiedenen Mastitisformen können nach unterschiedlichen Kriterien eingeordnet werden.

Als erstes können die Kategorien der Eutergesundheit nach DVG (2002) herangezogen werden. Sie werden wie folgt charakterisiert (siehe auch Tabelle 8):

• Normale Sekretion:

Es liegen keine äußerlichen pathologischen Veränderungen der Euterviertel vor.

Die Milch weist keine euterpathogenen Mikroorganismen und einen normalen Zellgehalt auf.

(31)

• Latente Infektion:

Der Zellgehalt der Milch liegt in der Norm, es können jedoch Mastitiserreger nachgewiesen werden. Aufgrund der herkömmlichen Probenentnahme aus Viertelanfangsgemelkproben kann dabei nicht zwischen einer latenten Infektion des Eutergewebes und einer lokal begrenzten Besiedlung des Zitzenkanals unterschieden werden.

• Unspezifische Mastitis:

Der Zellgehalt ist erhöht, klinische Symptome können vorhanden sein, es werden jedoch keine Mastitiserreger nachgewiesen.

• Mastitis:

Es werden gleichzeitig Mastitiserreger und erhöhte Zellzahlen im Viertelsanfangsgemelk festgestellt.

Tabelle 8: Beurteilung zytologisch – mikrobiologischer Befunde im Rahmen der Mastitis-Kategorisierung (DVG 2002, in Anlehnung an IDF, 1967)

Euterpathogene Mikroorganismen Zellgehalt

pro ml Milch nicht nachgewiesen nachgewiesen

< 100 000 normale Sekretion latente Infektion

> 100 000 unspezifische Mastitis Mastitis

Generell muß unterschieden werden zwischen klinischen und subklinischen Mastitiden. Im subklinischen Erkrankungsstadium liegen weder sinnfällige Veränderungen des Milchsekretes vor, noch ist durch Palpation des Euters ein Befund zu erheben. Die betroffenen Tiere fallen bei der Milchleistungsprüfung lediglich durch einen zu hohen Zellgehalt im Gesamtgemelk auf. Bei einer anschließenden bakteriologischen Milchuntersuchung läßt sich dann der Erreger bestimmen (GRUNERT 1996). Bei einer in Bayern an über 46000 Kühen durchgeführten Studie (MATZKE et al. 1992) zeigte sich, dass 56,9 % der Euter bzw.

36,9 % der Euterviertel im California-Mastitis-Test positiv reagierten und 35 % der Euter pathogene Erreger enthielten. Bezogen auf die Anzahl der Euterviertel machte der Anteil der Infektionen 17,6 % aus.

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Im Falle einer klinischen Mastitis ist das Euter je nach Mastitisform gerötet, vermehrt warm und schmerzempfindlich. Bei der Palpation fällt eine unterschiedlich ausgeprägte, bindegewebige Verhärtung des Drüsengewebes auf. Es kann zu Euterödemen kommen. Das Milchsekret ist sinnfällig verändert, wobei der Milchcharakter z. T. völlig verloren geht. Das Allgemeinbefinden ist, abhängig von der Mastitisform, nicht bis hochgradig gestört (GRUNERT 1996). Laut PEELER et al.

(2002) beträgt die jährliche Inzidenz von Mastitiden, welche mit einer Störung des Allgemeinbefindens einher gehen, 4,3 Viertelfälle/100 Kühe.

In Abhängigkeit des Schweregrades und der Verlaufsform können klinische Mastitiden außerdem in folgende Gruppen eingeordnet werden:

• Geringgradige klinische Mastitis: Auftreten von Flocken in der Milch, besonders im Vorgemelk, jedoch ohne klinische Symptome des Euters.

• Mittel- bis hochgradige klinische Mastitis: Entzündungssymptome des Euters (erhöhte Temperatur, Schwellung, Schmerzen), makroskopische Veränderung der Milch, häufig Fieber.

