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Labormethoden zur Überprüfung der Thrombozytenfunktion

2 Literaturübersicht

2.2 Labormethoden zur Überprüfung der Thrombozytenfunktion

In der Diagnostik der Hämostase ist die Beurteilung der thrombozytären und plasmatischen Komponenten von großer Bedeutung. Zur Analyse der Thrombozytenfunktion stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, die beim Menschen etabliert sind und in verschiedenen Studien beim Hund eingesetzt wurden. Es werden Testverfahren zur Untersuchung der gesamten Hämostase (sog.

Globaltests) von den spezifischen, die Thrombozytenfunktion überprüfenden Tests unterschieden (STEPANIAN-BIRON-ANDREANI 2001). Die Globaltests wie Vollblutgerinnungszeit, Rekalzifizierungszeit, Thrombelasto- und Resonanzthrombographie (HARTERT 1981) sind Untersuchungsverfahren, die eine Aussage über das Wechselspiel der thrombozytären und plasmatischen Komponenten der Hämostase zulassen (WUILLEMIN u. HEIZMANN 2003).

Zur Untersuchung spezifischer Thrombozytenfunktionsstörungen stehen sowohl In-vivo- als auch In-vitro-Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Als In-vivo-Test besitzt die kapilläre Blutungszeit

eine umfassende aber unspezifische Aussagekraft in der Beurteilung von Thrombozytopathien.

Daneben stehen mit den In-vitro-Testverfahren, wie Thrombozytenaggregation, Messung der Adhäsion (WILLIAMS et al. 1985), Ausbreitungstest, Messung der thrombozytären Faktoren und Funktionsprüfung mittels Plättchenfunktionsanalysgerät PFA-100 (MÜLLER et al. 1997, KEIDEL u. MISCHKE 1998), weitere Methoden zur Überprüfung spezifischer Teilfunktionen der Thrombozyten zur Verfügung (PATSCHKE u. RUF 1998). Auch die Durchflusszytometrie kann für Funktionsprüfungen eingesetzt werden (MATZDORFF et al. 1998, MORITZ et al. 2003). Im Folgenden werden die wesentlichen Verfahren kapilläre Blutungszeit, Thrombozytenaggregation und die Messung mit dem Plättchenfunktionsanalaysengerätes PFA-100 für die Anwendung beim Hund näher besprochen.

2.2.1 Kapilläre Blutungszeit

Mit der kapillären (In vivo) Blutungszeit besteht die Möglichkeit, sowohl einen Thrombozytenmangel als auch eine bei normaler Thrombozytenzahl vorliegende Thrombozytenfunktionsstörung zu diagnostizieren (NOLTE et al. 1994, DAVENPORT et al.

1982b). Die kapilläre Blutungszeit wird als wichtige Funktionsprüfung der Thrombozyten angesehen (BORCHGREVNIK 1971, KOCIBA 1976). Für den Hund ist das für den Menschen beschriebene Messverfahren der kapillären Blutungszeit mit der Methode nach IVY modifiziert nach MIELKE et al. (1969) ungeeignet (NOLTE et al. 1997). Die für den Hund dokumentierten Techniken unterscheiden sich in der Tiefe und Lokalisation der Inzision (BROOKS u.

CATALFAMO 1993). Die am meisten verwandte Methode basiert auf der Bestimmung der Blutungszeit an der Mundhöhlenschleimhaut (JERGENS et al. 1987, BROOKS u. CATALFAMO 1993, SCHERMERHORN et al. 1994). Im Bereich der Oberlippenschleimhaut wird eine Stichinzision gesetzt und die Blutungszeit bis zum vollständigen Stoppen der Blutung gemessen.

Dabei wird die Oberlippe des Hundes mittels einer Gaze nach außen gebunden, was zu Abwehrmaßnahmen des Hundes führen kann. Daher ist die Bestimmung der Blutungszeit im Bereich Mundhöhlenschleimhaut meist nur in Narkose durchzuführen. Vorteil dieser Messmethode ist, dass eine Stichinzision von 1 mm Tiefe in der Regel ausreicht und die Stichtiefe nicht wie bei anderen Methoden von der Dicke der Haut abhängig ist. Im Median dauert die Blutung beim gesunden Hund 2,2 Minuten (JERGENS et al. 1987). Die Aussagefähigkeit der bukkalen Blutungszeit wurde anhand von Untersuchungen an Hunden mit unterschiedlichen

Vorraussetzungen (von Willebrand Erkrankung, Thrombozytopenie, Urämie) überprüft (JERGENS et al. 1987).