• Chronische Mastitis: es besteht ein langfristiges, nicht zur Ausheilung gekommenes Krankheitsgeschehen, betroffene Euterviertel können atrophieren oder zeitlebens abnormale klinische oder subklinische Befunde aufweisen.

Darüber hinaus beschreiben die Begriffe akut, subakut und chronisch die zeitliche Dauer einer Mastitiserkrankung (DVG 2002).

Desweiteren werden folgende Mastitisformen unterschieden (GRUNERT 1996):

• Mastitis catarrhalis (subclinica, chronica und acuta)

• Mastitis apostematosa (Pyogenesmastitis der Kühe, Sommermastitis der Jungrinder und Färsen)

• Mastitis phlegmonosa

• Mastitis granulomatosa (Mastitis mycotica, Nocardienmastitis)

• Mykoplasmenmastitis

2.3.3 Häufigkeit von Mastitiden

Die Häufigkeit der Mastitiden scheint innerhalb der letzten 20 Jahre zugenommen zu haben. SYVÄJÄRVI et al. (1986) stellten bei einer in Finnland durchgeführten Studie

(33)

eine Inzidenz klinischer Mastitiden pro Laktation von 5,4 % fest. GRÖHN et al. (1988) kamen auf eine Inzidenz klinischer Mastitiden pro Laktation von 7,9 %. DÜRING (1989) errechnete eine mittlere Herdenerkrankungsfrequenz (in % des Jahreskuhbestandes) von 10,4 %. Bei PEELER et al. (1994) lag die Inzidenz der Mastitiden zwischen Abkalbung und erster Besamung pro Laktation bei 14,4 %.

ESSLEMONT und KOSSAIBATI (1996) stellten eine durchschnittliche Mastitisinzidenz von 33,2 Fällen /100 Kühe fest. Eine Untersuchung der Erkrankungsraten in britischen Herden ergab eine durchschnittliche jährliche Mastitisrate von 36,6 % (WHITAKER et al. 2000). Der nationale Durchschnitt lag in Großbritannien im Jahr 2000 bei 43 Mastitisfällen pro 100 Kühe pro Jahr (BLOWEY u. EDMONDSON 2000). In einer von 1998 bis 2002 in Großbritannien durchgeführten Studie stellten WHITAKER et al. (2004) einen Anstieg der jährlichen Mastitisinzidenz von 36,0 % zu Beginn der Untersuchung auf 43,3 % am Ende des Untersuchungszeitraumes fest. Weitere Erkrankungsraten können Tabelle 9 entnommen werden.

Tabelle 9: Mastitisinzidenzen verschiedener Studien

Autor Jahr Fälle/100 Kühe u.Jahr Land

Blowey 1986 38,0 GB

Deluyker et al. 1991 26,1 USA

Esslemont u. Spincer 1993 17,6 GB

Kossaibati et al. 1998 39,9 GB

Rajala-Schultz et al. 1999 17,0 FIN

Stevenson 2000 17,6 AUS

Fleischer et al. 2001 21,6 D

Milne et al. 2002 17,0 GB

Peeler et al. 2002 32,0 GB

2.3.4 Auftreten von Mastitiden

Wie bereits erwähnt, spielen kuhassoziierte Faktoren eine große Rolle beim Auftreten von Mastitiden. Mit zunehmendem Alter, d.h. mit der Anzahl der Laktationen, steigt das Risiko akuter und chronischer Mastitiden (SYVÄJÄRVI et al.

1986; GRÖHN et al. 1988; PEELER et al. 1994; FLEISCHER et al. 2001). Dies ist auch aus den Angaben von RAJALA-SCHULTZ et al. (1999) ersichtlich, welche eine

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von 14,2 % bei Tieren der Laktationsnummer 1 auf 20,2 % bei Tieren der Laktationsnummer >3 ansteigende Mastitisinzidenz angaben. Ebenso ist die Mastitisinzidenz in Herden mit größerer Milchleistung höher (SYVÄJÄRVI et al. 1986;

GRÖHN et al. 1988; WHITAKER et al. 2000). Laut SYVÄJÄRVI et al. (1986) besteht außerdem ein Zusammenhang zwischen Zeitpunkt der Abkalbung und Auftreten einer Euterentzündung. Die höchste Mastitisrate zeigten Tiere, deren Abkalbung im April und im Mai stattfand. Es besteht jedoch keine signifikante Beziehung zwischen Mastitisinzidenz und Herdengröße (WHITAKER et al. 2000; PEELER et al. 2002).

Mastitiden können über den gesamten Zeitraum der Laktation auftreten. Jedoch ist eine Häufung der Eutererkrankungen im ersten Drittel der Laktation zu beobachten.

Laut DÜRING und ERNST (1988) treten 40 % aller Mastitisfälle innerhalb der ersten 40 Tage post partum auf. Sie machten hierfür nicht oder ungenügend behandelte Mastitiden während des Trockenstehens verantwortlich. Ein gehäuftes Auftreten von Mastitiden fand in dieser Studie außerdem 82 bis 112 Tage post partum statt.

SYVÄJÄRVI et al. (1986) zufolge treten 60 % der Mastitiden in den ersten beiden Monaten post partum auf. In einer Untersuchung von RAJALA-SCHULTZ et al.

(1999) erkrankten 25 % aller Kühe mit Mastitiden innerhalb von vier Tagen post partum. PEELER et al. (2002) stellten über 22 % der Viertelfälle innerhalb der ersten sieben Tage nach der Abkalbung fest. Über 50 % der Viertelfälle wurden innerhalb von 90 Tagen post partum beobachtet. FLEISCHER et al. (2001) berechneten einen durchschnittlichen Abstand zwischen Abkalbung und Mastitiserkrankung von 54 Tagen.

Verschiedene Faktoren beeinflussen den Zeitpunkt des Auftretens einer Mastitiserkrankung. DÜRING und ERNST (1988) untersuchten den Einfluß des Abkalbedatums auf das Interval Abkalbung – Mastitis. Tiere, die im August und im November abkalbten, erkrankten früher in der Laktation an einer Mastitis als Tiere, die von Januar bis Mai abkalbten. Desweiteren wurde in dieser Studie festgestellt, dass vorangegangene Allgemeinerkrankungen den zeitlichen Abstand der Mastitiserkrankung zur Abkalbung verlängern. Tiere, die zuvor eine Klauenerkrankung hatten, erkrankten ca. 22 Tage später an einer Mastitis als der Durchschnitt, wohingegen sich bei Tieren ohne eine vorangegangene Erkrankung die Mastitiserkrankung 8 bis 12 Tage früher in der Laktation zeigte.

Die Jahreszeit scheint ebenfalls mit dem Auftreten von Mastitiserkrankungen assoziiert zu sein. WHITAKER et al. (2000) stellten doppelt so viel Mastitiden im

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Winter wie im Sommer fest. Diese Feststellung bestätigte sich in einer weiteren Untersuchung von WHITAKER et al. (2004), in der wiederum höhere Mastitisinzidenzen im Winter (November bis März) als im Sommer beobachtet wurden. Auch bei PEELER et al. (2002) erwies sich der November als der Monat mit der höchsten Inzidenz, während im Mai und im Juli die geringsten Inzidenzen vorlagen. MILNE et al. (2002) hingegen konnten keinen signifikanten Unterschied der Inzidenzen klinischer Mastitiden zwischen den Jahreszeiten erkennen.

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2.4 Einfluß von Klauenerkrankungen und Lahmheit auf die Eutergesundheit

Der Beziehung zwischen Klauengesundheit bzw. Lahmheit und Eutergesundheit wird in der Literatur nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet, so dass nur wenige Veröffentlichungen über dieses Thema vorliegen.

Laut GRÖHN et al. (1988) stellen Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen einen Risikofaktor für akute Mastitiden dar. Sie errechneten ein Odds Ratio (OR) von 2,0.