Eine weitere Methode ist die von NOLTE et al. (1994, 1997) beschriebene. Hierbei wird der unsedierte Hund in Seitenlage verbracht. Nach der Rasur des Punktionsgebietes, am Übergange von behaarter Haut zu Ballhorn der seitlichen Zehe an der Vordergliedmaße, wird eine Blutdruckmanschette über Radius und Ulna dieser Gliedmaße angelegt. Auf das geschorene Hautareal wird anschließend eine hyperämisierende Salbe aufgetragen und eine Stoppuhr gestartet.

Nach Ablauf von einer Minute wird die Salbe mit einem Mulltupfer entfernt und die Blutdruckmanschette mit einem Druck von 70 mmHg aufgeblasen. Nach Ablauf von einer weiteren Minute erfolgt 1 – 3 mm oberhalb der Ballengrenze zweimalig im Abstand von 0,5 cm eine Punktion mit einer automatischen Blutlanzette. Bei Aufrechterhaltung der Druckverhältnisse werden die frei fließenden Blutperlen alle 15 Sekunden vorsichtig mit einem Mulltupfer abgesaugt.

Die Zeit von der Punktion bis zum vollständigen Stoppen der Blutung wird als kapilläre In-vivo-Blutungszeit gemessen und aus den beiden sich ergebenden Zeitwerten der Mittelwert gebildet. Der Referenzbereich liegt nach ADAMIK und MISCHKE (1998) zwischen 0,75 und 2,25 Minuten.

Dieses Verfahren ist im Vergleich zum zuvorgenannten Verfahren besser zu standardisieren, somit besser zu reproduzieren, und unterliegt einer geringen Abhängigkeit von der Fügsamkeit des Hundes. Dieses Verfahren kann ohne Probleme ohne Sedation des Hundes durchgeführt werden (NOLTE et al. 1997). Die ungleiche Hautdicke im Bereich des Ballens unterschiedlicher Hunderassen und die unterschiedliche Blutperfusion werden durch ein standardisiertes Vorgehen (hyperämisierende Salbe und Blutdruck von 70 mm Hg) ausgeglichen (NOLTE et al. 1997). Die Sensitivität dieses Verfahrens der kapillären Blutungszeit wurde in einer experimentellen Studie beim Hund mit einer Acetylsalicylsäure-induzierten Thrombozytenfunktionsstörung überprüft (NOLTE et al. 1997).

2.2.2 Thrombozytenaggregation

Die Thrombozytenaggregation beschreibt die Zusammenballung der Thrombozyten im Rahmen der primären Hämostase. Die wesentlichen Messprinzipien zur Untersuchung der Thrombozytenaggregation in vitro sind der Aggregationstest nach der BORN (1962) und die Vollblutaggregometrie (CARDINAL u. FLOWER 1980, GAWAZ 1999). Das erstgenannte Verfahren beruht auf der photometrischen Erfassung der Trübungsabnahme im plättchenreichen

Plasma nach dem Zusatz von aggregationsauslösenden Substanzen wie ADP, Kollagen, Thrombin und Arachidonsäure. Die Änderung der optischen Dichte wird als Kurve aufgezeichnet (BORN 1962). Das aggregometrische Verfahren der Thrombozytenaggregation nach BORN (1962) hat die größere klinische Relevanz und ist besser zu standardisieren, insbesondere im Hinblick auf die Thrombozytenzahl im plättchenreichen Plasma (FORSYTHE et al. 1989). Die Methode kam beim Hund in klinischen (NOLTE et al. 1994b, SCHULZE 1998) und experimentellen Studien (NOLTE u. MISCHKE 1995, KEIDEL u. MISCHKE 1998, KLEIN et al. 1999, MISCHKE u.

NIMMERFALL 2000, KEIDEL 2001) zum Einsatz.