Die Studie wurde an über 60000 Kühen der Rasse Finnish Ayrshire durchgeführt, wobei alle Kühe über die gesamte Laktation beobachtet wurden. Alle Erkrankungen wurden von Tierärzten diagnostiziert und dokumentiert. Einen Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von Klauen- und Beinschäden und der Häufigkeit von Eutererkrankungen beobachteten MATZKE et al. (1992). Bei einer zweimal im Jahr durchgeführten Klauenpflege wiesen die Tiere weniger im California-Mastitis-Test positive Euterviertel auf als die Tiere, deren Klauen nicht regelmäßig gepflegt wurden. Das Vorkommen von Euterinfektionen und Zitzenverletzungen war ebenfalls verringert. PEELER et al. (1994) zufolge erhöht eine Lahmheit das Risiko für das Tier, an einer Mastitis zu erkranken. Es wurden Erkrankungen im Zeitraum zwischen Abkalbung und erster Besamung untersucht. Eine signifikante Assoziation zwischen Lahmheit und Mastitis mit einem Odds Ratio von 1,44 wurde festgestellt. VAARST et al. (1998) erkannten eine positive Assoziation zwischen Eutererkrankungen und Sohlengeschwüren. Das Datenmaterial stammte von 974 Kühen aus 13 Betrieben in Dänemark. Die Klauengesundheit wurde von Klauenpflegern im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Klauenpflege erfasst.

Diesen Untersuchungen gegenüber steht eine Studie von HULTGREN et al. (2004), welche keine Assoziation zwischen dem Auftreten von Sohlengeschwüren und der Eutergesundheit ergab. Es wurde weder eine Beziehung der Sohlengeschwüre zu klinischen Mastitiden noch zu höheren Zellzahlen festgestellt. Das Odds Ratio für beide untersuchten Beziehungen betrug jeweils 0,9. Es nahmen 2368 Kühe aus 102 Betrieben im Südwesten von Schweden an der Studie teil. Die Beurteilung der Klauengesundheit fand zwischen 60 und 180 Tagen p.p. durch einen Klauenpfleger oder einen der Autoren statt.

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2.5 Einfluß von Klauenerkrankungen auf andere Erkrankungen

In den vergangenen Jahren wurde in einer Vielzahl von Untersuchungen festgestellt, dass Klauenerkrankungen Einfluß auf andere Erkrankungen und somit auch auf die Leistungsfähigkeit der Kühe haben.

Einer der Komplexe, auf den sich Klauenerkrankungen schädigend auswirken, ist die Fruchtbarkeit. COLLICK et al. (1989) stellten fest, dass Lahmheiten die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen. Bei lahmen Kühen war der Zeitraum zwischen Abkalbung und erster Besamung um vier Tage länger als bei nicht lahmen und der Zeitraum zwischen Abkalbung und erster erfolgreicher Besamung (Konzeption) um 14 Tage verlängert. Die Verlängerung der oben genannten Intervalle und die dadurch bedingte verminderte Fruchtbarkeit wurde durch die Untersuchungen von LUCEY et al. (1986) bestätigt. Sie zeigte sich v.a. bei Kühen mit Sohlengeschwüren und Defekten an der weißen Linie. Die Trächtigkeitsrate bei der ersten Besamung war laut COLLICK et al. (1989) bei lahmen Kühen um 10 % niedriger, und es wurden 2,14 Besamungen/Trächtigkeit benötigt anstatt 1,72 bei nicht lahmen Tieren. 16 % der lahmen Kühe wurden geschlachtet, während von der Gesamtzahl der Tiere in der Studie nur 5 % abgingen. LEE et al. (1989) zufolge sind Lahmheiten assoziiert mit einer Abnahme der Konzeptionsrate (= Anzahl der tragenden Tiere/Anzahl der Belegungen insgesamt) und mit einer Verlängerung der Güstzeit.

In einer Studie von MELENDEZ et al. (2003) betrug der Anteil der Kühe, die bei der ersten Besamung aufnahmen, 17,5 %, während in der Kontrollgruppe die erste Besamung bei 42,6 % der Tiere erfolgreich war. Die Inzidenz von Ovarialzysten lag in der Gruppe mit den lahmen Tieren bei 25,0 % wohingegen sie in der Kontrollgruppe lediglich 11,1 % betrug.

HULTGREN et al. (2004) zufolge sind Sohlengeschwüre assoziiert mit einer geringeren Erstbesamungsrate, einer verlängerten Zwischenkalbezeit und einem höheren Risiko für Anöstrie. Eine Untersuchung der Beziehung zwischen Sohlengeschwüren und der Anzahl der Besamungen pro Trächtigkeit ergab in dieser Studie nur eine grenzwertig signifikante Assoziation. NILSSON (1963) und VERMUNT (1994) brachten Klauenerkrankungen in einen Zusammenhang mit Metritis und Retentio secundinarium, welche sich im Endeffekt wiederum negativ auf die Fruchtbarkeit auswirkten. GRÖHN et al. (1990) stellten einen Zusammenhang zwischen Lahmheit und Vaginalausfluß fest. Laut PEELER et al. (1994) besteht ein

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signifikanter Zusammenhang zwischen Lahmheit und nicht beobachteter Brunst. Das Odds ratio betrug in diesem Fall 1,42.

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2.6 Einfluß von Klauenerkrankungen und Lahmheit auf die Milchleistung

In der Literatur gibt es mehrere Publikationen über die Beziehungen zwischen Klauenerkrankungen und Lahmheiten auf der einen und der Milchleistung auf der anderen Seite. Es werden jedoch unterschiedliche Positionen vertreten.

Laut GREEN et al. (2002) produzierte eine klinisch lahme Kuh bei einer Laktation von 305 Tagen durchschnittlich 360 kg weniger Milch. Dieser Leistungsabfall konnte in einem Zeitraum von vier Monaten vor der diagnostizierten Lahmheit bis zu fünf Monaten nach der Diagnosestellung beobachtet werden. MARGERISON et al.

(2004) zufolge lag die tägliche Milchleistung einer lahmen Kuh um über 3,5 kg unter der einer nicht lahmen Kuh. Der Milchverlust bei Kühen mit Klauen- und Beinerkrankungen betrug gemäß einer Untersuchung von RAJALA-SCHULTZ et al.

(1999) zwischen 1,5 und 2,8 kg Milch/Tag in den ersten beiden Wochen nach Erstellung der Diagnose. Dieser negative Effekt auf die Milchleistung konnte sich je nach Laktationsnummer auf über sechs Wochen nach der Diagnosestellung ausdehnen (Siehe Tabelle 10).

Tabelle 10: Effekt von Lahmheit auf Milchleistung nach Laktationsnummer (Rajala- Schultz et al. 1999)

Laktations- nummer

Zeitraum Milchverlust Gesamtverlust

über 305 Tage 1 2 Wochen vor bis mehr als 6

Wochen nach Lahmheitsdiagnose

1,0 kg - 1,6 kg 310,5 kg

2 kein signifikanter

Unterschied 3 bis 4 Wochen nach Lahmheits-

diagnose

2,0 kg - 2,2 kg 30,8 kg

>3 2 Wochen vor bis 6 Wochen nach Lahmheitsdiagnose

1,7 kg - 2,8 kg 138,6 kg

Auf der anderen Seite wiederum gibt es Veröffentlichungen, in denen von einer positiven Auswirkung der Klauenerkrankungen auf die Milchleistung gesprochen wird.

DOHOO und MARTIN (1984) kamen zu dem Ergebnis, dass Erkrankungen an den Klauen und Beinen einen positiven Effekt auf die Milchleistung haben und stellten

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eine Zunahme von 1,6 % pro Tag des Lebens (day of life) fest. Laut DELUYKER et al. (1991) sind Lahmheiten in den ersten 49 Tagen p.p. verbunden mit einer höheren Milchleistung in diesem Zeitraum. Sie beobachteten eine Zunahme bis 5 Tage p.p.

um 6,3 %, bis 21 Tage p.p. um 5,0 % und 50-119 Tage p.p. um 3,9 %. HULTGREN et al. (2004) zufolge ist das Auftreten von Sohlengeschwüren mit einer höheren Milchleistung assoziiert. Kühe mit Sohlengeschwüren zeigten eine um 479 kg höhere 305-Tage-Leistung.