Das Prinzip der Untersuchung der Thrombozytenaggregation mittels der Vollblut- oder Impedanzmethode beruht auf der Messung von Änderungen des elektrischen Widerstandes zwischen zwei Platinelektroden infolge der Anlagerung von Thrombozyten bei Stromfluss. Wenn eine aggregationsauslösenden Substanz zugesetzt wird, kommt es zur Thrombozytenaggregation an den Elektroden und damit zu einer Widerstandsänderung, die registriert werden kann (CARDINAL u. FLOWER 1980, GAWAZ 1999). Ein Vorteil der Vollblutaggregometrie liegt in der schnelleren Verfügbarkeit der Ergebnisse (JUTTNER et al. 2000). CARDINAL u. FLOWER (1980) sehen einen weiteren Vorteil darin, dass die Thrombozyten in ihrem physiologischen Milieu bleiben. Des Weiteren ist ein geringeres Probenvolumen erforderlich und das zeitintensive Herstellen des plättchenreichen Plasmas entfällt. Die Vollblutaggregometrie wurde ebenfalls in verschiedenen Studien beim Hund eingesetzt (FORSYTHE et al. 1989, BARR et al. 1992, GRAUER et al. 1992, SCHERMERHORN et al. 1994). Die Gefahr der spontanen Thrombozytenaggregation ist bei der Bestimmung mit Vollblut deutlicher stärker ausgeprägt als bei der Messung mit plättchenreichem Plasma (SANIABADI et al. 1984, BALDUINI et al. 1991).

Als potente Agonisten der Thrombozytenaggregation zeigen sich beim Hund ADP, Kollagen und Thrombin (FEINGOLD et al. 1986, SCHULZE 1998). In der Methode nach BORN (1962) werden als Endkonzentration für ADP 25 µmol/L, für Kollagen 10 µg/ml und für Thrombin 1 IE/ml empfohlen (MISCHKE u. SCHULZE 2004). Hiermit lassen sich bei der überwiegenden Mehrzahl der gesunden Hunde Aggregationsmaxima >80 % erzielen. Weniger potente Aggregationsinduktoren sind beim Hund Arachidonsäure, Ristocetin und Epinephrin (CLEMMONS u. MEYERS 1984, MISCHKE u. SCHULZE 2004).

In einer weiteren Studie zeigten SOLOVIEV et al. (1999), dass Hundethrombozyten bei der Vollblutaggregometrie auf eine Vielzahl von Agonisten ansprechen (Kollagen, Epinephrin,

Arachidonsäure, Thrombin, ADP und Ristocetin), wobei die konstantesten Ergebnisse mit ADP (10 µmol) und Kollagen (1 µg/ml) erzielt wurden. Des Weiteren kam in experimentellen und klinischen Studien der plättchenaktivierende Faktor (PAF) als Agonist der Thrombozytenaggregation zum Einsatz (MACKIN et al. 1995, THOMAS u. ROGERS 1999)

2.2.3 Plättchenfunktionsanalysengerät PFA-100

Das Plättchenfunktionsanalysengerät (PFA-100) wurde zur globalen Überprüfung der primären Hämostase in Zitratblutproben entwickelt (KUNDU et al. 1994, MAMMEN et al. 1995). Die Messzelle des Plättchenfunktionsanalysengerätes (PFA-100) besteht aus einem Probenreservoir und einer Kapillare, an deren Ende sich eine biologisch aktive Membran mit einer zentralen Öffnung befindet (KUNDU et al. 1994, 1995, COMP et al. 1997, KEIDEL u. MISCHKE 1998, CATTANEO et al. 1999). Durch die Kapillare wird das Vollblut unter einem konstanten Vakuum aus dem Probenreservoir zur Membran gesaugt. Die Kapillare stellt dabei die Durchflussbedingungen im Blutgefäß nach. Die Membran ist mit Kollagen und ADP bzw. mit Kollagen und Epinephrin beschichtet (KUNDU et al 1994, 1995; CARCAO et al. 1997, HEILMANN et al. 1997). Wie in einem verletzten Blutgefäß werden die Thrombozyten durch den Kontakt mit dem Kollagen aktiviert und beginnen, sich am Rand der Öffnung anzulagern und aggregieren auf der Kollagenoberfläche ( KUNDU et al. 1994, 1995, 1996). Durch das in der Membranbeschichtung zusätzlich enthaltene ADP bzw. Epinephrin werden die Thrombozyten zur Expression von Rezeptoren und zur Aggregatbildung angeregt (KEIDEL u. MISCHKE 1998, KEIDEL 2001). Der entstehende Plättchenthrombus verengt die Öffnung immer mehr, bis sie vollständig verschlossen ist (HEILMANN et al. 1997, WILMER et al.1997, KEIDEL u. MISCHKE 1998). Das Analysengerät überwacht den Blutfluss kontinuierlich. Sobald dieser zum Stillstand kommt, ist der Test beendet. Das Testergebnis gibt in Form der Verschlusszeit die Zeit vom ersten Membrankontakt der Probe bis zum vollständigen Membranverschluss an (KUNDU et al. 1994, 1995, HEILMANN et al. 1997, WILMER et al. 1997, KEIDEL u, MISCHKE 1998). Neben dieser Messgröße wird noch das Gesamtvolumen des Blutes, das während der Messung durch die Kapillare fließt, gemessen (KUNDU et al. 1995, DE HAAN u. KOLDE 1996, KEIDEL u.

MISCHKE 1998, KEIDEL 2001).

Für den Menschen wurde ein Referenzbereich der Verschlusszeit mit der Kollagen/ADP-Messzelle von 62–100 sec und für die Kollagen/Epinephrin-Messzelle von 82–150 sec ermittelt (KARGER et

al. 1997). Eine Studie mit 136 klinisch gesunden Hunden von KEIDEL (2001) ergab für den Hund einen Referenzbereich von 53–98 sec mit der Kollagen/ADP-Messzelle für die Verschlusszeit und von 227–318 µl für das Gesamtvolumen. Mit der Kollagen/Epinephrin-Messzelle wurden deutlich längere Referenzwerte für die Verschlusszeiten ermittelt (92 bis >300 sec) und 196–720 µl für das Gesamtvolumen (KEIDEL 2001). Die Blutproben sollten, bei der Verwendung der Kollagen/ADP-Messzelle nach der Probenentnahme innerhalb eines Zeitraumes von 0,5 bis 2 Stunden gemessen werden, da Untersuchungen, sowohl beim Menschen als auch beim Hund, jeweils eine Verlängerung der Verschlusszeit und des Gesamtvolumens bei längeren Lagerungszeiten gezeigt haben (KRETSCHMER et al. 1990, MISCHKE u. KEIDEL 2002). Bei der Bestimmung der Verschlusszeit und des Gesamtvolumens mittels Kollagen/Epinephrin-Messzelle steht die Empfehlung die Messung innerhalb von dreißig Minuten nach Probenentnahme vorzunehmen (KEIDEL 2001). Der Einsatz des Plättchenfunktionsanalysengerätes PFA-100 zur Bestimmung der In-vitro-Blutungszeit wurde in klinischen Studien beim Hund überprüft. Es zeigte sich, dass die klinische Anwendung der Kollagen/Epinephrin-Messzelle durch die große Streuung der Referenzwerte und somit geringe Sensitivität eingeschränkt wird (MISCHKE u. KEIDEL 2003).

Weitere Untersuchungen bestätigten für den Hund die Screeningmöglichkeiten hinsichtlich des Vorliegend der von Willebrand Erkrankung SCHWARZ et al. 1997, MISCHKE u. KEIDEL 2003).

Sowohl beim Menschen als auch beim Hund zeigte sich eine negative Beeinflussung der Verschlusszeit durch einen niedrigen Hämatokrit (KUNDU et al. 1996, KEIDEL u. MISCHKE 1998). Bei einem Hämatokrit von <25 % traten beim Hund deutlich längere Verschlusszeiten auf, was die klinische Verwendbarkeit bzw. Aussagekraft des Plättchenfunktionsanalysengerätes deutlich einschränkt, da Patienten bei denen die Überprüfung der Hämostase angezeigt ist, oft eine Anämie aufweisen (KEIDEL u. MISCHKE 1998) .

2.3 Störung der primären Hämostase bei hämatopoetischen Tumoren