Bei der Aussage, dass klauenkranke Kühe mehr Milch produzieren als gesunde Tiere, muss jedoch berücksichtigt werden, dass häufig höherleistende Kühe von Lahmheiten betroffen sind. ROWLANDS und LUCEY (1986) stellten fest, dass Lahmheitsfälle häufiger bei Kühen mit überdurchschnittlicher Milchleistung auftraten.

In der Untersuchung von DOHOO und MARTIN (1984) handelte es sich bei den lahmen Tieren ebenfalls um höherleistende Kühe. GREEN et al. (2002) beobachteten bei Tieren mit hoher Milchleistung ein größeres Lahmheitsrisiko.

Außerdem lag die durchschnittliche tägliche Milchmenge der lahmen Tiere an den Tagen, an denen die Lahmheit keine reduzierte Leistung verursachte, um 1,12 kg über der der nicht lahmen Tiere. In der Studie von RAJALA-SCHULTZ et al. (1999) produzierten die lahmen Kühe ab der vierten Laktation 1,8 kg pro Tag mehr Milch als die nicht lahmen Tiere.

Im Gegensatz zu den oben angeführten Veröffentlichungen steht die Studie von O’CALLAGHAN-LOWE et al. (2004), die keine Beziehung zwischen Lahmheitsgrad bzw. Art und Schweregrad der Klauenerkrankung und der Milchleistung erkennen konnten. Auch WHITAKER et al. (2000) konnten keine Beziehung zwischen der durchschnittlichen Milchmenge und den Lahmheitsraten auf Herdenebene feststellen.

(41)

2.7 Zellgehalt der Milch

Der Zellgehalt der Milch gibt Auskunft über die Gesundheit des Euters. Ein erhöhter Zellgehalt geht mit krankhaften Prozessen der Milchdrüse sowie einer Veränderung der Milchzusammensetzung einher.

2.7.1 Art und Herkunft der Zellen

Die in der Milch vorhandenen sogenannten somatischen Zellen sind Teil der multifaktoriellen Infektionsabwehr der Milchdrüse. Sie setzen sich zusammen aus Makrophagen, Lymphozyten, polymorphkernigen neutrophilen Granulozyten sowie in geringem Umfang aus Epithelzellen und stammen aus dem Blut bzw. dem Eutergewebe. Die prozentualen Anteile der Zellarten unterscheiden sich beim einzelnen Tier bereits unter physiologischen Bedingungen. Der Gehalt somatischer Zellen in der Milch eines gesunden Euterviertels beträgt bis zu 100 000 Zellen/ml. Als Grundlage dient das Viertelanfangsgemelk (DVG 2002; HARMON 1994).

2.7.2 Beeinflussung des Zellgehaltes bei eutergesunden Tieren

Zu den physiologischen Einflüssen, die sich auf den Zellgehalt auswirken, gehören Rasse, Alter und Laktationsstadium. Mit fortschreitender Laktation steigt der Zellgehalt an. Bei einem gesunden Euterviertel wird der physiologische Grenzwert von 100 000 Zellen/ml Milch jedoch während der gesamten Laktation nicht überschritten. Stressauslösende Faktoren, wie z. B. Impfungen oder Futterumstellungen, bewirken keinen relevanten Anstieg der Zellzahlen.

Pharmakologische Faktoren, wie z. B. die intrazisternale Verabreichung von Arzneimitteln, verursachen hingegen eine erhebliche Zunahme, welche jedoch meist nur von kurzer Dauer ist (DVG 2002).

2.7.3 Zellgehalt im Verlauf der Infektion des Euters

Den stärksten Einfluß auf den Zellgehalt hat die Infektion des Euterviertels. Bei einem Zellgehalt von ca. 100 000 Zellen/ml Milch beginnt die normale zelluläre Abwehr in eine entzündliche Reaktion überzugehen. Der Umfang der

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Zellausschüttung ist dabei abhängig von der Art des Erregers und der Abwehrlage der Milchdrüse (DVG 2002). Zu den Erregern, die einen starken Anstieg des Zellgehalts verursachen, gehören S. aureus, Sc. agalactiae, Koliforme und Sc. spp.

Koagulsae-negative Staphylokokken und Corynebacterium bovis verursachen lediglich einen leichten Anstieg der Zellzahlen (HARMON 1994).

In der Frühphase der Entzündung kommt es zu einer massiven Einschleusung von neutrophilen Granulozyten aus dem Blut. Ihr Anteil kann dabei mehr als 90 % am Gesamtzellgehalt betragen (DVG 2002). In diesem akuten Stadium erreichen die Zellzahlen ihren Höchstwert. Darauf folgt eine geringe Abnahme, welche wiederum abhängig ist von der Art des Erregers und der Abwehrlage des Euterviertels. Der Rückgang des Zellgehaltes nach Eliminierung des Erregers kann bis zu mehreren Wochen dauern (HARMON 1994).

Kühe, die infolge einer Infektion bereits einen erhöhten Zellgehalt aufweisen, reagieren auf stressauslösende Faktoren mit einem stärkeren Anstieg des Zellgehaltes als eutergesunde Tiere. Ebenso ist die zelluläre Reaktion auf physiologische und pharmakologische Faktoren intensiver (DVG 2002).

2.7.4 Zellgehalt der Herdensammelmilch

Den Zellgehalt der Herdensammelmilch allein als Grundlage für die Beurteilung der Eutergesundheit einer Herde zu benutzen ist nicht möglich, da die Beziehung zwischen dem Prozentsatz der infizierten Euterviertel und der Zellzahl der Herdensammelmilch nicht eng genug ist. Diese Zellgehalte können lediglich als Anhaltspunkte dienen. Einzig ein deutlich erhöhter Zellgehalt weist auf eine verschlechterte Eutergesundheit hin (DVG 2002). So stellten WHITAKER et al.

(2000) fest, dass die Mastitisrate positiv mit dem Zellgehalt der Herdensammelmilch assoziiert ist. Dies bestätigte sich auch in der Studie von PEELER et al. (2002), in der Herden mit einem höheren Zellgehalt der Herdensammelmilch eine größere Inzidenz an Mastitisviertelfällen aufwiesen. Die Faktoren, welche Einfluß auf den Zellgehalt der Herdensammelmilch nehmen, sind aus Tabelle 11 ersichtlich.

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Tabelle 11: Ursachen für die Variation der Herdensammelmilch-Zellzahlbefunde (nach DVG 2002)

Sekretorische Einflüsse Nicht sekretorische Einflüsse - Rasse

- Laktationsstadium - Alter der Tiere - Futterinhaltsstoffe - Art der Mastitiserreger - Mastitisprävalenz - Anteil klinischer Fälle - Lokalisation der Erreger

- Analytik - Probenahme - Transport - Lagerdauer

- Milchanteil erkrankter Tiere - Melkintervall

- Ausmelkgrad

- Exogene Stressoren

Trotz der Ungenauigkeit, welche der Zellgehalt der Herdensammelmilch als Informationsquelle darstellt, wurde er in einigen Studien als Parameter untersucht.

Die Angaben über die Zellgehalte der Herdensammelmilch aus verschiedenen Studien sind Tabelle 12 zu entnehmen.

Tabelle 12: Durchschnittliche Zellgehalte der Herdensammelmilch in verschiedenen Untersuchungen

Autor Jahr ∅ Zellgehalt Land Anmerkung

Ernst 1983 241000 D In Laufställen

Blowey u. Edmondson 2000 180000 GB Nationaler Durchschnitt Whitaker et al. 2000 140000 GB min-max 14000-515000 Whitaker et al. 2004 138000-174000 GB Zunahme über 4 Jahre

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